Julikrise/Kriegsausbruch

@hatl Offenbar hast Du, im Gegensatz zu mir, Münklers Buch nicht gelesen, sonst wüsstest Du, worauf ich anspiele. Und polemisch war das eigentlich angesichts dieser blamablen Leistungsbilanz des Herrn Münkler gar nicht...*

Röhl hat konzise und faktengefüttert dargelegt, dass das Kaiserreich, genauer, T e i l e seiner Machtelite, es ab spätestens Dezem 1912 auf Krieg abgesehen haben. darüber sollte man mal reden.

* für die, die es nicht wissen:

Italien galt seit dem Lybienkrieg von 1911 als ein ausgesprochen unsicherer Partner, und auch auf die Bündnistreue Rumäniens, des geheimen Vierten im Dreibund, meinten die Verantwortlichen in Berlin und Wien sich nicht verlassen zu können. Dementsprechend bezogen sie die Regierungen beider Länder in den Wochen nach dem Attentat weder in die politischen Konsultationen ein noch informierten sie diese über ihr weiteres Vorgehen. Die Führung in Rom hat dies zum Anlaß genommen, die Kriegserklärung Russlands an Deutschland und Österreich-Ungarn nicht als Bündnisfall zu betrachten, wozu sie eigentlich verpflichtet gewesen wäre. (Münkler, Herfried, Der grosse Krieg, Berlin 2013, p. 36-37)
 
@silesia konkret geht es mir darum, dass Zimmermann innerhalb eines Tages zwei völlig gegensätzliche Einschätzungen abgibt. "90% europäischer Krieg" versus "wird wohl keinen geben". Das hat nun mit Marine versus Heer nichts zu tun.[1] (Dass für das kontinentale Denken Berlins das Heer wichtiger war, ist natürlich richtig.) ...dass Berlin und auch Wien sich frühzeitig der Möglichkeit eines großen Krieges bewusst waren...und ihn in Kauf nahmen. Ich denke, der Schlussfolgerung "Beide wollten den kleinen Krieg und nahmen den großen in Kauf" wird man sich nur schwer entziehen können. [2] Und da Wien und auch Berlin (letzteres ist etwas unklar; jedenfalls wurde die Vermittlung am 30. abends/nachts abgebrochen und man ließ den Dingen ihren Lauf, dazu die Moltke-Botschaft an Österreich "Deutschland geht unbedingt mit") sich in der letzten Woche jeder Vermittlung sperrten, sehe ich derzeit keine guten Argumente gegen 231 Versailles [3]. Wien und Berlin haben die Krise willentlich und wissentlich eskalieren lassen, wollten definitiv den kleinen Krieg gegen Serbien, verweigerten sich jeder echten Vermittlung und haben Serbien, Russland und Frankreich den Krieg erklärt.


Zu [1]von wem soll hier auf Basis welcher Literatur die Schlussfolgerung des gewollten lokalisierten Krieges ÖU/Serbien unter dem kalkulierten Risiko einer europäischen Eskalation bestritten worden sein? Es wäre besser, auf solche rhetorischen Gegensätze - wie er hier zu meinem Beitrag mit Verlinkung konstruiert wurde - zu verzichten.

Zu [2]

a) Meine linksetzung war in der Sache offenbar vergebens: der Hinweis auf die Marine bezog sich auf die unterschiedlichen Wahrnehmungen der Krise bei Heer und Marine. Ansatzpunkt war der von Dir zitierte zitierte Capelle und die "Marineprofis". Hier geht es nicht wie in Deiner Replik angedeutet um einen Unterschied im "kontinentalen Denken", sondern um die Frage der unterschiedlichen Bereitschaft zum Krieg und der Kriegstreiberei.

Wenn also oben "Maßnahmen" der Marine angesprochen wurden, dann sind diese für die Auslegung der Frage der Kriegsvorbereitung zu hinterfragen [siehe Folgebeitrag]. Diese als Beleg für feste Kriegsabsichten "in Berlin" heranzuführen, verkennt den Kontext üblicher Vorbereitungen der Marine bei solchen Krisen. Wenn man Marinequellen heranzieht, um Kriegsbereitschaft zu belegen, ist gerade zu berücksichtigen, dass in der Marine - intern, ohne jede Relevanz für die Einschätzung , und ohne entscheidenden Einfluss auf die Kreise der deutschen Entscheidungsträger - die Krise bereits vor dem 23.7. pessimistischer eingeschätzt wurde als beim Heer. Auf diesen Umstand wollte ich hinweisen, wenn hier Quellen "gegriffen" und für Argumentationslinien verwendet werden sollen. Ich halte auch nichts von freien Ausdeutungen und Zitate-Auftürmen, wenn nicht dazu der Literaturstand herangezogen wird. Das leitet über zum folgenden Beispiel:

b) Zum Fall Zimmermann/Hoyos, und die "wechselnden Einschätzungen".
dass Zimmermann innerhalb eines Tages zwei völlig gegensätzliche Einschätzungen abgibt

- Eine simple Erklärung für die "Unterschiedlichkeit" gibt Angelow, der zwischen internen Einschätzungen einiger Beteiligter (Europäischer Krieg sehr wahrscheinlich) und die geschlossen nach außen vertretene Auffassung der Reichsregierung (Krieg lokalisierbar) unterscheidet (Angelow, Kalkül und Prestige, S. 447).

- Nimmt man es mit der Quellenkritik ernst, ist weiter die Tatsache bedeutsam, dass diese Aussage von Hoyos nach der Katastrophe des Kriegsendes erstellt wurde und aus seinem Nachlass stammt. Damit stellt sich die Frage, ob er hier die eigene Exkulpation betreibt und das Wollen und Wissen Berlins um den Europäischen Krieg betont.

- Nimmt man es weiter ernst mit der Quellenkritik, muss man erstmal einerseits vollständig (*) zitieren, und die andererseits fehlende Zusetzung (**) betonen : "JA (*), 90% Wahrscheinlichkeit für einen Europäischen Krieg, wenn Sie etwas gegen Serbien unternehmen" - und es fehlt die Einschätzung der Auswirkung des Blankoschecks (**), der erst nach dieser Unterredung von Wilhelm ausgesprochen wurde und am Folgetag von Bethmann bestätigt wurde.

