Der Erste Weltkrieg und seine Bedeutung in der heutigen Zeit.

Und deshalb gegen Nationalismus immun???

Natürlich nicht, aber der Nationalismus richtete sich in Österreich-Ungarn nicht selten gegen den Staat. Das Abgeordnetenhaus des cisleithanischen Reichsrates war in den letzten Jahren vor Kriegsbeginn beispielsweise faktisch paralysiert, weil die Nationalitätenkonflikte sehr viele Sachfragen überlagerten. Die k.k. Regierung hatte schon seit den 1890er-Jahren oft keine andere Wahl, als den Kaiser um eine Vertagung des Reichsrates zu bitten.
 
Und deshalb gegen Nationalismus immun???

Nationalismus war für das Österreichisch-Ungarische Gesamtkonstrukt Gift, weil dieses Konstrukt auf einem Kompromiss diverser nationaler Gruppen untereinander beruhte und auf einer übernationalen Monarchie als hierarchischer Ordnung, die für die Bevorzugung einer nationalen Gruppe wenig Raum ließ und so die Interessen der anderen Gruppen schützte.
Eine nationalistische Politik im Sinne einer dieser Gruppen anzufangen, hätte diesesn Kompromiss gekippt, weil dass bei allen anderen dazu geführt hätte die eigene Marginalisierung zu fürchten.
Die Habsburger Monarchie funktionierte, deswegen, weil keine der Gruppen, die ihn bewohnten Minderheit in einem Nationalstaat sein wollte aber alle irgendwie damit leben konnten Untertanen das Kaisers/Königs zu sein.

Es gibt in der Literatur das, wie ich finde ganz treffende geflügelte Wort (ich habe leider vergessen, von wem die Formulierung stammt", die Österreichisch-Ungarische Monarchie sei ein Zustand wohltemperierter Unzufriedenheit gewesen.

Nationalistische Politik zu betreiben, wäre für die Donaumonarchie in ihren Grundfesten systemgefährdend gewesen.
Und deswegen reagierte man auch so extrem auf Serbien und die Versuche verschiedener Gruppen nationale Sonderinteressen der Südslawen innerhalb der Donaumonarchie anzusprechen.
 
Dann hat sich mein Eindruck doch im wesentlichen bestätigt. Hab ich also meine Zeit hier verschwendet? Besser noch ein paar Mittelalter Fragen loswerden bis der nächste Streit kommt und ich mich endgültig verabschieden muss.

Ich weiß natürlich nicht, wie Du Dir die Sache mit der Kriegsbegeisterung im Sommer 1914 ganz konkret vorgestellt hast und ob sich daran aufgrund der von verschiedenen Mitdiskutanten geäußerten Einschränkungen etwas geändert hat; das Forum ist aber ohnehin ein Ort des nicht zweckgebundenen Austauschs interessierter Menschen über historische Themen, soweit ich das erkennen kann. Ich habe hier schon einige Zeit still mitgelesen, bevor ich mich anmeldete, konnte also Fragestellung und Diskussionsverlauf gar nicht beeinflussen. Dennoch würde ich nicht von "verschwendeter Zeit" sprechen, da es sich ja um Themen handelte, die mich persönlich interessierten.
 
Natürlich nicht, aber der Nationalismus richtete sich in Österreich-Ungarn nicht selten gegen den Staat.

Und genau deswegen wurde er von den politisch Verantwortlichen als gefährlich empfunden und schon mit Rücksicht auf den inneren Zusammenhalt abgeleht.
Im übrigen halfen die inneren Nationalitätenstreitigkeiten sehr dabei die Monarchie an der Macht zu halten, weil diese in diesen Konflikten als ausgleichendes Element und Schiedsinstanz benötigt wurde.
 
