WK-1: "Deutschland trug zweifellos große Schuld am Kriegsausbruch"

es ist schon erstaunlich, welche leidenschaften dieses thema immer noch erzeugt, zugegebenermaßen auch bei mir. niemand wird hier bestreiten wollen, daß deutschland ganz erheblichen anteil am zustandekommen des wkI hatte, dennoch dreht sich die debatte darum, was das nun bedeutet offenbar im kreis. das ganze jetzt unter dem aspekt der "kriegsschuld" zu debatieren scheint mir unglücklich zu sein, weil das dazu führt, bei der frage um den kriegsbeginn bereits den nachfolgenden friedensvertrag zu berühren.

ich glaube, es wäre angebracht, einzelne fragen in diesem zusammenhang mal getrennt zu behandeln, am besten in eigenen threads.

z.b. folgende

welche mächte waren ernsthaft friedensbestrebt in den 1910er jahren?
war es vorsatz oder "blödheit", daß deutschland im sommer 1914 auf den großen krieg zusteuerte?
kaiser, außenamt, kanzler, generalstab, wer bestimmte die richtlinien der deutschen aussenpolitik?
nach welchen maßgaben entwickelte der generalsstab die aufmarschpläne und wer wusste davon?
usw. usw.

vielleicht würde das dazu beitragen, die debatte hier zu beruhigen und zu versachlichen. vor allem aber vermeiden helfen, daß dieser interessante thread zu sehr vom thema abkommt, was sich m.e. ja zwischendurch schon abzeichnet.

ich werde die tage wohl mit verschiedenen detailfragen die forumsgemeinschaft belästigen.
 
Danke Heinz, ich hatte eigentlich eine Antwort von Papa Leo erwartet. Aber deine Antwort ist mir genauso Recht. Es ging mir bei meiner Frage nicht darum wer nun Schuld an 70/71 ist. Vielmehr interessiert mich die Argumentation. Du schreibst Frankreich habe sicherlich Schuld, aber auch Deutschland......
Wer ist denn Schuld am Krieg? Bismarck, weil er die französischen Forderungen veröffentlichte? Hatte er dazu kein Recht? Oder wußte er was folgt? Ist es Frankreich, weil sie den Krieg erklärten? War Spanien Schuld weil sie der katholischen Linie der Hohenzollern die Krone anbot? Wer war am 2. WK Schuld, Deutschland, weil sie Polen überfielen, Polen weil sie gegen den Versailler Vertrag versuchten Danzig unter ihre Kontrolle zu bringen? Haben England und Frankreich Schuld, weil sie Deutschland nicht gewähren ließen und den Krieg erklärten? (Hierauf erwarte ich jetzt keine wirkliche Antwort!)
Ich denke, es kommt nicht immer darauf an wer zuerst den Krieg erklärt. Ich denke wir sind auch alle der Meinung, daß das Kaiserreich unverantwortlich gehandelt hat. Auch daß es große Schuld hatte. Bei einem Krieg wie dem 2. Weltkrieg ist es sicherlich unstrittig den Hauptschuldigen oder sogar den Alleinschuldigen zufinden, aber beim 1. WK? Aber selbst beim 2. WK macht man es sich zu einfach, wenn man nur den Nazis die Schuld gibt. Wer verdiente am Krieg? Die Sowjetunion war am Überfall auf Polen auch beteiligt.
Damit es nicht falsch verstanden wissen, ich will Deutschlands Schuld nicht mindern (korrekter wäre wohl die Schuld der führenden Kreise in Deutschland) die Schuld und Verantwortung Dritter, Vierter, Fünfter sollte aber dabei nicht unter den Tisch fallen.
 