* Mombauer, Origins, Dokument 119.

Plausible Erklärungen sind also:

ba) es wurde von Hoyos nach dem Krieg erfunden - die Authentizität ist "unklar" (Otte, July Crisis, S. 79/80)

bb) Zimmermann stimmt impulsiv im ersten Eindruck ("shooting lips" - Otte, S. 80) des Lesens der von Hoyos überbrachten Schreiben zu, insbesondere seinen Erläuterungen zur territorialen Teilen Serbiens zwischen ÖU und Bulgarien (McMeekin, July 1914, zum 5./6. Juli 1914) - oder der "Kraftmensch" Zimmermann (McMeekin) hat sich aufgeplustert wie in der weiteren Aussage: Deutschland sei stark genug mit Russland und Frankreich "fertigzuwerden, auch wenn Österreich voll auf dem Balkan beschäftigt ist" (Hoffmann, Sprung ins Dunkle, S. 195ff.)

bc) er tätigt die Aussage ohne Berücksichtigung zeitnaher deutscher Rückendeckung, sondern sieht einen Eskalationsverlauf auch ohne Blankoscheck, in den dann nach unbd nach durch die Bündnismechanismen alle Großmächte hineingezogen werden - die Alternative zu der sofortigen, abschreckenden Risikopolitik, die Russland vom Eingreifen abhalten soll.

bd) er denkt beim Geplaudere mit seinem Freund Hoyos nicht nach ("may or may not have said" - Otte)

be) er vermischt hier die Dinge mit der internen österreichischen Einschätzung, dass ein Krieg mit Serbien zum Krieg mit Russland führen werde, was sich mit der Jahresdenkschrift 1914 Conrads gegenüber dem Vorjahr 1913 geändert hatte (Rauchensteiner, Ende der Habsburgermonarchie, S. 97).

Ergo: Nach all dem muss man da keinen Widerspruch hineininterpretieren, außer man läßt den Forschungsstand außer Acht und befindet sich in der reinen Zitateschlacht. Schließlich ist das Zimmermann-Zitat sogar für einzelne Autoren irrelevant bzw. allenfalls als Stimmungsbild und nicht als "Kalkül" (Otte, July Crisis, S. 80, der zudem auf die (ebenfalls: Nachkriegs-)Aussage im Nachlass Jagow verweist, Zimmermann "wusste nicht, was er sagt", sofern die Aussage tatsächlich gefallen ist.

Man kann sich auch der eingehenden Analyse und dem Urteil Clarks anschließen, der solche Risikoerwartungen des Europäischen Krieges zwar "im Hintergrund" vermutet, dass sie auch der eigenen Relativierung des Risikos "dienten", dass Entscheidungsträger zu Beginn der Juli-Krise (namentlich Wilhelm und Bethmann) bei Aussprache des Blankoschecks einen Großen Europäischen Krieg weder für überwiegend wahrscheinlich hielten noch ihn provozieren wollten. (Clark, Wilhelm II.).

Röhl zitiert die "90%" von Zimmermann schließlich zusammen mit der Tage späteren Aussage Zimmermann (Graßhoff, Hopman), es käme zum Europäischen Krieg, wenn Russland bei einem Krieg ÖU/Serbien nicht zurückgehalten werden könne, um damit die in der Forschung nicht mehr bestrittene Aussage zu belegen, dass Wilhelm und Bethmann dieses Risiko in ihrem Kalkül einbezogen haben (aber eben relativiert - und wie bei Clark und anderen: kalkulierbar! - gesehen haben).

Zu [3] Die ständigen Bezüge auf Art. 231 VV oder andere Nebenschauplätze aus Sicht des aktuellen Forschungsstandes wie Problematik der Riezler-Tagebücher (was angesichts der Quellenlage in der aktuellen Forschung zur Julikrise keine wesentliche Rolle spielt) sind hier wenig dienlich und führen höchstens zur Zerfaserung der eigentlichen Diskussion über die Julikrise. Vielleicht kann man darauf verzichten. Wenn sich daraus Diskussionsbedarf ergibt, kann man das an anderer Stelle plazieren.

@hatl Offenbar hast Du, im Gegensatz zu mir, Münklers Buch nicht gelesen, sonst wüsstest Du, worauf ich anspiele. [4] Und polemisch war das eigentlich angesichts dieser blamablen Leistungsbilanz des Herrn Münkler gar nicht...*

* für die, die es nicht wissen: ...
juli-kri schrieb:
Und bitte dazu nicht Münkler lesen. Der glaubt ja sogar, Russland habe Deutschland den Krieg erklärt... ;-) (Ja, das ist jetzt Polemik!)
Das ist reine Polemik, und gehört hier nicht hin.

Obwohl ich Münkler im Forum ebenfalls hart kritisiert habe, geht mir so etwas gegen den Strich.

Es ist eine Sache, Münkler die Nichtverwertung von Forschungsstand oder relevanten Quellen oder materielle Fehler vorzuwerfen, hier handelt es sich jedoch maximal um einen überflüssigen und offensichtlichen Flüchtigkeitsfehler oder eine offensichtliche Verdrehung, den man wie Rechtschreibfehler nicht weiter aufblasen muss.

Mit etwas Toleranz lässt sich die Aussage ohne Weiteres sogar als Hinweis auf das Schreiben von Wilhelm interpretieren, mit dem am 31.7. um italienischen Beistand gegen eine russische Aggression gebeten wird, und den wiederum Italien den casus foederis gemäß Artikel 7 unter Hinweis auf die deutsch-österreichische Provokation eines russischen Angriffs zurückweist.
(->siehe auch Mombauer, Origins, Dokumente 335 und 336)

Es geht hier aus dem Kontext von Münkler klar um die Thematik, dass Italien bei der weiteren Kriseneskalation von einem Verschulden der Mittelmächte ausgeht, die "Defensivklausel" des Vertrages zieht, egal wer den Krieg erklärt, ...

...und eben nicht um die Frage, wer wem dann anschließend tatsächlich als Erster den Krieg erklärt hat. Und schon gar nicht um die unsinnige Frage, ob Münkler kontrafaktisch glaubt, Russland habe dem DR den Krieg erklärt.