Inwiefern genau? Sicherlich im Hinblick auf seine Gründung und Anerkennung und sicherlich im Hinblick auf die extremen Opferzahlen, die die Politik Leopold II. hier zur Folge hatte.
Aber das Modell an und für sich?
Sicherlich die Plantagenwirtschaft für die Zuckerherstellung hatte sich durch das Aufkommen des Verfahrens zur Gewinnung von Rübenzucker überholt, aber das Modell der Plantagenwirtschaft, die den Einsatz von Maschinen nur zu einem gewissen Grad erlaubte, war doch noch lange nicht zu Ende.
Gerade die aufkommende chemische Industrie verlangte doch in immer größeren Maßstab nach pflanzlichen bzw. in Pflanzen gebildeten Stoffen wie z.B Chinin, was etwa zur Anlage größerer Cinchona-Pflanzungen in Ceylon und dem heutigen Indonesien führte.
Das war doch grundsätzlich ein durchaus vergleichbares Modell.

Ich hatte in anderen Threads schon mal auf die Familie Beckford verwiesen, die im 18. Jahrhundert die Insel Jamaika beherrschte., der fast ganz Jamaika gehörte. Winston Churchill war nach einer Ostafrikareise entsetzt von den Zuständen in Kenia und der Behandlung der Kikuju, die Karen Blixen so empathisch beschrieb. Churchill hatte anfangs vor, das zum Thema im Unterhaus zu machen. Beispiele für Missstände werden sich auch in den französischen oder portugiesischen Kolonien finden.

In Deutsch-Südwestafrika trug Landgrabbing sehr zu dem Unmut der Herero und Khoi Khoi bei. In vielen Kolonien wurden Arbeitsleistungen gefordert und Projekte mittels Zwangsarbeit vorangetrieben.

Nirgendwo aber wurde die einheimische Bevölkerung so radikal enteignet, nirgendwo wurden ihr Besitzrechte an Grund und Boden, Gewässern, Wild, Bodenschätzen so skrupellos genommen. Im Grunde war der Kongostaat eine riesige Sträflingskolonie, deren Insassen ihre gesamte Existenz auf die Bedürfnisse der Gewinnmaximierung des Königs der Belgier ausrichten mussten.

Schulen, Bildung die simpelsten menschlichen Bedürfnisse-das alles wurde der überwältigenden Mehrheit der Bevölkerung verweigert, kam nur einer kleinen Minderheit zugute.
Was Leopold im Kongo investierte, für Infrastruktur war ein Witz, waren Potjomkinsche Dörfer, um die Weltöffentlichkeit zu täuschen- was auch lange gelang. William Sheppard, ein afroamerikanischer Reverend und Abolitionist ging in den Kongo, weil er anfangs davon überzeugt war, dass Leopolds philanthropische Pläne Ernst gemeint waren. Die Wirklichkeit im Kongo ließ ihn bald seine Meinung ändern.

Bei der Kongo-Konferenz in Berlin war nicht ein einziger Afrikaner anwesend. Stanley war der einzige Konferenzteilnehmer, der längere Zeit in Afrika gelebt hatte- und Stanley hasste im Grunde Afrika, auch wenn er mitreißend Land und Leute beschrieb. In seinen Büchern schreibt er vom Dunklen Kontinent bei der Emin Pascha Expedition reiste er ins "Dunkelste Afrika".

Der Herrschaftsstil des Begründers von Deutsch-Ostafrika Carl Peters unterschied sich allenfalls in Nuancen, sicher aber nicht grundsätzlich. Dass die Nazis diesen Irren als Vorläufer und Bruder im Geiste betrachteten, kommt nicht von ungefähr.

Die Kolonialherrschaft der Europäer ist kritikwürdig, sie zeigte fast überall Exzesse, und dort wo sich Widerstand regte, waren die Reaktionen von Briten, Franzosen, Portugiesen, Deutschen, Spaniern, Italienern und Belgiern ziemlich gleich.

Zu sagen, dass sich der Kongostaat nicht grundsätzlich unterschied ist nachvollziehbar. Völlige Heuchelei war aber die Bekämpfung der Sklaverei im 19. Jahrhundert nicht. Wenn Kipling in einem Gedicht von "The White Man´s Burden sprach, war das nicht bloß Rhetorik und Apologetik des Imperialismus. Die Franzosen vertraten den Anspruch, die Kolonialbewohner zu Citoyens francaises zu machen-Deputierte aus dem Senegal saßen im Parlament und wiesen gerne darauf hin, dass der Senegal früher französisch wurde, als die Bewohner Nizzas.

