Julikrise/Kriegsausbruch

juli-kri

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Da ich derzeit in bestimmten Threads (noch?) nicht schreiben kann, sei mein beitrag hier eingestellt.

Der Julikrisenrevisionismus hinterläßt mich einigermaßen überrascht.

Halten wir noch einmal - unvollständig - die völlig unstreitigen Fakten fest, soweit sie das deutsche Agieren in der Krise betreffen:
28.6. - Attentat
29.6. - die Falken in Wien wollen Krieg. Sie werden sich durchsetzen.
5..7. - Hoyos Mission, Blanko-Check. Die post hoc Versicherungen, man habe an Lokalisierung geglaubt, sind wenig glaubwürdig.
9.7. - Konferenz Jagow, Bethmann, Delbrück. Die einzelnen Ressorts bereiten den Krieg vor (ob als Eventualität oder geplant, ist unklar - vermutlich war sich die deutsche Machtelite selber uneins darüber)
13.7. „Der Generalstab ist soweit fertig“ (Waldersee)
14.7. Bethmann spricht gegenüber Riezler von einem Sprung ins Dunkle (unsicher, da die erhaltenen Tagebücher nur Abschriften darstellen. Vermutlich ist das jedoch authentisch)
22.7. Berlin bekommt, noch vor Belgrad, den Text des Ultimatums (inhaltlich wusste man seit Tagen, welchen Schritt Wien unternehmen wird, nämlich: ein mit voller Absicht unannehmbares Ultimatum stellen mit dem Ziel „Krieg“)
24.7. erster Grey-Vorschlag (Konferenz), den er tags darauf wiederholt - natürlich abgelehnt.
25.7. Jagow insistiert beim kuk-Botschafter, Österreich müsse unbedingt die serbische Antwort ablehnen und sofort Krieg erklären (!!!). Gehts denn eigentlich noch deutlicher? Zumindest für den Serbien-Krieg ist das die smoking-gun, die Clark so schmerzlich vermisst.
26.7. Sasonow sucht mit dem deutschen Botschafter Pourtales einen „Dreh“ - alle Vorschläge werden von Berlin abgelehnt.
27.7. Wilhelm sieht keinen Kriegsgrund mehr. Österreich solle sich zufrieden geben (eine der typischen Wilhelm-Pirouetten)
28.7. Der deutliche Rat des eigenen Kaisers (!!!) wird von der deutschen Politik (Bethmann, Jagow, Zimmermann) nur verstümmelt und verfälscht nach Wien weitergereicht.
29.7. Wenninger (bayrischer Militärattache) nach München: Der Chef des generalstabes (Moltke) setzt seinen ganzen Einfluß darein, daß die selten günstige gelegenheit zum Losschlagen ausgenutzt werden solle“
30.7. - Bethmann drängt nun doch auf Vermittlung, Greys Vorschlag (der dem Wilhelms entspricht) wird nach Wien weitergeleitet - es bleibt aber unklar, wie ernst Bethmann es meint. An diesem Tag signalisiert Moltke (über den kuk-Militärattache) nach Wien: „Deutschland geht unbedingt mit!“ Das ist die smoking-gun für den ganz großen Krieg. Ob Moltke hier für einige Stunden einen kalten Staatsstreich durchexerziert, ob er sich vorher bei Wilhelm abgesichert hat, ob Bethmann Bescheid wusste...wir wissen es nicht. Allemal, die Realität beweist es, wird Moltkes Eigenmächtigkeit, wenn es denn eine war, hinterher klammheimlich abgenickt. In einer Stzung des preussischen Staatsrats am frühen Abend (das wird in der Diskussion zu wenig beachtet) räumt Bethmann ein, dass die russische Mobilmachung der deutschen (letztere hat bekanntlich einen eingebauten Automatismus, der zum Krieg führt) nicht vergleichbar sei. Am Abend wird die (ernst gemeinte?) Vermittlung abgebrochen. Spätestens an diesem Tag muss der Entschluß zum großen Krieg in Berlin gefallen sein.
31.7. Belagerungszustand
ab dem 1. 8. erfolgen dann die deutschen Kriegserklärungen an Russland und Frankreich, der Einmarsch in Belgien und Luxemburg, begleitet von vorfabrizierten, zum Teil absurden Tartarenmeldungen (Fliegerangriff auf Nürnberg, Brunnenvergiften, französische Offiziere in preussischen Uniformen, Franzosen würden belgische Neutralität verletzen etc, )

Die deutsche Kriegstreiberei geht bekanntlich soweit, dass die deutsche Marine Poincares Abfahrt aus St. Petersburg berechnet und den Österreichern nahelegt, die Übergabe des Ultimatums um eine Stunde zu verschieben, damit Poincare dann auch wirklich sicher in See ist und sich nicht mehr mit den Russen beraten kann (die Österreicher gehen auf diesen Vorschlag ein). Während der Rückfahrt Poincares (auf dem Dreadnought „France“, begkleitet von dessen Schwesterschiff „Jean Barth“) stören die deutschen Marinefunkstellen massiv den franzsöischen Funkverkehr. Die deutschen Handelsschiffe werden frühzeitig gewarnt.