Vor dem Hintergrund halte ich so einen banalen Fehler, der es dem Wortlaut nach sein mag, im Kontext aber leicht verständlich ist, für unangemesses Münkler-Bashing.

Eine berechtigte Münkler-Kritik ist das nicht. Sie würde zB den Nachweis der Nichtverwertung aktuellen Forschungsstandes oder das Übersehen von Quellen benutzen, was wiederum tragend für bestimmte Schlussfolgerungen oder Bewertungen Münklers sein müsste. Es gibt genug bei Münkler zu kritisieren, als das man solche Lapalien ausschlachten müsste.
 
Zuletzt bearbeitet:
Aus dem anderen Thema (Akteure):

also dass man zB irgendwann auch Kriegsvorbereitungen startet – die deutschen starteten übrigens spätestens am 9. Juli),
Hiermit sind wiederum die Vorsichtsmaßnahmen in der Krisenspannung durch die Marine (Südseegeschwader, Mittelmeergeschwader und "Eber" in Kapstadt, Reparaturen "Blücher" und zwei T-Flottillen, Ausreise "Panther", Test KW-Kanal"), sowie die Diskussionen und Überprüfungsarbeiten für die Mobilmachungspläne des Heeres ab dem 6.7. angesprochen. Das setzt sich dann so fort.

Der Analyse von Jansen folgend, waren die bei internationalen Krisen üblichen Vorsichtsmaßnahmen der Marine zwar umfänglicher als diejenigen beim Heer. Die Marine verfügte über keine besseren Informationen als Anlaß der Vorsorgemaßnahmen, rechnete mit einer kurzen Krise. Beim Heer lassen sich, da der übrige Friedensdienst normal weiterlief, keine derartigen Aktivitäten nachweisen, insbesondere nichts bezüglich die Mob.- oder Aufmarschphase verkürzende Aktivitäten. Die politische Führung hatte beiden Teilen nur unauffällige Vorsichtsmaßnahmen eingeräumt, wobei speziell das Heer anders als die Marine keinen Anlass sah, derartiges durchzuführen. Es fanden lediglich die planmäßigen, jährlichen Aufmarsch- und Mobilmachungsvorarbeiten in Stäben ab: "Alltagsroutine. Alle anderen Behauptungen lassen sich in den [militärischen] Quellen nicht belegen." (Jansen, S. 236) Selbst als nach der Monatsmitte Klarheit über das österr. Vorgehen herrschte, änderte sich daran nichts. Festzustellen ist die Passivität beim Heer nach dem "Blankoscheck". Daran änderte sich auch kaum etwas, als klar wurde, dass die Krise ernster würde.

Bei den Entscheidungen für den Blankoscheck am 5./6.7. ist das Militär übrigens nicht einbezogen gewesen, wie am Informationsprozess für den abwesenden Moltke ablesbar. Falkenhayn berichtete an Moltke die Vorgänge, dass

- er an dem Entschluss nicht beteiligt war,
- dass man seitens der politischen Führung, speziell Bethmann nicht damit rechne, dass Österreich die Sache letztlich durchziehen werde
- und dass "Ew Exz Badeaufenthalt" keine Abkürzung zu erfahren brauche
- die Unterrichtung über die Zuspitzung der Lage (das meint den deutschen Blankoscheck) vorsorglich erfolge, weil immer mal Überraschungen auftauchen können.

Jansen, Der Weg in den Ersten Weltkrieg - Das deutsche Militär in der Julikrise 1914, S. 203-236.

Österreich-Ungarn war 1914, wenn man so will, erledigt, finanziell (wie Schulte jüngst nachwies) ...
Die alte, wirtschaftsgeschichtliche black box Österreich-Ungarn 1815-1914.

Die Aussage von Schulte finde ich spannend, und halte das - ohne den Nachweis zu kennen - makroökonomisch für Unfug. Wie soll denn dieser "Nachweis" aussehen?
 
Hiermit sind wiederum die Vorsichtsmaßnahmen in der Krisenspannung durch die Marine (Südseegeschwader, Mittelmeergeschwader und "Eber" in Kapstadt, Reparaturen "Blücher" und zwei T-Flottillen, Ausreise "Panther", Test KW-Kanal"), sowie die Diskussionen und Überprüfungsarbeiten für die Mobilmachungspläne des Heeres ab dem 6.7. angesprochen. Das setzt sich dann so fort.

Der Analyse von Jansen folgend, waren die bei internationalen Krisen üblichen Vorsichtsmaßnahmen der Marine zwar umfänglicher als diejenigen beim Heer. Die Marine verfügte über keine besseren Informationen als Anlaß der Vorsorgemaßnahmen, rechnete mit einer kurzen Krise.

Welche Vorsichtsmaßnahmen? Wie ist das zu verstehen?

Falls der Marine hier eine Vorbereitung für den zeitnahen Fall von militärischen Aktionen unterstellt wird, halte ich dagegen.

Die Detachierte Disvion mit 2 modernen Großlinienschiffen kam gerade so Juni 1914 wieder heim. Diese Aktion wäre sicherlich in Voraussicht eines Krieges nicht gestartet worden, denn ist wäre nicht auszudenken, welchen Nutzen die beiden Großlinienschiffe Kaiser und König Albert für militärische Aktionen außerhalb der Nordsee haben sollten.
Zudem sind Schiffe des Ostasiengeschwaders ständig an verschieden Stationen unterwegs,zumal es in der Regel veraltete Schiffe waren.
Ein Wechsel der Großen Kreuzer Scharnhorst,Flaggschiff des Ostasiengeschwaders, mit dem Schlachtkreuzer Moltke stand ebenfalls bevor oder war ab Juni 1914 geplant.
Dieser war auch als Ersatz für den Schlachtkreuzer Goeben vorgesehen, während einer größeren Instandsetzung (Kesselrohrtausch), wahrscheinlich vorab und im Anschluss dann nach Tsingtau.

Das nun diese Aktionen alle bis zum Juni (Der Kaiser-Wilhelm_Kanal war auch Juni 1914 fertig) oder später geplant waren, würde ich unter Zufall ablegen, anstatt hier eine "Teilmobilmachung" der Marine zu unterstellen.
Vorausgesetzt silesia, du hast das damit gemeint.;)

Ansonsten werden sicherlich die Maßnahmen zur Sicherung der deutschen Küste im Juli 1914 angelaufen worden sein. Angesichts der Lage sicherlich verständlich, da die Ausrüstung von Kriegsschiffen ein längerer Prozess ist.
 
