WK-1: "Deutschland trug zweifellos große Schuld am Kriegsausbruch"

Ich habe aber auch schon die Meinung gelesen, dass die Schutzzollpolitik, die hat Bismarck zu vertreten, wesentlich mehr dazu beigetragen hätte, dass Rußland mit Frankreich ein Bündnis angeschlossen hat, als die Nichtverlängerung des Rückversicherungsvertrags.

Mindestens 1905 hat das DR ja eine wundervolle Gelegenheit für einen "Präventivkrieg" ausgelassen. Statt dessen hat das DR Rußland aktiv (die Kohlen für das russ. Ostseegeschwader auf dem Weg nach Japan hat die Hapag geliefert, bestimmt nicht ohne Wissen der Regierung) und passiv den Rücken gestärkt und sich dafür die Feindschaft Japans eingehandelt. Das 1914 dann auch die Quittung präsentierte.
 
Repo schrieb:
Ich habe aber auch schon die Meinung gelesen, dass die Schutzzollpolitik, die hat Bismarck zu vertreten, wesentlich mehr dazu beigetragen hätte, dass Rußland mit Frankreich ein Bündnis angeschlossen hat, als die Nichtverlängerung des Rückversicherungsvertrags.

Ob es reine Dummheit war den Rückversicherungsvertrag nicht zu verlängern oder nicht greifbare diplomatische Gründe hatte, ist ja nicht unumstritten. Der Wikipedia-Artikel dazu ist ganz interessant:
http://de.wikipedia.org/wiki/Rückversicherungsvertrag

"Die heutige Forschung vertritt allerdings die These, daß ein Vertrag mit Russland durchaus mit dem Dreibund vereinbar gewesen wäre."

Das finde ich schon recht aussagekräftig. Wenn heute in der Rückschau das so als These gesehen wird, dürfte es damals keine unüberlegte Kurzschlußhandlung gewesen sein.
 
Arne schrieb:
Bismarck war 1888 ein alter, verstockter Mann. Sicher ein erfolgreicher Taktierer, aber auch "abgenutzt". Sein offensiver Kampf gegen die Sozialdemokratie lag KWII nicht. Er wollte den Ausgleich mit den Arbeitern, durch noch mehr Schutz und Entgegenkommen den Sozialdemokraten den Wind aus den Segeln nehmen. Das war nur bedingt erfolgreich, aber er hat es versucht.
Und das Fingerspitzengefühl? Klar hat er drei, vier grobe Patzer gemacht. Aber ein Teil davon ist den jeweiligen Regierungen (mit-)anzulasten (z.B. Daily Telegraph, Marokko/Panthersprung). Für 26 Jahre Regierungszeit ist das doch gar keine üble Quote, oder? Guck dir an, wie viele Fehler und Affären heute jede Regierungsperiode von 4 Jahren hat. Parteispenden etc...
Nach 25 Jahren, zum Regierungsjubiläum wurde KWII als der "Friedenskaiser" gefeiert. Ein paar Jahre später war er der Hunnenkönig Etzel..

Zum "alt und verstockt" hat ja schon jemand was geschrieben ... zum Thema der Fehler:

a) kommt drauf an, wie schwerwiegend die Fehler sind ... und meiner Ansicht nach sind es mehr als drei oder vier "grobe Patzer" (schon etwas verharmlosend, das Wort "Patzer").

b) Wenn ein Teil davon den jeweiligen Regierungen anzulasten ist, entlastet dies Wilhelm II in keiner Weise. Denn erstens ernennt er den Kanzler und zweitens hätte er ja jederzeit eingreifen können. Der "Boss" ist eben für die Fehler der Untergebenen mitverantwortlich.
 