Lieber Beorna,
natürlich war Deutschland nicht allein am WKI schuld, sondern andere Mächte wie Serbien und Rußland auch.
Schuld war in Deutschland das nur teilweise demokratische Regierungssystem. Der Kaiser ernannte den Kanzler und der war nicht dem gewählten Parlament verantwortlich. Bei so einem System kommen halt die Schwächen in Krisenzeiten zu Tage. Wobei auch die SPD einen Teil der Schuld trifft, weil sie mit Ausnahme von Karl Liebknecht für die Kriegskredite stimmten, um nicht wieder als vaterlandslose Gesellen dazustehn.
Da wir keine parlamentariche Monarchie wie in England hatten, konnten die herrschenden Kreise vorallem die ALLdeutschen wesentlichen Einfluß auf die Politik nehmen.
 
beorna schrieb:
Haben England und Frankreich Schuld, weil sie Deutschland nicht gewähren ließen und den Krieg erklärten? (Hierauf erwarte ich jetzt keine wirkliche Antwort!)
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Doch ! ...herzliche Bitte : :) nicht Alles zusammenschmeißen hier, dafür gibts doch entsprechende Foren indenen alle von Dir in den Raum gestellten Fragen sehr eingehend behandelt werden. Hast Du diese hier schon gelesen ? dann gehts besser weiter ;) z.B :

http://www.geschichtsforum.de/forumdisplay.php?f=60

http://www.geschichtsforum.de/forumdisplay.php?f=58

Und bitte kein Spekulationsforum wie o.g. aufmachen auf welches nicht geantwortet werden darf. :confused:
 
Zuletzt bearbeitet:
beorna schrieb:
Wer ist denn Schuld am Krieg? Bismarck, weil er die französischen Forderungen veröffentlichte? Hatte er dazu kein Recht?

Bismarck hat die französischen Forderungen nicht nur veröffentlicht, sondern durch die Verkürzung der tatsächlichen Ereignisse die Situation bewusst verschärft und Frankreich provoziert. ... Und dazu hatte er dann wohl "kein Recht".
 
Papa_Leo schrieb:
Bismarck hat die französischen Forderungen nicht nur veröffentlicht, sondern durch die Verkürzung der tatsächlichen Ereignisse die Situation bewusst verschärft und Frankreich provoziert. ... Und dazu hatte er dann wohl "kein Recht".

Lieber Papa,
ich sehe es bezüglich von Bismarks Emser Depesche genauso wie Du. Er hat diese Depesche zusammengestrichen, um den Inhalt noch zu verschärfen.:rolleyes:
 
Papa_Leo schrieb:
Bismarck hat die französischen Forderungen nicht nur veröffentlicht, sondern durch die Verkürzung der tatsächlichen Ereignisse die Situation bewusst verschärft und Frankreich provoziert. ... Und dazu hatte er dann wohl "kein Recht".

Also sehe ich das richtig? Wenn man eine Depesche kürzt, ist man Schuld am Krieg, wenn man auf die Ermordung eines Thronfolgers mit Drohungen reagiert auch. Wenn man aber gegen Deutschland mobil macht ist man nicht Schuld?
Erklärt Deutschland den Krieg ist Deutschland Schuld!? Kriegt Deutschland den Krieg erklärt, hat Deutschland seine Gegner provoziert und ist trotzdem Schuld?! Diese Logik erscheint mir befremdlich.
 
beorna schrieb:
Also sehe ich das richtig? Wenn man eine Depesche kürzt, ist man Schuld am Krieg, wenn man auf die Ermordung eines Thronfolgers mit Drohungen reagiert auch. Wenn man aber gegen Deutschland mobil macht ist man nicht Schuld?
Erklärt Deutschland den Krieg ist Deutschland Schuld!? Kriegt Deutschland den Krieg erklärt, hat Deutschland seine Gegner provoziert und ist trotzdem Schuld?! Diese Logik erscheint mir befremdlich.

Beorna, komm' mal wieder etwas runter und lies was da steht - wo habe ich geschrieben, dass Deutschland (Haupt)Schuld am 1870/71 Krieg trägt? Mein Beitrag korrigierte lediglich Deine falsche Behauptung, Bismarck habe nur "veröffentlicht". Bitte weniger pauschalisierend und verkürzend bei solchen Themen - die verdienen eine differenziertere Sichtweise.
Und Deutschland (gab's ja noch gar nicht, also Preußen) trägt sicherlich eine Teilschuld. Du hast in Deinem vorher gehenden Beitrag nämlich geschickt unterschlagen - und auch jetzt besteht diese Tendenz - dass Bismarck nicht nur gekürzt hat, sondern bewusst so gekürzt hat, dass es für Frankreich (das wegen der spanischen Thronfolge und den nicht eingehaltenen Zusagen Bismarcks bzgl. der Gebiete am Rhein gereizt war) wie ein Schlag in's Gesicht war. Dazu empfehle ich einfach mal das Nachlesen und den Vergleich des Telegramms, das Bismarck von Abeken erhielt und das den Sachverhalt recht objektiv wieder gibt, mit der Zeitungsmeldung, die Bismarck daraus gemacht hat. Bismarck wollte den Krieg gegen Frankreich und die Emser Depesche war das Ende einer Reihe von Provokationen - insofern ist Preußen (Bismarck) an dem Krieg also nicht schuldlos, allerdings hat Frankreich den Krieg erklärt.