Das nun diese Aktionen alle bis zum Juni (Der Kaiser-Wilhelm_Kanal war auch Juni 1914 fertig) oder später geplant waren, würde ich unter Zufall ablegen, anstatt hier eine "Teilmobilmachung" der Marine zu unterstellen.
Vorausgesetzt silesia, du hast das damit gemeint.;)

Du musst nirgends gegenhalten, und das habe ich nicht gemeint. Da hast Du mich komplett falsch verstanden.

Es ging lediglich um einige beschriebene Vorsorgemassnahmen, wie sie bei internationalen Krisen üblich waren, die allerdings vergleichsweise etwas weiter reichten als beim Heer. Diese wurden von der politischen Führung freigegeben, andere weiterreichende Maßnahmen wurden sogar untersagt.

Die Vorgänge bei den Schiffen der Kaiserlichen Marine sind mir gut bekannt.;)
 
juli-kri schrieb:
P { margin-bottom: 0.21cm; }A:link { } @ hatl, naja, ich finds halt ein bißchen mager, wenn ich auf meine belegten Argumente immer nur ein „Stimmt nicht“ höre. Man muss ja nicht mir mir diskutieren, aber dann hätte ich schon gerne etwas Futter. Die Behauptung, die russische Mobilmachung habe etwas Eskalierendes an sich gehabt, ist schlicht absurd (und übrigens auch infam): genau diese Mobilmachung wollte das deutsche Brinkmanship ja abtesten/herauskitzeln! Ich kann doch nicht jemanden provozieren, und wenn der Provozierte Wirkung zeigt, ihm dann den schwarzen Peter zuschustern (d.h. ich kann das machen, geschieht ja auch ständig, habe mich aber nicht zu beschweren, wenn ich dann demaskiert werde)! Genau das war ja auch der Zweck des deutschen Schachzugs – nämlich den Schwarzen Peter loswerden. Die gesamte deutsche Diplomatie spricht sich darüber in ihren internen Vermerken ganz offen aus. Wo dreht Russland an der Schraube, nur, weil es, der damaligen Machtlogik entsprechend, genau das tut, was Bethmann erwarten musste und auch erwartet hat? Und bitte dazu nicht Münkler lesen. Der glaubt ja sogar, Russland habe Deutschland den Krieg erklärt... ;-) (Ja, das ist jetzt Polemik!)

Dein Posts werden immer pamphletartiger und polemischer.
Deine ganzen Beiträgen lassen sich unter der Überschrift zuammenfassen, "Deutschland trägt die alleinige Schuld am Krieg".

Nur, und das ist Stand der Forschung, ist das nicht so. Und es hat überhaupt gar keinen Sinn dir mit den anderen Protagonisten zu kommen, da es dich nicht interessiert. Clark und McMeekin, um nur eijnmal die beiden zu nennen, haben da eine ganze Reihe an punkten festgemacht, das diese beiden Großmächte ganz gewisse nicht unschuldig sind.

Und den Begriff "infam", er ist im gegebenen Kontext eine Frechheit, streiche einmal ganz schnell, denn was bitte ist eine Mobilmachung denn? Hier noch mal zum nachlesen:

Mobilmachung ? Wikipedia

Und Russland wurde nicht bedroht und Frankreich übrigens auch nicht.
 
@silesia nicht so ganz. Dass Münkler weiß, wer wem den Krieg erklärt hat, davon gehe ich auch aus. Aber dieser peinliche Formulierungslapsus (eigentlich gemeint von ihm: sollte Russland den Krieg erklären, würde Italien dennoch neutral bleiben) ist kein Zufall, da sprich „es“ aus ihm heraus. Siehe den Kontext: er spricht von einer defensiven und einer offensicen Sichtweise auf die Balkanpolitik Deutschlands. Und er schlussfolgert p. 37: „Berlin spielte (mit dem Blankocheck, juli-kri) auf Risiko, um die Gefahr eines gobalen Krieges zu bannen (…)“ Welche Gefahr eines globalen Krieges lag denn wohl vor – ich meine: v o r dem Blankoscheck, vor dem Entschluß, auf das Attentat mit Krieg/Kriegsdrohung zu reagieren? Münkler verräts nicht. Immer wieder die gleichen Mechanismen der Entschulder: Die überhaupt erst durch die aggressive Politik Ds und ÖUs ausgelösten Reaktionen der anderen Mächte werden ihnen zur Last gelegt als angebliche „Mitbeteiligung“. Seine Deutung ist, wie Du weißt, durch die vorliegenden Dokumente nicht gedeckt. Wenn wir den Riezler-Tagebüchern einmal eine gewisse Authentizität zuschreiben – und sie werden zumindest in diesem Punkt durch andere Belege unterstützt, pars pro toto etwa Delbrück 9.7., Brief Jagow an Lichnowsky 15.7. undundund -, dann wusste Berlin quasi sofort: a) Weltkrieg möglich, b) und er wird denn auch in Kauf genommen, wenn diplomatisches Entente-Zersprengen nicht gelingt. (Dies, anbei bemerkt, auch zu Deiner Zimmermann-Deutung...Ich halte aus eben diesem Grund Hoyos Zeugnis für zutreffend, weil es sich lückenlos einreiht. Übrigens wusste man schon am 8. Dezem 1912 letztlich genau, was passieren könne, wenn (man!) eine Balkansache eskaliert. Das war ja fast schon eine Folie für das deutsche Agieren Juli 14. Ich verstehe Clark nicht, wie er den 8. Dezem 12 zur folgenlosen Episode erklären kann. Das ging ja so weit, dass Moltke dort bekanntlich forderte, man müsse der Bevölkerung den Krieg nahebringen...) Bereits hier im Juli 14 sehen wir übrigens, wie dann später im Krieg noch häufiger (U-Boot-Krieg, Frühjahr 1918) dieses irreale Alles-oder-nichts-Spiel der deutschen Polititk.


