Okkultismus, Esoterik, Grenzwissenschaft und NS

  • Esoterik, esoterisch = Geheimlehre, geheime Lehre/geheimes Wissen, nur für Eingeweihte verständlich
  • okkult/Okkultismus = Lehre/Praktiken von übersinnlichen, unerklärlichen Kräften und Erscheinungen; verborgen, geheim (von übersinnlichen Dingen).

Guido von List = Esoteriker/Esoterik, wie deutlich anhand Zitat erkennbar.
 
Zuletzt bearbeitet:
„Diese Geheimlehre ruht nun in der Ursprache als der Mysteriensprache unseres Ariogermanentums und mit vorliegendem Werk biete ich dazu den Schlüssel. Wer diesen zu gebrauchen fähig ist dem steht der Hehre Tempel [jetzt kommt ein Hakenkreuz] Arehisosur [wieder Hakenkreuz] der Geheimlehre offen und man trete ein als deren Hierophant!“

Oder von List, Ursprache, S. 12:
[...] Der, dem dies Erkennen wurde, der versteht diese Geheimlehre, er kann andere zu ihrer Erkenntnis führen, aber er kann diesen anderen nicht jene Erkenntnis geben, [...]​

Mir war nicht (mehr) bewusst gewesen, dass List es so klassisch esoterisch formuliert hatte, Gnosis/Erkenntnis, Einweihungsweg, seine eigene Erkenntnis/Wahrheit finden, Hierophant usw. usw......
Kein Wunder, dass H. über diese arisch-germanisch schwafelnden Esoteriker des inneren Weges vom Schlag eines von List oder Lanz von Liebenfels so hergezogen hat....
 
Guido von List = Esoteriker/Esoterik, wie deutlich anhand Zitat erkennbar.

"Oder von List, Ursprache," jetzt aber S. 49 (PDF-S. 79) zur Runensprache:
daraus ergibt sich, daß die Selbstlaute (Vokale) Wir-
kungen einer vorhergegangenen Ursache, und für sich selbst
wieder wirkungsauslösende Ursachen sind, welche dann in
ihren eigenartigen Verbindungen und Umstellungen unter sich
höchst magische Erfolge auslösen, da sie die okkultesten und
furchtbarsten Kräfte zu entfesseln vermögen.“

Ich würde sagen, dass Okkultismus und Esoterik siamesische Zwillinge sind.
(wie hier der Runen-Okkultismus des Guido, oder auch bei der Blavatsky die Seancen veranstaltet.)

Ich stell mir darüber hinaus einen siamesischen Drilling vor: Okkultismus, Esoterik und Grenzwissenschaft.
(so als wären die Drei Affen an den Oberarmen zusammengenäht und würden das Gegenteil des bisherigen machen:
Einer reißt die Augen auf, einer die Ohren und der dritte das Maul. ...aber das war jetzt nur eine Vision und hoffentlich kein Erweckungserlebnis :D)
 
Dazu würde mich eine Quelle interessieren.
M.K, I, S. 381-384 (Kritische Edition)

Der große Schwerpunkt bei List liegt im esoterischen, inneren wie individuell-persönlichen Einweihungs-/Erkenntnisweg als Geheimlehre. Siehe Beiträge oben.
Innerhalb des esoterischen Weges können selbst ernannte, behauptete 'okkulte' Kräfte integriert sein. Bei von List die behaupteten, aber nicht tradierten okkulten Wirkungen beispielsweise der Runen-Selbstlaute.
 
Sofern der NS angeblich deutliche, breite 'okkult-esoterische-grenzwissenschaftliche' Wurzeln, Elemente, Vorstellungen hatte, darf man davon ausgehen, dass sich dies in der Forschungs-, Wissenschafts-, Schul- und Universitätspolitik des NS-Regimes genauso eindeutig und nachweisbar niedergeschlagen hätte.

Wieviele grenzwissenschaftliche Institute wurden beispielsweise ab 1933 gegründet? Oder diverse 'esoterische', 'okkulte' Vereine, Gemeinschaften, Schriftsteller, Publizisten usw. gefördert, gegründet usw.?
 
Angesichts der diffusen u. differierenden Behauptungen ob der konstituiven oder nicht konstituiven Bedeutung 'esoterisch-okkulter' Inhalte für den NS, kann ein konkretes Geschehen eine gewisse Orientierung bieten.