Zu Deinem Schluss bzgl. der Vergleichbarkeit 1870 und 1914 kann man auch nur kommen, wenn man unheimlich viele Details weglässt.

Die Reaktion auf das Attentat von Sarajewo war weit mehr als eine "Drohung", nämlich ein ABSICHTLICH unannehmbares Ultimatum von Seiten Österreichs an Serbien (das Österreich aber nur wegen der dt. Rückendeckung so stellen konnte). Und bei diesem Ultimatum war die "Drohung" des Angriffs mit eingeschlossen ("Serbien muss sterbien" ... würg) - und das, obwohl den Attentätern keine Beziehungen zur serbischen Führung nachgewiesen werden konnten (würdest Du nicht auch Bush die Schuld am Irak-Krieg geben? Es geschieht ein Attentat und es wird ein Zusammenhang konstruiert zwischen den Attentätern und einem Land, das ich angreifen will ...). Als Serbien wider Erwarten das Ultimatum fast völlig erfüllen wollte, war sogar für Deutschland ein Krieg in die Ferne gerückt - aber Österreich wollte nicht nachgeben. ... und die dt. Schuld liegt darin, hier wider besseres Wissen mitgezogen zu haben.

Mobilmachung alleine sagt noch recht wenig darüber aus, wer an einem Konflikt die Schuld trägt. Sie kann auch ein Zeichen dafür sein, dass man sich bedroht fühlt und verteidigen will. Das erste Land, das mobil machte, war Österreich, gefolgt von Serbien und dann auch Russland. Und ganz egal, ob Russland defensive oder offensive Absichten hatte, dieser Schritt war durchaus militärisch gerechtfertigt, denn die Mobilmachung in Russland würde länger dauern, als z.B. in Deutschland (genau damit hatte die dt. Generalität ja auch gerechnet).

Die französische Mobilmachung erfolgte erst nach einem politisch zumindest ungeschickten Ultimatum Deutschlands.

Und auf ein Argument - den Überfall auf das neutrale Belgien von dt. Seite - bist Du noch gar nicht eingegangen.

Und noch etwas: es ist zu kurz gedacht, bei der Frage nach der Verantwortung immer nur eng auf die Juli-Krise zu schauen. Trug Deutschlands Politik in den Jahren vorher entscheidend dazu bei, dass die Lage im Juli 1914 so explosiv war, dass ein Weltkrieg entstand? Ich würde sagen ja - sicherlich in stärkerem Maß, als die englische Politik und wohl auch als die russische.

Übrigens: Auch Österreich musste im Frieden von St. Germain die Schuld am Krieg anerkennen. Während ich die These von der alleinigen Schuld für nicht akzeptabel halte, denke ich doch, dass insgesamt Deutschland UND Österreich gemeinsam einen größeren Teil der Verantwortung tragen müssen.
 
Also wenn ich mir deine Antwort so durchlese, stelle ich fest, daß wir gar nicht weit auseinanderliegen. Du trägst die Fehler der deutschen und österreichischen Politik korrekt vor. Ich habe auch schon die deutsche Schuld als groß bezeichnet. Allerdings verhindert bei vielen die Schuldzuweisung an Deutschland eine wirkliche Erhellung der Ursachen des Krieges. Ein Problem war wohl bei allen beteiligten Völkern, daß der geistig-moralische Fortschritt nicht mit dem technischen mithalten konnte. Man dachte damals wohl noch Kriege führen zu können wie eh und je. An das Schlachten des Krieges dachte wohl kaum einer. Daher diskutieren wir auch nicht die Schuldfrage der napoleonischen Kriege oder des pfälzischen Erbfolgekrieges.

