Hätte man den Untergang Westroms noch abwenden können?

Also profetierte der Osten vom Untergang des Westens?

Nein, er profitierte primär von fast einhundert Jahren Frieden an seiner Ostgrenze. Der Zerfall des weströmischen Reichs hat Ostrom sicherlich auch in gewissem Maße wirtschaftlich getroffen, wurde aber billigend in Kauf genommen, solange man sich dadurch die Germanen vom Hals schaffen konnte.
Damit will ich nicht ausschliessen, dass nicht auch der eine oder andere Getreidebauer in Ägypten froh darüber war, die lästige Konkurrenz aus Africa los zu sein, und judäischen Olivenbauern die Lieferschwierigkeiten ihrer iberischen Kollegen vielleicht ganz gelegen kamen ...
 
@ Silesia: Du fragst - zu Recht - nach meinen Quellen. Die Antwort ist: Ich weiss sie zum Teil nicht mehr, vieles ist auch meine Synthese aus aus einer Vielzahl von Einzelinformationen.

Was die Christianisierungs-Thematik angeht, so beziehe ich mich im wesentlichen auf den Wikipedia-Link im Text. Die Vielzahl dortiger Beispiele - vom völligen Verschwinden der Hieroglyphen innerhalb nur weniger Jahrzehnte bis hin zu den Einzelgeschichten, dass Menschen alleine des Buchbesitzes wegen verfolgt wurden, rechtfertigt aus meiner Sicht durchaus den Begriff einer "Kulturrevolution". Dass diese im Westen systematischer und gewalttätiger durchgesetzt wurde als im Osten, ist meine eigene These, die ich in meinem langen Beitrag dann auch begründe.

Zum Themkomplex Landwirtschaft / Bodenrecht / Bodenbesteuerung habe ich mit im Zusammenhang mit einem anderen Diskussionsfaden http://www.geschichtsforum.de/f28/bedeutet-saltus-32573/index14.html#post558074 einiges angelesen, Quellenangaben sind dort enthalten. Dabei bin ich insbesondere über den Hinweis gestolpert, dass Getreidepreise politisch festgesetzt wurden und nicht kostendeckend waren (frag mich bitte nicht, wo, ich vermuite bei Max Weber, aber es kann auch woanders gewesen sein). Der Hinweis auf die generelle Orientierung des römischen Steuersystems auf Grundabgaben stammt auf jeden Fall von Weber. Alles weitere gehört für mich, der in der Entwicklungszusammenarbeit tätig ist, zum beruflichen 1X1: Keine Kostendeckung -> De-Monetarisierung / Rückzug in die Subsistenz -> Ersatz von Geldbeziehungen / Steuerzahlung durch (Fron-) Dienste -> "Leibeigenschaft", um Abwanderung zu verhindern. Rahmenbedingungen und soziale Änderungen passen zusammen, das reicht mir als Entwicklungsökonomen (einem Historiker reciht es vermutlich nicht ..).

Zu den Städten beziehe ich mich auf Wikipedia Civitas ? Wikipedia :"Ab dem 4. Jahrhundert entzogen die Kaiser den meisten Städten die fiskalische Selbstverwaltung, um das Steueraufkommen besser kontrollieren zu können. In den folgenden zwei Jahrhunderten wandelte sich schrittweise der Charakter der civitates, die ihre alte Autonomie einbüßten; so entzog Kaiser Constantius II. den meisten Städten die Verwaltung über ihr Umland." Irgendwo wurde dies noch weitaus detaillierter beschrieben, aber das finde ich jetzt leider nicht wieder.

Sicherlich sind die von mir skizzierten Prozesse nicht überall gleich abgelaufen, auch wird es mal bessere Zeiten (höhere Preise / niedrigere Steuern) und mal schlechtere gegeben haben. Wer in Stadtnähe Landwirtschaft trieb, fand seine Nischen (Milchprodukte, Obst / Gemüse) oder konnte von einem vermutlich vorhandenen Schwarzmarkt profitieren, bei Wein / Olivenöl hat sich Fernhandel offenbar gelohnt (belegt durch in Rom gefundenen Amphorenscherben). Dementsprechend wurden sicherlich nicht alle Regionen wirtschaftlich abgekoppelt, sondern v.a. weniger verstädterte Regionen mit Getreideanbau. Daher auch mein Verweis auf linksrheinisches Germanien / Gallien - in Südspanien mit seiner Olivenwirtschaft mögen Strukturen / Prozesse schon anders ausgesehen haben.

