Die Gründung einer Religion entsteht aus dem Bedürfnis heraus, eine neue Form des gesellschaftlichen Zusammenlebens zu finden. Der Grund dafür ist, dass die alte nicht mehr funktioniert, weil sich die Lebensumstände geändert haben. Für den Menschen haben sich diese oft deshalb geändert, weil er, um eine erhöhe Bevölkerungsdichte zu stabilisieren, seine ökologischen Grenzen überschritten hat, indem er neue Techniken und Organisationsformen entwickelte.
Jede neue Gesellschafts-/Organisationsform braucht aber neue Spielregeln, sonst funktioniert sie nicht. Wenn jedes Individuum diese aus einem inneren Glauben an spätere Belohnung/Bestrafung heraus befolgt, ist das effektiver (und überhaupt erst durchführbar), als wenn an jeder Ecke ein Polizist steht.
Damit ist bereits die Notwendigkeit für die Gebote Nr. 1 und 2 - und teilweise 3 - vorgegeben. Gott zeigt sich als Herr im Hause und macht deutlich, dass in Punto Loyalität zu ihm (bzw. zu seinen Gesetzen) keine Kompromisse zugelassen sind.
Die Familie mt der Einehe im Mittelpunkt (nicht mehr die erweiterte Sippe) wird als Basiseinheit dieser Gesellschaft bestimmt und ihr Wert (Vater und Mutter ehren, nicht ehebrechen) beschworen.
Mit dem 5. Gebot wird ein altes Ärgernis angegangen. Die eigentliche Bedeutung von "Du sollst nicht töten" ist nämlich "Du sollst keine Blutrache üben". Diese ist für vereinzelt und unabhängig lebende nomadische Sippen durchaus ein probates Mittel, um sich gegen andere Sippen zu schützen. Bei engerem Zusammenleben eskaliert diese jedoch zu ständigen gegenseitigen Zweikämpfen & Meuchelmorden mit Verlust der Leistungsträger. Der daraus erwachsende Teufelskreis konnte nur durch Einrichtung einer übergeordnete Ordnungsmacht durchbrochen werden.
Die nachfolgenden Gebote regeln die wirtschaftliche und juristische Ordnung (du sollst nicht stehlen, du sollst nicht begehren deines nächsten Haus) Ordnung. Mit "du sollst kein falsches Zeugnis reden wider deinen Nächsten" wird ein wichtige Grundlage einer komlexen Wirtschaft gelegt, nämlich das Vertrauen.
Ich bin sicher, dass alle diese Gebote vorher übliche Verhaltensweisen beschreiben, die aber der neuen Gesellschaftsordnung im Wege standen. Teilweise kann man diese veralteten Verhaltenscodices bei Lektüre der Bibel erahnen. Sie fallen uns wg. ihrer Befremdlichkeit auf. Spontan erinnere ich mich an Onan, der sich weigerte, bei der Witwe seines Bruders eheliche Pflichten zu übernehmen. Dies war sicherlich wg. der im Ehebruchparagrahen 6 priorisierten Monogamie später verpönt.
Dass es eigens in §10 hervrgehoben wird, nicht seines Nächten Haus zu begehren, zeigt nur dass dies vorher üblich gewesen sein muss, dies zu tun. Die Isaeliten fanden es noch okay, sich Jericho einfach anzueignen. Das hatte aber keine Zukunft, das Eigentum musste geschützt werden, sonst wäre es mit der neuen Ordnung der Wirtschaftens auf Grund von anonymen Warenaustausches bald vorbei gewesen.