Wie ich am Beispiel 70/71 zeigen wollte (Meine "Verkürzungen" sind übrigends Schreibfaulheit und nicht Methode), kann man also auch Schuld sein (Teilschuld) haben, wenn man lediglich Depeschen verkürzt. Wenn das so ist, wie wollen wir das Verhalten der Entente oder Rußlands dann bewerten. Ich halte es halt nicht für möglich abschließend zu sagen, Deutschland hat 51% Schuld, Österreich 36%.....
So muß gerade Schluß machen.
 
@Beorna:

Mirfällt auf, dass Du Deine Argumente zur Kriegsschuldfrage 1914 vor allem aus dem Geschehen des Afghanistankrieges (2001), des Irakkrieges (2003) und des WK2 (1939-45) ableiten willst. Dies kann ich nicht nachvollziehen. Welche Bedeutung sollen die 1914 unmöglich unbekannten Ereignisse der Jahre 1939, 2001 und 2003 für die an der Julikrise 1914 beteiligten Verantwortungsträger der europäischen Großmächte gehabt haben? :confused:

Auch fällt mir auf, dass Du Dich kaum zur Julikrise 1914 äusserst. Dabei ist diese doch für die Kriegsschuldfrage von entscheidender Bedeutung.

Interessant finde ich allerdings Deine Frage nach der Kriegsschuld 1870/71. Es gibt da nämlich eine auffällige Parallele zwischen der Hauptschuld Frankreichs 1870 und der Hauptschuld der Mittelmächte 1914:
  • Frankreich setzte sich 1870 in der Hauptfrage durch. Es verhinderte die Thronfolge eines Hohenzollern auf den spanischen Thron. Weil es jedoch den Bogen überspannte, in dem es vom Chef des Hauses Hohenzollern, dem preußischen König, den immerwährenden Verzicht auf den spanischen Thron verlangte und nach Ablehnung dieser überzogenen Forderung zum Krieg schritt, wurde offenkundig, dass Frankreich den Krieg wollte und hierfür lediglich einen Vorwand suchte (nämlich die Ablehnung seiner völlig überzogenen Forderung). Aus diesem Grund trägt Frankreich für den Krieg von 1870/71 auch die Hauptschuld.
  • Die Parallele zu 1914 bestand nun darin, dass Österreich-Ungarn nach dem Attentat von Sarajevo zwar berechtigt war, Serbien zu bestrafen. Mit seinem Streben, Serbien als eigenständigen Machtfaktor auszuschalten, überspannte es aber den Bogen. Nachdem es zum Krieg gegen Serbien schritt, obwohl dieses das an sich unannehmbar formulierte österreichische Ultimatum bis auf wenige Punkte, die die Souveränität Serbiens betrafen, angenommen hatte, wurde ähnlich wie im Fall von Frankreich 1870 deutlich, dass Österreich-Ungarn den Krieg wollte und das Attentat hierfür als Vorwand dienen sollte.
 
Gandolf schrieb:
(.....)Aus diesem Grund trägt Frankreich für den Krieg von 1870/71 auch die Hauptschuld.
Die Parallele zu 1914 bestand nun darin, dass Österreich-Ungarn nach dem Attentat von Sarajevo zwar berechtigt war, Serbien zu bestrafen. Mit seinem Streben, Serbien als eigenständigen Machtfaktor auszuschalten, überspannte es aber den Bogen. Nachdem es zum Krieg gegen Serbien schritt, obwohl dieses das an sich unannehmbar formulierte österreichische Ultimatum bis auf wenige Punkte, die die Souveränität Serbiens betrafen, angenommen hatte, wurde ähnlich wie im Fall von Frankreich 1870 deutlich, dass Österreich-Ungarn den Krieg wollte und das Attentat hierfür als Vorwand dienen sollte.
Ist doch bemerkenswert, daß immer die Verlierer die Hauptschuld an den Kriegen hatten...:grübel:...ein Schelm, wer Böses dabei denkt. :rofl:

Ist doch schön, daß im Kriege gilt: Unrecht Tun gedeihet nicht. :rolleyes:



Nanu? Warum bekomme ich das quoten nicht hin? :confused:

Moderatörliche Antwort: Bei den mit Hunderten von eckigen Klammern gespickten Gandolf-Texten kann man schnell mal eine eckige Klammer zu viel oder zu wenig übersehen.
 