Das Bernd Schulte Buch hab ich mir gerade erst bestellt. Es geht wohl um eine Denkschrift eines Bethmann-Verwandten (als Diplomat in Wien tätig? Hieß ebenfalls Bethmann) über Österreichs angeblich verzweifelte ökonomische Situation, die Bethmann stark beeindruckt haben soll. Du dürftest Bescheid wissen; ich habs noch nicht gelesen.


@Turgot Zunächst einmal nehme ich schlicht die diversen „Geständnisse“ der beteiligten deutschen Politiker, Diplomaten und Militärs Ernst. Dass die ihre „Geständnisse“ später, nach Versailles, nicht wiederholt, zum Teil abgestritten haben, ist nachvollziehbar, aber belanglos. (siehe Röhl, John, Vorsätzlicher Krieg? im Michalka-Sammelband)


Und noch einmal mein Argument: Die russische Mobilmachung sollte ja durch das Brinkmanship Deutschlands provoziert, herausgekitzelt werden. Die Mobilmachung dann St. Petersburg als Mitverschuldung unterjubeln zu wollen ist schlicht nicht angängig. Wer den Fehdehandschuh hinwirft, hat sich nicht zu beschweren, wenn dieser Fehdehandschuh dann auch aufgenommen wird.


Spannend finde ich es, nachzuvollziehen, wie sich eine Machtelite ganz langsam gegenseitig hochschaukelt in eine Krieg-kommt-sowieso-und-muss-auch-sein-Stimmung. Das finde ich lehrreich. In allen Diskussionen der Machtelite in Deutschland zwischen 1912 und 1914 findet sich kaum einer, der sich diesem Tunnelblick entziehen kann. Niemand (Lichnowsky ist ausgenommen) stellt diesen Tunnelblick einmal grundlegend in Frage, es geht die ganze Zeit nicht mehr darum, ob Krieg, sondern nur noch wie, zu welchen Konditionen, wann am besten etcetc. Das Interessanteste hieran: dass man, ggfls auch vor sich selbst, die eigentlich aggressiven Absichten hinter vorgeblicher Defensive („ich habe ja nur Angst vor der russischen Dampfwalze, in 2 Jahren, wenn die Bahnen fertig sind, ist alles vorbei“) verbirgt. Hier hätte eine Kriegsursachenforschung anzusetzen: Wann und warum hört man auf, an friedliche Konfliktlösung zu glauben.
 
Meinst du das Buch von Schulte: Das Deutsche Reich von 1914: Europäische Konföderation und Weltreich?

Also ich habe noch in keinem Buch gelesen, das die reichsleitung die russische Mobilmachung gezielt provoziert haben soll, um dann vor dem eigenen Publikum besser daszustehen?

Am 29.07. machte Grey seinen ersten Vermittlungsversuch. Benckendorff lehnte ab.

Am 30.07. Greys zweiter Versuch. Deutschland lehnt ab.

Ebenfalls am 30.07. erreicht Berlin die Nachricht von der nunmehr offenen russischen Generalmobilmachung. Das deutsche Militär ist erleichtert. Bethmann schickt die Weltbrandtelegramme nach Wien ab.

Angesichts der russischen Truppenbewegungen, Gerüchte??, warnt Wilhem den Zaren. Der beteuerte immer noh seinen Friedenswillen, was angesichts der Generalmobilmachung ein wenig unglaubwürdig daherkommt.

Am 31.07.wurde in Berlin die drohende Kriegsgefahr verhängt.

Damit war klar, was kommt.

Es war auch klar, das Frankreich Russland beistehen würde und Großbritannien sicher nicht neutral bleiben würde, denn Frankreich hatte den Briten ja schon den Schutz der eigenen Küsten anvertraut.
 
Und Russland wurde nicht bedroht und Frankreich übrigens auch nicht.
Wir haben das hier eingehend diskutiert:
http://www.geschichtsforum.de/725937-post151.html

Wäre Deine Aussage richtig, müsste man konsequenterweise auch das Risikokalkül Bethmanns als völlig leere Hülse bezeichnen, weil mangels Bedrohung Russlands der "Hebel" Serbien gar nicht zieht, für ein Aufbrechen des Zweiverbands schlicht ungeeignet wäre.

Das Risikokalkül setzt voraus, dass in der Wahrnehmung der deutschen Akteure eine Bedrohung Russlands vorhanden war. Ebenso setzen die zahlreichen Überlegungen, ob Russland von einem militärischen Eingreifen in den beabsichtigten serbisch-österreichischen Krieg durch einen deutschen Blankoscheck abgeschreckt werden kann, denklogisch eine Bedrohung Russlands voraus.

Wie wir außerdem wissen, ging der deutsche Kriegsplan für den Fall eines Krieges gegen Russland vom sofortigen Angriff auf Frankreich aus. Selbst wenn das tatsächlich nicht so gewesen wäre, war Frankreich von der Fortführung seiner "Versicherung" Russland gegen einen deutsche Kontinentalhegemonie existentiell abhängig, eine erhebliche Schwächung des Bündnispartners nicht hinnehmbar. Genau das berücksichtigten alle Kriegsbefürchtungen der Julikrise, die zwingend von einem Hineinziehen Frankreichs in eine militärische Konfrontation Russlands mit den Mittelmächten ausgingen. Aber wie gesagt, vor diesem Mechanismus stand der deutsche Offensiv"automatismus" in Bezug auf Frankreich für den Fall des Krieges mit Russland.

Die strategische Lage auf dem Balkan, inkl insbesondere der Entwicklungen im Osmanischen Reich, Bulgarien, etc., ist ebenfalls mit Blick auf Russland oben im link diskutiert worden.
 
Das Bernd Schulte Buch hab ich mir gerade erst bestellt. Es geht wohl um eine Denkschrift eines Bethmann-Verwandten (als Diplomat in Wien tätig? Hieß ebenfalls Bethmann) über Österreichs angeblich verzweifelte ökonomische Situation,

Aha.

Ich hatte mir schon gedacht, dass es eher um irgendwelche zeitgenössischen Perzeptionen der ökonomischen Lage ÖUs gehen soll, als um ökonometrische Analysen.

In dem Zusammenhang hatte ich auch eher auf die Ludwig von Mises-Schriften getippt, mit denen die Lage bejammert wurde. Das ist überholt, inkl. heutiger Neuschätzungen des GDP.