Alle deutschen Schritte verliefen so klandestin, dass selbst die Bundesfürsten bzw ihre Ministerpräsidebnten oä sich die Informationen gleichsam zusammenbasteln mussten.

Schlussfolgerung: Österreich und Deutschland, und zwar diese beiden allein, haben agiert, wochenlang. Sie haben den Fehdehandschuh hingeworfen. Dass der dann aufgenommen wurde, ist für die Beantwortung der Frage, wer hier eskaliert habe, uninteressant. Österreich wollte den kleinen Krieg (und fühlte sich bald, vielleicht nicht zu Unrecht, von Deutschland in den Weltenbrand hineinmanipuliert), Deutschland wollte entweder Brinkmanship betreiben und nahm für den Fall einer gescheiterten Risikopolitik den großen Krieg gern in Kauf (den kleinen österreichischen wollte es sowieso und allemal!)...oder es war von Beginn an auf den großen Krieg aus, der ja „eh kommen würde“. Oder (und das halte ich für das Wahrscheinlichste), die Machtelite in Berlin war sich hier uneins, hat auch nicht offen miteinander kommuniziert. Vielleicht waren sogar einzelne Personen hier gespalten (Bethmann selber zB). Sei dem wie dem sei: Österreich und Deutschland haben eskaliert, und zwar sie alleine.

Dass die anderen Mächte auf diese eiskalte Eskalationspolitik reagieren, hat für die Frage nach den Urhebern der Krise und also des Kriegs nicht das Geringste zu bedeuten. Dass jetzt die Propagandalüge vom August 1914, Russlands Mobilisierung sei entscheidend gewesen - auch die Weimarere Republik hat sie sich in ihrem offiziellen Kampf gegen Versailles231 zueigen gemacht - allen Ernstes rehabilitiert wird (gegen alle sattsam bekannten Fakten, die genau zeigen, wer das Spiel eröffnet, wer eskaliert, wer jede Vermittlung torpediert hat!), ist in meinen Augen ein veritabler Wissenschaftsskandal. Im Prinzip liegen die entscheidenden Dokumente seit der Kautsky-Publikation vor. Und wenn ich dann lese, dass Sönke Neizel, der 2002 noch - zutreffend - von der Hauptverantwortung Deutschlands sprach, jetzt vor „Schuldstolz“ warnt und unverhohlen in diesem vorgeblichen Schuldstolz Hemnisse für eine kräftige deutsche Interventionspolitik sieht, wird mir ganz anders.

Belege für alles:

Geiss, Immanuel, Juli 1914, München 1965, 2te 1980 (vergl auch die große zweibändige Edition der Dokumente von 1964)
Stevenson, David, 1914-1918, London 2004, 2te 2012
Mombauer, Annika, Die Julikrise, München 2014
Pöppelmann, Christa, Juli 1914, Berlin 2013
Gasser, Adolf, Preussischer Militärgeist und Kriegsentfesselung 1914,Basel und Frankfurt/Main, 1985
Röhl, John, Vorsätzlicher Krieg? Die Ziele der deutschen Politik im Juli 1914, im Michalka-Sammelband

wichtige weitere Quellen: Die Tagebücher Wolffs, Wenningers und von Müllers (die ungereinigten!)
 
Da ich derzeit in bestimmten Threads (noch?) nicht schreiben kann, sei mein beitrag hier eingestellt.
Du kannst Dich hier informieren:
http://www.geschichtsforum.de/f82/rubrik-fragen-und-antworten-14912/
http://www.geschichtsforum.de/f82/erste-hilfe-und-einf-hrung-fragen-antworten-37263/
http://www.geschichtsforum.de/f8/schreibrechte-neuzeit-9706/

Der F&A-Bereich ist eigentlich für kurze Fragen gedacht, und auch eher für Gäste. Die Schreibrechte werden idR schnell nach einigen paar Sachbeiträgen erteilt. Mit dem F&A soll das nicht umgangen werden, bitte darauf achten.:winke:


Der Julikrisenrevisionismus hinterläßt mich einigermaßen überrascht.
Es ist wenig hilfreich, und lehnt sich eigentlich nur an den oberflächlichen derzeitigen Schlagabtausch über die Presse an, mit Pauschalierungen zu arbeiten, egal ob es sich nun um das komplexeste historische Ereignis handelt (Clark) oder nicht. Zu dem Thema gibt es auch keine einfachen Antworten, wie schon vermutlich zehntausende Schriften zeigen.


9.7. - Konferenz Jagow, Bethmann, Delbrück. Die einzelnen Ressorts bereiten den Krieg vor (ob als Eventualität oder geplant, ist unklar - vermutlich war sich die deutsche Machtelite selber uneins darüber)
13.7. „Der Generalstab ist soweit fertig“ (Waldersee)
Siehe zB hier ab #143.
http://www.geschichtsforum.de/f62/r...ng-und-der-eintritt-den-ww1-48326/index8.html

Es ist nmE der Julikrisen-Debatte und im Sinne einer "modifizierten Fischer-These" international nicht mehr strittig, dass von den Mittelmächten mit dem Blankoscheck und begleitende Handlungen und Äußerungen ein lokaler Krieg Serbien(ÖU angestrebt war.

