Dass die Römische Regierung aufgrund der enormen Verzettelung des Riesenreichs geschwächt war, kam wohl als zusätzlicher Zerfall-fördender Umstand hinzu.
Um die Missstände im Weströmischen Reich zu beheben, wäre vor allem eine Bodenreform notwendig gewesen, die den Kolonen mehr Freiheit und Land gebracht hätte. Obwohl diese einst freien Bauern durch Gesetze an das Land gefesselt und den Großgrundbesitzern hilflos ausgeliefert waren, herrschte eine allgemeine Landflucht. Riesige Flächen lagen brach und somit fiel auch die Steuerleistung ins Unermessliche.
Hinzu kam, dass die Großgrundbesitzer (sowohl römischer Adel als auch Provinzadel) gewaltige Reichtümer angehäuft hatten, wegen ihrer guten Verbindungen und Machtposition jedoch nahezu steuerfrei blieben. Auch hier konnten die kaiserlichen Steuereintreiber also wenig holen, ganz abgesehen davon, dass der spätantike Zwangsstaat eher als Feind denn als Ordnungshüter wahrgenommen wurde. Die staatliche Ordnung vermochte er ohnehin nur noch partiell und lückenhaft zu gewährleisten.
Eine Bodenreform, verbunden mit finanziellen und rechtlichen Erleichterungen für die Kolonen, wäre also geboten gewesen und zwar flankiert von einer Stärkung der Magistrate in den Städten. Auch die waren verantwortlich für vom Staat festgesetzte Steuererhebungen und hatten mit ihrem privaten Vermögen zu haften. Da aber die Wirtschaft darniederlag und das umliegende Land nicht weiter auszupressen war, konnten die Magistrate auch die geforderten Steuern nicht mehr zahlen. Die Folge war auch hier, dass sich die alten städtischen Eliten durch Flucht den kaiserlichen Steuereintreibern entzogen und die Städte im Weströmischen Reich verödeten und verarmten.
Die noch zur Verfügung stehenden Finanzen steckte der weströmische Staat ins riesig dimensionierte Militär, ohne dass auch nur entfernt die Chance bestand, die Grenzen gegen anstürmende Germanen, Hunnen und andere Völker zu sichern. Die Grenzen waren schlicht überdehnt und konnten mit den zur Verfügung stehenden Ressourcen auch nicht mehr gehalten werden.
Erforderlich gewesen wäre also eine Rücknahme der Grenzen bzw. der Grenzverteidigung, ihre Anpassung an den finanziellen Rahmen und somit die Aufgabe einiger Provinzen. So z.B. Britannien, Germanien und die nördlichen Teile Galliens.
Das alles bleibt jedoch spekulativ, da die Kaiser der Spätantike - abgehoben vom Volk, unter Vormundschaft stehend, im Kindesalter oder schlicht unfähig - außerstande waren, solche Maßnahmen durchzusetzen. Der ganze staatliche Organismus "Westrom" war vermutlich derart morsch, kraftlos und vor allem ohne eine Bevölkerung, die sich noch mit Rom identifizierte, dass wohl kein Gegenmittel mehr hätte Hilfe bringen können.
Eine dominierende Ansicht der militärischen Seite als Ursache für den Untergang Westroms greift viel zu kurz. Der weströmische Staat hatte immense soziale, gesellschaftliche, ökonomische, demografische und finanzielle Probleme, die schließlich zu seiner totalen Desontegration führten.