Papa_Leo schrieb:
Zum "alt und verstockt" hat ja schon jemand was geschrieben ... zum Thema der Fehler:

a) kommt drauf an, wie schwerwiegend die Fehler sind ... und meiner Ansicht nach sind es mehr als drei oder vier "grobe Patzer" (schon etwas verharmlosend, das Wort "Patzer").

b) Wenn ein Teil davon den jeweiligen Regierungen anzulasten ist, entlastet dies Wilhelm II in keiner Weise. Denn erstens ernennt er den Kanzler und zweitens hätte er ja jederzeit eingreifen können. Der "Boss" ist eben für die Fehler der Untergebenen mitverantwortlich.

auch an Arcimboldo:
Ich habe mich da gestern gegen Mitternacht und einigen Gläsern Wein doch zu einem recht unkritischen und euphorischen Plädoyer für KWII hinreissen lassen ;) Nehmt es mal nicht zu ernst. Danke :)
 
Arne schrieb:
auch an Arcimboldo:
Ich habe mich da gestern gegen Mitternacht und einigen Gläsern Wein doch zu einem recht unkritischen und euphorischen Plädoyer für KWII hinreissen lassen ;) Nehmt es mal nicht zu ernst. Danke :)

Mach Dir keinen Kopf daraus, es sei denn der Wein wars. :prost: Wilhelm II. ist mindestens so widersprüchlich wie Richard Wagner. Auch eine Geschichte ohne Ende... Die Zwei, das wäre ein Gespann...... :D
 
Arcimboldo schrieb:
:prost: Wilhelm II. ist mindestens so widersprüchlich wie Richard Wagner. Auch eine Geschichte ohne Ende... Die Zwei, das wäre ein Gespann...... :D


Gabs doch.
Wagner und der Kini. (Ludwig II von Bayern)

Grüße Repo
 
Zum Sinn der Kriegsschuldfrage

Ponzelar am 30.09.2005 um 00.02 Uhr:
ein problem bei der kriegs"schuld"debatte scheint mir zu sein, daß stets nach der "schuld" gefragt wird. dadurch entstehen möglicherweise einige probleme:

1. ist es sehr schwer, geschichte mit moralischen methoden verstehen zu wollen.
2. wird dadurch mehr emotion erzeugt, als der debatte und der erkenntnis gut tut.
3. verleitet das womöglich, kriterien und maßstäbe in die untersuchung einfließen zu lassen, die den damals handelnden fremd waren, möglichweise fremd sein mussten.

niemand wird bestreiten, daß deutschland am zustandekommen des 1. wk erheblichen anteil hat. aber vielleicht wäre der debatte mehr gedient, statt nach der schuld ein wenig neutraler nach der verantwortung, nicht von vorne herein der einen macht, sodnern der mächte zu fragen. je nach dem, was dabei herauskommt, bleibt immer noch gelegenheit, das ganze moralisch zu werten.

Die Kriegsschuldfrage ist eine rechtspolitische und keine historische oder ethische Fragestellung.


Sie ist keine historische Fragestellung, weil für ihre Beantwortung nicht das Verständnis von Tatsachen und ihrer Ursachen ausschlaggebend ist, sondern auf deren Bewertung.


Sie ist auch keine ethische Disziplin, weil es auf die ethische Gesinnung der Handelnden gar nicht ankommt. Selbst wer aus verwerflichen Motiven seinen Gegner vom Krieg abhält, ist frei von Kriegsschuld.


