Es ist richtig, dass die Regierung keinen Befehl gab. Aber wenn Du dich mit der Kolonialpolitik der deutschen Regierung befasst, wirst Du sehen das sie den Mord gebiligt haben und es genügend Befürworter für den Mord an den Hereros gab. Deshalb bekam der "gute" Trotha auch einen Orden.
Obige Mutmaßung ist falsch und zeugt von mangelnder Kenntnis deutscher Kolonialgeschichte. Trothas Kriegsführung stand im krassen Widerspruch zu den Zielen deutscher Kolonialpolitik. Letztlich haben sich sowohl der Chef des Generalstabes Schliffen als auch der Reichskanzler Bülow gegen Trothas Kriegsführung ausgesprochen.
Da Generalleutnant v. Trotha im Mittelpunkt des Vorwurfes eines Völkermordes bzw. Vernichtungskrieges steht, müssen wir uns mit dessen Person etwas ausführlicher befassen.
Hier die Fakten:
1. Trothas Ernennung
Die Ernennung Trothas zum Kommandeur der Schutztruppe für Deutsch-Südwestafrika erfolgte durch Kaiser Wilhelm II gegen den Rat aller Fachleute. Generalmajor Ritter von Endres berichtete am 10.05.1904 an das Bayerische Kriegsministerium: „dass die Ernennung des Generalleutnants v. Trotha zum Führer des Expeditionskorps gegen den Widerspruch des Reichskanzlers, des Chefs des Generalsstabes und des Kolonialdirektors von seiner Majestät verfügt wurde". Trotha verfügte über eine „stattliche Gestalt", welche dem bekanntlich auf Äußerlichkeiten großen Wert legenden Kaiser Wilhelm II für Kompetenz und Führungseigenschaften zu bürgen schien. Im Offizierskorps der Schutztruppe, insbesondere bei den „alten Afrikanern", stieß die Ernennung Trothas fast durchgehend auf Ablehnung.
2. Trothas Feldzug gegen die Herero
Trothas Feldzug zerfällt in zwei Phasen. Von Juni bis September 1904 verfolgte Trotha das Ziel, eine militärische Entscheidung durch Vernichtung des kämpfenden Feindes, d. h. der Waffen tragenden Herero herbeizuführen. Die Waterbergschlacht am 11.08.1904 erwies sich jedoch als Fehlschlag, da es den Herero gelang, sich den Abzug in die Omaheke zu erkämpfen. Die später aufgenommene Verfolgung erreichte ihr Ziel nicht, die Herero noch einmal zum Kampf zu stellen. Wassermangel, Hitze, Strapazen und ausbrechende Krankheiten führten zum vollständigen Zusammenbruch der Schutztruppe. Im Laufe des Septembers erkannte Trotha, dass er gescheitert war. Spätestens ab Oktober müssen die Operationen der völlig erschöpften Soldaten gegen die Herero als sinnloser Aktivismus bezeichnet werden, um vor der Öffentlichkeit die Fiktion einer planmäßig und erfolgreich verlaufenden Militärkampagne aufrechtzuerhalten. Der als „Schießbefehl" bekannt gewordene Befehl Trothas vom 02.10.1904 wurde von Offizieren der Schutztruppe als „Teil einer Farce" bezeichnet, welcher das Scheitern Trothas verdecken sollte.
3. Widerstand gegen Trothas Kriegsführung
Von Anfang an hatte Trothas Kriegsführung zu Kontroversen innerhalb der Schutztruppe geführt. Als sich im Laufe des Septembers Trothas Scheitern abzeichnete, kam es am 11.09.1904 im Gefechtsstand des Hauptquartiers in Oparakane zu einer Revolte der Generalsstabsoffiziere gegen Trotha "wegen der Art der Kriegführung". Trotha sah sich sowohl wegen der Überforderung der Truppe als auch wegen den Planungen seiner Kriegführung für die zweite Phase des Feldzuges, welche der Tradition deutscher Streitkräfte nicht entsprach, einer Front seines Stabes gegenüber. Als Folge dieser Auseinandersetzung stellte der Chef des Generalstabes der Schutztruppe, Oberstleutnant i. G. Charles de Beaulieu, seinen Posten zur Verfügung.
Beaulieu war vor seiner Verwendung in Afrika Adjutant des Generalstabschefs v. Schlieffen und dann Leiter der Zentralabteilung des Großen Generalstabes gewesen und galt als hervorragender Stabsoffizier. Mit dem Einsatz von Beaulieu im Truppengeneralstab hatte Schlieffen dem seiner Ansicht nach ungeeigneten Trotha einen hoch qualifizierten Offizier mit politischem Denkvermögen zur Seite gestellt. Der Rücktritt von Beaulieu beweist, dass Trothas Kriegsführung den Vorstellungen des Großen Generalstabes in der Heimat nicht entsprach. Die Berichte des nach Berlin zurückgekehrten Beaulieu über Trothas verfehlte Kriegsführung trugen dann auch maßgeblich dazu bei, dass Schlieffen sich letztlich von Trothas Kriegsführung distanzierte.
4. Trothas Abgang
Bereits vor dem Waterbergfeldzug war Trotha von den „alten Afrikanern" in der Schutztruppe als „Theatergeneral" bezeichnet worden. Nach Trothas Scheitern kam es zu einem vollständigen Verlust seiner Autorität, sowohl innerhalb der Schutztruppe als auch bei den Afrikanern. Hilflos musste Trotha mit ansehen, wie ihm die Kriegsführung im Namaland entglitt. Am 25.09.1905 meldete Trotha der heimischen Kriegsleitung, dass sein längeres Verbleiben im Schutzgebiet nicht mehr erforderlich sei. Das Rücktrittsgesuch Trothas stellt das Eingeständnis seines eigenen Scheiterns dar. Nun musste auch Kaiser Wilhelm II erkennen, dass der von ihm protegierte Trotha gescheitert und nicht mehr zu halten war. Auf allerhöchsten Befehl verließ Trotha am 19.11.1905 Südwestafrika, zu einem Zeitpunkt, da im Namaland schwerste Kämpfe tobten. Um die Fiktion eines erfolgreichen Hererofeldzuges aufrechtzuerhalten war man gezwungen, wider besseren Wissens Trotha mit dem pour le merite auszuzeichnen und dessen Darstellung einer planmäßig verlaufenen und erfolgreichen Militärkampagne zu decken. Schließlich galt es, das militärische Ansehen des Reiches und den Nimbus der deutschen Streitkräfte zu wahren. Die tatsächliche Wertschätzung Trothas an allerhöchster Stelle kann man daran erkennen, dass er bei seiner Rückkehr nach Berlin vom Kaiser nicht empfangenen wurde.
Dass letztlich weder die politischen noch die militärischen Führung des Reiches Trothas Art der Kriegsführung billigten, zeigt die Tatsache, dass dessen „Schießbefehl" zum Zeitpunkt von Trothas Abgang bereits längst aufgehoben worden war.
Nachdem Trothas Kriegsführung sich als verheerend für das Schutzgebiet erwiesen hatte, trat nach seinem Abgang eine merkliche Wende ein. Die „alten Afrikaner" übrnahmen nach und nach wieder das Kommando. Anfang 1907 ernannte Kaiser Willhelm II mit Major von Estorff den schärfsten Kritiker von Trothas Kriegsführung zum neuen Kommandanten der Schutztruppe von Deutsch-Südwestafrika. Nach Schlieffen und Bülow hatte damit auch der Kaiser klar gemacht, dass er Trothas Handlungsweise eben nicht billigte.
Gneisenau