WK-1: "Deutschland trug zweifellos große Schuld am Kriegsausbruch"

- der gefährlichere Gegner - schon auf Grund der Geographie Frankreich, denn ein Verlust des Rheinlandes und des Ruhrgebietes (Krupp!) wiegen ungleich schwerer als etwa Ostpreußen und Schlesien - muss zuerst geschlagen werden;
Da hätten sich die Franzosen aber anstrengen müssen. Ich glaube, dass sie dies nicht wirklich wollten. Die Hauptarbeit sollte die "russische Dampfwalze" leisten.

- das schafft möglicherweise Probleme, aber in 4 - 6 Wochen muss man gesiegt haben
Von Aachen bis nach Paris sind es auf kürzester Strecke ca. 400 km. In 5 Wochen muss man da gute 11 Kilometer am Tag schaffen. Zu Fuß mit Marschgepäck und Waffe, meinetwegen. Allerdings sollten sich einem da nicht gar zu viele Belgier und Franzosen in den Weg stellen.
Der Schlieffenplan allein wäre Grund genug, von Anfang an eine politische Lösung zu suchen. Aber nein, man sah sich wegen dieses Schlieffenplans genötigt, unbedingt Frankreich den Krieg zu erklären, ansonsten hätte man ja nicht aufmarschieren können. Uhrwerklogik. Wehe, es kommt nur ein einziges Sandkorn dazwischen.
 
Von Aachen bis nach Paris sind es auf kürzester Strecke ca. 400 km. In 5 Wochen muss man da gute 11 Kilometer am Tag schaffen. Zu Fuß mit Marschgepäck und Waffe, meinetwegen. Allerdings sollten sich einem da nicht gar zu viele Belgier und Franzosen in den Weg stellen.

Das war zwar schwierig aber nicht unmöglich.

1870 hatte die französische Armee nach einem Monat am 2. September bei Sedan kapituliert, ab dem 19. September wurde Paris belagert.

Im Mai 1914 teilte Moltke dem österreichischen Generalstabschef von Hötzendorf mit, dass man hoffe mit Frankreich in 6 Wochen fertig oder zumindest so weit zu sein, Hauptkräfte nach dem Osten verschieben zu können.

Tatsächlich stand die 1. Armee Anfang September, nachdem sie über 500 km, zum Teil kämpfend, zurückgelegt hatte, an der Marne (2 Tagesmärsche vor Paris), am 10. September, also noch innerhalb der 6 Wochen, war die Marneschlacht geschlagen - allerdings verloren.
 
So wie ich es zu verstehen glaube,
liegt eine wesentliche Schuld beim Militär des DR, welches nur einen Plan (Schlieffenplan) hatte.
Dieser detaillierte Plan beinhaltete nicht nur die Verletzung der belgischen Souveränität und den großen Zweifrontenkrieg, sondern auch das möglichst schnelle Zuschlagen im Präventivkrieg. Es wäre also die sofortige und maximale Eskalation wesentliche Voraussetzung für die Aussicht auf den Sieg.
Nun sind ja militärische Planungen stets vorhanden und werden als nützlich erachtet auf Evantualitäten zu reagieren.
Hat man aber nur einen tragfähigen Plan, noch dazu dieser Art, dann ist das nicht nur ein unverzeihliches Versagen, sondern auch geradezu kriminell.

Was mich interessiert:
Stimmen die genannten Grundaussagen und die daraus gezogenen Schlüsse?

....

Das sehe ich nicht so.

Die Rolle des Militärs ist es nun im Kriegsfall die möglichst effektivste Lösung herbeizuführen. Dass es zu diesem Kriegsfall kommt oder nicht, ist Sache der Politik und der Diplomatie, und die hat m.E. 1914 katastrophal versagt, nicht nur im DR. (Dass es damals eine ungesunde Verquickung von Politik und Militär gab, ist ein anderes Thema und betrifft ebenfalls auch andere Staaten).

Ob der Schlieffenplan nun die effektivste Lösung war, darüber lässt sich streiten. Schlieffen selber soll ja zuletzt zum Schluss gekommen sein, dass er nicht funktionieren würde.

"Präventiv" war er nicht, da man erst nach Kriegserklärung durch den Gegner zuschlug.