Die Kriegsschuldfrage ist eine rechtspolitische Fragestellung. Diese Disziplin geht aus vom geltenden Recht, strebt aber in den Bereich der Sittlichkeit, denn sie misst das geltende Recht am Maßstab der Sittlichkeit und der Gerechtigkeit. „Hier müssen wir uns auf den Boden eines bereits werdenden Völkerrechts stellen, das im Bewusstsein der Völker schon mächtig lebt: im Sinne dieses Maßstabes sprechen wir von „Schuld“. Wenn wir einem Staate die „Schuld“ an einem Kriege geben, so meinen wir, dass er einen im Sinne des schon damals werdenden Völkerrechts nicht gerechtfertigten Krieg geführt hat. Ein solches Schuldurteil hat sich mit Recht oder Unrecht als eine ungeheure Tatsache erwiesen. Es hat Millionen von Männern gegen den für schuldig Erklärten auf das Schlachtfeld geführt; es hat den Frieden von Versailles zwar nicht geschaffen, aber in den Augen der Siegervölker gerechtfertigt erscheinen lassen. Es ist völlig aussichtslos, statt nur die bisherige Beantwortung der Schuldfrage zu widerlegen, diese Frage selbst aus der durch sie bewegten Welt schaffen zu wollen. Die Völker wissen wohl, dass mit dem Verdammungsurteil über die Kriegsschuldigen das stärkste sittliche Bollwerk gegen den nächsten Krieg dahinsinken würde. Noch verfehlter ist es, die geschichtlichen Vorgänge überhaupt dem moralischen Urteil entrücken zu wollen. Das setzt logisch voraus, dass der Politiker keinerlei Pflichten, also auch weder Ehre noch Gewissen hat, also überhaupt kein Mensch, sondern eine Bestie in Menschengestalt ist. Denn wo es Pflichten gibt, da gibt es auch je nachdem Verdienst und Schuld“ (Hermann Kantorowicz, Kriegsschuldfrage 1914, hrsg. von Immanuel Geiss, 1967, S. 99, 100 f.).
 
Gandolf schrieb:
Die Kriegsschuldfrage ist eine rechtspolitische und keine historische oder ethische Fragestellung.
Sie ist auch keine ethische Disziplin, weil es auf die ethische Gesinnung der Handelnden gar nicht ankommt. Selbst wer aus verwerflichen Motiven seinen Gegner vom Krieg abhält, ist frei von Kriegsschuld.

Die Kriegsschuldfrage ist eine rechtspolitische Fragestellung. ..

"Noch verfehlter ist es, die geschichtlichen Vorgänge überhaupt dem moralischen Urteil entrücken zu wollen. Das setzt logisch voraus, dass der Politiker keinerlei Pflichten, also auch weder Ehre noch Gewissen hat, also überhaupt kein Mensch, sondern eine Bestie in Menschengestalt ist. Denn wo es Pflichten gibt, da gibt es auch je nachdem Verdienst und Schuld“ (Hermann Kantorowicz, Kriegsschuldfrage 1914, hrsg. von Immanuel Geiss, 1967, S. 99, 100 f.).

Also nun bin ich verwirrt. Willst du nun die Schuldfrage rein rechtlich oder doch moralisch-ethisch bewertet sehen? Oder willst du uns gar zeigen, daß du das anders siehst, als der zitierte Kantorowicz? :confused:
 
meinetwegen, dann bleiben wir halt bei dem begriff kriegsschuld. und unwidersprochen hatte deutschland sehr großen anteil "schuld" am zustandekommen des 1. wk. um diesen anteil "sehr groß" richtig werten zu können, muß allerdings geklärt werden, welche anderen mächte ggf. anteil "schuld" am zustandekommen des krieges hatten. nicht etwa um irgendwas aufzurechnen, sondern um ein klares bild zu bekommen. was bedeutet also "sehr groß", "sehr groß" von was und wie groß denn?
 
Arne schrieb:
Also nun bin ich verwirrt. Willst du nun die Schuldfrage rein rechtlich oder doch moralisch-ethisch bewertet sehen? Oder willst du uns gar zeigen, daß du das anders siehst, als der zitierte Kantorowicz? :confused:
Rechtspolitisch; das steht doch oben: "Die Kriegsschuldfrage ist eine rechtspolitische Fragestellung. Diese Disziplin geht aus vom geltenden Recht, strebt aber in den Bereich der Sittlichkeit, denn sie misst das geltende Recht am Maßstab der Sittlichkeit und der Gerechtigkeit.";)