Solche Zitate wie das von Waldersee sind außerdem zu kontextualisieren, um deren Bedeutung zu klären. Ansonsten kann man die sich beliebig um die Ohren schlagen, und dann den Wald vor lauter Bäumen nicht mehr sehen. Beispiel: Dein Zitat ist keine Begründung für die Kriegseinschätzung, weil konträr dazu Moltke und Falkenhayn die weitere Friedensrüstung 14/15 besprechen (die Zeit hätten sie sich schenken können, wenn man im August an die Marne marschiert), und Moltke mit seiner Frau vor dem 20.7. Privatverabredungen für den August trifft. Dein Zitat ist vielmehr die Antwort der Militärs auf die mehrfache Frage während des Risikokurses, ob das Militär für den Fall der Eskalation bereit sei. Die Frage steht in der Logik des Risikokurses, und kann nicht verselbständigt als feste Absicht auf den Europäischen Krieg interpretiert werden. Siehe im thread
http://www.geschichtsforum.de/f62/r...voraussetzung-und-der-eintritt-den-ww1-48326/
und zum Mechansismus in der letzten Juli-Dekade:
http://www.geschichtsforum.de/f62/der-kult-der-offensive-48746/
http://www.geschichtsforum.de/f62/d...nd-der-deutsche-generalstab-vor-1914-a-43914/
Oder zur Einkreisungs-Bessenheit:
http://www.geschichtsforum.de/f58/d...sch-britische-marineabkommen-1912-14-a-32681/

Die deutsche Kriegstreiberei geht bekanntlich soweit, dass die deutsche Marine Poincares Abfahrt aus St. Petersburg berechnet und den Österreichern nahelegt, die Übergabe des Ultimatums um eine Stunde zu verschieben, damit Poincare dann auch wirklich sicher in See ist und sich nicht mehr mit den Russen beraten kann (die Österreicher gehen auf diesen Vorschlag ein). Während der Rückfahrt Poincares (auf dem Dreadnought „France“, begkleitet von dessen Schwesterschiff „Jean Barth“) stören die deutschen Marinefunkstellen massiv den franzsöischen Funkverkehr.
Der Kontext belegt, dass man mit solchen Maßnahmen - nennen wir es: Behinderung der russisch-französischen Abstimmung über Reaktionen auf das Ultimatum - die Einwirkungsmöglichkeit auf den öster.-serbischen Konflikt verhindern, und damit explizit den (beabsichtigten) Krieg ohne Eingriff der Unterstützermächte Serbiens lokalisierbar machen wollte.

Weiter ist daraus nichts abzuleiten, ebenso wenig wie umgekehrt aus der Bestätigung Poincares der frz. Bündnisverpflichtungen am Vorabend (was manche aber inzwischen als frz. "Blankoscheck" interpretieren).
http://www.geschichtsforum.de/f62/poincar-besucht-russland-im-juli-1914-a-31936/
http://www.geschichtsforum.de/f62/k...d-russlands-vom-deutschen-blankoscheck-48521/
 
Dein Zitat ist vielmehr die Antwort der Militärs auf die mehrfache Frage während des Risikokurses, ob das Militär für den Fall der Eskalation bereit sei. Die Frage steht in der Logik des Risikokurses, und kann nicht verselbständigt als feste Absicht auf den Europäischen Krieg interpretiert werden.

ich antworte noch mal hier; als Mod magst Du gerne verschieben.

Nun, das tue ich auch nirgends. Die Dokumente sind da halt uneinheitlich und lassen natürlich auch viel Spielraum. Mein Lieblingsbeispiel ist Zimmermann, der gegen Hoyos eine 90%ige Wahrscheinlichkeit für einen europäischen Krieg äußerte (Gasser 112). In Hopmans Tagebüchern aber lesen wir (Epkenhans, Hrsgb, Das ereignisreiche Leben eines "Wilhelminers", Hopman Aufzeichnungen 1901-1920, München 2004, p. 386): "8. Juli: Capelle erzählt, Zimmermann habe in einer gestrigen Unterredung mit Grasshoff geäußert, Lage sei noch nicht unbedenklich, wenn er auch nicht an einen großen Kontinentalkrieg glaube". Sicher: X sagt, der Y solle dem Z gesagt haben.... Aber Mißverständnisse bei diesen Marineprofis und bei einem Thema, bei dem es um ihren Daseinskern, nämlich Kriegführen, geht? Beide Zitate scheinen mir korrekt, woraus ich folgere: Die deutsche Machtelite war sich einerseits bewusst, dass hieraus ein europäischer krieg entstehen könne, war sich aber in ihrer Analyse noch unsicher (oder Zimmermann wollte abwiegeln?). Auch Delbrück sagte am 9. ja spontan "Das ist der krieg" - und wollte gleich Weizen in Amsterdam aufkaufen, wird von bethmann aber nicht mit einem "Sie sind ja wahnsinnig" davon abgebracht, sondern gleichsam mit einem "pssst, leise sein". Dass sie - wie Du selber richtig sagst - den kleinen Krieg definitiv haben wollte, stimmt, würde aber eben natürlich bedeuten: Man habe den großen massiv mit in kauf genommen. Und bei aller Fragen rund um die Authentizität der Riezler-Tagebücher: Der berühmte Eintrag scheint mir zuzutreffen. Diplomatisch die Entente sprengen, oder eben durch Krieg. Stevenson nennt das die "Wette auf Sieg und Platz" (Sieg=Sprengen der Entente, wenn das nicht geht kommts zum dann eben notwendigen Krieg. Krieg= Platz). Fritz Fischer meinte ja noch: letztlich alle hätten die Krieg vorgezogen. Nun, darüber mag man streiten. Was sie definitiv wollten, und zwar alle, auch bethmann, war ein außenpolitischer Sieg, eine Umwälzung der Machtverhältnisse...so oder so.