Die Entscheidung offensiv zu sein und den Krieg auf das Terrain des Gegners zu führen, halte ich nicht für falsch. Historisch gesehen, haben die meisten Kriege in denen Frankreich und deutsche Staaten verwickelt waren, überwiegend auf deutschen Boden stattgefunden. Die Erfahrungen von 1866 und 1870 haben jedoch gezeigt, dass es sich lohnt, schnell zu reagieren und den Krieg nach Vorne zu bringen. (Die Franzosen hatten übrigens dasselbe vor, waren aber schlicht zu langsam)

Es ist zudem eine alte Strassenprügler-Weisheit, dass, wenn man sich mit mehreren schlagen muss, man sich zuerst den herausgreifft, der am fiesesten aussieht und diesen niedermacht. Dann überlegen sich die anderen es meistens und suchen das Weite. Nur ging Frankreich nicht zu boden und die anderen waren auch noch ermutigt und es kamen noch andere hinzu (Italien).

Als "kriminell" sehe ich in dem Plan nur die Entscheidung, durch Belgien zu marschieren, da dieses ein eklatanter Bruch des Völkerrechts und der bestehende verträge war.

Zuletzt stellt sich die Frage, ob es nur diesen Plan gab. Ich glaube es war der einzige völlig ausgearbeitete Offensivplan. Er war enorm komplex und es steckte unheimlich viel Arbeit in ihm. Ich denke kaum, dass man mehrere solche Werke gleichzeitig haben konnte um im Ernstfall zuverlässig einen davon auszuwählen und ohne Verwirrung zum Einsatz zu bringen.

Das heisst aber nicht, dass man nicht auch jede andere defensive Aufstellung einnehmen könnte, wenn die Sachen von vornerein anders laufen. Die Reaktionen in Ostpreussen auf die russische Offensive entsprachen ja nicht den Schlieffenplan und sind trotztdem sehr erfolgreich gewesen. D.h. dass das vorliegen eines einzigen Offensivplans bedeutet nicht , dass man im Kriegsfall automatisch diesen durchführen muss.
 
Zuletzt bearbeitet:
Wenn ich mir den Verlauf der ersten zwei Monate ansehe, dann war der Schlieffenplan nicht schlecht, er hätte fast zum Erfolg geführt. Aber auf militärischem Gebiet wurden folgende Fehler gemacht:
  • Es wurde mit dem Angriff auf Belgien eine große politische Hypothek fest eingeplant.
  • Der Angriff auf Belgien erschwert einen Waffenstillstand nach ersten Erfolgen. So eine an sich vorteilhafte Stellung in Nordfrankreich für Verhandlungen immer mit einer Räumung Belgiens verknüpft werden müssen, für Nachschub wäre dann aber nur ein geringer Rückraum verfügbar gewesen.
  • Der Rüstungswettlauf mit England nahm die Mittel in Anspruch, die nach den Planungen aber gegen Frankreich und danach gegen Russland nötig gewesen wären.
  • Die Heeresvermehrung von 1913 kam zu spät und war zu wenig um die nötigen Mittel für den Schlieffenplan von 1905 weiter zu entwickeln.
  • Es gab keine Alternative zum Schlieffenplan, nicht nur zu Beginn sondern auch nach einem Scheitern des Plans, wie sollte es dann weiter gehen?
  • Die Rückschlüsse aus den Entwicklungen vor 1914 waren ungenügend. Weder wurde die Effektivität von Maschinengewehren erkannt, noch wurden die Möglichkeiten Russlands richtig eingeschätzt. So konnten russische Truppen schneller als erwartet mobilisiert werden als auch die geringere Bindung im Osten.
  • Die Notwendigkeit einer Kriegswirtschaft wurde komplett unterschätzt.
Insgesamt war Deutschland militärisch sehr stark. Aber für die Ideen der Politik nicht stark genug und vor allem gaben die einseitigen Planungen der Politik nicht genügend Optionen zur Hand. So wäre eine Defensive im Westen gegen Frankreich auch unter Einbeziehung der Grenze zu Belgien mit einer geringeren Bindung der Truppen möglich gewesen und somit hätte im Osten die Mobilmachung Russlands besser beantwortet werden können. Dieses Vorgehen wäre militärisch eher den Möglichkeiten entsprechend gewesen und hätte dem Verteidigungscharakter entsprochen.

Der Fehler der Politik war, diese militärische Fehlentwicklung nicht zu erkennen und ihr entgegen zu steuern. Dazu gehört für mich in erster Linie das zu lange Warten mit der Heeresvermehrung, die halt den Einfluss des Adels beim Militär verringert hätte.
 
Im Deutschen Reich hat das Militär mit dem Auswärtigen Amt so gut wie gar nicht zusammengearbeitet. Das ging sogar so weit, das die Reichskanzler Bülow bzw. Bethmann-Hollweg erst relativ spät von den militärischen Planungen Kenntnis bekamen. Bestürzenderweise muss man den Herren attestieren, das sie keinen Protest eingelegt haben, sondern es einfach hinnahmen.

