Indogermanen, Konstrukt oder Wirklichkeit?

Wenn es stimmt, dass wir in Europa von nur 7 Müttern stammen (7 von insgesamt 13, die die eine Frau, aus Afrika kommend, hatte), dann könnte es sein, dass die ganze Population Europas – mit Ausnahme der Neandertaler – anfangs die gleiche Sprache sprach.

Was spricht dagegen, dass das schon die indogermanische Sprache war, d.h. dass es keine andere alteuropäische Sprache gegeben hat?

Das Baskische. Etruskische und wahrscheinliche weitere nicht-indogermanische Sprachen sprechen dagegen.
 
Wenn es stimmt, dass wir in Europa von nur 7 Müttern stammen (7 von insgesamt 13, die die eine Frau, aus Afrika kommend, hatte), dann könnte es sein, dass die ganze Population Europas – mit Ausnahme der Neandertaler – anfangs die gleiche Sprache sprach.

Was spricht dagegen, dass das schon die indogermanische Sprache war, d.h. dass es keine andere alteuropäische Sprache gegeben hat?

Das Baskische. Etruskische und wahrscheinliche weitere nicht-indogermanische Sprachen sprechen dagegen.

Der Bottleneck, auf den hier angspielt wird, ist allerdings ist einige Jahrtausende vor der Indoeuropäisierung anzusetzen.
 
Das Baskische. Etruskische und wahrscheinliche weitere nicht-indogermanische Sprachen sprechen dagegen.
Baskisch wird heute in einer Gegend gesprochen, die nicht weit von der entfernt ist, in welcher die Neandertaler zuletzt gelebt haben. Es könnte sein, dass sich da deren sprachlicher Einfluss länger halten konnte als anderswo. Und die Zugehörigkeit des Etruskischen zu einer Sprachfamilie ist unklar.


Der Bottleneck, auf den hier angspielt wird, ist allerdings ist einige Jahrtausende vor der Indoeuropäisierung anzusetzen.
Ja, das stimmt. Trotzdem könnten die heutigen Gemeinsamkeiten wie Differenzen in der sogenannten indogermanischen Sprachfamilie damit erklärt werden.
 
Wenn man großzügig 20000 Jahre überspringt.
Das verstehe ich nicht. Auch Cro-Magnon-Menschen haben wie Neandertaler irgendeine Sprache gesprochen, die sich mehr oder weniger in unseren heutigen Sprachen erhalten haben könnte. Ich meine, vielleicht waren schon Cro-Magnon-Menschen das, was manche für Indoeuropäer halten.
 
Als stiller Mitleser drängen sich mir ein paar Fragen auf, wovon zumindest erstere wohl nur sehr schwer zu beantworten sein wird.

Von welcher Anzahl an Menschen spricht man, wenn man das Indoeuropäische Urvolk meint? Und ist dann damit wirklich ein Volk, also eine Art loser Stammesverband gemeint oder viel mehr dutzende, hunderte Kleinstämme, welche schon untereinander kleine Unterschiede aufweisen, aus welchen sich dann später die einzelnen indoeuropäischen Völker herausbilden? (Oder geschieht das erst mit den größeren Wanderbewegungen, ua im Zuge der Vermischung mit der Urbevölkerung (Europas, Nordindiens)

Es ist durchaus fraglich, ob die indoeuropäischen Sprachträger eine ethnische Einheit bildeten oder als klassisches "Volk" verstanden werden können. Hier sind sehr verschiedene Szenarien denkbar. Es kann sein, dass wir es mit ethnisch disparaten Gruppen zu tun haben, die die Sprache einer dominanten Formation übernahmen. Das hat es in der Geschichte häufig gegeben, so z.B. beim Großbulgarischen Reich in Südrussland, das eine Stammeskonföderation bildete, was viele auch für die Hunnen annehmen. Sicher ist es ebenfalls denkbar, dass diese Proto-Indoeuropäer eine ethnische Einheit bildeten, doch lässt sich über die innere Struktur dieser Bevölkerungsgruppe keine zuverlässige Aussage machen.

Die Sprachwissenschaft hat eine indoeuropäische Grundsprache (Ursprache) hypothetisch erschlossen. Auf der Basis des gemeinsamen Vokabulars der späteren Sprachen gehen die Indogermanisten meist von einer Sprachtrennung ab etwa 3400 v. Chr. aus. D.h. der sprachliche Komplex löste sich auf und im Kontakt mit nichtindoeuropäischen Sprachen überschichteter Völker entstanden die historisch bekannten indoeuropäischen Idiome.

