[...] Tacitus' Behauptungen über die Germanen stehen, denke ich, nicht wirklich zur Debatte.
In der Tat steht nur Tacitus Behauptung des germanischen Ursprungs der Ubier zur Debatte und vielleicht könntest du sogar zur Aufklärung seiner Ausdrucksweise beitragen, denn ich finde - zumindest von der Übersetzung her - die Formulierungen im entsprechenden Abschnitt sehr denkwürdig:
"Die Treverer und Nervier rühmen sich allzusehr ihres Anspruches auf germanische Herkunft [...]. Am Rheinufer selbst wohnen unzweifelhaft Germanenstämme: die Vangionen, Triboker und Nemeter. Auch die Ubier schämen sich ihres Ursprungs nicht"
- 28 - 46 GERMANIA - Germanen & Nichtgermanen li. und re. des Rheins
Da ich des Latein nicht mächtig bin, muß ich mich auf die Übersetzung verlassen und demnach spricht er bezüglich erst genannter Stämme von einem Anspruch, was nicht unbedingt heißen muß, daß Tacitus sie von sich aus auch als Germanen ansprechen würde; nachdem er aber "zweifellos" als Germanen anzusprechenden Stämme erwähnt hat, läßt er also auch keinen Zweifel an der germanischen Herkunft der Ubier, die sich dieser anscheinend auch bewußt waren. Nur konstatiert die moderne Forschung aufgrund verschiedener Widersprüche der Überlieferungen einen Unterschied zwischen antikem und modernen "Germanen"-Konstrukt und ist sich freilich nicht nicht immer einig, wie hier zuletzt von Ogrim bemerkt.
Auch ich würde sie als Kelten bezeichnen,wenn die römischen Geschichtsschreiber sie nicht schon als germanisch benannt hätten....Hier liegt das Problem.Die Historiker klammern sich an die Worte Cäsars und Tacitus....
Hierauf wurde dann - ein wenig unbeachtet - geantwortet:
Hier drohte einem Römischen Geschichtsschreiber, sich in einen Widerspruch zu verwickeln : Da Caesar ja alles Linksrheinische als Kelten, alles Rechtsrheinische als Germanen klassifiziert hatte, mussten die Ubier ja Germanen gewesen sein, da sie ja - vor ihrer Umsiedlung anno 38 v. Chr. - auf der rechten Rheinseite lebten.
Vielleich wollte Tacitus einfach Caesar nicht widersprechen.
Die Sache ist nur, daß sowohl Caesar als auch Tacitus sehr wohl wußte wie sie es eben auch schriftlich festhielten, daß der Rhein eben keine Grenze beider Völkerschaften war.
In einem Beitrag zitierte ich Ludwig Schmidt mit einer Aufzählung "germanischer" Beinamen von Matronen: Audrinehae, Aufaniae, Gabiae; ferner zählt er als Namen von "germanischen" Gottheiten auf: Mercurius Avernus, Channini, Gebrinius, Leudi(isio), Requalivahanus, eventuell Caiva, Ambiomarcae. Aber was weist diese Namen als germanisch aus? In Rudolf Simeks Buch über die germanischen Götter und Kulte finde ich zwar auch zahlreiche Namen erwähnt und auch die Behauptungen daß manche davon kelto-germanisch, wenn nicht rein germanisch sind, aber welche und nach welchen Kriterien entschieden wird, sagt er nicht. Immerhin übersetzt er
Austriahenae mit "die Östliche" und schaue ich in einem etymologischen Lexikon nach, ist wohl altnordisch "austr" (nach Osten) oder "austan" (von Osten) belegt. Aber wie er zur Übersetzung als "freigiebige Ahnmütter" von "Aufaniae" kommt, bleibt mir schleierhaft; eindeutig sollte es bei
Gabiae sein: "die Gebende" - aber das klingt für mich ein wenig nach zurecht biegen, wenn nicht brechen; das vermag ich freilich nur zu behaupten, weil ich sowohl "geben" als auch "Gabe" im etymolog. Lexikon nachgeschaut habe, wo halt das -a- in der indogermanischen Wurzel auftaucht, aber eben nicht im Germanischen (z. B.
*gebo), geschweige denn im Althochdeutschen. Dem gegenüber ließe ich mir natürlich den Einwand gefallen, daß die Gabiae vielleicht auch diejenigen sind, die (das Leben) schenkten, also gaben! Da ich aber gerne in älteren Büchern nachschaue: T. E. Karsten rekonstruiert aus einer angeblich altgermanischen *Gabi in ihrem Buch über
Die Germanen interessanterweise den ursprünglichen Namen *Ga-abi, den sie nicht nur von der Bedeutung, sondern auch ziemlich getreu mit der römischen Copia als Vorbild (*Co-opia) in Verbindung bringt und spricht von einer Latinisierung des germanischen Namens (wohl wegen der Pluralendung -ae). Im -abi steckt für mich aber irgendwie etwas Keltisches ...
Eigentlich habe ich aber vor dem schreiben dieses Beitrages einfach einmal in einen Artikel von Siegfried Gutenbrunner aus dem Jahre 1936 geschaut, was ihm u. a. zu den Ubiern einfiel; bei ihm findet sich der Matronenbeiname
Aumenahenenae, damals gleich zweimal in Köln belegt und er meint ihn in die Zeit zurück verfolgen zu können, da die Ubier "noch an der Lahn und am Main saßen": Demnach seien die althochdeutsch überlieferten Ortsnamen "Oumena" (Aumenau bei Bad Ems) und "Oumenza" (mittelhochdeutsch: Oeumze; Bad Ems) dazugehörig - das widerspricht nur gemäß meinem Eindruck der antik überlieferte Stammesname der mit der Ems in Verbindung gebrachten Am(p)sivarier, in dem der Umlaut nicht auftaucht, aber ich lasse mich gerne aufklären...