War der Bau der Mauer sinnvoll?

Andronikos schrieb:
Es herrschte Kalter Krieg! Und da sind 1065 Tote (so bedauerlich jeder einzelne davon ist!) für einen Konflikt zwischen den beiden Großmächten durchaus einer der unblutigsten Konflikte im 20. Jhd.
Sollte man die Mauertoten wirklich einfach als Opfer des Kalten Krieges betrachten? ...Und diesen Konflikt im Bezug auf die Opferzahlen mit anderen kriegerischen Auseinandersetzungen vergleichen? Ich denke nicht! Ich denke gerade diese Sichtweise ist zu Plakativ. Hätte man nicht auch auf Mittel wie den Schießbefehl o.ä. verzichten können? Deine Darstellung lässt die Mauer ja geradezu notwendig erscheinen.
 
Eine administrative Maßnahme, ohne das man den Willen hat diese auch durchzusetzten? Dann hätte man sie auch ganz weglassen können.

Mein Vater hat seinen Wehrdienst bei den Grenztruppen gemacht. Wenn ihm ein Flüchtling vors Gewehr gelaufen wäre (was glücklicherweise, für Beide, nicht passiert ist) hätte er wohl schießen müssen. :(
 
Robert Craven schrieb:
Liebe Ursi, entschuldige bitte, wenn ich die Aufgabe des Historikers, wie ich sie sehe, ein wenig präzisiere. Meiner Ansicht nach hilft die Frage "warum alles so geschah" nicht viel weiter, möchte man solche Verbrechen in Zukunft verhindern. Als viel wichtiger erachte ich das Fragen nach dem Wie. Wie war es möglich menschenunwürdige Maßnahmen in Staats- und Gesellschaftssystemen aufzubauen, die jeglicher Ethik und jedem moralischen Verstand entgegengesetzt waren.
Die Frage "Warum" lässt sich dagegen verhältnismäßig leicht klären. Sie zielt nur auf die Intentionen der Machthaber ab, welche wohl immer auf Ideologien, Finanzen, Machterhalt oder einfach nur Hass zurück zu führen sind. Die Frage nach dem "Wie" fordert dagegen eine vergleichende Auseinandersetzung der damaligen Zusammenhänge mit den aktuellen.
:grübel: Aber natürlich kann man auch diese Frage oberflächlich mit Antworten wie: Durch Militärischen Druck etc. abflachen.
Was uns wieder zeigt, dass es nicht reicht eine Frage zu stellen, sondern diese auch genau definiert werden sollte, um flachen Antworten vor zu beugen. Aus diesem Grund finde ich auch die Frage des Lehrers nicht sehr wohl überlegt gestellt. Sie impliziert geradezu eine positive oder negative Antwort des Schülers und leider keine differenzierte.

Danke für die Präzisierung, klar finde ich die Frage nachdem wie auch sehr wichtig. Es ergänzt sich mit dem warum, weshalb.

Was bei der Frage des Lehrers noch wichtig zu wissen wäre. An welche Altersgruppe wurde sie gestellt und ist es wirklich die ganze Frage? :grübel:
 
@ andronikos: ich sehe aber einen deutlichen Unterschied darin, wenn man eine Mauer baut, wie die Chinesen, um sich vor Einfällen zu schützen, oder eine, um im Prinzip das eigene Volk im ungeliebten Staat einzusperren.
 
Ashigaru schrieb:
@ andronikos: ich sehe aber einen deutlichen Unterschied darin, wenn man eine Mauer baut, wie die Chinesen, um sich vor Einfällen zu schützen, oder eine, um im Prinzip das eigene Volk im ungeliebten Staat einzusperren.
Ist es nicht so, dass der "Sinn" einer Massnahme von ihrem "Zweck" abhängt.

Bedeutet das nicht, dass der Sinn einer Massnahme daran gemessen wird, in welchem Umfang die Massnahme ihren Zweck erfüllt.

War der Zweck des Mauerbau's, die Abwanderung der Bevölkerung in den Westen zu behindern, so war die Massnahme des Mauerbau's sinnvoll.
 
Zuletzt bearbeitet:
@collo: eine der lehren, die m.e. nach aus dem nationalsozialismus und ánderem zu ziehen ist, ist die, den begriff "sinn" nicht total zu verwenden und allen innerweltlichen sinnstiftungsversuchen zu widerstehen, also erstragen zu lernen, ohne solchen positiv gemeint "sinn" auszukommen.

im übrigen finde ich es bedenklich, hinsichtlich ihrer verbrechen, den nationalsozialsmus und das unrechtsregime ddr undifferenziert in einem satz als scheinbar gleichrangig aufzuführen. ich finde, daß man da doch ein wenig die -vor allem qualitativen aber auch quantitativen- unterschiede berücksichtigen sollte. soviel als beispiel zum thema sorgsamer sprachgebrauch.

aus der meiner ansicht nach falschen sicht der mauererrichter machte es durchaus sinn, ihr werktätigenparadies gegen das vermeindliche schlaraffenland des imperialistischen uns ausbeuterischen klassenfeindes rigeros abzuschotten, um den feind die waffe der verführung und verlockung ein wenig stumpfer zu machen.