Vermutlich gehört in die Ursachenanalyse auch noch der Themenkreis Korruption / Vetternwirtschaft, aber die blüht ja vor allem im Dunkeln und damit außerhalb historischer Quellen. Ich könnte mir vorstellen, dass die "Barbaren" insbesondere hier gegenüber den alten weströmischen Zeiten punkten konnten - immerhin hat ja jeder germanische Fürst, der etwas auf sich hielt, einen Rechtskodex erlassen. Würde mich mal interessieren, wie schnell die "Barbaren" diesbzüglich romanisiert wurden, aber dazu gibt es wohl kaum Quellen, oder?
 
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Hallo Augusto, erstmal: Danke für die umfangreichen Erläuterungen.

Ein Teil der Darstellungen beruht demnach auf Konklusion, muß ich mir in Ruhe durchlesen. Kommentar folgt, bitte um Geduld. :winke:
 
Die Frage nach den Gründen für den Untergang Roms öffnet ein sehr vielschichtiges Thema. Zunächst einmal müßte man die Fragen stellen:
  1. Was ist Untergang? (oder eher Transformation)
  2. Was ist Rom? (Staat bzw. Institution oder Institutionenträger, Kultur)
  3. Wo ist Rom? (unterschiedliche Situationen in den einzelnen Provinzen)

Aber zunächst einmal möchte ich auf zwei von Augusto genannte Gründe weiter eingehen:




Was Du hier nennst, sind eher Ursachen. Die Gründe liegen viel tiefer, und setzen zeitlich schon ab dem 3. Jahrhundert ein:
  1. Theodosius "Kulturrevolution": Die Durchsetzung des Christentums scheint mit beispielloser Radikalität erfolgt zu sein, und ging mit weitreichender Zerstörung lokaler und kultureller Identität und Infrastruktur einher (z.B..Abschaffung der olympischen Spiele). U.a. scheint der Großteil der Bibliotheken einchließlich des dort dokumentierten technischen Wissens zerstört worden zu sein. Während für die vor-theodosianische Zeit von einem Buchbestand von etwa 1 Million Titel ausgegangen wird, konnte der zur Rettung der antiken Literatur angetretene römische Adlige Cassiodor Mitte des 5. Jahrhunderts gerade mal knapp über hundert Titel in seine Bibliothek aufnehmen. Vgl. hierzu (absolut lesenswert!) Bücherverluste in der Spätantike ? Wikipedia
  2. Ost-West-Konflikt von 392-395: In engem zeitlichen Zusammenhang zu Theodosius "Kulturrevolution", teilweise auch als Reaktion auf diese, kam es zum Krieg zwischen Ostrom unter Theodosius und Westrom unter dem Ursupator Eugenius. Die Schlacht vom Frigidus gilt allgemein als eine der blutigsten Schlachten der Antike, und schwächte Roms Miltärmacht ganz erheblich Schlacht am Frigidus ? Wikipedia .
    In der Folge verlagerte Ost-Rom den Großteil der verbliebenen Truppen auf das eigene Territorium. Hierbei spielten vermutlich sowohl außenpolitische (Goteneinfall / Hunnenbedrohung an der Donau) als auch innenpolitische (Schwächung des weströmischen Widerstands gegen die Christianisierung) Gründe eine Rolle. Faktisch bedeutete diese Verlagerung u.a. die (militärische) Aufgabe Britanniens und weitgehenden Truppenabzug von der Rheingrenze, was die Völkerwanderung erheblich erleichterte.
    Erst nach dem Sieg am Frigidus konnte die Christianisierung auch im Westen durchgeführt werden. Es steht zu vermuten, dass hier sehr viel radikaler als im Osten vorgegangen wurde. Das Christentum war im Osten traditionell viel weiter verbreitet als im Westen, so dass man sich dort vermutlich ein "sensibleres" Vorgehen erlauben konnte, ansässige Christengemeinden vielleicht auch die eine oder andere "heidnische" Institution von lokaler Bedeutung schützten, während im Westen das Christentum wohl weitgehend mit "Feuer und Schwert" durchgesetzt wurde. Dies könnte z.B. erklären, warum die Konstantinopeler Bibliothek oder einzelne griechische Philosophenschulen die theodosianische "Kulturrevolution" überlebten, während in der Stadt Rom offenbar sämtliche Bibliotheken untergingen.