Zu Moltke: Stimmungsschwankungen? Moltke wollte den Krieg eigentlich seit langem, war aber auch Melancholiker, dann ja auch der Sache nicht gewachsen.
 
ich antworte noch mal hier; als Mod magst Du gerne verschieben.
Ok, kann später erfolgen.

Nun, das tue ich auch nirgends. Die Dokumente sind da halt uneinheitlich und lassen natürlich auch viel Spielraum.
Da haben wir auch keinen Dissens.
Mir kam es darauf an, hier den Kontext aufzuzeigen. Schlussfolgerungen ergeben sich erst im Anschluss an die Quellenkritik. Beispiele:

Mein Lieblingsbeispiel ist Zimmermann, der gegen Hoyos eine 90%ige Wahrscheinlichkeit für einen europäischen Krieg äußerte (Gasser 112). In Hopmans Tagebüchern aber lesen wir (Epkenhans, Hrsgb, Das ereignisreiche Leben eines "Wilhelminers", Hopman Aufzeichnungen 1901-1920, München 2004, p. 386): "8. Juli: Capelle erzählt, Zimmermann habe in einer gestrigen Unterredung mit Grasshoff geäußert, Lage sei noch nicht unbedenklich, wenn er auch nicht an einen großen Kontinentalkrieg glaube". Sicher: X sagt, der Y solle dem Z gesagt haben.... Aber Mißverständnisse bei diesen Marineprofis
Wie Du den neueren Darstellungen von Hoffmann und speziell Jansen entnehmen kannst, ist
a) die Wahrnehmung bei Heer und Marine unterschiedlich gewesen. Die Marine - von nachrangiger Bedeutung für den planerisch vorbereiteten Vernichtungsschlag im Fall der Fälle - leitet so auch frühzeitig Vorsichtsmaßnahmen ein, beim Heer ging man in Urlaub und findet trotz des Risikokurses keinerlei Besonderheiten vor dem 23.7.1914. Profi ist hier nicht gleich Profi...
b) Hoyos Aussagen (wie auch anderer) bis zum 6.7. beziehen sich nicht auf das Szenario uneingeschränkter Rückendeckung durch das DR. Siehe den anderen thread, wo das ausführlich erläutert ist: Die deutschen Entscheidungsträger, sozusagen die pressing group zum Blankoscheck und Risikokurs - gaben sich in den Gesprächen mit Hoyos der Erwartung hin, dass Russland bei starker Rückendeckung von ÖU nicht militärisch eingreifen werde. So wie man auch 1913 zurückgezuckt ist, von daher nicht unplausibel.

c) außerdem ist zeitlich zu differenzieren im Krisenverlauf:
und bei einem Thema, bei dem es um ihren Daseinskern, nämlich Kriegführen, geht? Beide Zitate scheinen mir korrekt, woraus ich folgere: Die deutsche Machtelite war sich einerseits bewusst, dass hieraus ein europäischer krieg entstehen könne, war sich aber in ihrer Analyse noch unsicher ... den kleinen Krieg definitiv haben wollte, stimmt, würde aber eben natürlich bedeuten: Man habe den großen massiv mit in kauf genommen.
Nach dem 24.7. - auch aufgrund des Mechanismus und Automatismus der Mob.-und Aufmarschplanungen - änderte sich das dramatisch: nun wurde der Europäische Krieg aus "Sachzwang" angestrebt und darauf gedrängt. Siehe auch das Moltke-Memorandum.
 
Die deutschen Entscheidungsträger, sozusagen die pressing group zum Blankoscheck und Risikokurs - gaben sich in den Gesprächen mit Hoyos der Erwartung hin, dass Russland bei starker Rückendeckung von ÖU nicht militärisch eingreifen werde. So wie man auch 1913 zurückgezuckt ist, von daher nicht unplausibel.

Eine punktuelle Anmerkung. Das tendenziell defensive Verhalten während des 1. und des 2. Balkankrieges von Russland, inklusive Mobilisierung seiner Armeen (die nicht! als bedrohlich in Berlin begriffen worden ist) war der Hintergrund für die Einschätzung im Juli 1914.

Es kam jedoch verstärkend die Tendenz des deutschen Botschafters Pourtales, ein Günstling von KW II, in St. Petersburg hinzu, die zunehmende "Kriegsbereitschaft" in 1914 als "Bluff" nach Berlin zu melden. Und somit die Einschätzung aus den Jahren zuvor zu verstärken.

Am 29.07. gab es ein Gespräch zwischen Pourtales und Sazonov (russischer Außenminister), in dem deutlich wurde, wie Pourtales die Situation falsch nach Berlin berichtet hatte. Dieser Befund wird regelmäßig in der Literatur dargestellt.