Vermutlich meinst Du auch nicht Schulte*, sondern Schulze (Max-Stephan) von der LSE/History Department? Der hat einiges dazu geschrieben, ebenso wie Good etc., dass man für ÖU 1890/1913 zwar nicht von einem regelrechten take-off wie in anderen Staaten, aber von einem stabilen Wachstum, zB besser als in den Niederlanden ausgehen konnte. Bei den Durchschnittswerten ist insbesondere beachten, dass man von den schlechteren ungarischen Werten im Vergleich zu FRA/GB/DR/RUS runtergezogen wurde.

@silesia nicht so ganz. Dass Münkler weiß, wer wem den Krieg erklärt hat, davon gehe ich auch aus. Aber dieser peinliche Formulierungslapsus (eigentlich gemeint von ihm: sollte Russland den Krieg erklären, würde Italien dennoch neutral bleiben) ist kein Zufall, da sprich „es“ aus ihm heraus. Siehe den Kontext: er spricht von einer defensiven und einer offensicen Sichtweise auf die Balkanpolitik Deutschlands. Und er schlussfolgert p. 37: „Berlin spielte (mit dem Blankocheck, juli-kri) auf Risiko, um die Gefahr eines gobalen Krieges zu bannen (…)“ Welche Gefahr eines globalen Krieges lag denn wohl vor – ich meine: v o r dem Blankoscheck, vor dem Entschluß, auf das Attentat mit Krieg/Kriegsdrohung zu reagieren? Münkler verräts nicht. Immer wieder die gleichen Mechanismen der Entschulder: Die überhaupt erst durch die aggressive Politik Ds und ÖUs ausgelösten Reaktionen der anderen Mächte werden ihnen zur Last gelegt als angebliche „Mitbeteiligung“. Seine Deutung ist, wie Du weißt, durch die vorliegenden Dokumente nicht gedeckt. Wenn wir den Riezler-Tagebüchern einmal eine gewisse Authentizität zuschreiben – und sie werden zumindest in diesem Punkt durch andere Belege unterstützt, pars pro toto etwa Delbrück 9.7., Brief Jagow an Lichnowsky 15.7. undundund -, dann wusste Berlin quasi sofort: a) Weltkrieg möglich, b) und er wird denn auch in Kauf genommen, wenn diplomatisches Entente-Zersprengen nicht gelingt. (Dies, anbei bemerkt, auch zu Deiner Zimmermann-Deutung...Ich halte aus eben diesem Grund Hoyos Zeugnis für zutreffend, weil es sich lückenlos einreiht. Übrigens wusste man schon am 8. Dezem 1912 letztlich genau, was passieren könne, wenn (man!) eine Balkansache eskaliert. Das war ja fast schon eine Folie für das deutsche Agieren Juli 14. Ich verstehe Clark nicht, wie er den 8. Dezem 12 zur folgenlosen Episode erklären kann. Das ging ja so weit, dass Moltke dort bekanntlich forderte, man müsse der Bevölkerung den Krieg nahebringen...) Bereits hier im Juli 14 sehen wir übrigens, wie dann später im Krieg noch häufiger (U-Boot-Krieg, Frühjahr 1918) dieses irreale Alles-oder-nichts-Spiel der deutschen Polititk.

Ob der Formulierungslapsus peinlich ist oder eine unterstellte freud'sche Fehlleistung (was in dem oben genannten Bezug zu den Dokumenten auch reichlich weit hergeholt ist), interessiert mich eigentlich nicht.

Es bleibt ungeeignet, um es zum Totalverriss aufzublasen.

In Deiner Antwort gehst Du leider auf alle materiellen Hinweise in meinem Post zu Deinen Thesen nicht ein. Es bleibt eigentlich die Argumentationslinie "weil es sich lückenlos einreiht". Das sind Anschauungsfragen, abseits der Forschungsliteratur.

Wie oben dargestellt, gibt es keine kontinuierliche Linie in diesem deutschen Risikokalkül der politischen Entscheidungsträger, vielmehr eine dynamische Entwicklung bis hin zum "Eingreifen" der Militärs in den letzten Juli-Tagen (Mombauer, Jansen, Röhl, Otte etc.).

*Wenn Du den Schulte meinst, der ist ökonomischer Laie und kann dazu nichts beitragen.
 
Zuletzt bearbeitet:
Wir haben das hier eingehend diskutiert:
http://www.geschichtsforum.de/725937-post151.html

Wäre Deine Aussage richtig, müsste man konsequenterweise auch das Risikokalkül Bethmanns als völlig leere Hülse bezeichnen, weil mangels Bedrohung Russlands der "Hebel" Serbien gar nicht zieht, für ein Aufbrechen des Zweiverbands schlicht ungeeignet wäre.

Das Risikokalkül setzt voraus, dass in der Wahrnehmung der deutschen Akteure eine Bedrohung Russlands vorhanden war. Ebenso setzen die zahlreichen Überlegungen, ob Russland von einem militärischen Eingreifen in den beabsichtigten serbisch-österreichischen Krieg durch einen deutschen Blankoscheck abgeschreckt werden kann, denklogisch eine Bedrohung Russlands voraus.

Wie wir außerdem wissen, ging der deutsche Kriegsplan für den Fall eines Krieges gegen Russland vom sofortigen Angriff auf Frankreich aus. Selbst wenn das tatsächlich nicht so gewesen wäre, war Frankreich von der Fortführung seiner "Versicherung" Russland gegen einen deutsche Kontinentalhegemonie existentiell abhängig, eine erhebliche Schwächung des Bündnispartners nicht hinnehmbar. Genau das berücksichtigten alle Kriegsbefürchtungen der Julikrise, die zwingend von einem Hineinziehen Frankreichs in eine militärische Konfrontation Russlands mit den Mittelmächten ausgingen. Aber wie gesagt, vor diesem Mechanismus stand der deutsche Offensiv"automatismus" in Bezug auf Frankreich für den Fall des Krieges mit Russland.

Die strategische Lage auf dem Balkan, inkl insbesondere der Entwicklungen im Osmanischen Reich, Bulgarien, etc., ist ebenfalls mit Blick auf Russland oben im link diskutiert worden.