Schlieffen seine Überlegungen von 1905/06 sahen keinen Zweifrontenkrieg vor. Seine Denkschrift, die übrigens kein detailliert ausgearbeiter Operationsplan war, trägt dementsprechend auch den Titel Krieg gegen Frankreich.

Dann gab es lange Zeit durchaus einen Alternativplan, nämlich den Großen Aufmarsch Ost. Schlieffen ließ den Großen Aufmarsch Ost laufend bearbeiten und zwar für den Fall, das Frankreich eben neutral bliebe, was aufgrund der Militärkonvention wenig wahrschenlich war.

Moltke hat diese Bearbeitung später dann einstellen lassen, da aus seiner Sicht unbedngt zuerst Frankreich besiegt werden müsse, eine Entscheidung in Russland, beispielsweise ungenügender Ausbau des deutschen Eisenbahnnetzes, wohl nicht fallen würde und schließlich der Aufwand für diese zweigleisige Planung zu hoch sei.

Zum Schlieffenplan selbst kann man beispielsweise folgendes anmerken:

Derdeutsche Generalstab ist davon ausgegangen, das belgisch-französische Eisenbahnnetz weitestgehend unzerstört in die Hände zu bekommen. Niemand sah, warum auch immer, die umfassende und gründliche Zerstörung von Brücken, Tunneln etc. voraus. In der Konsequenz bedeutete dies in der wichtigen Eröffnungsphase des Krieges, dass die Eisenbahnen den Truppen nicht hinreichend schnell beim Vormarsch nicht folgen konnten. Es musste der Nachschub häufig genug aus den Zügen in Lkw, sofern vorhanden, und Pferd und Wagen verladen werden. Das war ein zeitintensives Geschäft.

So waren, ganz entscheidend,viel zu wenig Wasser für die Truppen und zu wenig Futter für die Pferde vorhanden. Eine Katastrophe bei der sengenden Hitze und einer täglichen Marschleistung von 25 bis 35 kilometer
 
Informationen über militärische Planung hin oder her.
Diese Problematik hat mit der Schuldfrage nur dann eine Übereinstimmung, wenn es ein Präventivkrieg wäre oder eine offene Aggression (beides ist im 1.WK nicht der Fall!) und dabei spielt es auch wieder ein untergeordnete Rolle, welche strategischen oder taktischen Planungen vorhanden sind oder auch nicht.
 
Das war zwar schwierig aber nicht unmöglich.

1870 hatte die französische Armee nach einem Monat am 2. September bei Sedan kapituliert, ab dem 19. September wurde Paris belagert.

Im Mai 1914 teilte Moltke dem österreichischen Generalstabschef von Hötzendorf mit, dass man hoffe mit Frankreich in 6 Wochen fertig oder zumindest so weit zu sein, Hauptkräfte nach dem Osten verschieben zu können.

Tatsächlich stand die 1. Armee Anfang September, nachdem sie über 500 km, zum Teil kämpfend, zurückgelegt hatte, an der Marne (2 Tagesmärsche vor Paris), am 10. September, also noch innerhalb der 6 Wochen, war die Marneschlacht geschlagen - allerdings verloren.

Hierbei ist aber zu beachten, das der Operationsraum und die zu bewegenden Massen 1914 erheblich größer waren.
 
Niemand sah, warum auch immer, die umfassende und gründliche Zerstörung von Brücken, Tunneln etc. voraus.
Sah es wirklich keiner oder wollte man es nicht wahrhaben oder glaubte man diesen Punkt ignorieren zu können?

Die von Dir angeführte Hinnahme der Nichtabstimmung mit den Mitlitärs durch die Politik ist mir auch unverständlich. Offenbar glaubte man nicht gegen die kaiserliche Ordnung angehen zu dürfen.
 
Informationen über militärische Planung hin oder her.
Diese Problematik hat mit der Schuldfrage nur dann eine Übereinstimmung, wenn es ein Präventivkrieg wäre oder eine offene Aggression (beides ist im 1.WK nicht der Fall!) und dabei spielt es auch wieder ein untergeordnete Rolle, welche strategischen oder taktischen Planungen vorhanden sind oder auch nicht.
Das Problem sind doch hier nicht vorhandenen Pläne sondern die eben nicht vorhandenen. Nur dadurch wurde der Handlungsspielraum so weit verengt, dass alle Mechanismen so liefen wie sie liefen.