Sazonov war durch diese Erklärung von Pourtales deutlich geworden, dass man in Wien und in Berlin den Krieg gegen Serbien führen wollte und durch einen ernsthaften Bluff - von dem Berlin in der Wirksamkeit duchaus überzeugt war - Russland aus dem "lokalen" und "schnellen" Krieg versuchen wollte fernzuhalten. Und somit verfestigte sich der Eindruck, den Sozonov hinsichtlich des Ö-U- Ultimatums bereits ab ca. dem 24. 07. hatte.

Dass er (Sazonov) das "Opfer" eines diplomatischen Bluffs werden sollte, hat ihn verärgert und seine bereits nach der Kenntnisnahme des Ö-U-Ultimatums an Serbien geäußerte Vermutung, dass Ö-U einen Krieg wolle, noch zusätzlich verstärkt (M. MacMillan: The War that ended Peace. 2014, S. 569-570)

Es gab wohl nie vorher und nie nachher einen großen Krieg, in dem das Verhalten der Botschafter eine so gravierende Rolle für den Ausbruch des Krieges gespielt hatte. Teils vorsätzlich, wie der russische Botschafter in Belgrad, teils in bester Absicht, wie der deutsche Botschafter in London oder teils in einem Anpflug von extremer politischer Anmaßung, wie der französische Botschafter in St. Petersburg agierten sie nicht selten so, dass sie die bedrohliche Situation nicht helfen konnten, unter Kontrolle zu bekommen.

Eine ungeschönte, korrekte Berichterstattung durch Pourtales, bereits vor der Juli-Krise, nach Berlin hätte die Bereitschaft für den Blanko-Scheck reduzieren und somit auch die implizite Bereitschaft, das Risiko einer Eskalation des Konflikts in Berlin und Wien zu akzeptieren, verringern können.
 
Zuletzt bearbeitet:
@juli-kri (Steht das für Julikrise?)

Deine Darstellung leidet erkennbar darunter, das du ausschließlich viel belastendes in Richtung Berlin und Wien aufzählst.Ganz ähnlich wie bei Annikas Mombauers knäpliches Werk zur Julikrise. Diese überauschwere diplomatische Krise hatte aber noch mehr Akteure und Orte und sie waren nicht, wie es aus deinen Zeilen deutlich wird, nur Getriebene, sondern drehten auch am Rade der Eskaltion.

Der Kaiser erteilte dem AA übrigens keine Ratschläge, sondern Befehle.
 
thanepower schrieb:
Eine ungeschönte, korrekte Berichterstattung durch Pourtales, bereits vor der Juli-Krise, nach Berlin hätte die Bereitschaft für den Blanko-Scheck reduzieren und somit auch die implizite Bereitschaft, das Risiko einer Eskalation des Konflikts in Berlin und Wien zu akzeptieren, verringern können.
Meines Wissens nach gehörte Pourtales zur Fraktion der Botschafter, die den Frieden unbedingte erhalten wissen wollten. Das gilt auch für Lichnowsky. Und als Tschirschky sich zuerst in Wien korrekt verhalten hatte und Wilhelm seine unseeligen Randnotizen auf Tschirschkys Depesche kritzelte, was diesem zugetragen wurde, änderte er radikal seinen Kurs und wurde zum aggressiven Kriegstreiber. Mit ihm der Bruder Vetter des Reichskanzler Dietrich Behtmann Hollweg.

Ich sehe die deutsche Botschaft in Wien sehr kritisch, denn dort äußerte man sich später gegenüber Admiral Hopmann, der in Wien auf der Durchreise war, dahingehend, man habe den Krieg gemacht.
 
vorab: wenn mir jemand Schreibrechte verschafft, gehe ich gerne ins dafür vorgesehene Forum.

@silesia konkret geht es mir darum, dass Zimmermann innerhalb eines Tages zwei völlig gegensätzliche Einschätzungen abgibt. "90% europäischer Krieg" versus "wird wohl keinen geben". Das hat nun mit Marine versus Heer nichts zu tun. (Dass für das kontinentale Denken Berlins das Heer wichtiger war, ist natürlich richtig.) Es gibt Belege in Hülle und Fülle, nicht nur die Riezler-Tagebücher (die ja mit etwas Vorsicht zu genießen sind), die belegen, dass Berlin und auch Wien sich frühzeitig der Möglichkeit eines großen Krieges bewusst waren...und ihn in Kauf nahmen. Ich denke, der Schlussfolgerung "Beide wollten den kleinen Krieg und nahmen den großen in Kauf" wird man sich nur schwer entziehen können. Und da Wien und auch Berlin (letzteres ist etwas unklar; jedenfalls wurde die Vermittlung am 30. abends/nachts abgebrochen und man ließ den Dingen ihren Lauf, dazu die Moltke-Botschaft an Österreich "Deutschland geht unbedingt mit") sich in der letzten Woche jeder Vermittlung sperrten, sehe ich derzeit keine guten Argumente gegen 231 Versailles. Wien und Berlin haben die Krise willentlich und wissentlich eskalieren lassen, wollten definitiv den kleinen Krieg gegen Serbien, verweigerten sich jeder echten Vermittlung und haben Serbien, Russland und Frankreich den Krieg erklärt. Dies immer vor dem Hintergrund, dass die in Deutschland, und zwar zT in aller Öffentlichkeit (intern sowieso), erklärt wurde, ein Krieg müsse demnächst her. (General Bernhardi, worauf Fritz Fischer zu Recht hinweist, war übrigens kein "Militärschriftsteller", zu dem ihn zechlin runterbrechen wollte, sondern sehr wohl ein Mann mit nach wie vor engen Kontakten ins militärische Establishment.) Demgegenüber haben die Verbündeten der Triple-Entente lediglich ihre aller Welt bekannten Bündnisse noch einmal bekräftigt, haben klar kommuniziert, was passieren würde, wenn weiter an der Eskalationsschraube gedreht wird, und haben das getan, was Berlin und Wien klammheimlich seit Anfang Juli taten: Militärische Vorbereitungen treffen. Dass der 231 Versailles aus politischen Gründen dennoch besser unterblieben wäre, darüber herrscht wohl Einigkeit. Falsch war er nicht.