Ich weiß, das Bethmann in der Julikrise eine eher zwielichtige Rolle gespielt hat.
Mit Bedrohung meinte ich, das Russland und auch Frankreich nicht militärisch bedroht wurden.
Das Russland sich in seiner Rolle als Vormacht auf dem Balkan und seinem Prestige verletzt sah, das ist klar. Nur ist auch zu beachten, das Russland gerade Österreich-Ungarn mit in die sehr ungünstige Lage auf dem Balkan, als Resultat der Balkankriege, manövriert hat.
Und das Ultimatum war für Serbien ganz bestimmt nicht unannehmbar und es waren die Russen, die dafür Sorge trugen, das es nicht anagenommen worden war. Das mal vollkommen unabhängig davon, das man in Wien eh den Krieg wollte; nur hätte man ziemlich dumm dagestanden, wenn Belgrad in vollem Umfang akzeptiert hätte.
Ohnehin ist das Agieren der Protagonisten nur zu Begreifen, wenn man sich die Mächtebeziehungen am Vorabend des Krieges näher betrachtet und dann wird einiges vielleicht doch verständlicher. Festzuhalten ist jedenfalls, das die Triple Entente sowohl das Deutsche Reich als auch Österreich-Ungarn immer weiter eingengt haben und dies sehendes Auges.
 
- Nimmt man es mit der Quellenkritik ernst, ist weiter die Tatsache bedeutsam, dass diese Aussage von Hoyos nach der Katastrophe des Kriegsendes erstellt wurde und aus seinem Nachlass stammt. Damit stellt sich die Frage, ob er hier die eigene Exkulpation betreibt und das Wollen und Wissen Berlins um den Europäischen Krieg betont.

Und über dieses Wissen (übers Wollen mag man trefflich streiten) müssen wir doch im Ernst nicht verhandeln. So problematisch die Riezler-Notizen sein mögen. Deswegen sage ich - ob nun authentisch, sei dahin gestellt - es reihe sich lückenlos ein. Insofern kann ich diesem Einwand nicht folgen.

Schulte - das ist der Riezler-TB-kritiker und es geht nicht darum, ob ÖU wirklich ökonomisch aus dem letzten Loch pfiff, sondern darum (aber das hatte ich eigentlich auch klar so gesagt), dass Bethmann von seinem Cousin (?) einen Bericht erhielt, dem zu Folge das so sein sollte und der Bethmann tief beeindruckt haben soll. Kann ich aber erst nach Lektüre näher bewerten.

Un dum Münkler mal meinerseits zu beenden: Wer selber derart austeilt ("würde nicht mal mehr einen Proseminarschein bekommen"), der muss sich daran auch messen lassen und kriegts denn auch retour. Normalerweise lasse ich Caritas walten.
 
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Man kann sich auch der eingehenden Analyse und dem Urteil Clarks anschließen, der solche Risikoerwartungen des Europäischen Krieges zwar "im Hintergrund" vermutet, dass sie auch der eigenen Relativierung des Risikos "dienten", dass Entscheidungsträger zu Beginn der Juli-Krise (namentlich Wilhelm und Bethmann) bei Aussprache des Blankoschecks einen Großen Europäischen Krieg weder für überwiegend wahrscheinlich hielten noch ihn provozieren wollten. (Clark, Wilhelm II.).

Röhl zitiert die "90%" von Zimmermann schließlich zusammen mit der Tage späteren Aussage Zimmermann (Graßhoff, Hopman), es käme zum Europäischen Krieg, wenn Russland bei einem Krieg ÖU/Serbien nicht zurückgehalten werden könne, um damit die in der Forschung nicht mehr bestrittene Aussage zu belegen, dass Wilhelm und Bethmann dieses Risiko in ihrem Kalkül einbezogen haben (aber eben relativiert - und wie bei Clark und anderen: kalkulierbar! - gesehen haben).

"Der andere" ist ua Münkler. Da wären wir jetzt wieder bei der Qualität der Riezler-Quelle. 7.7. und 8.7. Entschuldige, aber wenn wir Authentizität unterstellen - welche Interpretationsspielräume siehts Du? Ich sehe keine mehr. Siegwette: diplomatisches Sprengen der Entente. Platzierungswette: Wenn diplomatischer Sieg nicht klappt, ist man mit Platzierung, also dem großen europäischen Krieg, der jetzt noch gewinnbar sei, auch zufrieden. Ich sehe Bethmann hier sogar als Mann des Friedens. Er operiert als Kanzler in einem Umfeld, in dem die Militärs (mit Immediatsrecht) immer massiver auf "Präventiv"(Angriffs)krieg drängen. Jüngst Moltke bei Jagow. ich glaube, dass Bethmann den Militärs gleichsam zeigen wollte "Guckt mal, geht ganz ohne Krieg..." Aber gut, Spekulation. So oder so: Er weiß ganz genau, wie gefährlich das Spiel ist, das er eröffnet.

Ich habe nicht gesagt (oder mich vertippt, darf ich ja auch mal ;-) ), dass ab sofort die gesamte deutsche Machtelite Krieg wollte. Mit Kriegsvorbereitung meinte ich (war es so undeutlich?): Auf alle Eventualitäten vorbereitet sein...die man zunächst nicht wollte, aber die man als Möglichkeit sofort richtig einschätzte. Siehe Konferenz Delbrück, Bethmann, Jagow am 9. Juli. Delbrück ist zufällig zurück in berlin, sagt sofort, das sei der europäische krieg, fragt, ob er Weizen in Rotterdam aufkaufen solle, und Bethmann sagt nicht etwa "Delbrück, sind Sie verrückt geworden? Kommt doch kein Krieg, was reden Sie da" sondern er sagt nur "zu auffällig, würde das Ausland sofort merken". Das bedeutet selbstverständlich nicht, dass Bethmann am 9. Juli den Krieg wollte, Aber es bedeutet, dass er sich aller Eventualitäten bewusst war - und bestätigt so zumindest den 7./8.Juli-Passus der Riezler-Notizen in ihrer Authentizität.

jetzt kennen wir Bethmanns innerste Gedanken nicht. Hat er es für kalkulierbar gehalten? Das glaube ich schon - aber eben auch (Sieg-Platz-Wette) billigend in Kauf genommen. Eventualvorsatz bringt ja sogar Erdmann ins Spiel, wie Du weißt.