Interessant finde ich, wie klar Kantorowicz 1927 die Gefahren gesehen hat, die das Verdrängen der Kriegsschuldfrage mit sich bringt: "Das setzt logisch voraus, dass der Politiker keinerlei Pflichten, also auch weder Ehre noch Gewissen hat, also überhaupt kein Mensch, sondern eine Bestie in Menschengestalt ist." Das hört sich doch schon stark nach 1933-45 an.
ponzelar schrieb:
meinetwegen, dann bleiben wir halt bei dem begriff kriegsschuld. und unwidersprochen hatte deutschland sehr großen anteil "schuld" am zustandekommen des 1. wk. um diesen anteil "sehr groß" richtig werten zu können, muß allerdings geklärt werden, welche anderen mächte ggf. anteil "schuld" am zustandekommen des krieges hatten. nicht etwa um irgendwas aufzurechnen, sondern um ein klares bild zu bekommen. was bedeutet also "sehr groß", "sehr groß" von was und wie groß denn?

ÖU und Deutschland trifft die Hauptschuld. Von ihnen ging die Initiative zum Krieg aus; siehe Eingangsbeitrag.
 
Gandolf schrieb:

Rechtspolitisch; das steht doch oben: "Die Kriegsschuldfrage ist eine rechtspolitische Fragestellung. Diese Disziplin geht aus vom geltenden Recht, strebt aber in den Bereich der Sittlichkeit, denn sie misst das geltende Recht am Maßstab der Sittlichkeit und der Gerechtigkeit.";)

Interessant finde ich, wie klar Kantorowicz 1927 die Gefahren gesehen hat, die das Verdrängen der Kriegsschuldfrage mit sich bringt: "Das setzt logisch voraus, dass der Politiker keinerlei Pflichten, also auch weder Ehre noch Gewissen hat, also überhaupt kein Mensch, sondern eine Bestie in Menschengestalt ist." Das hört sich doch schon stark nach 1933-45 an.

ÖU und Deutschland trifft die Hauptschuld. Von ihnen ging die Initiative zum Krieg aus; siehe Eingangsbeitrag.
Da muss ich dir widersprechen! DR und ÖU wird auch heute nur soviel Schuld beigemessen weil sie den anlass für den krieg boten. Die Ursache ist viel wichtiger als der Anlass. DR hat sich zu damaligen Zeiten doch nur das geholt, oder wollte sich das holen, was andere schon hatten. Z.B. die Seeherschaft Englands oder "einen Platz an der Sonne, wie Frankreich. Ich sehe das eher so, das die "alten" imperialistischen Staaten das DR nur nicht an der Aufteilung der Welt teilhaben lassen wollten.
Dann erscheint alles nämlich in einem ganz anderen Licht? N´est ce pas?
 
Seldschuk schrieb:
Da muss ich dir widersprechen! DR und ÖU wird auch heute nur soviel Schuld beigemessen weil sie den anlass für den krieg boten. Die Ursache ist viel wichtiger als der Anlass. DR hat sich zu damaligen Zeiten doch nur das geholt, oder wollte sich das holen, was andere schon hatten. Z.B. die Seeherschaft Englands oder "einen Platz an der Sonne, wie Frankreich. Ich sehe das eher so, das die "alten" imperialistischen Staaten das DR nur nicht an der Aufteilung der Welt teilhaben lassen wollten.
Dann erscheint alles nämlich in einem ganz anderen Licht? N´est ce pas?

Gibt jetzt zwei Möglichkeiten: Entweder man sieht den Imperialismus als Unrecht oder nicht.

Sieht man ihn nicht als Unrecht, dann waren England und Frankreich halt schneller gewesen und Deutschland ging bewusst ein Kriegsrisiko ein, wenn es sich "holte, was andere schon hatten". Von daher ändert sich die Sachlage wenig.

Sieht man den Imperialismus als Unrecht, ändert sich auch wieder nix, denn ein Unrecht wird durch ein anderes Unrecht auch nicht besser.

Schon mal nachgedacht, was Dein Gedankengang alles rechtfertigen würde? Ich darf mir also das alles holen, was andere schon hatten, egal welche Mittel? Und die anderen sind schuld, weil die hatten das schon vorher und wollten das nicht teilen?