@Turgot mir geht es darum, zu zeigen, wer agiert hat und wer bloß reagierte. Dass am Ende die Falken in allen europäischen Ländern triumphierten, ist richtig und ist mir auch bewusst. Churchill, Fisher, Dupont...die waren dann auch happy, dass es endlich losging. Darum aber geht es nicht bei der Frage, wer konkret diesen Krieg ausgelöst hat. Deiner Pourtales-Eijnschätzung stimme ich zu.
 
Eine punktuelle Anmerkung. Das tendenziell defensive Verhalten während des 1. und des 2. Balkankrieges von Russland, inklusive Mobilisierung seiner Armeen (die nicht! als bedrohlich in Berlin begriffen worden ist) war der Hintergrund für die Einschätzung im Juli 1914.

Es kam jedoch verstärkend die Tendenz des deutschen Botschafters Pourtales, ein Günstling von KW II, in St. Petersburg hinzu, die zunehmende "Kriegsbereitschaft" in 1914 als "Bluff" nach Berlin zu melden. Und somit die Einschätzung aus den Jahren zuvor zu verstärken.

Am 29.07. gab es ein Gespräch zwischen Pourtales und Sazonov (russischer Außenminister), in dem deutlich wurde, wie Pourtales die Situation falsch nach Berlin berichtet hatte. Dieser Befund wird regelmäßig in der Literatur dargestellt.

Hall thanepower,

Danke. ich habe hier gerade bloß den "kleinen" Geiss (dtv-Dokumente) und den Krumeich vorliegen und find es nicht. Magst Du kurz sagen, wo ich das finde?
 
Das Gespräch bezog sich auf MacMillan. Ob Du es bei Geiss oder
bei Krumeich findest, kann ich Dir nicht sagen.
Danke. Welche primärquelle gibt MacMillan an? Vielen Dank im Voraus für Deine Mühen. (Im "großen Geiss" sollte es drin sein, den hab ich aber erst Montag wieder zur verfügung)
 
Zuletzt bearbeitet:
Ist es das mitternächtliche Gespräch? Zumindest das ist im Krumeich drin (p. 316, Krumeich, Gerd, Juli 1914, Eine Bilanz, paderborn 2014). Dort bezug auf geiss II 672. ich zitier mal:

"Habe aus Äußerungen Sasonows Eindruck, dass Allerhöchstes telegramm Wirkung auf Zaren nicht verfehlt hat, fürchte aber, dass der Minister eifrig bemüht ist, daran zu arbeiten, dass Zar fest bleibt." Hmm, ist das sooo falsch verstanden von Pourtales?
 
@juli-kri

Die Militärkonvention zwischen Frankreich und Russland von 1892/94 verpflichtete die Partner

  • [FONT=&quot]zu gegenseitigem Beistand bei einem Angriff durch einen der Dreibundstaaten [/FONT]
  • [FONT=&quot]zur sofortigen Mobilisierung der Streitkräfte bei ersten Nachrichten über die Mobilmachung eines Dreibundpartners [/FONT]
  • [FONT=&quot]zur Regelung der Stärke der mobilisierten Truppen [/FONT]
  • [FONT=&quot]zur Zusammenarbeit der Generalstäbe in Friedenszeiten [/FONT]
  • [FONT=&quot]zum Austausch von Spionagematerialien [/FONT]
  • [FONT=&quot]zur Verweigerung von Sonderfriedensvereinbarungen [/FONT]
  • [FONT=&quot]zur Akzeptanz der Geltungsdauer der Konvention in Abhängigkeit von der Existenz des Dreierbundes.[/FONT]
[FONT=&quot]Fällt dir etwas auf?
[/FONT]
[FONT=&quot]
[/FONT]
[FONT=&quot]Der Balkan oder gar der Serbien tauchen überhaupt nicht auf. Das Bündnis ist von Poincare ohne Not erheblich ausgedehnt worden.
[/FONT]
[FONT=&quot]
[/FONT]
[FONT=&quot]Ohne die massive Rückendeckung von Poincare hätte es wahrscheinlich gar keinen Krieg, zumindest keinen großen Krieg gegeben. Serbien war bereit dem Ultimatum im vollen Umfange zu entsprechen! Es waren die Russen, die dafür gesorgt haben, dass dies nicht geschah. Serbien war keine europäische Großmacht, auf dessen Prestige hätte groß Rücksicht genommen werden müssen. Darüber hinaus haben in einen vergleichbaren Fall serbische beamte auch auf dem Territorium der Donaumonarchie ermitteln können. Die serbische Souveränität als Ablehnungsgrund war nur vorgeschoben. Jedenfalls hätte der Ballhausplatz, der ja unbedingt den Krieg wollte, einen erheblichen Erklärungsnotstand gehabt, wenn man dann trotzdem den Krieg begonnen hätte.[/FONT]
[FONT=&quot]
[/FONT]
[FONT=&quot]Das russische Agieren, nicht reagieren, war jedenfalls auch nicht gerade von großen Verantwortungsbewusstsein geleitet. Und ich wiederhole mich hier, wenn ich ausführe, das eine Mobilmachung als das verstanden wurde, was sie war, und nicht als kongenialer Bluff von Sasonow.[/FONT]
[FONT=&quot]
[/FONT]
[FONT=&quot]Und Poincare hatte auf der Rückfahrt von Russland auch ein Stopp in Schweden eingelegt; ganz gewiss keine Sightseeing Tour, sondern im Sinne der Kriegsvorbereitung. Auch das ist kein Reagieren.
[/FONT]
 
