Inwiefern genau? Sicherlich im Hinblick auf seine Gründung und Anerkennung und sicherlich im Hinblick auf die extremen Opferzahlen, die die Politik Leopold II. hier zur Folge hatte.
Aber das Modell an und für sich?
Sicherlich die Plantagenwirtschaft für die Zuckerherstellung hatte sich durch das Aufkommen des Verfahrens zur Gewinnung von Rübenzucker überholt, aber das Modell der Plantagenwirtschaft, die den Einsatz von Maschinen nur zu einem gewissen Grad erlaubte, war doch noch lange nicht zu Ende.
Gerade die aufkommende chemische Industrie verlangte doch in immer größeren Maßstab nach pflanzlichen bzw. in Pflanzen gebildeten Stoffen wie z.B Chinin, was etwa zur Anlage größerer Cinchona-Pflanzungen in Ceylon und dem heutigen Indonesien führte.
Das war doch grundsätzlich ein durchaus vergleichbares Modell.
Ich hatte in anderen Threads schon mal auf die Familie Beckford verwiesen, die im 18. Jahrhundert die Insel Jamaika beherrschte., der fast ganz Jamaika gehörte. Winston Churchill war nach einer Ostafrikareise entsetzt von den Zuständen in Kenia und der Behandlung der Kikuju, die Karen Blixen so empathisch beschrieb. Churchill hatte anfangs vor, das zum Thema im Unterhaus zu machen. Beispiele für Missstände werden sich auch in den französischen oder portugiesischen Kolonien finden.
In Deutsch-Südwestafrika trug Landgrabbing sehr zu dem Unmut der Herero und Khoi Khoi bei. In vielen Kolonien wurden Arbeitsleistungen gefordert und Projekte mittels Zwangsarbeit vorangetrieben.
Nirgendwo aber wurde die einheimische Bevölkerung so radikal enteignet, nirgendwo wurden ihr Besitzrechte an Grund und Boden, Gewässern, Wild, Bodenschätzen so skrupellos genommen. Im Grunde war der Kongostaat eine riesige Sträflingskolonie, deren Insassen ihre gesamte Existenz auf die Bedürfnisse der Gewinnmaximierung des Königs der Belgier ausrichten mussten.
Schulen, Bildung die simpelsten menschlichen Bedürfnisse-das alles wurde der überwältigenden Mehrheit der Bevölkerung verweigert, kam nur einer kleinen Minderheit zugute.
Was Leopold im Kongo investierte, für Infrastruktur war ein Witz, waren Potjomkinsche Dörfer, um die Weltöffentlichkeit zu täuschen- was auch lange gelang. William Sheppard, ein afroamerikanischer Reverend und Abolitionist ging in den Kongo, weil er anfangs davon überzeugt war, dass Leopolds philanthropische Pläne Ernst gemeint waren. Die Wirklichkeit im Kongo ließ ihn bald seine Meinung ändern.
Bei der Kongo-Konferenz in Berlin war nicht ein einziger Afrikaner anwesend. Stanley war der einzige Konferenzteilnehmer, der längere Zeit in Afrika gelebt hatte- und Stanley hasste im Grunde Afrika, auch wenn er mitreißend Land und Leute beschrieb. In seinen Büchern schreibt er vom Dunklen Kontinent bei der Emin Pascha Expedition reiste er ins "Dunkelste Afrika".
Der Herrschaftsstil des Begründers von Deutsch-Ostafrika Carl Peters unterschied sich allenfalls in Nuancen, sicher aber nicht grundsätzlich. Dass die Nazis diesen Irren als Vorläufer und Bruder im Geiste betrachteten, kommt nicht von ungefähr.
Die Kolonialherrschaft der Europäer ist kritikwürdig, sie zeigte fast überall Exzesse, und dort wo sich Widerstand regte, waren die Reaktionen von Briten, Franzosen, Portugiesen, Deutschen, Spaniern, Italienern und Belgiern ziemlich gleich.
Zu sagen, dass sich der Kongostaat nicht grundsätzlich unterschied ist nachvollziehbar. Völlige Heuchelei war aber die Bekämpfung der Sklaverei im 19. Jahrhundert nicht. Wenn Kipling in einem Gedicht von "The White Man´s Burden sprach, war das nicht bloß Rhetorik und Apologetik des Imperialismus. Die Franzosen vertraten den Anspruch, die Kolonialbewohner zu Citoyens francaises zu machen-Deputierte aus dem Senegal saßen im Parlament und wiesen gerne darauf hin, dass der Senegal früher französisch wurde, als die Bewohner Nizzas.
Die Deutschen haben immerhin-spät genug- Schlächter wie Peters oder von Trotha abgesetzt. Nach dem Maji Maji Aufstand haben die Deutschen aus Fehlern gelernt. Als sie Eingeborenen den Kauf von Land erlaubten und Suaheli als Amtssprache einführten, war das vielleicht das Vernünftigste, was sie je in Afrika taten. Sie haben damit so etwas wie eine tansanische Identität erleichtert.
Leopold II. Kolonial-Konzept war wie das einer Kolonie im 18. Jahrhundert. Die Kolonie sollte Rohstoffe und billige Arbeitskräfte liefern und Gewinn abwerfen. Alle Investionen, Bahnbau, Schulen waren lediglich Investitionen zur Gewinnmaximierung und als PR-Aktion. Diese Investitionen beschränkten sich auf das Allernötigste.
Das war Ende des 19. Jahrhunderts doch ungewöhnlich. Den Briten, Franzosen und Deutschen war klar, dass Kolonien Ausgaben für Infrastruktur benötigten. Die Kolonien wurden gegründet aus einer recht heterogenen Motivation. Es spielten dabei strategische, geographische, wirtschaftliche und ideologische Motive eine Rolle.
Im Grunde war Leopolds II. Privatstaat nichts anderes, als eine gigantische Sträflingskolonie, ein Freibeuterstaat, deren Existenz allein der Gewinnmaximierung zugunsten Leopolds diente.