Zuletzt bearbeitet von einem Moderator:
Gandolf schrieb:
@Beorna:

Mirfällt auf, dass Du Deine Argumente zur Kriegsschuldfrage 1914 vor allem aus dem Geschehen des Afghanistankrieges (2001), des Irakkrieges (2003) und des WK2 (1939-45) ableiten willst. Dies kann ich nicht nachvollziehen. Welche Bedeutung sollen die 1914 unmöglich unbekannten Ereignisse der Jahre 1939, 2001 und 2003 für die an der Julikrise 1914 beteiligten Verantwortungsträger der europäischen Großmächte gehabt haben? :confused:

Auch fällt mir auf, dass Du Dich kaum zur Julikrise 1914 äusserst. Dabei ist diese doch für die Kriegsschuldfrage von entscheidender Bedeutung.

Interessant finde ich allerdings Deine Frage nach der Kriegsschuld 1870/71. Es gibt da nämlich eine auffällige Parallele zwischen der Hauptschuld Frankreichs 1870 und der Hauptschuld der Mittelmächte 1914:
  • Frankreich setzte sich 1870 in der Hauptfrage durch. Es verhinderte die Thronfolge eines Hohenzollern auf den spanischen Thron. Weil es jedoch den Bogen überspannte, in dem es vom Chef des Hauses Hohenzollern, dem preußischen König, den immerwährenden Verzicht auf den spanischen Thron verlangte und nach Ablehnung dieser überzogenen Forderung zum Krieg schritt, wurde offenkundig, dass Frankreich den Krieg wollte und hierfür lediglich einen Vorwand suchte (nämlich die Ablehnung seiner völlig überzogenen Forderung). Aus diesem Grund trägt Frankreich für den Krieg von 1870/71 auch die Hauptschuld.
  • Die Parallele zu 1914 bestand nun darin, dass Österreich-Ungarn nach dem Attentat von Sarajevo zwar berechtigt war, Serbien zu bestrafen. Mit seinem Streben, Serbien als eigenständigen Machtfaktor auszuschalten, überspannte es aber den Bogen. Nachdem es zum Krieg gegen Serbien schritt, obwohl dieses das an sich unannehmbar formulierte österreichische Ultimatum bis auf wenige Punkte, die die Souveränität Serbiens betrafen, angenommen hatte, wurde ähnlich wie im Fall von Frankreich 1870 deutlich, dass Österreich-Ungarn den Krieg wollte und das Attentat hierfür als Vorwand dienen sollte.
Nein,ich will sie nicht unbedingt an diesen Kriegen festmachen. Sie sollen lediglich Beispiel sein für Schuldfragen und für die moralische Legitimierung von Kriegen.
Ich bin überrascht, daß du bei 70/71 Frankreich die Hauptschuld gibst und nicht Preußen. Ich habe das Gefühl, da würden dir viele widersprechen. Allerdings hast du mir gewissen Einschränkungen sicher Recht. Doch wenn zwei sich streiten, ist das auch leichter zu klären. (Ich hab jetzt Preußen und Deutschland mal gleichgesetzt) Aber selbst hier trägt Preußen als Angegriffener doch auch Mitschuld. Bismarck, der Fuchs, mußte wissen wie Frankreich reagiert. Auch wenn er sich letztlich nicht völlig sicher sein konnte, war der Krieg doch für ihn eine mögliche Fortsetzung des Konflikts. Gerade hierauf will ich doch hinaus. Wie groß ist jetzt Bismarcks Schuld?
Und genau dies gilt für den 1. WK. Jeder ließ sich die Option des Krieges offen. Die deutsche Regierung war mit ihrem Säbelrasseln vielleicht mit am Lautesten und mit den Kriegserklärungen am Schnellsten, waren sie deshalb aber auch am Schuldigsten. Was drückt der Begriff Hauptschuld denn aus. Um mal bei Prozenten zu bleiben. Heißt das 51% oder heißt das 11% (wobei alle anderen dann unter 11% hatten). Deutschland hatte große Schuld am Ausbruch des Krieges. Das ist eine Aussage die man treffen muß, die Schuld, wohlmöglich bis aufs Komma auszuloten wäre Blödsinn.
PS: Bei deinem 2. Punkt scheint mir fast Österreich "Hauptschuldiger";) . Wieso eigentlich nicht Österreich? Weil das Land nach dem Krieg zu klein war um noch moralisch auf ihm rumzukloppen?
 
beorna schrieb:
Bismarck, der Fuchs, mußte wissen wie Frankreich reagiert. Auch wenn er sich letztlich nicht völlig sicher sein konnte, war der Krieg doch für ihn eine mögliche Fortsetzung des Konflikts. Gerade hierauf will ich doch hinaus. Wie groß ist jetzt Bismarcks Schuld?