Klar liegt ein Teil der Verantwortung auch bei den anderen Ländern, aber sowohl beim Anlass (Juli-Krise) als auch bei der Vorgeschichte (Haldane Mission, Kriegsrat, Panther-Sprung etc) kommen Deutschland und Österreich nicht sonderlich gut weg.
 
Zuletzt bearbeitet:
Papa_Leo schrieb:
Gibt jetzt zwei Möglichkeiten: Entweder man sieht den Imperialismus als Unrecht oder nicht.

Sieht man ihn nicht als Unrecht, dann waren England und Frankreich halt schneller gewesen und Deutschland ging bewusst ein Kriegsrisiko ein, wenn es sich "holte, was andere schon hatten". Von daher ändert sich die Sachlage wenig.

Sieht man den Imperialismus als Unrecht, ändert sich auch wieder nix, denn ein Unrecht wird durch ein anderes Unrecht auch nicht besser.

Schon mal nachgedacht, was Dein Gedankengang alles rechtfertigen würde? Ich darf mir also das alles holen, was andere schon hatten, egal welche Mittel? Und die anderen sind schuld, weil die hatten das schon vorher und wollten das nicht teilen?

Klar liegt ein Teil der Verantwortung auch bei den anderen Ländern, aber wer sowohl beim Anlass (Juli-Krise) als auch bei der Vorgeschichte (Haldane Mission, Kriegsrat, Panther-Sprung etc) kommen Deutschland und Österreich nicht sonderlich gut weg.
Du hast Recht Leo! Doch ich sehe oder soll die Geschichte aus der damaligen Sicht sehen. Und damals war es sicherlich opportun andere Länder zu kolonisieren. Auch wenn das heute verpöhnt ist. Damals war es gang und gebe. Man muss die Medaille auch umdrehen und sie sich von hinten anschauen. Genauso wie heute. Den Persern ist es nicht klar zu machen, warum die Israelis die einzige Atommacht im Nahen Osten bleiben dürfen und den Persern dies verwehrt bleibt, genauso wie dem Irak. Dies ist wie unsrer heutige Debatte eine einseitige Sichtweise.
 
Gandolf schrieb:
Rechtspolitisch; das steht doch oben: "Die Kriegsschuldfrage ist eine rechtspolitische Fragestellung. Diese Disziplin geht aus vom geltenden Recht, strebt aber in den Bereich der Sittlichkeit, denn sie misst das geltende Recht am Maßstab der Sittlichkeit und der Gerechtigkeit.";).

Aha, alles klar. Aber Kantorowicz will ja durchaus auch moralisch-ethische Sichtweisen beachtet sehen: "Noch verfehlter ist es, die geschichtlichen Vorgänge überhaupt dem moralischen Urteil entrücken zu wollen." So gesehen, stimmst du also nicht mit ihm überein, richtig?

Gandolf schrieb:
Interessant finde ich, wie klar Kantorowicz 1927 die Gefahren gesehen hat, die das Verdrängen der Kriegsschuldfrage mit sich bringt: "Das setzt logisch voraus, dass der Politiker keinerlei Pflichten, also auch weder Ehre noch Gewissen hat, also überhaupt kein Mensch, sondern eine Bestie in Menschengestalt ist." Das hört sich doch schon stark nach 1933-45 an.

Deiner Erkenntnis, daß er schon vor dunklen Wolken eines kommenden neuen Konfliktes warnte, kann ich zustimmen. Obwohl ich auch hier einen anderen Satz zitiert hätte. Statt dem oberen, diesen: "Die Völker wissen wohl, dass mit dem Verdammungsurteil über die Kriegsschuldigen das stärkste sittliche Bollwerk gegen den nächsten Krieg dahinsinken würde."
Aber im Ergebnis sind wir uns einig. Eine Diskussion über Kriegsschuld und Hintergründe ist immer auch ein Weg neue Kriege zu verhindern.