Das deutsche Gefühl eines Verteidigungskrieges war mit dem Angriff auf Belgien nicht mehr im Ausland vermittelbar.
 
Das Problem sind doch hier nicht vorhandenen Pläne sondern die eben nicht vorhandenen. Nur dadurch wurde der Handlungsspielraum so weit verengt, dass alle Mechanismen so liefen wie sie liefen.

Das deutsche Gefühl eines Verteidigungskrieges war mit dem Angriff auf Belgien nicht mehr im Ausland vermittelbar.

Jetzt wirds immer bunter hier!:motz:

Deutschland ist also am 1.WK schuldig, weil es keine strategischen oder taktischen Pläne für Kriegshandlungen vorliegen hatte? :nono:
 
Informationen über militärische Planung hin oder her.
Diese Problematik hat mit der Schuldfrage nur dann eine Übereinstimmung, wenn es ein Präventivkrieg wäre oder eine offene Aggression (beides ist im 1.WK nicht der Fall!) und dabei spielt es auch wieder ein untergeordnete Rolle, welche strategischen oder taktischen Planungen vorhanden sind oder auch nicht.


Das ist mir durchaus bewußt und trotzdem sind es keine uninteressanten Informationen.

Darüberhinaus muss man aber konstatieren, das durch die Implikationen des Schlieffenplanes der diplomatische Handlungsspielraum der Reichsleitung eingengt worden war und das geht gar nicht; schon gar im Zuge schwerer diplomatischer Krisen.
 
Das deutsche Gefühl eines Verteidigungskrieges war mit dem Angriff auf Belgien nicht mehr im Ausland vermittelbar.

Das Gefühl der "Angegriffene" zu sein, der sich nur verteidigt, sollte ja auch primär der eigenen bevölkerung vermittelt werden und das ist gelungen. Die Reichsleitung hat die eigene Bevölkerung gezielt getäuscht.
 
Darüberhinaus muss man aber konstatieren, das durch die Implikationen des Schlieffenplanes der diplomatische Handlungsspielraum der Reichsleitung eingengt worden war und das geht gar nicht; schon gar im Zuge schwerer diplomatischer Krisen.

Na damit wären wir aber wieder bei der Problematik der enormen Spannung zwischen Frankreich und Deutschland seit dem Krieg 1870/71 und der Krisen, wie z.B. 1878. Dabei wird der militärische Spielraum und die Überlegungen dazu, im Vorfeld auch von außenpolitischen Aspekten beeinflusst und nicht anders herum.
 
Der Schlieffenplan hat genaugenommen Frankreich und Großbritannien fix als Kriegsgegner gesetzt, denn das GB durch die Besetzng Belgiens nicht mehr neutral bleiben würde, davon war bei sachlicher Abwägung von auszugehen. Damit wurden von vornherein diplomatische Optionen verbaut. Während der ganzen Julikrise drehten sich die deutschen Üblergungen dahingehend, das die Briten herausgehaltenwerden müssen. Ein unrealistisches Anliegen bei der militärischen Planung.

Die Blockbildung und deren Mechanismen war doch erst ab 1907 vollständig, aber immer noch nicht voll ausgebaut. Dein Beispiel von 1878 war eine andere nicht vergleichbare Ausgangssituation.
 
Der Schlieffenplan hat genaugenommen Frankreich und Großbritannien fix als Kriegsgegner gesetzt, denn das GB durch die Besetzng Belgiens nicht mehr neutral bleiben würde, davon war bei sachlicher Abwägung von auszugehen. Damit wurden von vornherein diplomatische Optionen verbaut. Während der ganzen Julikrise drehten sich die deutschen Üblergungen dahingehend, das die Briten herausgehaltenwerden müssen. Ein unrealistisches Anliegen bei der militärischen Planung.

Das eine militärische Planung einen Gegner voraussetzt, hat doch nichts zwangsläufig etwas mit einer Kriegshandlung zu tun. Und das diese Planungen nur auf Annahmen basieren können, ist wohl auch klar.
 
Es geht hierbei um das enger gewordene zeitliche Moment: Mobilisierungspläne, logistische Voraussetzungen der Mob-Geschwindigkeiten iVm den Operationsplänen, Druck auf die Politik.

Siehe Hull, Mombauer, Herwig etc.

1870 ist diesbezüglich nicht mit 1914 vergleichbar.

P.S. auf die inzwischen überlagerten Aspekte Ernährugswirtschaft und Blockaderecht komme ich noch zurück.
 