Die von Augusto genannten Punkte beschreiben die Wende vom Polytheimus zum christlichen Monotheismus im Römischen Reich. Primär eine innenpolitische Angelegenheit im Bereich der Kultur- und Religionspolitik führte sie auch zur Schwächung des Reiches durch den Bürgerkrieg. In der o. g. Schlacht von Frigidus starben Truppen, die im Kampf gegen die äußeren Feinde des Reiches fehlten.
Ob allerdings die Schlacht am Frigidus wirklich zur Schlacht um die Durchsetzung des Christentums deklariert werden kann, ist aber zweifelhaft. Möglicherweise reiht sie sich in die lange Liste innerrömischer Bürgerkriege ein, die um die Macht im Staate geführt worden sind.

Zur "Kulturrevolution" des Theodosius und seine Auswirkungen auf die römische Kultur und im speziellen Literatur hatte ich bereits im Thread http://www.geschichtsforum.de/f28/verluste-antiker-literatur-33683/ einen Beitrag geschrieben:

Zu den Bücherverlusten in der Spätantike gibt es einen Artikel in der Wikipedia, der einen ersten Überblick gibt.
 
Dann bin ich auf die Magisterarbeit von Rolf Bergmeier "Die spätantiken Literaturquellen: Bestand und Verfall der antiken Literatur" gestoßen sowie vom gleichen Autor "Requiem für die antike Kultur" und einen Vortrag mit einer fünfteiligen Youtube-Fassung.

Dem Autoren zufolge waren an den Bücherverlusten weniger meine oben genannten Germanen in ihren Bärenfellen und die Mäuse, sondern die katholische Kirche schuld. Unter Kaiser Theodosius wurde die katholische Kirche gegen Ende des 4. Jahrhunderts Staatsreligion mit einem Monopol in Glaubensangelegenheiten. Dieses Monopol bestand nicht nur ggü. anderen christlichen Glaubensrichtungen wie den Arianern, sondern auch ggü. allen anderen Religionen:

Die Thesen von Rolf Bergmeier (zusammengefaßt unter Requiem für die antike Kultur | hpd) sind interessant, aber die Rolle der Kirche halte ich als Hauptursache für die Zerstörung der antiken römischen Kultur eher für übertrieben. Genau wie für den Untergang des römischen Reiches als staatliche Organisation viele Einflußfaktoren eine Rolle spielen, ist auch beim Untergang der antiken Kultur vieles zu beachten.
 
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Die Frage nach den Gründen für den Untergang Roms öffnet ein sehr vielschichtiges Thema. Zunächst einmal müßte man die Fragen stellen:
  1. Was ist Untergang? (oder eher Transformation)
Weströmische Administration, Staatsspitze und Heer hatten sich Ende des 5. Jh. aufgelöst. Auf dem einstigen Territorium Westroms befanden sich mit den Reichen der Westgoten, Ostgoten, Vandalen, Sueben, Burgunder und Franken neue Staaten. Das muss man schon als Untergang des Weströmischen Reichs bezeichnen.

Dass die spätantike römische Kultur auf die germanischen Reiche und später auch auf die Völker und Staaten des mittelalterlichen Europas auf vielfache Weise einwirkte, ist über das Verschwinden des weströmischen Staatsorganismus hinaus eine unbestreitbare Tatsache. Wenn man schon von Transformation spricht, so betrifft das nicht den weströmischen Staat, sondern die Kultur der Spätantike, die die Fundamente legte, auf denen das abendländische Europa aufbaute.
 