Hallo thanepower

Du meinst wohl Pourtales an Jagow, 29.7. Ausgang 13:01 - doch, ist auch im kleinen geiss drinn (141a, kam erst in weiteren Auflagen dazu ;-) ) "...so doch bemerkenswert, daß sasonows Niederschrift " etcetc. Hm, finde ich jetzt aber kräftig interpretiet, was MacMillan da so anbietet, Aber natürlich muss ich Macmillan selber lesen. Danke allemal für den Hinweis, Ich selber las das bisher lediglich so: Das ist die Sasonow-Formel für Deeskalation. Souveränität Serbiens achten = Stop der Mobilisierung. Natürlich ging man weder in Berlin noch in Wien darauf ein.
 
@juli-kri

Die Militärkonvention zwischen Frankreich und Russland von 1892/94 verpflichtete die Partner

  • [FONT=&quot]zu gegenseitigem Beistand bei einem Angriff durch einen der Dreibundstaaten [/FONT]
  • [FONT=&quot]zur sofortigen Mobilisierung der Streitkräfte bei ersten Nachrichten über die Mobilmachung eines Dreibundpartners [/FONT]
  • [FONT=&quot]zur Regelung der Stärke der mobilisierten Truppen [/FONT]
  • [FONT=&quot]zur Zusammenarbeit der Generalstäbe in Friedenszeiten [/FONT]
  • [FONT=&quot]zum Austausch von Spionagematerialien [/FONT]
  • [FONT=&quot]zur Verweigerung von Sonderfriedensvereinbarungen [/FONT]
  • [FONT=&quot]zur Akzeptanz der Geltungsdauer der Konvention in Abhängigkeit von der Existenz des Dreierbundes.[/FONT]
[FONT=&quot]Fällt dir etwas auf?
[/FONT]
[FONT=&quot]
[/FONT]
[FONT=&quot]
[/FONT]


ja. Die Jahreszahl. Ein zwanzig Jahre altes Bündnis. Dass die eng miteinander kooperieren (so, wie Berlin und Wien ja auch) musste Berlin klar sein. Was soll daran bedrohlich sein?

Ich verweise noch mal auf einen Punkt, der mir bisher in der Diskussion etwas hinten über fällt, dass nämlich Bethmann in der Diskussion im preussischen Staatsrat - ich zitierte - klar zu erkennen gegeben hat, er wisse, dass russische Mob.-Machung anders zu bewerten sei als deutsche.

btw an alle drei: besten dank für niveauvolle, faktenreiche, bereichernde Diskussion. Muss man auch mal sagen.
 
Zuletzt bearbeitet:
Hallo Turgot, war vielleicht etwas in short, meine Antwort. gemeint: dass soclhe Bündnisse den Hang haben, sich in ihrer Wirkung auszuweiten, ist doch klar. Hat Ö mit seiner Frage nach einem dann durch Berlin gewährten Blankoscheck ja auch so gemacht. Darin sehe ich jetzt nichts aktives, zumal dies ja auch Berlin so kommuniziert wurde. Im Übrigen: nachdem Aufmarsch Ost 1913 abgeblasen wurde, war der Drops, falls es nicht zur Lokalisierung langen würde, sowieso gelutscht. Und das wussten beide Partner (also Frank und Russ) auch ganz genau. Auch die im Kriegsfall erfolgende Verletzung der belgischen Neutralität durch Berlin pfiffen die Spatzen von allen diplomatischen Dächern.
 
Zuletzt bearbeitet:
Danke. ich habe hier gerade bloß den "kleinen" Geiss (dtv-Dokumente) und den Krumeich vorliegen und find es nicht. Magst Du kurz sagen, wo ich das finde?

Sie bezieht sich in der FN auf drei Literaturstellen.
- Albertini: The Origins of War. Vol II, 300-303
- Geiss: July 1914, 296 - 297 (englische Ausgabe!)
- Turner: Russian Mobilisation in 1914 (in einer Zeitschrift müßte ich suchen)

Nein, ich bezog mich nicht auf den "Willi-Nicki"-Telegramm-Ping-Pong.

