Deine Formulierung ist in der Tat doppeldeutig, aber die von mir zitierte Formulierung in der Einheitsübersetzung ist das nicht – […]
Das besagt: Sie beide waren herausragenden Aposteln, d.h. keine mittelmäßigen.
Du darfst aber nicht von der Übersetzung ausgehen - traduttore traditore - die per se immer eine Interpretation darstellt - sondern musst vom
Originaltext ausgehen.
Der ist doppeldeutig,
nicht meine Formulierung.
Und daher ist die Interpretation, dass Andronikos und Yunia/s Apostel waren eine mögliche, aber keine zwingende. Wenn sich die EÜ für diese ÜS entscheidet, ist das eine Entscheidung, die man sachlich mittragen kann, aber nicht mittragen muss.
Natürlich haben die sog. Kirchenväter versucht, Frauen der frühen Kirche unsichtbar oder zumindest unbedeutend zu machen.
Du musst nicht immer „der Kirche“ zwanghaft Bösartigkeiten andichten. Frauen sind ein integraler Bestandteil der Passions- und Missionsgeschichte. Zahlreiche Frauen - historische wie erfundene - werden als Märtyrer verehrt. Es gibt kein misogynes Programm in der alten Kirche, was die Frauen aus der Kirchengeschichte getilgt hätte. (Sicher machst du gleich mit Maria Magdalena und Gregor I. das nächste Fass auf.) Die Rollenverteilung von Männern und Frauen entsprach schlicht der ihrer historischen Umwelt. Aber wenn man diesen einfachen Sachverhalt feststellt, kann man ja nicht skandalisieren.
Junia ist nicht die einzige wichtige Zeugin des Glaubens, die von der Kirche nicht als solche anerkannt wird:
Ich bin zwar überrascht, dass du dich plötzlich als gläubig outest, denn ansonsten ist deine Empörung, dass jemand als Glaubenszeuge nicht anerkannt würde, unverständlich, aber das stimmt, wie von dir dargestellt schlicht nicht. Wie Dir aufgefallen sein wird, schreibe ich den Namen in verschiedenen Varianten:
Yunia/s
Yunias
Junia.
Warum? Weil es sich schlicht
nicht sicher klären lässt, ob es ein männlicher oder ein weiblicher Name war, deshalb schreibe ich „Yunia/s“, wenn es um den Originaltext geht und „Yunias“, wenn es um dies Interpretation als Mann bzw. „Junia“, wenn es um die Interpretation als Frau geht. Es spricht zwar mehr dafür, dass es sich um Junia (also eine Frau) handelte und weniger, dass es sich um Yunias handelte, aber wir wissen es schlicht nicht mit absoluter Sicherheit. Diese faktische Uneindeutigkeit hat in deinem Dunkelmännernarrativ keinen Platz mehr.
Junia ist nicht die einzige wichtige Zeugin des Glaubens, die von der Kirche nicht als solche anerkannt wird:
Die andere, die Paulus erwähnte, ist Thekla von Iconium. Aber schon Tertullian* verurteilte die Erwähnung Theklas in Paulus Akten als Fälschung, was aber die Kirche nicht hinderte, sie später als Heilige zu verehren - vielleicht um die Kritik an der Haltung der Kirche zu ihr zu mildern nach dem Motto: Was habt ihr alle mit der Thekla, wir kennen sie doch als eine heilige an!
Interessant, wie du versuchst, die Widersprüche in die du dich verstrickst, aufzulösen, aber wir sind hier kein Psychologieforum.
Tertullian, das sei der Vollständigkeit halber gesagt, ist kein Zeuge für die Lehrmeinung der Kirche, er galt in der Antike selbst als Abweichler.
Ich würde Tertullian - nur nebenbei - in der Ahistorizität der Thekla ausdrücklich zustimmen.
Es gibt eine Reihe von Frauen, die in der frühen Kirche eine bedeutende Rolle spielten, doch die Schriften, in denen sie erwähnt, wurden nicht in das Canon aufgenommen und als apokryph genannt, um gleichwohl immer dann, wenn es der Kirche nützlich erscheint, zitiert zu werden.
Meines Wissens gehören sowohl die vier kanonischen Evangelien, die Apostelgeschichte und auch die paulinischen Briefe zum Kanon.
Entgegen laienhafter und populärer Vorstellungen, sind die apokryphen Evangelien auch keineswegs durchweg verworfene Texte, sondern - sofern nicht gnostisch und somit völlig abgedreht - solche, die aus - oft
auch heute noch philologisch nachvollziehbaren Gründen - als unzuverlässig galten. Manche Informationen, die im Christentum Allgemeingut sind (z.B. über die Eltern Marias) stammen ausschließlich aus apokryphen Texten. Damit hatte die Kirche nie ein Problem.
Du belegst im Prinzip mit deiner Thekla-Tertullian-Geschichte das Gegenteil dessen, was du behauptest: deine Behauptung, die Kirche hätte die Frauen aus der Geschichte herausgestrichen. Im Gegenteil ist der Fall: die
ahistorische Thekla wird als Heilige verehrt.
Hauptsache du kannst dich über die Kirche empören.