Die Gründung der explizit als nationalsozialistisch konzipierten Reichsuniversität Straßburg 1941 kann einen guten Einblick geben in dieser Thematik. Friedrich Spieser, einflussreicher u. NS naher Autonomist sowie Esoteriker u. Hans Bender wollten mit Unterstützung von Ernst ein 'grenzwissenschaftliches' Institut an der kommenden Uni einrichten...Spieser hatte Beziehungen zu Himmler...Doch sowohl Robert Wagner, Chef der Zivilverwaltung, wie auch Bernhard Rust, der zuständige Reichsminister, beide überzeugte Nationalsozialisten u. Hitler-Gefolgsleute, verhinderten dies.

Spieser via Himmler erreichte aber zumindest die Gründung des Paracelsius-Institutes in Umfeld der Uni, doch nicht von ihr finanziert u. besetzt.

Das 'nationalsozialistische' Profil zeigte sich im medizinisch-biologischen Bereich der Uni...
 
Sowohl #22 als auch #94.
Bei Kurlander fehlt es an Substanz, die eine These begründen könnte, das Kater-Zitat widerspricht Deiner These. Nicht das NS-Regime, sondern allenfalls Rosenberg schwebte eine Art Religion vor. Und der befand sich ja nun dauerne im Clinch mit mächtigeren Figuren wie dem bei Kater erwähnten Himmler oder dem Reichsleiter der NSDAP Robert Ley. Bei Rosenberg ist aber eigentlich ganz und gar nichts Okkultes zu finden. Sein "magnum opus" besteht im wesentlichen daraus, sein sehr seichtes historisches Halbwissen nach plumpen rassistischen Kriterien zu "sortieren", dabei macht er auch Gebrauch von dem im NSDAP-Parteiprogramm vorgegebenen Schlagwort vom "positiven Christentum".

So wird (aufbauend auf einer völkischen Schnapsidee, die Jesus eine nichtjüdische Herkunft zuschreibt) Jesus durchaus "positiv" gezeichnet, nur leider sei das Christentum dann durch den Juden Paulus verdorben worden. Andererseits werden Theologen des Mittelalters wie Thomas von Aquin und Meister Eckhart wieder zu den Lichtgestalten gezählt. O-Ton Rosenberg: "Das negative und das positive Christentum standen von je im Kampfe und ringen noch erbitterter als früher gerade in unseren Tagen. Das negative pocht auf seine syrisch-etruskische Überlieferung, auf abstrakte Dogmen und altgeheiligte Gebrauche, das positive ruft emeut die Kräfte des nordischen Blutes wach..."

Meiner Meinung nach hatte das NS-Regime keinen religiösen Plan außerhalb der Ziele Auslöschung des Judentums und (mittelfristig) Zerschlagung der kirchlichen Strukturen.

Reinhard Bollmus, Das Amt Rosenberg und seine Gegner - Zum Machtkampf im nationalsozialistischen Herrschaftssystem, Stuttgart 1970, bringt das gesamte Wirken der NS-Herrschaft auf den Punkt: "... die von Hitler verlangten Leistungen bestanden letztlich nur in der Zerstörung der überkommenen Gesetze des Menschen- und Völkerlebens. [...] Der Weg, den die nationalsozialistische Herrschaft genommen hat, mag in großen Zügen als die Verwirklichung eines Planes erscheinen, den Hitler in 'Mein Kampf' vor aller Öffentlichkeit dargelegt hatte. Die geschichtliche Wirklichkeit und die Entwicklung der inneren und auswärtigen Politik bis hin zur anarchischen Selbstauflösung und politischen Katastrophe war aber Ausdruck der Gehaltlosigkeit und Absurdität dieses Weges, der zwar offenbar stets mit dem Blick auf das grausige 'Endziel', nicht aber einem 'Plan' gemäß beschritten worden ist. [...] Die innere Struktur dieses Systems war der Ausdruck tatsächlicher Planlosigkeit."
 
Nichts kann ariosophische, entsprechende 'esoterisch-okkulte' Prägungen bzw. typische Elemente bei H. vor den Sommer 1920 hinreichend belegen. H. selber erwähnt für seine angebliche Wiener 'Lehrzeit' Schönerer & Lueger als Anreger & Vorbilder - und diese waren keine Ariosophen wie von List oder Liebenfels, die angeblichen Anreger H.s in Wien, welche dieser wiederun nirgends anführt.