Bismarck hat diesen Krieg provoziert. Das ist schlicht meine Meinung. Er konnte sicher sein, dass Frankreich mit Krieg reagieren würde und wurde bestätigt.
Nach dem alten christlichen Prinzip "wenn dir einer auf die rechte Backe schlägt..." hätte Frankreich eben ruhig halten müssen und schlucken - zu einer Prügelei gehören immer mindestens zwei - aber die Eitelkeit lässt dies nicht zu.

Also würde ich sagen 50/50.

Was Österreich betrifft. Das Ultimatum an Serbien war eindeutig...so eindeutig, dass es zwingend in einem Krieg enden musste, dessen war sich die gesamte damalige Diplomatie bewusst. Kurz nachdem Österreich/Ungarn das Ultimatum an Serbien gesandt hatte und die übrigen Staaten davon Kenntnis hatten, begannen viele mit ersten Kriegsvorbereitungen.

Wie ich schon in einem anderen Thread geschrieben habe, bemerkte der alte Willi zu diesem Ultimatum:
"Na, das ist doch endlich mal ein eindeutiger Wortlaut!"
Nachdem alle übrigen Diplomaten und Königshäuser von dem Ultimatum erschrocken waren - sie wussten schließlich, es bedeutet zwangsläufig Krieg - zeigt sich doch an diesem Ausspruch, dass Deutschland nichts gegen einen solchen Krieg einzuwenden hatte...im Gegenteil.

Aber Schuld?

Schwierig, denkt man an die damalige Bündnissituation.

Klar hätte man sich raushalten können...zumindest zu Beginn, aber wie lange?

Serbien hat Österreich nicht gerade - hinsichtlich der Schuldigen des Attentats - unterstützt, Österreich verlangte zu viel, Serbien war in Bezug auf Österreich/Ungarn schon lange ein Unruheherd, was also Österreich als willkommenen Anlass nahm usw.

Selbst wenn man alle Übrigen von einer Schuld oder der Schuldfrage ausnehmen wollte, wäre es meiner Meinung nach trotzdem so verlaufen wie uns die Geschichte zeigt.

Angefangen mit Serbien als ständiger Unruheherd für Österreich/Ungarn mit seinen ständigen Nadelstichen gegen das Königreich...Die Ermordung FFs...Österreichs willkommener Anlass gegen Serbien zu maschieren und dann hält sich der Rest der Welt da raus?

Selbst wenn der Rest abgewartet hätte was passieren würde, wenn Serbien "zu Hilfe" geschrien hätte, spätestens dann wäre der erste Bündnispartner Serbiens gekommen, dann mit Sicherheit Deutschland, dann der Nächste usw. ...

Meiner Meinung nach unvermeidlich, aber wer hat Schuld?

Serbien?...Nadelstiche, Attentat, Untätigkeit
Österreich?...unverschämtes Ultimatum
Deutschland? England? Russland? Frankreich?...Alle?

Im Gegensatz zum WKII (da halte ich die Schuldfrage für geklärt) ist dies m.E. beim WKI nicht so, jeder Beteiligte hatte Schuld, jeder irgendwie zu seinem Teil, keiner kann sich da rausreden..aber am meisten Schuld hatte die Gesamtsituation als solche, die das Ergebnis unvermeidbar werden lies.

Aber das ist nur meine Meinung.
 
Beorna 05.10.2005 08:43 schrieb:
Bei der Aussage Geschichte wird oft vom Sieger geschrieben, schließe ich nicht automatisch deutsche Autoren aus.
:confused:
Verstehen muss man diese Aussage beim WK1 aber nicht, oder?