Und gibt es eigentlich außerdem irgendwelche Anhaltspunkte, weshalb gewisse Völker wie die Kelten und Illyrer doch um einiges früher als die Italiker, oder gar Germanen und Slaven in Europa ankamen?

Diese Völker bildeten sich allmählich aus einem indoeuropäischen Kontinuum. Sie kamen aber nicht als fertige Völker von irgendwo her.
 
Die Sprachwissenschaft hat eine indoeuropäische Grundsprache (Ursprache) hypothetisch erschlossen. Auf der Basis des gemeinsamen Vokabulars der späteren Sprachen gehen die Indogermanisten meist von einer Sprachtrennung ab etwa 3400 v. Chr. aus. D.h. der sprachliche Komplex löste sich auf und im Kontakt mit nichtindoeuropäischen Sprachen überschichteter Völker entstanden die historisch bekannten indoeuropäischen Idiome.
Das erscheint schlüssig, allerdings nur dann, wenn man annimmt, dass da eine Gruppe/Volk, von irgendwoher kommend, fast alle anderen Gruppen/Völker Europas sprachlich dominierte. Dafür, dass diese Migration tatsächlich stattgefunden hat, gibt es keine archäologischen Befunde, sondern nur die Annahme, dass die Urindogermanen kulturell und militärisch weiter waren als die autochthone Bevölkerung Europas, sonst hätte sich ihre IE-Sprache ja nicht verbreitern können. Das aber ist ein Zirkelschluss.

Ich tendiere daher zu der Annahme, dass es ein sprachliches Kontinuum vom Mittel- über Jungsteinzeit zur Bronzezeit gibt. Erst durch die bäuerliche Lebensweise, die sich während des Neolithikums durchsetzte und weniger Bewegung der Menschen und damit auch weniger Kontakte untereinander bedeutete, haben sich aus dem Urindogermanischen, das von Europa über Anatolien bis nach Persien reichte, die einzelnen Sprachen ausdifferenziert.

Jedenfalls sprechen keine archäologischen Funde, die ja einzig zuverlässig sind, gegen diese Annahmen.
 
Das erscheint schlüssig, allerdings nur dann, wenn man annimmt, dass da eine Gruppe/Volk, von irgendwoher kommend, fast alle anderen Gruppen/Völker Europas sprachlich dominierte.

Natürlich, die Hypothese einer Zuwanderung von außen ist dafür Voraussetzung. Wer der Autochthonen-Hypothese Alexander Häuslers folgt, der muss diesen Komplex einer indoeuropäischen Grund- oder Ursprache in Zentraleuropa verorten.

Eine Auflösung dieser Grundsprache erfolgte dennoch, denn die Sprache war nicht von Beginn an von Britannien bis Indien verbreitet. Es hat also in jedem Fall eine Überlagerung nichtindoeuropäischer Sprachen (und Völker) stattgefunden, sei es in Kleinasien (indoeuropäische Einwanderung ab etwa 2300 v. Chr.), Iran und Nordindien (Einwanderung etwa Mitte des 2. Jahrtausend v. Chr.) oder Griechenland (vermutete Einwanderung indoeuropäischer Gruppen im 3. Jhtsd. v. Chr.).

In all diesen Gebieten haben sich indoeuropäische Sprachträger durchgesetzt, wobei - wie wir gesehen haben - verschiedene Szenarien denkbar sind. Sei es ein Elitetransfer, eine Sprachtrift durch kulturelle Aneignung oder aber eine Verbreitung durch Eroberung, wie das nach Berichten der Veden vermutlich in Indien erfolgte.

Jedenfalls sprechen keine archäologischen Funde, die ja einzig zuverlässig sind, gegen diese Annahmen.

Wenn wir wie der Sprachwissenschaftler Harald Haarmann von einem Elitetransfer ausgehen, gibt es angesichts zahlenmäßig nur kleiner indoeuropäischer Migrantengruppen keinen archäologischen Befund. Dass auch eine solche Möglichkeit in Betracht gezogen werden muss, ist an einigen historischen Beispielen weiter oben bereits gezeigt worden.
 
Zuletzt bearbeitet:
Eine Auflösung dieser Grundsprache erfolgte dennoch, denn die Sprache war nicht von Beginn an von Britannien bis Indien verbreitet.
Nicht von Beginn an von Britannien bis Indien verbreitet? Aufgrund der 7 Frauen, von denen die europäische Bevölkerung angeblich stammt (aus Afrika über den Nahen Osten kommend), wäre es doch naheliegend, dass sie auch die gleiche Sprache sprachen.


