Fugu ist ein sehr exotisches Beispiel, es geht auch banaler:
Ich wundere mich manchmal, wie das wohl bei Pilzen gelaufen ist: Bekanntlich sind viele genießbar, viele aber auch giftig, wobei es obendrein oft giftige und ungiftige Arten gibt, die sich täuschend ähnlich sehen. Wer ist da eigentlich auf die Idee gekommen, alle durchzuprobieren, um festzustellen, welche genießbar sind? Naheliegender wäre es doch eigentlich, nach den ersten Todesfällen durch den Verzehr unbekannter Pilze generell die Finger von den noch unbekannten Arten zu lassen. War eine Hungersnot so groß und sonst nichts mehr verfügbar, dass man trotzdem verzweifelt weiter probiert hat? Hat man bestimmte Personen zum Kosten gezwungen?
Dazu mal meine Überlegungen, auch, nachdem ich kürzlich Ratschläge zum Pilze sammeln aus der Zeit um 1880 las.
In früheren Zeiten dürften Pilze - die ja auch heute meist nur Teil der Beilage sind - eine noch geringere Rolle für die Ernährung gespielt haben, als dass heute der Fall ist. Die Ausnahmen: die um 1650 entdeckte Möglichkeit der Zucht von Champignons (übrigens ein reines Zufallsprodukt, womit wir wieder beim Ausgangsthema sind) um Paris; und vielleicht Tundragegenden, wo sie bei geringen Möglichkeiten zur Nahrungsergänzung eine gute Rolle gespielt haben könnten, z.B. in Finnland.
Die Ausbildung der Fruchtkörper ist stark klima- und standortabhängig und relativ unberechenbar. Weitere Parameter: es gibt im Vergleich zur Gesamtmenge der Arten wenig Pilze, die als Speisepilze geeiget sind. Es gibt eine große Anzahl von Pilzen, die einfach nicht schmecken, oder in irgendeiner Form unverträglich sind. Es gibt nur wenige Arten (in Deutschland vielleicht 4-5), die hochtoxisch sind, und die beiden gefährlichsten, der weiße und der grüne Knollenblätterpilz, sind nicht sehr häufig. Von diesen ist bei zweien oder dreien die Gefahr, sie mit ähnlichen Speisepilzarten zu verwechseln hoch. Die Masse der Pilzarten wird schnell faulig. Die meisten Säugetiere essen Pilze zumindest nicht gerne (Ausnahme, so sagt man häufig, die Wildschweine).
Im Ergebnis schließe ich daraus: die Chancen, Pilze auszuprobieren und nicht sofort tot umzufallen, waren gut. Andererseits waren auch die Chancen hoch, sich den Magen zu verderben, und dürften daher von vornherein zu einer gewissen Vorsicht geführt zu haben.
Der besagte Pilzratgeber des 19. Jahrhunderts verrät, dass man vorsichtiger zu Werke ging (und z.B. eine gute Speisepilzart wegen Verwechslungsgefahr verschmähte - andererseits aber auch nicht so gute Möglichkeiten hatte, Pilze zu unterscheiden (besonders bei den Lamellenpilzen), wie das heute der Fall ist.
Interessant ist auch, dass die moderne Technik die Bestimmungsmethoden nicht wesentlich beeinflusst hat, sondern eher wissenschaftliche Methodik bei der Erstellung der Schlüssel etc. Intensive chemische Analysen gab es eher bei den Arten, die ohnehin als toxisch bekannt sind. Deswegen gibt es auch im 20./21. Jahrhundert noch Überraschungen, und Arten werden von der Liste der Speisepilze gestrichen. Ein spektakulärer Fall ereignete sich in den 1950er Jahren in Polen:
Orellanus-Syndrom
Der gefährlichste Pilz, der bei Erscheinen von Fällen teils auch meldepflichtig war, ist übrigens das Mutterkorn gewesen - potentiell auch tödlich, sorgte er über lange Zeiträume für Fälle von Massenvergiftungen.
Allerdings passt er nicht so in die Thematik, da wohl niemand bewusst das Mutterkorn gesammelt und gegessen hätte.