[/LIST]Weströmische Administration, Staatsspitze und Heer hatten sich Ende des 5. Jh. aufgelöst. Auf dem einstigen Territorium Westroms befanden sich mit den Reichen der Westgoten, Ostgoten, Vandalen, Sueben, Burgunder und Franken neue Staaten. Das muss man schon als Untergang des Weströmischen Reichs bezeichnen.

Dass die spätantike römische Kultur auf die germanischen Reiche und später auch auf die Völker und Staaten des mittelalterlichen Europas auf vielfache Weise einwirkte, ist über das Verschwinden des weströmischen Staatsorganismus hinaus eine unbestreitbare Tatsache. Wenn man schon von Transformation spricht, so betrifft das nicht den weströmischen Staat, sondern die Kultur der Spätantike, die die Fundamente legte, auf denen das abendländische Europa aufbaute.

Richtig, wobei Du hier schon zwischen Tradition und Kontinuität von Institutionen unterscheidest.

Meinerseits noch zur Ergänzung: auch wenn der letzte Kaiser im Westen 476 abgesetzt wurde, bestand dennoch der Senat in Rom wohl noch etwa gute 100 Jahre weiter fort und Konsule gab es noch bis in die 530er Jahre.

Nicht lange danach wurde dann auch in Konstantinopel sowohl Senat als auch Konsulat faktisch aufgelöst.

Aber unabhängig von dem Fortbestehen der Institutionen auf Reichsebene bestanden auf lokaler Ebene der civitates noch ein Fortbestehen der Verwaltungen auch unter germanischer (fränkischer, west- bzw. ostgotischer) Oberherrschaft. Irgendwo hatte ich doch noch etwas zu dem Thema, muß ein wenig herumsuchen.
 
Im Osten bestand der Senat noch bis mindestens ins 13. Jhdt. fort. Seine letzte mir bekannte Aktion war die Erhebung von Nikolaos Kanabos zum Kaiser 1204.
 
Aber unabhängig von dem Fortbestehen der Institutionen auf Reichsebene bestanden auf lokaler Ebene der civitates noch ein Fortbestehen der Verwaltungen auch unter germanischer (fränkischer, west- bzw. ostgotischer) Oberherrschaft. Irgendwo hatte ich doch noch etwas zu dem Thema, muß ein wenig herumsuchen.

Wenn du jemandem den Kopf abschlägst, zappelt er zuweilen noch etwas. Und so war das Weströmische Reich nicht von einem Tag auf den anderen, spätestens aber Ende des 5. Jh. mausetot.

Davon ganz unabhängig existierte in Südgallien noch der reich begüterte römisch-senatorische Adel, der nun seine Dienste dem merowingischen Königtum anbot und kunftig eine bedeutende Rolle in der jungen fränkischen Administration sowie in der hohen fränkischen Geistlichkeit spielte. Diese Tatsache kann man aber nicht als "Fortleben" Westroms bezeichnen, denn die Verschmelzung der gallo-römischen Bevölkerung mit den fränkischen Eroberern brachte etwas neues hervor: das Entstehen einer einheitlichen Bevölkerung, was schließlich vom Frankenreich hin zu Frankreich führte. Dieser Schritt war allerdings ein echter Prozess der Transformation

Nichts dergleichen spielte sich allerdings im Gebiet westlich des Rheins ab, wo die germanisch-fränkische Übernahme in Städten wie Köln, Mainz oder Trier total war. Diese Städte waren entvölkert und in ihnen saß höchstens noch ein Bischof mit seinem kirchlichen Hofstaat. Die Germanen siedelten sich am Rande der Römerstädte an und mieden die Steinbauten, die wie die Straßen und römischen Gutshöfe auf dem Land zerfielen. Erst allmählich wurden die rheinischen Römerstädte seit dem 8./9. Jh. wieder besiedelt, was man am Beispiel Kölns sehr schön verfolgen kann.
 
(...) jedoch war meine Frage ob der Untergang Roms verhindert hätte werden können.
Und wen ja wie?
Viel diskutiert ist die Frage, unter welchen Voraussetzungen das röm. Imperium sich militärisch gegen den Druck von außen hätte wehren können.