Es hat also in jedem Fall eine Überlagerung nichtindoeuropäischer Sprachen (und Völker) stattgefunden
In jedem Fall? Das gilt nur, wenn man annimmt, dass es nichtindoeuropäische Sprachen gegeben hat, was aber mMn nur für die Neandertaler als gesichert gelten kann, weil die Anthropologie und die Gentechnik da eindeutige Ergebnisse geliefert haben.
 
Nicht von Beginn an von Britannien bis Indien verbreitet? Aufgrund der 7 Frauen, von denen die europäische Bevölkerung angeblich stammt (aus Afrika über den Nahen Osten kommend), wäre es doch naheliegend, dass sie auch die gleiche Sprache sprachen.

Die Ausbildung einer Sprache erfolgt in einem geografisch einigermaßen begrenzten Raum. Indoeuropäisch kann sich nicht gleichzeitig vom Atlantik bis Indien formiert haben. Es muss also eine Ausbreitung gegeben haben und die Sparchwissenschaft nennt dazu ja auch ein Datum. Auflösung der indoeuropäischen Grundsprache etwa ab 3400 v. Chr. Die Einwanderung indoeuropäischer Gruppen z.B. in Kleinasien, Indien oder im Iran ist eine historische Tatsache.

In jedem Fall? Das gilt nur, wenn man annimmt, dass es nichtindoeuropäische Sprachen gegeben hat, was aber mMn nur für die Neandertaler als gesichert gelten kann, weil die Anthropologie und die Gentechnik da eindeutige Ergebnisse geliefert haben.

Natürlich hat es nichtindoeuropäische Sprachen in Europa gegeben und zwar noch bis in die historische zeit. So z.B. die Sprachen der Iberer, Ligurer, Sikaner, Etrusker, Tartessier, Minoer, Hattier, Paläosarden usw. Reste dieser Sprachen finden sich vereinzelt noch als Substrat in heutigen Sprachen.
 
Dafür, dass diese Migration tatsächlich stattgefunden hat, gibt es keine archäologischen Befunde, sondern nur die Annahme, dass die Urindogermanen kulturell und militärisch weiter waren als die autochthone Bevölkerung Europas, sonst hätte sich ihre IE-Sprache ja nicht verbreitern können.

Marija Gimbutas sagt genau das Ggt. dessen - ohne dass ich mich ihr anschließen würde - sie argumentiert in ihrem letzten Buch, welches kurz nach ihrem Tod 1994 erschien, dass ein Rückzug der alteuropäischen Siedler aus den fruchtbaren Zonen in die unwegsameren Regionen zu bemerken sei bei einem gleichzeitigen Vordringen der (von ihr so bezeichneten) Kurgankultur.

Sie schreibt weiterhin, dass in den Gräbern der Kurganleute Waffen vorkämen (dolchartige Feuersteinklingen), wohingegen diese in den Gräbern der Alteuropäer fehlten. Ich meine aber, dass sie das Fehlen von Waffen hier überstrapaziert.
 
Nicht von Beginn an von Britannien bis Indien verbreitet?
Nein.

Die Ausbreitung ist Stand der Diskussion bei den befassten Archäologen und Sprachwissenschafter.

Vielleicht besorgst Du Dir mal ein Überblickswerk, anfangen könntest Du mit diesem Aufsatz:
Diamond/Bellwood, Science 2003: Farmers and Their Languages: The First Expansions (zu den Sprachdifferenzierungen insgesamt siehe Grafik S. 598).


Aufgrund der 7 Frauen, von denen die europäische Bevölkerung angeblich stammt (aus Afrika über den Nahen Osten kommend), wäre es doch naheliegend, dass sie auch die gleiche Sprache sprachen.
Kannst Du einen Sprachwissenschaftler oder Vertreter der Humangenetik/Anthropologie oder auch Archäologen nennen, der diesen Vergleich anführt?

Die sieben Haplogruppen ("7 Frauen") weisen einen zeitlichen Horizont zwischen 10.000 und 50.000 BCE auf, sind innerhalb von 40.000 Jahren entstanden, was das "naheliegend gleiche Sprache" bereits erledigt. Im Übrigens heißt das nicht, dass es (nur) sieben gab, sondern dass sieben überlebt haben, und dass geographisch über tausende Kilometer verteilt. Das steht nun in überhaupt keinem Kontext zur homeland-Diskussion des PIE.

