Hallo Carolus,
dein Beitrag ist jetzt auch verschwunden.
Es ging nicht bei der Stellungnahme vom zuständigen Archäologen darum, einen Lagerwall von einem Granzwall zu unterscheiden, sondern darum, einen Grenzwall in die Zeit seiner Erbauung einzuordnen. Herr Becker vom LVR ist der Ansicht, dass die Klever Landwehr in die Zeit des Mittelalters datiert werden sollte. Als Argument führt er einzig die für römische Grenzbauwerke untypische Bauart an, und keinerlei gesichertes archäologisches Resultat. Das dortige System von mehreren parallel verlaufenden Wällen würde nach seiner Ansicht nicht ins Schema anderer Limesabschnitte passen. Dabei vertritt er die Meinung, übrigens die derzeit offiziell verbreitete, dass sich die römische Grenzabsicherung am Niederrhein allein auf rechtrheinischem Boden beschränkte. Der Rhein selbst und die linksheinischen Kastelle hätten demnach für eine sichere Abgrenzung zu den Germanen ausgereicht.
Ich behaupte hingegen, dass dieses derzeit propagierte niederrheinische Limessystem nicht ausreichte um eine sichere Abgrenzung zu den freien Germanenstämmen zu gewährleisten. Den Römern gelang es während ihrer Anwesenheit am Niederrhein nicht, an diesem Abschnitt des Rheines sogenannte Klientelstämme zu etablieren, die einen „normalen„ Grenzverkehr ermöglichten. Diese Klientelstämme gab es zwar im Norden mit den Batavern und Friesen, und weiter südlich mit den Ubiern, aber in dem dazwischen liegenden Rheinabschnitt gab es keinen kooperativen Germanenstamm jenseits des Rheines. Hier mussten die Römer jederzeit mit einem Angriff der Brukterer, Cherusker, Chatten, Tenkterer und Usipeter rechnen. Ich schrieb bereits, dass der Rheinstrom an Niederrhein kein Hindernis für die Germanen darstellte sondern eher eine Herausforderung war. Mit ihren Reitertruppen wären sie ohne weiteres in der Lage gewesen, unvermittelt über den Rhein zu setzen und römische Einrichtungen zu attackieren. Das Beispiel der Lolliusniederlage zeigt diese Gefahr eindeutig auf.
Dieses Risiko der Rheinüberquerung von Germanenhorden musste unter allen Umständen vermieden werden, wollte man Germania Inferrior zu einer sicheren Provinz machen. Das diese Gefahr allgegenwärtig war erkennt man an der Verteilung der römischen Lager am Niederrhein. Hier war in der zweiten Hälfte des ersten Jahrhunderts, im Gegensatz zum Ober- und Unterrhein wo größtenteils Kohortenlager vorgehalten wurden, auf einer relativ geringen Distanz, der Standort von vier großen Legionslagern und sechs Alenkastellen mit ihren Reitereinheiten. Dieser Umstand muss darin gesucht werden, dass hier massiv (Legionen) und schnell (Reitereinheiten) einer erwarteten Rheinüberquerung entgegengewirkt werden sollte. Trotzdem wäre es sicherlich oftmals der Fall gewesen, dass räuberische Germanen schnell die Rheingrenze übertraten, einen Beutezug vornahmen, und schnell wieder verschwunden wären. Das reiche römische Territorium weckte schließlich bestimmte Begehrlichkeiten.
Diese Grenzübertritte waren nicht allein durch eine derartige Verteilung der Lager zu kontrollieren, und eine undurchlässige Abgrenzung durch einem wie auch immer geartetem Limes auf linksrheinischem Gebiet ist bisher durch keinen Fund nachgewiesen.
Auch wäre unter diesen Umständen der Rhein als wichtiger Schifffahrtsweg bei bestimmten Attacken germanischer Horden schutzlos entblößt gewesen, wenn es nicht schon auf der rechten Rheinseite eine Sicherung des Rheinvorlandes gegeben hätte. Tacitus schrieb in der Germania/32 diesen Satz: „Den Chatten zunächst, wo der Rhein noch ein festes Bett hat und als Grenzscheide genügt, wohnen die Usiper und Tenkterer.“ Demnach genügte der Rhein ab einem bestimmten Punkt nicht mehr als alleinige Grenzscheide. Unter diesen Gesichtspunkten ist es durchaus angebracht über ein Grenzsystem an der rechten Rheinseite nachzudenken.
Und nun soll hier die Klever Landwehr in die nähere Betrachtung kommen. Paterculus schreibt, dass Tiberius die Grenzwege jenseits des Rheines offen legte, und Tacitus schrieb, dass Germanicus das ganze Gebiet zwischen Aliso und dem Rhein mit neuen Grenzwegen und Dämmen befestigt hat. Von der Logik her machen Grenzwege genau auf dem Gebiet wie die Klever Landwehr verläuft, aus damaliger römischer Sichtweise großen strategischen Sinn. Dadurch konnte das rechte Rheinvorland, schon bevor überhaupt ein Germane den Rhein erreichen konnte, zuverlässig überwacht und bedingt geschützt werden. Sicherlich war der Charakter dieses Grenzsystems nicht ein typischer Limesabschnitt wie wir ihn an anderen Stellen kennen, aber die Römer haben sich immer recht flexibel und innovativ gezeigt. Durch die Anlage von mehreren parallel verlaufenden Wällen war eine Überquerung dieser Grenzlinie durch berittene Einheiten unmöglich. Um sie dennoch zu überqueren hätten erst die Wälle eingeebnet werden müssen. In diesem Fall gab es für die römische Grenzverteidigung genügend Zeit um Abwehrmaßnahmen einzuleiten. Der von Ortelius eingezeichnete Lagerplatz für des Lager Aliso lag etwa genau auf der Hälfte der Klever Landwehr und hätte eine Sicherung dieses ehemaligen Grenzsystems zu beiden Seiten gewährleistet. Weiterhin wird durch römische Funde an der Lippe bei Schermbeck, wenige Kilometer unterhalb von Holsterhausen, ein ehemaliger Lagerplatz am Ende der Klever Landwehr in den Bereich der Möglichkeiten gebracht. Hier könnte auch das andere der beiten durch Tacitus erwähnten Lager gelegen haben.
Diese Ausführungen gelten nur für den Bereich nördlich der Lippe. Südlich der Lippe gibt es ein weiteres System von Grenzwällen, welch auch als römische Grenzbefestigung angesprochen werden könnten.
Unter diesen Vorraussetzungen scheint es vermessen, sich auf den Wall zu stellen, die offizielle Meinung des LVR widerzugeben und ohne genauere Untersuchung die Klever Landwehr als Bestandteil eines römischen Grenzbauwerkes auszuschließen. In dieser Hinsicht wird sich noch viel bewegen. Versprochen! Steter Tropfen höhlt den Stein.
Gruß maelo