Schönerer wurde zum Vater des politischen Antisemitismus, so der gleichlautende Titel einer Publikation (1936) im Verlag des 'Völkischen Beobachters'.

Fazit: Erst in München ab 1920 rezipierte H. manche ariosophische Elemente, deutlich unter Einfluss beispielsweise seines zeitweiligen Mentors Dietrich Eckart. Schön sichtbar u.a. eben am Begriff Arier, den H. erstmals im August 1920 verwendet.

Der bekannte Gemlich-Brief H.s vom September 1919 ist sowohl frei von Ariosophie wie auch gänzlich unesoterisch-nichtokkult.
 
Ähnlich beim Hakenkreuz, ein zentrales, wichtiges Zeichensymbol der Völkischen u. (werdenden) Ariosophen ab 1900, siehe beispielsweise von List.

H. erwähnt es erstmals ebenfalls erst im August 1920, in jener Rede am 13. im Münchner Hofbräuhaus, 'Warum sind wir Antisemiten'.
 
Meiner Meinung nach hatte das NS-Regime keinen religiösen Plan außerhalb der Ziele Auslöschung des Judentums und (mittelfristig) Zerschlagung der kirchlichen Strukturen.

So wie ich das sehe, ich bin ja noch am lesen, gab es verschiedene religiöse Planungen mindestens von Himmler und Rosenberg.
Einen Plan für eine neue Ario-Germanische Staatsreligion nach "der Zerschlagung der kirchlichen Strukturen" gab es wohl nicht. (Kurlander S. 194 )

Der Himmler hatte eine Art Plan oder Entwurf:
„ Durch die Mischung von Geschichte, Geschichtsmythos, Germanenkult, Sterndeutung und Sternbeobachtung, Welterklärungs- und Wiederverkörperungstheorie entstand hier tasächlich ein Religionsersatz, möglicherweise vermischt mit Vorstellungen über eine germanische Urreligion.
Allerdings litt diese Konstruktion an dem Umstand, dass sie, gelinde gesagt, noch nicht ganz fertig war.“
(Longerich- Himmler- S. 295)

Ich denke Du liegst da schon richtig, es gab Diskussionen und Bemühungen, einen formulierten religiösen Plan des Regimes selbst gab es nicht.
(Außer der „ Auslöschung des Judentums“? Ist das ein religiöser Plan?)
 
Der Himmler hatte eine Art Plan oder Entwurf:
„ [...] Allerdings litt diese Konstruktion an dem Umstand, dass sie, gelinde gesagt, noch nicht ganz fertig war.“
(Longerich- Himmler- S. 295)
Das ist wunderbar formuliert.

Solange noch Phantasten herumliefen, auf deren Ideen Himmler irgendwann aufmerksam werden konnte, hatte die Konstruktion wohl kaum eine Chance, jemals fertig zu werden.

Und falls es irgendwann eine fertige Konstruktion gegeben hätte, wäre das nur Himmlers persönlicher Religionsersatz gewesen. Wie hätte er Rosenberg, Goebbels und Hitler dazu bringen sollen, den Stuss zu glauben?
 
Zuletzt bearbeitet:
Jenseits der Schlagworte wie Ariosophie, Esoterik und Okkultismus als vermeintlich wesentliche konstitutive Säulen des 'NS' und seiner Auswirkungen und/oder Bewirkung einer vermuteten erfolgreichen Ausbreitung okkulter, esoterischer und grenzwissenschaftlicher Praktiken, Disziplinen und Fächer, bietet der Blick auf die so genannte Deutsche Physik, im NS-Deutschland der modernen und Theoretischen Physik inkl. 'jüdischer' Relativitätstheorien und Quantenphysik gegenüber gestellt, ein anschauliches Beispiel dafür, dass sich die ideologisch ns-nahen Forschungs- und Wissenschaftsrichtungen ebenso wenig entscheidend hegemonial durchsetzen konnten oder durchsetzbar waren oder von der Mehrheit der obersten Akteure akzeptiert worden waren.

Die Teils pseudowissenschaftlich aufgezogene Deutsche Physik hatte als Alternative zur 'modernen Physik' auch im NS-Regime entscheidende, auch ganz praktische Gegner wie Göring oder Wissenschafts- und Erziehungsminister Rust.

So kam es beispielsweise dazu, das der junge, ehrgeizige wie glänzende Theoretische Physiker, Heisenberg-Schüler und Anhänger der Quantenphysik Carl Friedrich von Weizsäcker, expliziter Vertreter der modernen, auch Theoretischen Physik, 1942 an jene nationalsozialistische Musteruni in Straßburg berufen wurde.