Dazu hätte es primär zwei Grundlagen gebraucht: ein entsprechend ausgebildetes Militär, nach Möglichkeit den von außen Druck ausübenden Barbaren technisch/militärisch überlegen, und dazu die Finanzierung desselben. Da vereinfacht gesagt Krisenherde entlang von Rhein, Donau und Euphrat bedrohliche Ausmaße angenommen hatten, da das persiche Reich ein ebenbürtiger Gegner war, da auch mit Goten & Co. nicht gut Kirschen essen war, wäre das ein sehr teures Vergnügen gewesen.

Allerdings hat man errechnet, dass theoretisch eine Besteuerung der senatorischen Einkommen (Jahreseinkünfte) um 10% eine solche Riesenarmee für ein Jahr finanziert hätte - aber der senatorische Adel wurde nicht in dieser Weise besteuert.

Weiterhin aber ein Unsicherheitsfaktor in solchen spekulativen Überlegungen ist die Tatsache, dass im 4.-5. Jh. nicht mehr von gut augebildeten Legionen die Rede sein konnte und auch nicht mehr von einer technologischen (militärtechnischen) Vorrangstellung, wie das zu Beginn der Kaiserzeit noch der Fall war. Da sich das spätrömische Militär zunehmend aus Barbaren rekrutierte, herrschte diesseits wie jenseits der Grenze militärisch ein labiles Gleichgewicht (man denke nur, wie die "römische" Armee des "letzten Römers" Aetius aussah...)

Interessant sind hierzu die Publikationen von Alexander Demandt und Herwig Wolfram - z.B. war das röm. Imperium keine "Militärdiktatur": nur knapp 2% der Bevölkerung des Imperiums stand unter Waffen.

Meine private Spekulation hierzu: vielleicht hätte Marc Aurel oder Diocletian das Ruder rumreißen können - wenn sie gewußt hätten, was später auf das Imperium noch alles zukommt...
 
Im 3. Jhdt. gab es einige fähige Herrscher, z. B. Aurelian oder Probus, die aber nach wenigen Jahren ermordet wurden. Wer weiß, was sie noch geleistet hätten, wenn sie zwei Jahrzehnte hätten regieren können.

@ dekumatland:
So schlecht war der Zustand der römischen Armee in der Spätantike auch wieder nicht. Vor allem war die römische Armee durchaus anpassungsfähig, wie z. B. die Einführung von Clibanarii (schwergepanzerte Reiter) und auch berittener Bogenschützen (in Ostrom) zeigte. Die Römer gewannen noch im späten 4. Jhdt. die meisten Schlachten. Eine Katastrophe mit nachhaltigen Folgen war wohl die Schlacht am Frigidus, die für beide Seiten sehr verlustreich gewesen sein soll und somit die römische Armee schwächte. Dass der Rheinübergang von 406 nicht abgewehrt werden konnte, lag wohl auch nicht an der Schwäche der römischen Armee, sondern dass sie gerade mit dem Bürgerkrieg zwischen Kaiser Honorius und Usurpatoren beschäftigt war. Letztlich waren es meiner Meinung nach also eher innere Ursachen, wieso die Römer im 5. Jhdt. mit ihren Gegnern militärisch nicht mehr fertig wurden, und nicht eine prinzipielle Unterlegenheit ihres Heerwesens.
 
Rechnungen interessieren mich immer! :winke:

Wer ist denn "man"?

Herwig Wolfram (das Reich und die Germanen, die Ostgoten)
Alexander Demandt (die Spätantike)
... leider sind die drei Bücher nicht per Internet-Link zu lesen, aber lesenswert sind sie dennoch :winke:
ulkig hierzu auch, dass "die Barbaren" sich zumeist gegenseitig prügelten, insgesamt aber einer einer ordentlich geführten röm. Armee unterlegen waren - - wenn es denn noch im 5. Jh. im weström. Reich solche gegeben hätte...
bei aller theoretischer Stärke womöglich gar der spätrömischen Armeen: in der Praxis leider hinderten sie nicht, dass zu Paris Chlodwig, zu Ravenna Theoderich, zu Karthago Geiserich, im schönen Spanien Sueben und Visigothae sich ziemlich feste etablierten ;)

Anders sah es in der oströmischen Hälfte aus - allerdings das Expeditionsheer von Narses bestand auch überwiegend aus barbarischen Kontingenten.
 