... bei einem gleichzeitigen Vordringen der (von ihr so bezeichneten) Kurgankultur.

Wobei das (unabhängig vom Ausbreitungsmodell der Sprache, und den Theorien zu beteiligten Volksgruppen) gleichzeitig mittlerweile archäologisch für den Raum vom Dnjestr bis Dardanellen archäologisch überholt ist, und je nach Region 1000 bis 1500 Jahre dazwischen (Ausdünnung der alten Bevölkerung, und "Migration" und Einwanderung von Osten) angenommen werden.

Siehe oben: Balkan Prehistory.
 
Jedenfalls sprechen keine archäologischen Funde, die ja einzig zuverlässig sind, gegen diese Annahmen.

Wie El Quijote oben schon sagte, behauptet Marija Gimbutas, die Indoeuropäer hätten fassbare archäologische und linguistische Zeugnisse hinterlassen, wobei sie einen Sieg der patriarchalischen Gesellschaft über die matrilineare autochthone bäuerliche Bevölkerung postuliert. Sie sagt u.a.:

"Archäologische, mythologische und linguistische Zeugnisse sprechen für den Sieg der patriarchalischen über die matrifokale und matrilineare Gesellschaftsstruktur des alten Europa. Die Kurgan-Leute führten ein Verwaltungssystemein ein, das seinen Sitz in den von ihnen auf den Hügeln errichteten Burgern hatte. Sie brachten außerdem eine neue Religion mit, in deren Pantheon männliche Kriegsgötter dominierten - im Gegensatz zu den lebenspendenden weiblichen Gottheiten Alteuropas. Die indogermanisch sprechenden Leute brachten auch den Gebrauch von Hartmetall (mit Arsen gehärteter Bronze) mit sich, das für die Produktion von Dolchen, Flach- und Streitäxten verwendet wurde; sie führten ferner ihre neue Kampftechnik, den Kampf zu Pferde mit Dolch, Speer, Pfeil und Bogen und Schild, ein. Die in Alteuropa heimische Landwirtschaft wurde mit der Viehwirtschaft der Kurgan-Leute konfrontiert, und es kam zu einer Symbiose beider Systeme. [...]
Der Prozess der Indogermanisierung war im wesentlichen ein kultureller, nicht physischer Transformationsprozess. Er ist in dem Sinne einer siegreichen militärischen Eroberung zu verstehen, im Zuge derer ein neues Verwaltungssystem, eine neue Sprache und eine neue Religion eingeführt und erfolgreich auf die autochthone Bevölkerung übertragen wurden. Die kriegerische Effizienz der Kurgan-Leute wurde in entscheidendem Maße durch ihre straffe Organisation gefördert. Die patrilineare und patriarchalische Struktur und das Drei-Klassen-System von Herrschaft, Krieger-Adel und arbeitender Bevölkerung wird durch die aus dem Sprachvergleich stammende linguistiche Evidenz als indogermanisch erwiesen. Diese Klassenstruktur ist auch in den Mythologien indogermanischer Völker reflektiert.
Die Alteuropäer hatten weder eine Kriegerklasse noch Pferde. Sie lebten in theokratisch-monarchischen Gemeinschaftsformen, denen eine Priester-Königin in Personalunion vorstand."
(Marija Gimbutas, Die Ethnogenese der europäischen Indogermanen, Innsbrucker Beiträge zur Sprachwissenschaft, Heft 54, Innsbruck 1992, S. 6 f.)

Das also ist das Credo der Gimbutas zum Indogermanenproblem und zugleich ihre Hypothese zur kriegerischen Ausbreitung indoeuropäischer Gruppen. Die Autorin versucht ein komplexes Bild zu zeichnen, bezieht, Mythologie, Religion, Sprache und für sie typische Hinterlassenschaften der Indoeuropäer ien, und setzt als Gipfelpunkt noch den Antagonismus patriarchal- matrilinear obenauf.

Das Problem ist allerdings, dass sich nach Meinung vieler Archäologen nichts von dem beweisen lässt. Die in den südrussischen Kurgangräbern (Ockergrabkultur) gefundenen Artefakte und Waffen bezeichnet sie als "indogermanisch", worin ihr längst nicht alle Archäologen folgen. Auch jede andere Kulturgruppe könnte nach ihnen Urheber sein. Gimbutas vergleicht damit Waffen und Geräte aus Gräbern und Fundorten europäischer Herkunft und behauptet, die Identität mit der südrussischen Fundlage würde die Wanderung der Indoeuropäer belegen. Auch darin folgen ihr viele Archäologen nicht, doch bin ich als Laie nicht in der Lage, die Schlüssigkeit der Argumente der einen oder anderen Fraktion zu beurteilen. Manche, wie der Sprachwissenschaftler Harald Haarmann folgen der Gimbutas-Argumentation in groben Zügen und modifiziert, andere wie der bereits zitierte Alexander Häusler nicht.