Der von dir zitierte Satz ist allemal zweimal gründlich zu lesen, denn ich finde ihn insofern bemerkenswert, als da durchaus ein hintergründig erhobener, mahnender Finger herausgelesen werden kann, gegen die Ansicht Pflichterfüllung erledigt sich mit einer Art Befehlsgehorsam ohne Gewissensprüfung. Also die im Militarismus geborene Verhaltensweise, das zu tun, was verlangt wird ohne das eigene Gewissen zu prüfen. Das führte bekanntlich zum "Kadavergehorsam" 33-45 und wurde als Entlastungsversuch des Befehlsnotstandes ja nach 45 öfter vorgebracht.

Nebenbei zeigt mir diese Diskussion weiter, daß man aus einem Text sehr unterschiedliches herauslesen kann, wenn man einzelne Sätze für sich, aus dem Zusammenhang gerissen, zitiert. Aber die Arbeit von Herrn K. ist weder die Bibel noch der Koran oder ähnliches und einzelne Sätze haben nicht den Weisheits-Stellenwert von Bibelversen oder Koransuren ;)
 
Arne schrieb:
[,Aber im Ergebnis sind wir uns einig. Eine Diskussion über Kriegsschuld und Hintergründe ist immer auch ein Weg neue Kriege zu verhindern.[/font]

Lieber Arne,
gerade da bezweifele ich. Schau Dir den Verseiller Vertrag an. Dort wurde die Kriegsschuld von Deutschland schriftlich festgehalten. Was geschah, Die rechten Parteien in Deutschland kämpften immer gegen diesen Pasus, bis von dem ganzen Vertrag nichts mehr übrig war.
 
heinz schrieb:
Lieber Arne,
gerade da bezweifele ich. Schau Dir den Verseiller Vertrag an. Dort wurde die Kriegsschuld von Deutschland schriftlich festgehalten. Was geschah, Die rechten Parteien in Deutschland kämpften immer gegen diesen Pasus, bis von dem ganzen Vertrag nichts mehr übrig war.
Lieber heinz,;)
ich glaube, du mißverstehst mich da. Ich meine mit "Diskutieren" nicht "Zerreden", sondern sich über die Hintergründe Gedanken machen, Gründe finden, feststellen und zukünftig vermeiden.
 
Arne schrieb:
Aha, alles klar. Aber Kantorowicz will ja durchaus auch moralisch-ethische Sichtweisen beachtet sehen: "Noch verfehlter ist es, die geschichtlichen Vorgänge überhaupt dem moralischen Urteil entrücken zu wollen." So gesehen, stimmst du also nicht mit ihm überein, richtig?

:confused:
"denn sie misst das geltende Recht am Maßstab der Sittlichkeit und der Gerechtigkeit". Dieser Nebensatz stammt übrigens auch von Kantorowicz.;)
Arne schrieb:
Der von dir zitierte Satz ist allemal zweimal gründlich zu lesen, denn ich finde ihn insofern bemerkenswert, als da durchaus ein hintergründig erhobener, mahnender Finger herausgelesen werden kann, gegen die Ansicht Pflichterfüllung erledigt sich mit einer Art Befehlsgehorsam ohne Gewissensprüfung. Also die im Militarismus geborene Verhaltensweise, das zu tun, was verlangt wird ohne das eigene Gewissen zu prüfen. Das führte bekanntlich zum "Kadavergehorsam" 33-45 und wurde als Entlastungsversuch des Befehlsnotstandes ja nach 45 öfter vorgebracht.

Eigentlich nicht. Die von mir zitierte Passage findet man im Kapitel zum "Sinn der Kriegsschuldfrage" und bezieht sich somit auch auf diese und nicht auf das Thema Befehlsgehorsam ohne Gewissensprüfung. Aber Kantorowicz hätte sicherlich nichts gegen eine Mahnung vor dem Kadavergehorsam einzuwenden gehabt.
Arne schrieb:
Nebenbei zeigt mir diese Diskussion weiter, daß man aus einem Text sehr unterschiedliches herauslesen kann, wenn man einzelne Sätze für sich, aus dem Zusammenhang gerissen, zitiert. Aber die Arbeit von Herrn K. ist weder die Bibel noch der Koran oder ähnliches und einzelne Sätze haben nicht den Weisheits-Stellenwert von Bibelversen oder Koransuren ;)
Zitate sind ja immer Stückwerk und aus dem Zusammenhang des Gesamtwerkes gerissen. Ansonsten wären es ja keine Zitate. Entscheidend ist, dass - so wie hier - durch die Zitierweise der Sinn und Zweck des Gesamtwerkes, dessen Aussagen und Intenion, nicht verändert wird.

