Jedenfalls sprechen keine archäologischen Funde, die ja einzig zuverlässig sind, gegen diese Annahmen.
Wie El Quijote oben schon sagte, behauptet Marija Gimbutas, die Indoeuropäer hätten fassbare archäologische und linguistische Zeugnisse hinterlassen, wobei sie einen Sieg der patriarchalischen Gesellschaft über die matrilineare autochthone bäuerliche Bevölkerung postuliert. Sie sagt u.a.:
"Archäologische, mythologische und linguistische Zeugnisse sprechen für den Sieg der patriarchalischen über die matrifokale und matrilineare Gesellschaftsstruktur des alten Europa. Die Kurgan-Leute führten ein Verwaltungssystemein ein, das seinen Sitz in den von ihnen auf den Hügeln errichteten Burgern hatte. Sie brachten außerdem eine neue Religion mit, in deren Pantheon männliche Kriegsgötter dominierten - im Gegensatz zu den lebenspendenden weiblichen Gottheiten Alteuropas. Die indogermanisch sprechenden Leute brachten auch den Gebrauch von Hartmetall (mit Arsen gehärteter Bronze) mit sich, das für die Produktion von Dolchen, Flach- und Streitäxten verwendet wurde; sie führten ferner ihre neue Kampftechnik, den Kampf zu Pferde mit Dolch, Speer, Pfeil und Bogen und Schild, ein. Die in Alteuropa heimische Landwirtschaft wurde mit der Viehwirtschaft der Kurgan-Leute konfrontiert, und es kam zu einer Symbiose beider Systeme. [...]
Der Prozess der Indogermanisierung war im wesentlichen ein kultureller, nicht physischer Transformationsprozess. Er ist in dem Sinne einer
siegreichen militärischen Eroberung zu verstehen, im Zuge derer ein neues Verwaltungssystem, eine neue Sprache und eine neue Religion eingeführt und erfolgreich auf die autochthone Bevölkerung übertragen wurden. Die kriegerische Effizienz der Kurgan-Leute wurde in entscheidendem Maße durch ihre straffe Organisation gefördert. Die patrilineare und patriarchalische Struktur und das
Drei-Klassen-System von Herrschaft, Krieger-Adel und arbeitender Bevölkerung wird durch die aus dem Sprachvergleich stammende linguistiche Evidenz als indogermanisch erwiesen. Diese Klassenstruktur ist auch in den Mythologien indogermanischer Völker reflektiert.
Die Alteuropäer hatten weder eine Kriegerklasse noch Pferde. Sie lebten in theokratisch-monarchischen Gemeinschaftsformen, denen eine Priester-Königin in Personalunion vorstand."
(Marija Gimbutas, Die Ethnogenese der europäischen Indogermanen, Innsbrucker Beiträge zur Sprachwissenschaft, Heft 54, Innsbruck 1992, S. 6 f.)
Das also ist das Credo der Gimbutas zum Indogermanenproblem und zugleich ihre Hypothese zur kriegerischen Ausbreitung indoeuropäischer Gruppen. Die Autorin versucht ein komplexes Bild zu zeichnen, bezieht, Mythologie, Religion, Sprache und für sie typische Hinterlassenschaften der Indoeuropäer ien, und setzt als Gipfelpunkt noch den Antagonismus
patriarchal- matrilinear obenauf.
Das Problem ist allerdings, dass sich nach Meinung vieler Archäologen nichts von dem beweisen lässt. Die in den südrussischen Kurgangräbern (Ockergrabkultur) gefundenen Artefakte und Waffen bezeichnet sie als "indogermanisch", worin ihr längst nicht alle Archäologen folgen. Auch jede andere Kulturgruppe könnte nach ihnen Urheber sein. Gimbutas vergleicht damit Waffen und Geräte aus Gräbern und Fundorten europäischer Herkunft und behauptet, die Identität mit der südrussischen Fundlage würde die Wanderung der Indoeuropäer belegen. Auch darin folgen ihr viele Archäologen nicht, doch bin ich als Laie nicht in der Lage, die Schlüssigkeit der Argumente der einen oder anderen Fraktion zu beurteilen. Manche, wie der Sprachwissenschaftler
Harald Haarmann folgen der Gimbutas-Argumentation in groben Zügen und modifiziert, andere wie der bereits zitierte
Alexander Häusler nicht.
Besonders großen Widerspruch hat die Hypothese der Gimbutas in Bezug auf das matrilineare Postulat erfahren, das sie der neolithischen Bevölkerung Europa anheftet. Substanziell speist sich das allein aus zwei Faktoren: zum einen die reichhaltigen Funde vorwiegend weiblicher Idole und Statuetten, zum anderen die sozial ungeschichtete bäuerliche Bevölkerung, was anhand von Gräbern und Kulträumen belegt wird. Daran allerdings sogar eine Theokratie mit einer "Priester-Königin" festzumachen, erscheint mir eine überinterpretierte Folgerung.