Besonders großen Widerspruch hat die Hypothese der Gimbutas in Bezug auf das matrilineare Postulat erfahren, das sie der neolithischen Bevölkerung Europa anheftet. Substanziell speist sich das allein aus zwei Faktoren: zum einen die reichhaltigen Funde vorwiegend weiblicher Idole und Statuetten, zum anderen die sozial ungeschichtete bäuerliche Bevölkerung, was anhand von Gräbern und Kulträumen belegt wird. Daran allerdings sogar eine Theokratie mit einer "Priester-Königin" festzumachen, erscheint mir eine überinterpretierte Folgerung.
 
Wobei das (unabhängig vom Ausbreitungsmodell der Sprache, und den Theorien zu beteiligten Volksgruppen) gleichzeitig mittlerweile archäologisch für den Raum vom Dnjestr bis Dardanellen archäologisch überholt ist, und je nach Region 1000 bis 1500 Jahre dazwischen (Ausdünnung der alten Bevölkerung, und "Migration" und Einwanderung von Osten) angenommen werden.

Sicher. Ich kann mich ja weder dem einen noch dem anderen Extrem anschließen, denn sowohl Häusler als auch Gimbutas nehmen Extrempositionen ein und ich glaube, man kann das bei beiden ideologisch begründen, dass sie diese Extrempositionen einnehmen. Was aber m.E. der Grundfehler ist, ist, dass man versucht das linguistische "Indogermanenproblem" archäologisch zu lösen.
 
... denn sowohl Häusler als auch Gimbutas nehmen Extrempositionen ein und ich glaube, man kann das bei beiden ideologisch begründen, dass sie diese Extrempositionen einnehmen.
Sehe ich genau so.

Wobei sich mein Hinweis oben nicht auf dieses ideologische Beiwerk Gimbutas zu Krieger-Invasionsthese und angeblichen Sieg der patriarchalischen Strukturen bezog, sondern auf den Widerspruch der zwischenzeitlichen archäologischen Erkenntnisse (Siedlungsentwicklung und Populationen im Balkanraum) zu ihrer "Einfallthese". Von Gleichzeitigkeit und damit kausalen Zusammenhängen zwischen Wanderung/Eindringen und Verschwinden/drastischem Rückgang der bisherigen Besiedlung ist da keine Rede mehr. Dazwischen liegen vielmehr Jahrhunderte bis 1500 Jahre, je nach Region.


Was aber m.E. der Grundfehler ist, ist, dass man versucht das linguistische "Indogermanenproblem" archäologisch zu lösen.
Das sehe ich nicht so. Sofern jedenfalls archäologische Kenntnisse den angenommenen kulturellen Bewegungen (die mit den zu rekonstruierenden Sprachausbreitungen verbunden werden), lassen sich solche Thesen auch falsifizieren.

Schau mal hier, mit fächerübergreifender Zusammenfassung der konkurrierenden homeland-Thesen und dem Stand der Diskussion und Probleme:
Mallory: Twenty-first century clouds over Indo-European homelands
http://jolr.ru/files/(112)jlr2013-9(145-154).pdf
 
Was aber m.E. der Grundfehler ist, ist, dass man versucht das linguistische "Indogermanenproblem" archäologisch zu lösen.

Das sehe ich nicht so. Sofern jedenfalls archäologische Kenntnisse den angenommenen kulturellen Bewegungen (die mit den zu rekonstruierenden Sprachausbreitungen verbunden werden), lassen sich solche Thesen auch falsifizieren.

So weit liegen wir da nicht auseinander. Wenn man linguistisch die Region identifiziert hat, in der die Topo- und Hydronyme auf das rekonstruierte Proto-Indoeuropäische zurückgehen, dann kann man natürlich auch schauen, wie sich archäologische Kulturen hierzu verhalten.
 
So weit liegen wir da nicht auseinander. Wenn man linguistisch die Region identifiziert hat, in der die Topo- und Hydronyme auf das rekonstruierte Proto-Indoeuropäische zurückgehen, dann kann man natürlich auch schauen, wie sich archäologische Kulturen hierzu verhalten.

