Hallo Freunde der Geschichtsforschung,
erst einmal: Danke! Ich habe es tatsächlich geschafft, euch alle noch einmal zum Nachdenken an einer ganz konkreten Stelle zu überreden. Und manche von Euren Beiträgen haben mich dabei auch weiter gebracht.
Das Kernproblem hat andrix gerade angesprochen:
"Ob die Ubier letztendlich Kelten oder keltisierte Germanen waren,ist eine sinnlose Debatte." (ich weiss leider noch nicht, wie das mit dem zitieren funktioniert)
Ich habe das Gegenteil erlebt: Wenn ich Waldgirmes und den Dünsberg vorstelle, dann wollen - ganz selbstverständlich - alle wissen, wer denn nun die "Einheimischen" waren und wo sie - nach dem jeweiligen Bildungsstand der Besucher - verortet werden müssen.
Und ich glaube, wir sind genau hier, an dieser Stelle, gemeinsam einem "Geheimnis" auf der Spur.
Aber nun zu den Beiträgen:
Die "Nordwestblock-Hypothese" ist mir erst hier untergekommen, sie gehört nicht zur archäologischen Ausbildung. Ohne die entscheidenden Werke gelesen zu haben, kann ich dazu auch keine Position beziehen. Aber: Nach dem Wikipedia-Eintrag ist ein entscheidendes Argument, dass nördlich des Mains keine Namen mit "-dunum" vorkommen. Das ist lächerlich. Der "Düns-berg" leitet sich (fast) sicher von "dunum" her, das sagen bislang auch alle ernsthaften Autoren. Also: Raus damit.
Das Argument, die Bewohner dieses Landstriches hätten keine "Oppida-Zivilisation" besessen, ist falsch. Der Dünsberg ist ab der Hallstadtzeit sicher besiedelt und reicht bis kurz vor bzw. bis zur (wichtige Frage!) römischen Okkupation des rechtsrheinischen Gebietes bewohnt. Ich bin mir der Tatsache bewusst, dass bislang nicht eine einzige "germanische" Höhenbefestigung, ja nicht einmal befestigte Anlagen aus der neueren Literatur bekannt sind. Das heisst aber auch, dass germanische Stämme eine Anlage wie den Dünsberg gar nicht verteidigen konnten, weil sie den Kampf hinter Mauern gar nicht gewohnt waren. Wer hat denn aber dann hier gegen die Römer gekämpft? (Schleuderbleifunde)?
Wenn wir hier die Ubier ansetzen müssen, dann haben wir entweder ein Problem mit der Chronologie oder mit der römischen Geschichtsschreibung.
Viele Annahmen in der Diskussion gehen stillschweigend davon aus, das Gebiet nördlich des Mains sei eine "Randzone" der keltischen Kultur gewesen, das wird auch in der "Nordwestblock-Hypothese" voraus gesetzt. Nun haben aber alle Grabungen, besonders aber die am Glauberg, am Dünsberg und z.B. auf der Amöneburg gezeigt, dass diese Region zu den stärksten keltischen Fundzonen gehört. Das Grab vom Glauberg ist eines der reichsten Gräber der keltischen Kultur überhaupt in Deutschland. Und das gilt auch für die gesamte Region, egal, was die ältere Literatur darüber schreibt. Wir werden damit leben müssen, dass das heutige Hessen ein vitales Zentrum der "LaTene-Kultur" war, und künftige Grabungen werden das eher erhärten als widerlegen.
Wer jetzt antworten will, es seien aber doch sicherlich Germanen gewesen, die nördlich des Mains lebten, der muss sich fragen, wie viel seines Bildes von den Germanen (ihr wisst schon, Felle tragen, dichte Wälder und so) eigentlich auf römische Autoren fusst und wie viel dieses Weltbildes wissenschaftlich belegt ist (Pollenanalysen, moderne Grabungen, Laboruntersuchungen).
Im Übrigen: Es ist mir (mehr als) klar, dass man archäologische Kulturen nicht eins zu eins mit "Völkern" in Übereinstimmung bringen kann, und ich mag auch den Begriff nicht. Aber es geht nicht um die Frage, wie ich als Wissenschaftler arbeite, um zu meinen Ergebnissen zu kommen, sondern wie ich diese Ergebnisse an die Bevölkerung weiter geben kann. Und dazu brauche ich "Landmarken".
Deswegen: Weiter so, die Diskussion bringt uns/mich voran.
P.S.: Entschuldigt bitte, wenn ich manchmal ein wenig unklar argumentiere. Nach meinem Studium ist mir klar geworden, dass die Annahmen, Theorien und Arbeitsweisen von Historikern, Archäologen und z. B. Naturwissenschaftlern einfach total voneinander abweichen. Falls sich also jemand irgendwie falsch behandelt oder zurück gesetzt fühlt, dann nehmt es mir nicht übel - es ist keine Absicht.