Und: nachdem das Spiel nun nicht aufging (ab dem 27. kulminiert die Krise, und Riezlers Aufzeichnungen, bzw die Überlieferung, bricht interessanterweise hier ab) hatte Bethmann die Sache entweder nicht mehr in der Hand, sich also fürchterlich verschätzt, weil nun die Falken übernahmen, oder er hat die Platz-Wette abgenickt.

Der 30. ist der eigentlich entscheidende Tag. Die Vermittlung am 28. ist unstreitig eine Scheinvermittlung. Es wird dies ja sogar intern ganz offen eingeräumt. Aber am 30. wird der Ton nun wirklich dringend. Diese dinglich gebotene Vermittlung wird spätabends 30. abgebrochen. Warum?

Gegen ca 14:00 Uhr am 30. signalisiert Moltke dem kuk-Militärattache Bienerth "Deutschland geht unbedingt mit". Er soll auch noch selber ein Telegram an Conrad geschickt haben. Zur Quellenfrage siehe Krumeich, ich habs mehrfach zitiert, Juli 1914 p. 154ff. Nun, ich glaube, dass Conrad in seinen Erinnerungen nicht lügt, aber ggfls einem Erinnerungsfehler aufsitzt; er dürfte wohl wirklich "nur" das Telegram der kuk-Botschaft gehabt haben (das direkte Moltketelegram fand sich nirgends, und dass Moltke zur Reichspost dackelte und ein unverschlüsseltes Privattelegram an den lieben Conrad aufsetzte, dürfen wir wohl ausschließen. Das direkte Telegram gab es nicht - es sei denn, die Archive wurden gesäubert.) Egal: Die Botschaft "Deutschland geht unbedingt mit" steht. Wie kam es zu diesem Telegram? Hat Moltke sich beim Kaiser rückversichert? War es ein kalter, hinterher abgenickter Staatsstreich? Man denke auch an die Falschmeldung von der Mobilmachung Deutschlands, die auch aus dem Kriegsministerium kam. (Sie machte sofort die Runde; selbst Thomas Mann in Tölz bekam sie mit – Brief an Heinrich Mann vom 30. Juli 1914) Alles sehr sehr unklar.


Tschirschky hat am Morgen des 30. (was man so Morgen nennt) nur das erste, allerdings schon deutliche Telegram vorgelesen. Fühlte er sich immer noch an die Weisung vom 28. gebunden, man müsse jetzt, wg Volk (SPD) und auch, um Russland ins Unrecht zu setzen, so ein bißchen Vermittlung spielen? Man hat Tschirschky hierfür schlimm kritisiert, objektiv sicherlich zu Recht, aber ich möchte mal ein bißchen pro Tschirschky sprechen. Er hat, nachdem er zunächst deeskalieren wollte, bekanntlich fürchterlich einen auf den Deckel bekommen (Das berühmteste Aktenstück der Julikrise, mit den „jetzt oder nie“ Randbemerkungen S.M.). Und jetzt schon wieder Kehrtwende? Was passiert wäre, wenn Tschirschky auch das zweite Telegram vorgelesen hätte...wir wissen es nicht.


Der Nachmittag in Berlin: Ein blinder Fleck...


21 Uhr: Moltke und Falkenhayn erlangen Zusage, am 31. Juli 12 Uhr Mittags werde „Zustand drohender Kriegsgefahr“ verkündet (Belagerungszustand, Vorform der Mobilmachung).
22:30 Uhr: Jagow weist russischen Vorschlag zurück, Mob.-Machung werde eingestellt, wenn ÖU alle Forderungen im Ultimatum streicht, die sich auf Serbiens Souveränität beziehen (es sind genau die Forderungen, die das Ultimatum nach damaligen Standards unanehmbar machen sollten und auch machten!)
23 Uhr: Erste indirekte Mitteilungen treffen ein, Russland mache generalmobil. Daraufhin wird an Tschirschky telegrafiert: Vermittlung einstellen! Es ist die Entscheidung zum Krieg.
 
Zum einem denke ich, das bei den Akteueren die Einsicht dämmerte, das die Eskaltion, der Weg in den Krieg wohl nicht mehr aufzuhalten sei. Des weiteren besaß wohl niemand auch nur annäherend ein Maßstab für sein Handeln, denn das Grauen des Ersten Weltkrieges mit seinen Millionen von Toten lag wohl außerhalb des Vorstellbaren der Beiteiligen.

Dann darf die Frage formuliert werden, weshalb eigentlich in der ganz heissen Phase der Julikrise nur Grey und Bethmann in richtung Frieden aktiv wirkten? Sasonow war es der den Zaren mit großem Nachdruck die Zweifel des Zaren und dessen Widerstand in Krieg überwand. Sasonow zählt m.E. nach zur Kriegspartei. Und er wurde vom französichen Botschafter Paleologue und seinen Präsidenten Poincare unterstützt. Dadurch wurde die Krise erheblich verschärft. Grey warnte auf der eine Seite Berlin, auf der anderen wurden Signale der Verhandlungsbereitschaft gesendet. In Berlin war man sich über die britische Haltung, trotz Lichnowsky eindeutige Warnungen, unklar. Grey hat es auch an so deutlichen Worten wie Bethmann in seinen Weltbrandtelegrammen gegenüber Petersburg oder Paris fehlen lassen. Mahnungen und Warnungen gingen eigentlich nur nach Berlin.

Und ich weiß wirkich nicht, warum du immer auf das Militär so abhebst. Die Herren hatten keine Entscheidungsgewalt. Auch wenn sie sich allerhand anmaßten und sich die Frechheit herausnahmen eine Nebenaußenpolitik zu betreiben, zuständig waren das AA, der Kanzler und natürlich der Kaiser.

Die deutsche Risikostrategie, wie weit Russland letzten Endes gehen würde, war, als ob man mit einer brennendne Fackel in einem Raum voller Schwarzpulver geht. Aber natürlich war aber auch die Bereitschaft Russlands und Frankreich betroffen, diese Balkankrise, wo der Übeltäter saß ist ja hinreichend bekannt, zu einem großen Krieg aufzublasen.

Und am Ende erneut die Frage, warum mussten die Russen dafür Sorge tragen, das die Serben das ganz gewisse nicht unannehmbare Ultimatum nicht annahmen? Das war sicher nicht deeeskalierend.
 
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