Der eine Aspekt betrifft Homeland, die Ursprungsthese.

Ähnlich läßt sich verfahren, wenn linguistische (und allgemein kulturelle) Ausbreitungshypothesen - so verfährt Mallory - dann mit dem Stand der archäologischen Erkenntnisse abgeglichen werden.
 
Was aber m.E. der Grundfehler ist, ist, dass man versucht das linguistische "Indogermanenproblem" archäologisch zu lösen.

Man kann dazu eine einfache Überlegung anstellen. Wenn die Sprachwissenschaft eine indogermanische Grund(Ur)sprache rekonstruiert hat, muss es auch Träger geben, die diese Sprache gesprochen haben. Sicher nicht exakt so, wie die hypothetisch erschlossene Sprache, aber in einer ähnlichen Form.

Es scheint mittlerweile klar zu sein, dass sich das Indogermanenproblem nicht archäologisch lösen lässt. Und so werden flankierend linguistische und gesellschaftliche Überlegungen angestellt, um sich dem Problem zu nähren.

Was die archäologische Seite betrifft, so handelt es sich um eine Glaubensfrage. Leute wie Harald Haarmann sind der Überzeugung, dass die Verbindungen zwischen der südrussischen Kurgankultur und ähnlichen Erscheinungen in Europa eine Migration indoeuropäischer Bevölkerungsgruppen bestätigen. Als Laie ist man da etwas hilflos, denn man kann die Schlüssigkeit der Argumente beider Fraktionen nicht immer sachgerecht bewerten.

Im Endeffekt haben alle Hypothesen Pferdefüße und Widersprüche, und oft bedienen sich ihre Protagonisten argumentativer Verrenkunken, um sie wahrscheinlicher zu machen.
 
Es scheint mittlerweile klar zu sein, dass sich das Indogermanenproblem nicht archäologisch lösen lässt. Und so werden flankierend linguistische und gesellschaftliche Überlegungen angestellt, um sich dem Problem zu nähren.

Das Problem ist ein anderes, nämlich den (archäologischen und humangenetischen) Erkenntnisfortschritt der letzten 20 Jahre auf die von den Linguisten vorgeschlagenen Ursprungs- und Ausbreitungsmodelle zu beziehen.

Siehe zB das in Moskau 2012 dazu angehaltene Symposium.

Das ist sozusagen die Umkehrung des Satzes von Kahnemann:
"It is the consistency of the information that matters for a good story, not its completeness. Indeed, you will often find that knowing little makes it easier to fit everything you know into a coherent pattern"

So werden die (sprachwissenschaftlichen) Ausbreitungsmodelle mit immer mehr archäologischen Erkenntnissen zu kulturellen (und sozialen) Umwälzungen konfrontiert. Oder wie Mallory für die homeland-Debatte formuliert:

"Thus, any solution to the homeland problem must be able to explain how we can recover cognate terms associated with farming from Ireland to India."

Und zum Bouckaert-Modell (ähnlich wie Renfrew "B" mit anatolischen und neolithischem Bezug als Ausgangspunkt der Ausbreitung) mit dieser Abgleich der Chronologie archäologischer Bezüge zur Landwirtschaft mit den linguistischen Modelle deutlich:

"Even if one did not accept the chronology of their model, one could argue on other grounds that the eastern expansion of Indo-European from Anatolia should be set later than the initial spread of agriculture. If, for example, the Indo-Iranians were to be associated with the earliest appearance of agriculture in their respective territories, then one might expect Iranian to derive from either a source in the Zagros or south-Central Asia (Jeitun?) while the early Neolithic site of Mehrgarh in Baluchistan is certainly more proximate to the Indus than any other. It is difficult to imagine that all these Neolithic ‘hearths’ shared the same language (Eastern Anatolia and Mehrgarh are situated nearly 2500 km apart!). Moreover, as we move south or east from the Anatolian/north Syrian source of agriculture we pass through regions that were, at least in historical times, occupied by speakers of Hurrian, Semitic, Sumerian and Elamite, all non-Indo-European languages."
 
So werden die (sprachwissenschaftlichen) Ausbreitungsmodelle mit immer mehr archäologischen Erkenntnissen zu kulturellen (und sozialen) Umwälzungen konfrontiert. Oder wie Mallory für die homeland-Debatte formuliert:

Ja, und was folgt nun aus all dem, was du da zitiert hast? :grübel:
 
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