Selbstverständlich kommt Kantorowiczs Gutachten nicht einer göttlichen Offenbarung in der Kriegsschuldfrage gleich. Aber er hat sich mit dieser Frage eben sehr gründlich befasst und seine Erklärung dafür, weshalb es wichtig ist, sich mit der Kriegsschuldfrage auseinanderzusetzen, halte ich für sehr überzeugend und wenn ich Deinen Beitrag richtig verstehe, stimmst Du dieser ja auch ausdrücklich zu.
 
Arne schrieb:
Lieber heinz,;)
ich glaube, du mißverstehst mich da. Ich meine mit "Diskutieren" nicht "Zerreden", sondern sich über die Hintergründe Gedanken machen, Gründe finden, feststellen und zukünftig vermeiden.

Lieber Arne,
es wäre sehr schön, wenn durch dieses "Diskutieren" irgendein Krieg verhindert werden könnte. Was ich bis zum heutigen Tag erlebe, ist genau das Gegenteil davon.
 
Gandolf schrieb:
"denn sie misst das geltende Recht am Maßstab der Sittlichkeit und der Gerechtigkeit". Dieser Nebensatz stammt übrigens auch von Kantorowicz.;)

Dieser Nebensatz gehört zu einem anderen Hauptsatz deines Zitates. Komplett heißt der:

"Die Kriegsschuldfrage ist eine rechtspolitische Fragestellung. Diese Disziplin geht aus vom geltenden Recht, strebt aber in den Bereich der Sittlichkeit, denn sie misst das geltende Recht am Maßstab der Sittlichkeit und der Gerechtigkeit."

Also fordert er auch da wieder die Einbeziehung und Beachtung von Sittlichkeit und Gerechtigkeit. Er scheint "rechtspolitisch" halt als etwas anderes als "rechtlich" zu sehen. Sozusagen "Gesetz zuzüglich Moral&Ethik".
Aber eigentlich ist es mir egal, wie er das einschätzt, das ist seine Ansicht, wir haben unsere Ansichten. ;)
 
Arne schrieb:
Dieser Nebensatz gehört zu einem anderen Hauptsatz deines Zitates. Komplett heißt der:
"Die Kriegsschuldfrage ist eine rechtspolitische Fragestellung. Diese Disziplin geht aus vom geltenden Recht, strebt aber in den Bereich der Sittlichkeit, denn sie misst das geltende Recht am Maßstab der Sittlichkeit und der Gerechtigkeit."

Und wo habe ich diese Formulierungen her? "Es gibt nun aber einen letzten Weg, den rechtspolitischen. Er geht aus vom geltenden Recht, aber er strebt in den Bereich der Sittlichkeit, denn er misst das geltende Recht am Maßstab der Sittlichkeit und der Gerechtigkeit" (Kantorowicz, aaO., S. 100).
Arne schrieb:
Also fordert er auch da wieder die Einbeziehung und Beachtung von Sittlichkeit und Gerechtigkeit. Er scheint "rechtspolitisch" halt als etwas anderes als "rechtlich" zu sehen.

Zustimmung. Aber wer soll eigentlich unter "rechtspolitisch" "rechtlich" verstanden haben?:confused:
Arne schrieb:
Sozusagen "Gesetz zuzüglich Moral&Ethik".
Aber eigentlich ist es mir egal, wie er das einschätzt, das ist seine Ansicht, wir haben unsere Ansichten. ;)
"Wir"? Postest Du für eine Gruppe oder trägst Du zwei verschiedene Persönlichkeiten in Dir?:D
 
Zurück
Oben