Ich finde viele der Beiträge zur Frage der Vielgötterei im Christentum viel zu sehr durch die christliche Brille betrachtet. Die Frage kann doch nicht lauten, ob die xy-Kirche die Meinung oder gar das Dogma vertritt, das Christentum sei monotheistisch, ergo sei die Trinität nur eine Ausgestaltungsform des immer gleichen Gottes, um aus dieser weltbewegend neuen Feststellung über die Dogmen verschiedentlicher Kirchen zu folgern, dann müsse das Christentum tatsächlich monotheistisch sein, wenn sie es doch selbst sagen. Die Frage ist doch ob, von außen betrachtet, das, was diese Religionsgemeinschaften als nur einen Gott verkaufen wollen, nicht doch eher mehrere Götter sind.
Insofern würde ich Jesus spätestens mit der Himmelfahrt und dann allerspätestens beim Jüngsten Gericht Göttlichkeit zugestehen.
Ich meine auch, daß die Frage, ob Maria in der katholischen Kirche nicht soetwas wie ein Nebengott niedrigeren Ranges ist, nicht erschöpfend mit Quijotes grammatikalischen Betrachtungen zu beantworten ist.
Ebenfalls die dogmatische Feststellung Maria, Jesus und die Heiligen seien nur Fürsprecher, letztlich richte sich alles an Gottvater, verfängt für mich nicht. Hier stellt sich nämlich die Frage nach der Definition, was denn ein Gott sein solle. Wenn man diesen Maßstab auf alle ägyptischen griechischen, römischen und germanischen Göttr anwenden wollte, würden sich die Götterwelten schnell arg lichten. Die genannte Sichtweise folgt dem katholischen Dogma und nicht der wissenschaftlichen Betrachtung, die nur von außerhalb des Dogmas vorgenommen werden kann.
Die Verschmelzung der drei Persönlichkeiten, die nur eine sein sollen, ist m.E. schlicht dem Programmsatz geschuldet "wir sind Monotheisten". Diese Behauptung schwebt wie ein Axiom über der ganzen christlichen Denke zu dieser Problematik. Die katholische Kirche nennt soetwas dann ein Mysterium was ich mal mit, <<wir wissen auch nicht, wie wir das begründen sollen, obwohl wir das wissen sollten>>, übersetzen würde.
Dann gibt es ja außerhalb der Trinität noch Persönlichkeiten wie den ehemaligen Erzengel Lucifer, den Teufel, Satan. Dabei stellt sich ja durchaus die Frage, inwieweit das nur eine Person ist, oder ob das nicht doch mehrere sind. Nach Maßstäben, die wir gemeinhin an polytheistische Religionen anlegen, würde ich diese Herrschaften als böse Götter einstufen.
Diese Überlegung könnten übrigens Christen gut Muslimen entgegenhalten, wenn diese sie des Polytheismus zeihen. Auch im Islam gibt es letztlich mit Satan eine Art Gegengott.
An dieser Stelle erlaube ich mir dann auch mal die Bezeichnung "Freidenker" wieder hervorzukramen, für die unser praktisch fehlerfrei Deutsch schreibender englischsprachige Forumskollege so zu leiden hatte (teils auch zu Recht, da er sich nicht erklärt hat, sei es aus Unvermögen oder fehlender Möge gewesen). Ich finde, daß durchaus freier denkt, wer sich nicht dem Dogma einer Religionsorganisation zu beugen hat. Und selbst, wenn man keiner Organisation Gehorsam schuldet, kann die Angst vor ewiger Verdamnis doch noch einige Freiheit des Geistes zunageln. Ich habe immer wieder Diskussionen mit recht fanatischen Christen, die diese Vernagelung locker auch ohne organisierte priesterliche Machtstrukturen leisten. Eine dieser Personen hat sich jahrelang geweigert etwas anderes als nur die Bibel und Hilfsliteratur dazu zu lesen. Es sei alles Tand und lenke vom Wesentlichen ab. Vor der Bekehrung zum Christentum hat dieselbe Person sich intensiv mit Philosophie, Naturwissenschaften und anderen interessanten Themen beschäftigt. Diese Einstellung entsprechend weiter verfolgt, hat uns die Vernichtung eines Großteils der klassischen Literatur beschert.
Freiheit von den Naturgesetzen zu erlangen, wird dann natürlich eine derart unmachbare Aufgabe, daß, wenn dies zum Maßstab für Freidenken erhoben werden sollte, ein Solches nicht mehr existieren kann. Ich meine als Definition könnte man gut postulieren: Freidenken ist Denken unter Ablehnung von Denkdiktaten und Denkverboten.
Nachtrag: Daß mein Denken nicht nur an biochemische Grenzen stößt, sondern auch in meiner jeweiligen Intelligenz (im Sinne von Denkstärke oder IQ) und meiner Wahrnehmung begrenzt ist, versteht sich von selbst. Es scheint auch an der zunächst paradox erscheinenden Vorstellung in Platons Höhlengleichnis einiges dran zu sein: Wenn du keinen Begriff von "Tisch" hast, wirst du enen Tisch auch nicht erkennen, wenn du ihn siehst. Was man mir beigebracht hat und was ich im Schweiße meiner Kopfhaut selbst an Erweiterung dieser Vorstellungswelt zustande gebracht habe, ist also durchaus und notwendiger Weise sehr beschränkt. Übrigens: ein IQ von 180 ist auch nur das Doppelte von 90 und 90 gilt gemeinhin als ziemlich schwach. Letztlich ist doppelt so schnell wie ein Anderer noch nicht so weltbewegend mehr. (Ende Nachtrag)
Insofern, um auch den letzten Fettnapf nicht auszulassen, möchte ich hier für den guten alten Echnaton sprechen; denn das eben von mir gesagte vorausgeschickt, relativiert sich die Kritik, die ihm den Monotheismus absprechen will. Ich finde gerade vor dem Hintergrund seiner Zeit, ganz ungeheuerlich, was Echnaton in seinem Sonnenhymnus für eine Wahrnehmungsweise des Göttlichen spühren läßt. Für meinen Geschmack ist das wesentlich abgehobener, als das meiste, was ich im AT gelesen habe.
Daß Echnaton gleichwohl als Pharao einen Staat zu lenken und seine Macht zu verteidigen hatte, sollte man ihm nachsehen. Er hätte natürlich auch abdanken und sich als Eremit zurückziehen können; dann hätten wir nur wohl kaum jemals Kenntnis von seiner Existenz und Gedankenwelt erlangt. Mir scheint, daß er eine wesentliche Grundlage für Moses war, ob dieser nun eine reale Person war, oder eine Kunstgestalt.