man muß die beweggründe ja nicht gutheißen, wenn man die in sich geschlossene logik und sinnhaftigkeit des mauerbaus erkennt.

ponzelar
 
ponzelar schrieb:
man muß die beweggründe ja nicht gutheißen, wenn man die in sich geschlossene logik und sinnhaftigkeit des mauerbaus erkennt.
ponzelar

Lieber Ponzelar,
ich will nicht mit Moral kommen. Aber die Wirklichkeit hat den Unsinn der Mauer und der übrigen Grenzanlagen offengelegt. Es wurden ungeheuere Mittel für die Errichtung und Bewachung ausgegeben. Die DDR konnte deshalb nicht explödieren sondern sie implodierte aufgrund der vielen Ausreiseanträge, der Flucht über Ungern und der Botschaftsbesetzung in Prag.
Die Geschichte bewies, dass auch ein Mauerbau den Gang der Dinge auf Dauer nicht aufhalten konnte. Wie sagte Gorbatschow so schön: "Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben". :rolleyes:
 
mag ja sein, heinz, aber wann wäre die ddr wohl implodiert, wenn es die mauer nicht gegeben hätte?

ponzelar
 
Wenn ich es richtig sehe, sind bisher drei wichtige Aspekte wenig bis unberücksichtigt geblieben:

1. Selbst Adenauer hat trotz verbaler Radikalität die Beziehungen zwischen der Bundesrepublik und der UdSSR (als Haupt-oder Mitverantwortlichen) durch den Mauerbau nicht als verschlechtert beurteilt.
2. Kennedy sah den Mauerbau offenbar als Maßnahme, die den Status quo in Mitteleuropa festschrieb, d.h. stabilisierte, weil so ein potentieller Krisenherd entschärft worden war und die UdSSR damit ihre vermuteten oder tatsächlichen Expansionsbestrebungen in Mitteleuropa aufgegeben hatte. Daran waren die USA massiv interessiert. Nach 1961 wandten sie sich dann erkennbar auch verstärkt außenpolitisch anderen Weltregionen (Cuba, Vietnam usw.) zu.
3. Der Mauerbau eröffnete Möglichkeiten eines "Wandels durch Annäherung", wie 1962 von Egon Bahr formuliert und dann schrittweise umgesetzt.
Der Mauerbau stellte also quasi einen Höhe- und Wendepunkt des Kalten Krieges dar.
 
ich weiß nicht, ob es überhaupt sinn macht, mich hier noch einmal zu melden:

mein ausgangspunkt war die ominöse frage des unbekannten lehrers an seine schüler "war der bau der mauer sinnvoll".

mich hat dieses letzte wort gestört, sinnvoll = vernünftig, klug, durchdacht. für mich kann es in diesem fall nur eine sinnvolle antwort geben: nein, nicht sinnvoll, weil unvernünftig, unklug, nicht durchdacht (natürlich hatten die machthaber in ostberlin ihre gründe, die in ihren augen klug, vernünftig und durchdacht waren).

ich will diese gründe hier gar nicht aufzählen, denn erstens sind sie mir geläufig und zweitens geht es mir nicht darum.

achtung, provokation:

die inquisition war sinnvoll, weil die kirchenoberen...

die erschiessung indischer demonstranten in amritsar 1919 war sinnvoll, weil die britische kolonialherrschaft...

die schreckensherrschaft der jakobiner war sinnvoll, weil die revolution...

der angriff auf pearl harbour war sinnvoll, weil die japaner...

und eben auch: die errichtung der kz war sinnvoll, weil die nazis...

zumindest beim letzten punkt müsste jetzt (gerechtfertigt) ein aufschrei der entrüstung und des entsetzens losgehen!

aber warum wird hier und heute immer noch versucht, den mauerbau zu verteidigen??
 
Zuletzt bearbeitet:
collo schrieb:
aber warum wird hier und heute immer noch versucht, den mauerbau zu verteidigen??
Niemand in diesem Pfad hat versucht, den Bau der Mauer zu verteidigen. Es ging wohl vielmehr darum, zu überlegen, welcher Sinn hinter dieser historischen Tatsache gesteckt haben mag - auch aus der Sicht der DDR-Führung und überzeugter DDR-Bürger.
Dass sich uns dieser Sinn nicht erschließt, heißt noch lange nicht, dass die Frage danach nicht historisch wertvoll ist und eine mögliche Antwort nicht aufschlussreich sein kann.

