Nun fand ich bei SPON einen Artikel über die "Dachauer Schule". Dort wird berichtet, dass Theodor Eicke als Kommandant des KZ Dachau und Inspekteur der Konzentrationslager maßgeblich am Aufbau des menschenverachteneden Systems der Vernichtung durch Arbeit beteiligt war. Eickes Methoden, die SS-Mannschaften zu Tötungsmaschinen zu machen, sei Vorbild für alle Konzentrationslager gewesen. In dem Bericht wird beschrieben, wie der Nachwuchs angelernt wurde:
Das hat aber auch eine andere Facette:
1. etwa 1936/38 setzte sich in den Konzentrationslagern der SS - wie Orth nachgewiesen hat und worauf Wildt verweist - eine zweite Generation von "konzeptionell denkenden" KZ-Kommandanten (ein zB Höß) durch. Die erste Generation war unkonzeptionell, man könnte sagen "primitiver", in dem Schläger-, Messerstecher- und Saalschlacht-Denken 1933 verhaftet. Die "neue Generation" war der "alten Garde um Theodor Eicke" vor, bei der Verfolgung politischer Gegner zu verharren, obwohl die organisierte Arbeiterbewegung offenkundig zerschlagen sei und "die wirklichen Feinde des Nationalsozialismus die Asozialen, Berufsverbrecher und vor allem das Judentum" seien.
2. Ein typischer Vertreter der "ersten Generation" war eben Eicke. Dieser war aufgrund seiner Brutalität von Himmler mit dem Aufbau der SS in der Pfalz beschäftigt und bereitete sich offenbar systematisch auf den Bürgerkrieg vor. Nach seiner Verhaftung quasi erledigt, floh er nach Himmlers Direktive nach Italien und "übte" sich dort bzgl. KZ ein. Von Italien aus bedrohte er wohl auch eigene Parteilmitglieder. Zurückgekehrt, wurde er im März 1933 (!) in Schutzhaft genommen und schrieb aus der Psychatrie mehrfach an Himmler (-> Longerich). Eicke war im Prinzip erledigt, hätte Himmler nun nicht genau jene Brutalität für die Eliminierung des linken Widerstandes in den wilden KZs gesucht.
3. „Himmler bestimmte am 26. Juni 1933 einen Mann zum Kommandanten in Dachau, der zu diesem Zeitpunkt - gemessen an bürgerlichen Karrierevorstellungen und auch aus der Perspektive der SS - als gescheiterte Persönlichkeit galt: einen erwerbslosen, vorbestraften Psychiatriepatienten, der wegen diverser Querelen innerhalb der SS aus deren Listen gestrichen war, Theodor Eicke. Himmler gab Eicke eine Chance, sich zu rehabilitieren, weil er sich für die »alten Kämpfer« verantwortlich fühlte. Eicke nutzte diese, erwies sich als personalpolitischer Glücksgriff.“ (Orth, Longerich). Daraus entstand das "Dachauer Modell" der Gewalt.
4. Daraus würde ich folgern, dass möglicherweise die Grundmuster gelegt worden sind, wenn man auf Eicke verweist: primitivste Brutalität. Man könnte hier die Basis der Verrohung bzw. den ersten Schritt unterstellen. Ich würde dennoch - wie oben verwiesen - von dort eine Trennung zur späteren "konzipierten Vernichtung" ziehen.
5. Eine unmittelbare Linie kann man sicher zu den rückwärtigen Einsatzgruppen mit den Massenmorden in Polen ziehen, bei denen der "Eicke-Typ" noch vorherrschend war. Ob man die "Dachauer Schule", die von Eicke - wie man an der Kritik aus den eigenen Reihen ablesen kann - gegen andere Gegner ausgerichtet war, auf die Vernichtung der Juden übertragen kann, erscheint mir etwas zweifelhaft. Richtig ist sicher die Betonung der Basis; man sollte aber herausstellen, dass es hier eine "Stufe 2" gab, die mit "Stufe 1" über die agierenden Personen wenig verbunden ist.