Zudem wird Geschichte nicht vom Sieger eines Konfliktes geschrieben, sondern – jedenfalls soweit man auf seriöse Geschichtsschreibung Wert legt - von Geschichtswissenschaftlern.;) Deshalb interessiert auch nicht so sehr, wer was schreibt, sondern vielmehr ob das Geschriebene die Geschichte, so wie sie sich wirklich ereignet hat, richtig wiedergibt. Wenn Du also mit Krumeichs oder Kantorowiczs Einschätzung der deutschen Schuld (siehe Eingangsbeitrag) nicht einverstanden bist, wäre es angebracht, mit entsprechenden Argumenten aufzuzeigen, weshalb diese Einschätzung falsch sein soll. Die von Dir aufgelegte Platte von der „Sicht der Sieger“ ist kein Argument sondern eine Unterstellung. Diese mutet auch etwas sektiererisch an. Immerhin suggeriert diese, dass es so etwas gebe, wie eine antideutsche Verschwörung der Geschichtswissenschaftler.:mad:

Arne 12.10.05 12.30 Uhr schrieb:
Ist doch bemerkenswert, daß immer die Verlierer die Hauptschuld an den Kriegen hatten... ...ein Schelm, wer Böses dabei denkt.
Ist doch schön, daß im Kriege gilt: Unrecht Tun gedeihet nicht.
Bemerkenswert ist, dass Du hier von Schelmen sprichst. Die Platte von der "Geschichte der Sieger" wird doch meistens von Revisionisten aufgelegt, die die Geschichtsschreibung ändern wollen, aber keine Argumente dafür haben, weshalb die Geschichte neu geschrieben werden soll. Schelme würde ich solche wissensresistente Leute nicht nennen wollen.

Die Einschätzung, dass Frankreich die Hauptschuld im Krieg 1870/71 trug, wurde schon von den neutralen Staaten und der französischen Opposition zu Beginn des deutsch-französischen Krieges geteilt, als man noch gar nicht wusste, dass Frankreich den Krieg verlieren wird:
  • Für die Engländer war das überzogene, aggressive Auftreten der Franzosen neben der Belgienfrage mit ein Grund dafür, nicht zu Gunsten von Paris in den Konflikt einzutreten.
  • Adolphe Thiers hielt in der französischen Kammer am 15. Juli 1870, am Tag der französischen Kriegserklärung, eine bemerkenswerte Rede zum Krieg mit Preußen. Unter hohem persönlichen Risiko, man bezeichnete ihn als „vaterlandslose Unglückstrompete“ (Marquis de Piré), sagte er dort folgendes: "Wenn man den Krieg nicht um des Krieges willen wollte, wenn man nur das Wesentliche wollte, das heißt die Beseitigung der Frankreich feindlichen Kandidatur, so musste man sich damit begnügen; aber weitergehen hieß Prestigefragen aufrollen zwischen zwei großen, gleich empfindlichen Nationen, und der Krieg wurde unvermeidlich. (…) Ich wiederhole es also: nicht aus dem Lebensinteresse Frankreichs, sondern durch Schuld der Regierung haben wir den Krieg. (Adolphe Thiers am 15.07.1870 in der Sitzung des Corps Législatif in: Reden die die Welt bewegten, S. 130, 137).
 
Gandolf schrieb:
Bemerkenswert ist, dass Du hier von Schelmen sprichst. Die Platte von der "Geschichte der Sieger" wird doch meistens von Revisionisten aufgelegt, die die Geschichtsschreibung ändern wollen, aber keine Argumente dafür haben, weshalb die Geschichte neu geschrieben werden soll. Schelme würde ich solche wissensresistente Leute nicht nennen wollen.
Jetzt leg´ die "Revisionistenkeule" mal wieder weg und bleib ganz ruhig ;)
Meinst nicht auch - ganz nüchtern betrachtet - daß jüngere Geschichte meist von den Siegern, also den derzeitigen Machtinhabern, zumindest beeinflußt wird?