An dich sei aber nebenbei die Frage gerichtet, warum du nun zum zweiten Mal in diesem Pfad die KZs der Nazis erwähnst? Macht das im Zusammenhang irgendeinen Sinn???
 
ums noch einmal zu erkläeren: ich hab die kz als das extrem-beispiel genannt, dass die frage nach "sinnvoll" oder nicht hier m.e falsch am platze ist. deshalb auch die auflistung der anderen beispiele, um mich nicht in eine ecke drängen zu lassen, in der ich nicht bin.

der begriff "sinnvoll" ist für mich einfach zu positiv besetzt, als das er auf solche dinge wie die berliner mauer oder (um ganz unpolitisch und unhistorisch zu werden) einen banalen banküberfall passen würde.

und ums gaaaanz deutlich zu sagen: hätte der lehrer gefragt, welche gründe aus sicht der sed-führung für den bau der mauer sprachen, hätte ich mich nicht so aufgeregt.

wenn man aber dann die berliner mauer mit der chinesische mauer vergleicht, oder an die "weltpolitische" lage erinnert, dann erinnert mich das fatal an die traurigen rechtfertigungsversuche von krenz und co. vor den gerichten.
 
collo schrieb:
und ums gaaaanz deutlich zu sagen: hätte der lehrer gefragt, welche gründe aus sicht der sed-führung für den bau der mauer sprachen, hätte ich mich nicht so aufgeregt.
Über die einfache Aufzählung von Gründen wollte dieser Lehrer wohl hinausgehen. Er fragte nach dem Sinn - doch wohl, um begründete Einschätzungen abzufragen. Kaum wird er von seinen Schülern erwarten, dass diese den Mauerbau verteidigen; eher schon, dass sie versuchen, historisch begründet die Sicht der DDR-Führung darzulegen um diese mittels heutigem historischem Kenntnisstand zu verwerfen. Vielleicht ging es ihm aber auch darum, der DDR-Führung bewusste Täuschung und Lüge nachzuweisen - schon einmal darüber nachgedacht? Mit Gründen allein kommt man jedenfalls an allen genannten Stellen nicht weiter.

Im Übrigen: Auch Gründe allein erklären nicht die Konzentrationslager!
 
Gründe sagen schon aus, ob etwas sinnvoll gewesen ist..., man muss nur abschätzen können inwiefern sie vernünftig sind.

Ich denke, die Mauer diente dem kommunistischen östlichen Block, der UdSSR, um eine Grenze zu den Amerikanern zu ziehen. Sie setzten sich in vielen Ländern direkt an die Regierung um den Machteinfluss zu wahren. Aus der Sicht des Kommunismus ist es sicher ein sinnvoller Schritt gewesen. Aus der Sicht der Bevölkerung denk ich eher nicht...Menschenrechtsverletzungen!!! Irgendwo musste ja eine Grenze zwischen den 2 Großmächten gezogen werden und durch die Einnahme von Deutschland durch die Großmächte wurde die Grenze nunmal direkt zwischen ihnen erstellt, wo sie aufeinander getroffen sind.
 
Wenn man die Diskussion um Grenz-Mauern und -zäume moralisch führen will, wird es sehr schwierig. Gibt es gute und schlechte Mauern/Zäune als Grenzanlagen oder nur schlechte?
Hier einige Beispiele, um das Problem deutlich zu machen, nicht um es hier zu diskutieren oder gar zu lösen:
Nord-/Südkorea,
USA/Mexiko,
Israel/Palästina,
Außengrenzen der EU.
Zurück zur Berliner Mauer. Dass viele Menschen darunter zu leiden hatten, wird niemand bestreiten können. Dennoch: Die Sinnhaftigkeit für Ost und West habe ich in meinem letzten Beitrag versucht zu erläutern.
 
carhahn schrieb:
Gründe sagen schon aus, ob etwas sinnvoll gewesen ist..., man muss nur abschätzen können inwiefern sie vernünftig sind.
Ach so... Womit wir dann bei der Katze sind, die sich selbst in den Schwanz beißt. :rolleyes:


Klaus P. schrieb:
Die Sinnhaftigkeit für Ost und West habe ich in meinem letzten Beitrag versucht zu erläutern.
Du hast es nicht nur versucht, es ist dir mittels der Beispiele auch gelungen. Wir erkennen nämlich, dass der Mauerbau auch aus der Sicht des Westens Sinn machte - unabhängig davon, wie wir heute dieses Faktum beurteilen.

Ich denke, an dieser Stelle setzt u.a. des Lehrers Aufgabe an!
 
collo schrieb:
hier ist übrigens nachzulesen, wie die ddr den mauerbau im nachhinein begründet begründet hat:
http://www.berlinermaueronline.de/archiv/mauerbau.htm

und um zu sehen, worüber wir hier reden:

Verzeiht, das ich gerne im Archiv wühle.
collo, diese Seite liesst sich genau so, wie ich es mal im Staatsbürgerkundeuntericht lernen musste.
Hier wird ja der Mauerbau auch noch gerechtfertigt.
Irgendwie komme ich mich verarscht vor, weil ich 5 jahre später noch die erste Strophe der DDR Nationalhymne lernen musste. " Deutschland einig Vaterland"
 
Lieber Florian,

eines bewirkte der Bau der Mauer doch, so schwer es auch für Euch war, das Ausbluten der DDR Richtung Westen hörte erstmal auf.
Ich weiß für einen Betroffenen ist das kein Trost.:rolleyes:
 
Im Oktober 1961 starb der ältere Bruder meiner Frau an der Mauer.

Meine inzwischen verstorbene Schwiegermutter hätte den Honecker noch 1990 erwürgt, wenn sie ihn erwischt hätte.

Grüße Repo
 
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