An welcher jene fürchterliche Trias Haagen (Bakeriologie), Bickenbach (Internist) und Hirt (Antatom) dank Unterstützung auch mit SS-Geldern (Himmler) forschte, an Gefangenen experimentierte und tötete.
 
Bei Kurlander, Hiter's Monsters, fehlt eine Nachzeichnung der letzlich erfolglosen Entwicklung der arisch-völkisch kompatibel sein wollenden Deutschen Physik im NS.

Lenard wird nur im Zusammenhang mit der Welteis-Theorie erwähnt.

Und dann gab es ja auch noch andere 'Arier' nahe, in Teilen pseudowissenschaftliche Wissenschaften wie die 'Deutsche Chemie'.

NS-Wissenschafts- u. Erziehungsminister Bernhard Rust, dieser Name fehlt im Index von Kurlanders Publikation.
 
Zur so genannten Deutschen Physik - zwei prominente Vertreter waren die beiden Physik-Nobelpreisträger Johannes Stark und Philipp Lenard - im NS-Regime gibt ein gekürzter Seminarvortrag von Physik-Ordinarius Gerhard Simonssohn (FU Berlin) eine immer noch brauchbare, allgemeinverständliche Übersicht, in Physikalische Blätter Nr. 1/1992 abgedruckt unter dem Titel Physiker in Deutschland 1933-1945.
 
Zur so genannten Deutschen Physik - zwe prominente Vertreter waren die beiden Physik-Nobelpreisträger Johannes Stark und Philipp Lenard - im NS-Regime gibt ein gekürzter Seminarvortrag von Physik-Ordinarius Gerhard Simonssohn (FU Berlin) eine immer noch brauchbare, allgemeinverständliche Übersicht, in Physikalische Blätter Nr. 1/1992 abgedruckt unter dem Titel Physiker in Deutschland 1933-1945.
Da haben wir wieder einen Bezug zum Eingangsbeitrag: Es war ja Himmler, der die Angriffe der "Deutschen Physik" gegen Heisenberg unterbunden hat. Um noch einen anderen Wissenschaftszweig zu streifen: Der Archäologie gelang es im Windschatten Himmlers einigermaßen, wissenschaftliche Standards aufrechtzuerhalten. (Ich habe oben schon erwähnt, dass im "Ahnenerbe" neben den Spinnern auch ausgewiesene Fachleute tätig waren, die keineswegs nur Unfug produzierten). Reinhard Bollmus S. 179:

Himmler ließ damals [1934] den wissenschaftlich nicht nur einwandfreien, sondern geradezu bahnbrechenden Haithabu-Grabungen des Kieler Prähistorikers Herbert Jankuhn seine "Schirmherrschaft" angedeihen, ohne daß die Forschungsergebnisse bei der Publikation "politisch" gedeutet oder nachträglich abgeändert werden mußten. [...] Die paradox anmutende Folgeerscheinung der Einmischung Himmlers in die Vorgeschichtsforschung bestand darin, daß einer der größten Verbrecher des Regimes in einem schmalen Teilbereich ungewollt zum Schutzherrn einer im allgemeinen sauberen und der Ideologie auf lange Sicht nicht dienlichen Forschung zu werden vermochte, während der im Vergleich zu Himmler noch "harmlose" Rosenberg in demselben Bereich zum fanatischen Verfolger wurde.
 
Da haben wir wieder einen Bezug zum Eingangsbeitrag: Es war ja Himmler, der die Angriffe der "Deutschen Physik" gegen Heisenberg unterbunden hat.
Ich will da einem falschen Eindruck vorbeugen. Es war ein Organ Himmlers das diese Angriffe gegen Heisenberg publizierte. Danach musste er um sein Leben fürchten und der Himmler lässt sich ein Jahr Zeit um das zu missbilligen.
Dem Heydrich gibt er Einsicht in seine Motivation. Es sei nicht klug den Heisenberg "totzumachen", denn man könne ihn noch verwenden.
Er unterband auch nicht die Angriffe der "Deutschen Physik" sondern die der SS.

Selbstverständlich ist er der "Deutschen Physik" zugeneigt, postuliert doch diese, nur der Arier sei zu wahrer wissenschaftlicher Erkenntnis befähigt.
 
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