Das war so von der Antike über Früh-, Hoch-, Spätmittelalter, Reformation, Restauration etc. Erst wenn sich die Machtverhältnisse verschieben, bekommen auch die Stimmen der früheren Verlierer mehr Gehör. Dann sind jedoch meist die schriftlichen Beweise recht spärlich, weil einiges verschwunden ist.
Du brauchst jetzt gar nicht die Augen mißtrauisch zusammenkneifen: Ich will damit nicht sagen, daß wenn erstmal wieder die braunen Kolonnen durch Germania marschieren, die Nazis schon immer die Guten waren :S . Nein, ich denke schon, daß inzwischen genug Zeit ins Land gestrichen ist, wir längst nicht mehr "besetzt" sind und großen Zugriff auf die Archivalien haben. Nur alles werden wir wohl nie mehr zu Gesicht bekommen. Oder meinst du, wir können jedes Dokument, jede Notiz einer Geheimverhandlung einsehen, selbst wenn sie noch vorhanden wäre? Ich halte das für weltfremd.
 
Lieber Gandolf,
da kann ich mich Arne nur anschließen. Ich finde es schon befremdlich, daß man uns in die Ecke von Revisionisten und Verschwörungstheoretikern drängt. Ich kann auch nicht feststellen, daß Geschichtswissenschaftler frei von Fehlern oder persönlichen Ansichten sind. Darum ist jede Art von Geschichtsschreibung immer auch in gewissem Maße subjektiv und von der Einstellung des Verfassers abhängig.
 
beorna schrieb:
Lieber Gandolf,
da kann ich mich Arne nur anschließen. Ich finde es schon befremdlich, daß man uns in die Ecke von Revisionisten und Verschwörungstheoretikern drängt. Ich kann auch nicht feststellen, daß Geschichtswissenschaftler frei von Fehlern oder persönlichen Ansichten sind. Darum ist jede Art von Geschichtsschreibung immer auch in gewissem Maße subjektiv und von der Einstellung des Verfassers abhängig.

In Dorsten/Wünsche, Geschichte des ersten Weltkriegs, Militärverlag der DDR, Berlin 1988,
wird ausführlich davon berichtet, wie Poincare am 22/23. 7.1914 dem Zarenreich weitgehende Zusicherungen machte, die "dem berüchtigten Blankoscheck DR an ÖU in nichts nachstehen". Die Gesprächsprotokolle seien von der Sowjetregierung schon Anfang 1919 veröffentlicht worden. "Diese Tatsache werde von der bürgerlichen Geschichtsschreibung bis heute leider weitgehend ignoriert."

Es spielt schon eine gewisse Rolle, wer, von wem beauftragt publiziert.

Grüße Repo
 
Zitat Arne:
Nein, ich denke schon, daß inzwischen genug Zeit ins Land gestrichen ist, wir längst nicht mehr "besetzt" sind und großen Zugriff auf die Archivalien haben. Nur alles werden wir wohl nie mehr zu Gesicht bekommen. Oder meinst du, wir können jedes Dokument, jede Notiz einer Geheimverhandlung einsehen, selbst wenn sie noch vorhanden wäre? Ich halte das für weltfremd. Zitatende

In seinen beiden Werken "Durchbruch an der Oder" und "Endkampf um Berlin" schreibt Le Tessier, dass die Forschung in dieser Zeitspanne (44/45) erheblich erschwert werde, "da die unterliegende Seite so gut wie alle Akten verloren hätte, und die Akten der siegreichen Seite erst jetzt allmählich zugänglich werden".

Das ist zum 1. WK natürlich OT, verdeutlicht aber auch manches.

Grüße Repo
 
beorna schrieb:
Also sehe ich das richtig? Wenn man eine Depesche kürzt, ist man Schuld am Krieg, wenn man auf die Ermordung eines Thronfolgers mit Drohungen reagiert auch. Wenn man aber gegen Deutschland mobil macht ist man nicht Schuld?
Erklärt Deutschland den Krieg ist Deutschland Schuld!? Kriegt Deutschland den Krieg erklärt, hat Deutschland seine Gegner provoziert und ist trotzdem Schuld?! Diese Logik erscheint mir befremdlich.

Lieber Beorna,
es geht nicht darum, dass Deutschland immer Schuld hat. Außerdem sagt die förmliche Kriegserklärung nicht immer etwas über die Schuld des betreffenden Landes aus.Aber man muß doch bei den geschichtlichen Tatsachen bleiben und danach hat Bismarck, die Depesche zusammengestrichen, sicherlich im Bewußtsein, dass Frankreich entsprechend reagieren würde, :rolleyes:
 
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