Am 29.07 schrieb Bethmann an Poutales und fordert ihn auf, Sazonov den Ernst der Lage zu erklären und auf die schwerwiegenden Konsequenzen der russichen Mobilisierung hinzuweisen (vgl. Mombauer: The Origins of the first World War. 2013, S. 419.

In der Folge wird es wohl an diesem Tag einen Kontakt zwischen Pourtales und Sazonov gegeben haben.

Ist aber auch eher sekundär für die Argumentation. Es geht primär um die "objektive" Darstellung der Situation in St. Petersburg und der Erklärung der Fehleinschätzung in Berlin.
 
Zuletzt bearbeitet:
Hi thanepower

Da-Da-Danke!

ich glaube aber, ich habs gefunden (die englische Geiss-Ausgabe ist mW die kleine, und dort findet sichs auch, siehe meine weiteren Postings oben). MacMillan wird in Angriff genommen. Hmmm, etwas problematische Metapher....
 
Hallo Turgot, war vielleicht etwas in short, meine Antwort. gemeint: dass soclhe Bündnisse den Hang haben, sich in ihrer Wirkung auszuweiten, ist doch klar. Hat Ö mit seiner Frage nach einem dann durch Berlin gewährten Blankoscheck ja auch so gemacht. Darin sehe ich jetzt nichts aktives, zumal dies ja auch Berlin so kommuniziert wurde. Im Übrigen: nachdem Aufmarsch Ost 1913 abgeblasen wurde, war der Drops, falls es nicht zur Lokalisierung langen würde, sowieso gelutscht. Und das wussten beide Partner (also Frank und Russ) auch ganz genau. Auch die im Kriegsfall erfolgende Verletzung der belgischen Neutralität durch Berlin pfiffen die Spatzen von allen diplomatischen Dächern.

Wilhelm hatte ja auch nicht zum ersten Male deutsche Unterstützung, und zwar außerhalb des Vereinbarten des Zweibundes von 1879, zugesichert. Was ich auch nicht ganz unwichtig finde, ist, das der Blankoscheck eigentlich mit der Aufforderung verbunden war, schnell gegen Serbien vorzugehen. War das nicht schon eine Art von Auflage? Jedenfalls ist Wien dieser Aufforderung nicht gefolgt. Die Stornierung hätte viel früher erfolgen müssen, aber die Herren im AA und auch der Reichskanzler gingen zunächst auf Konfrontationskurs.

Und der fatale Blankoscheckt wurde aber nach meinem Verständnis unter Vortäuschung, zumindest Verschweigen, wichtiger Fakten erwirkt. In Berlin ging man nämlich davon aus, das man sich in Wien einig war, was aber eben nicht der Fall war.

Ganz wichtig m.E. nach auch, das der Blankoscheck, nachdem eben erkennbar war, das London sich nicht heraushält, storniert worden ist.
 
Wilhelm hatte ja auch nicht zum ersten Male deutsche Unterstützung, und zwar außerhalb des Vereinbarten des Zweibundes von 1879, zugesichert. Was ich auch nicht ganz unwichtig finde, ist, das der Blankoscheck eigentlich mit der Aufforderung verbunden war, schnell gegen Serbien vorzugehen. War das nicht schon eine Art von Auflage? Jedenfalls ist Wien dieser Aufforderung nicht gefolgt. Die Stornierung hätte viel früher erfolgen müssen, aber die Herren im AA und auch der Reichskanzler gingen zunächst auf Konfrontationskurs.

Und der fatale Blankoscheckt wurde aber nach meinem Verständnis unter Vortäuschung, zumindest Verschweigen, wichtiger Fakten erwirkt. In Berlin ging man nämlich davon aus, das man sich in Wien einig war, was aber eben nicht der Fall war.

Ganz wichtig m.E. nach auch, das der Blankoscheck, nachdem eben erkennbar war, das London sich nicht heraushält, storniert worden ist.


Lieber Turgot, nein, der wurde eben leider nicht storniert. Wäre er nur storniert worden. Du spielst auf die bis heute nicht geklärte Geschichte Vermittlung am 30. Juli, dann Preisgabe der Vermittlung, Moltke-Botschaft an Wien etcetc an. Den 30. Juli halte auch ich für den entscheidenden Tag der Julikrise. Spätestens da haben sich in berlin die falken durchgesetzt. Kalter, hinterher abgenickter Staatsstreich durch Moltke? Hatte Moltke Wilhelms Rückendeckung? Wir wissen es nicht...eine der Rätsel der Julikrise.

das angebliche Telegram an Conrad wurde entweder vernichtet oder es gab es gar nicht und Conrad verdaddelte sich in seinen Erinnerungen...dass Moltke aber diese Botschaft an Wien übermittelte, steht fest wg Bericht des kuk-Militärattaches in Berlin Bienerth. vergl. zur Quellenlage Krumeich aaO, p. 154 ff.

Zu den "Auflagen": ja, Zustimmung. In Berlin kochte man zT regelrecht, weil, wie man gleich vernutet hatte, die Österreicher nicht zu Potte kamen. Der bekannte Riezler-TB-Passus "und dann freundlich gegen die Entente", dann könne Schock ausgehalten werden wirkt auf mich authentisch.
 
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