Zuletzt bearbeitet:
[...] Dein Beispiel von 1878 war eine andere nicht vergleichbare Ausgangssituation.
[...]
1870 ist diesbezüglich nicht mit 1914 vergleichbar.

Mein Vergleich war kein Vergleich!
Ich habe lediglich darauf verwiesen, daß die militärische Planung und Gegnerlegung bis zu den tatsächlich umgesetzten militärischen Aktionen gerade von den Jahren 1870 bis 1914 geprägt waren und in diese Überlegungen spielen die außenpolitischen Umstände dieses Zeitraums eine entscheidende Rolle. Oder etwas nicht?
 
Das "diesbezüglich" bezog sich ausschließlich auf den obigen Diskussionspunkt: Druck auf die Politik durch die (Rahmenumstände der) militärischen Pläne.*

Btw: es gab 1870 mW keinen Plan, der sich auf gleichzeitige Gegnerschaft (Preußens!) mit Rußland und Frankreich bezog, also analog etwa Schlieffen/Moltke.

* eine den oben genannten Untersuchungen vorausgehende, beispielhafte Publikation:
the Cult of Offensive
http://home.sogang.ac.kr/sites/jaechun/courses/Lists/b7/Attachments/2/Cult of Offensive.pdf
 
Zuletzt bearbeitet:
Der Schlieffenplan hat genaugenommen Frankreich und Großbritannien fix als Kriegsgegner gesetzt, denn das GB durch die Besetzng Belgiens nicht mehr neutral bleiben würde, davon war bei sachlicher Abwägung von auszugehen. Damit wurden von vornherein diplomatische Optionen verbaut. Während der ganzen Julikrise drehten sich die deutschen Üblergungen dahingehend, das die Briten herausgehaltenwerden müssen. Ein unrealistisches Anliegen bei der militärischen Planung.

Das ist der springende Punkt, den Du ja bereits mehrmals in Deinen Postings angesprochen hatte.

1. Der Reichskanzler war im Vorfeld zur Juli Krise nicht ausreichend informiert über den engen zeitlichen Plan, der mit der aktuellen Fassung des Schlieffen-Plans verbunden war. Und der aus der Sicht der Militärs absolut zwingend eingehalten werden mußte!

2. Mit der politischen Eskalation, die auch durch das Interesse m.E. vor allem Russlands an einer Eskalation bestand, wurde schnelle ein Punkt erreicht, an dem eine diplomatische Lösung nicht mehr möglich war, weil die zeitlichen Automatismen der militärischen Planung gegriffen haben.

3. Und speziell aufgrund des Zwangs des Schlieffen-Plans für den schnellen Durchmarsch durch Belgien in Kombination mit dem Vorteil aus einer schnellen Mobilmachung, der allerdings auch ein Imperativ für die Beendigung der Diplomatie darstellte, übernahm die Logik des Militärs und seiner Planungen die Außenpolitik und führte im Sinne Clausewitz sie fort.

Deswegen ist es nicht richtig, wie von manchen formuliert, dass die klassische Diplomatie versagt hätte, sondern versagt hat vor allem KW2, der sich nicht gegen die "kalte Logik" des Militärs stellte. Und er stellte sich nicht dagegen, weil spätestens seit der Sitzung der engsten militärischen Berater mit KW2 das klassische preußische "Päveniere" im Zentrum der Überlegungen stand.

KW2 und der kleine Kreis an Militärs, der die Entscheidungen zur Militärstrategie fällte, wollte den Krieg. Unabhängig davon, dass er in anderen Hauptstädten auch durchaus gewollt wurde.

Die klassische Außenpolitik des DR wurde in dieser Phase schlichtweg "entmachtet" und Außenpoltik durch Militärpolitik ersetzt.

Dennoch ist auch darauf hinzuweisen, wie Ulrich (Die nervöse Großmacht, S. 260/261) es m.E. zu Recht macht, dass das DR durchaus die Möglichkeit gehabt hätte, die Juli-Krise diplomatisch zu lösen. Hat sie aber nicht und deswegen ist sie, und da stimme ich Ulrich zu, weiterhin für einen großen Teil der Entscheidungen verantwortlich, die zum Ausbruch geführt haben.

Das Gefühl der "Angegriffene" zu sein, der sich nur verteidigt, sollte ja auch primär der eigenen bevölkerung vermittelt werden und das ist gelungen. Die Reichsleitung hat die eigene Bevölkerung gezielt getäuscht.

Richtig, auch und vor allem um die Sozialdemokratie gegen den, aus der Sicht der SPD,
"verhaßten" Absolutismus des Zarenreichs zu mobilisieren. Was auch gelungen ist.
 
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