Letztlich waren es meiner Meinung nach also eher innere Ursachen, wieso die Römer im 5. Jhdt. mit ihren Gegnern militärisch nicht mehr fertig wurden, und nicht eine prinzipielle Unterlegenheit ihres Heerwesens.
Von einer prinzipiellen Unterlegenheit des spätröm. Militärs habe ich nicht geschrieben, sondern angemerkt, dass die barbarischen Heere gleichwertig geworden waren (die hatten wohl ganz ordentlich aufgeholt).
 
Geben die beiden Bücher dazu irgendwelche brauchbare Hinweise/Quellen zu den Finanzen/Steueraufkommen? Das kann ich mir kaum vorstellen.
von den drei Büchern hat das von Demandt folgende Kapitel, die zum Thema beitragen:
1. der Staat, darin:
c) die Verwaltung (darin auch viel über spätantikes Steuerwesen)
d) das Heer
3. die Wirtschaft
(das komplette Inhaltsverzeichnis abzutippen ist mir zu mühselig)
übrigens ist dort alles mit einem ausführlichen Apparat (Kommentare, Quellen etc.) versehen
...mich wundert, dass dieses Standardwerk zur Spätantike Dir noch nicht bekannt zu sein scheint, da ja selbst ich Laie es kenne :still:

berühmt-berüchtigt, auch in anderen Publikationen abgedruckt, ist der Abschnitt über das Evaluieren aus Wolframs "das Reich und die Germanen", wo es um demografische Verhältnisse geht
 
...mich wundert, dass dieses Standardwerk zur Spätantike Dir noch nicht bekannt zu sein scheint, da ja selbst ich Laie es kenne

Das Handbuch ist mir nur dem Titel nach bekannt, eben Ereignisgeschichte. Ich war mehr über die ökonomischen Aussagen verwundert, da ich nur spezielle Literatur zur Wirtschaftsgeschichte habe. Die darin aufgezeigten Lücken können mE kaum in Gesamtdarstellungen übersprungen werden, aber wer weiß... :still:
 
Das Handbuch ist mir nur dem Titel nach bekannt, eben Ereignisgeschichte.
...manchmal bietet auch diese was... :still:
Spaß beiseite: ich wüsste keinen Grund, das Buch von Demandt bei Interesse an der Spätantike zu umgehen - und wenn es für Spezialisten in Spezialgebieten nicht speziell genug ist, so gibt es ja den dort vorhandenen Apparat zum nachprüfen.
Dass vom spätröm. Reich keine kompletten Steuerlisten überliefert sind, ja dass bezgl. der integrierten Barbarenheere die annona kontrovers diskutiert werden, ist mir bekannt - - wie auch immer: dazu hat Demandt manches recht übersichtlich dargestellt, so weit es die Quellen eben erlauben.
 
Peter Heathers "Untergang des römischen Weltreichs" sollte man sicherlich erwähnen, er geht intensiv auch auf die ökonomischen Aspekte ein.
 
Hätte mans abwenden können?

Eines der jüngeren "großen" Bücher zum Thema stammt ja von Peter Heather. Heather vertritt ganz klar die These, dass der Untergang des weströmischen Reiches eigentlich erst in seinen letzten 3-4 Jahrzehnten statt fand - und zwar beginnend mit dem Verlust Nordafrikas als Kornkammer um 431 und dem ambitionierten, doch erfolglosen Versuch unter Kaiser Anthemius, es 466 wieder zurückzuerobern. Er macht nicht zuletzt auch die mangelnde Unterstützung des oströmischen Reiches für den Untergang des weströmischen verantwortlich.

Die Frage an sich ist natürlich hypothetisch.
Wer Heathers Ansatz folgt, zählt eher zu den Menschen, die glauben, dass sich Geschichte in Augenblicken entscheiden kann. Seine Thesen würden wiederum den Vertretern der "longue duree" weniger schmecken, die glauben, dass den vordergründigen Ereignissen tiefergehende, nicht leicht umkehrbare Entwicklungen zugrunde liegen.
 
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