Die Deutschen haben immerhin-spät genug- Schlächter wie Peters oder von Trotha abgesetzt. Nach dem Maji Maji Aufstand haben die Deutschen aus Fehlern gelernt. Als sie Eingeborenen den Kauf von Land erlaubten und Suaheli als Amtssprache einführten, war das vielleicht das Vernünftigste, was sie je in Afrika taten. Sie haben damit so etwas wie eine tansanische Identität erleichtert.

Leopold II. Kolonial-Konzept war wie das einer Kolonie im 18. Jahrhundert. Die Kolonie sollte Rohstoffe und billige Arbeitskräfte liefern und Gewinn abwerfen. Alle Investionen, Bahnbau, Schulen waren lediglich Investitionen zur Gewinnmaximierung und als PR-Aktion. Diese Investitionen beschränkten sich auf das Allernötigste.

Das war Ende des 19. Jahrhunderts doch ungewöhnlich. Den Briten, Franzosen und Deutschen war klar, dass Kolonien Ausgaben für Infrastruktur benötigten. Die Kolonien wurden gegründet aus einer recht heterogenen Motivation. Es spielten dabei strategische, geographische, wirtschaftliche und ideologische Motive eine Rolle.

Im Grunde war Leopolds II. Privatstaat nichts anderes, als eine gigantische Sträflingskolonie, ein Freibeuterstaat, deren Existenz allein der Gewinnmaximierung zugunsten Leopolds diente.
 
Wieso wehrst du dich dann so dagegen, dass Nationalismus beim Kriegsausbruch eine bedeutende Rolle spielte??
Weil diese Behauptung nun einmal nicht den Tatsachen entspricht.

Die letztendliche Entscheidung über den Schritt zum Krieg lag in Wien und Budapest und dort hatte man weder einen Nationalstaat noch eine nationalistische politische Agenda, sondern sah sich allenfalls genötigt etwas gegen das zu unternehmen, was dort als großserbischer Nationalismus empfunden wurde, wobei streitbar ist, ob diese Betrachtung es trifft.
Die Vorstellung dieser Krieg wäre aus nationalistischen Ideenwelten und Motiven vom Zaun gebrochen worden ist schlicht falsch.
 
Zu sagen, dass sich der Kongostaat nicht grundsätzlich unterschied ist nachvollziehbar.
Mir ging es da jetzt vor allem um die wirtschaftlichen Strukturen.

Völlige Heuchelei war aber die Bekämpfung der Sklaverei im 19. Jahrhundert nicht.
Das durchaus nicht, die Briten und Amerikaner setzten ja im frühen 19. Jahrhundert sogar Teile ihrer Seestreitkräfte ein um den transatlantischen Sklavenhandel zu bekämpfen, das war durchaus schon mehr als eine symbolische Geste, auch wenn man in den USA noch an der Sklaverei festhielt.

Leopold II. Kolonial-Konzept war wie das einer Kolonie im 18. Jahrhundert. Die Kolonie sollte Rohstoffe und billige Arbeitskräfte liefern und Gewinn abwerfen. Alle Investionen, Bahnbau, Schulen waren lediglich Investitionen zur Gewinnmaximierung und als PR-Aktion. Diese Investitionen beschränkten sich auf das Allernötigste.

Das war Ende des 19. Jahrhunderts doch ungewöhnlich

Das sicherlich, aber verhielt sich das bei den portugiesischen und niederländischen Kolonien so viel anders?

Auch bei den anderen Kolonialmächten, müsste man denke ich differenzieren.
Die deutschen Investitionen in die Infrastruktur in Neuguinea hielten sich, so weit mir bkannt auch arg in Grenzen und de facto kontrollierte man nur die Küste, während in Sachen Wirtschaft vor allem über Jagtlizenzen und Ausfuhr tierischer Produkte veersucht wurde die Kolonie rentabel zu machen, weil sonst nicht viel ging.
Wirklich nachhaltiger war das auch nicht, wenn auch weniger blutig.

Im Grunde war Leopolds II. Privatstaat nichts anderes, als eine gigantische Sträflingskolonie, ein Freibeuterstaat, deren Existenz allein der Gewinnmaximierung zugunsten Leopolds diente.

Ist das aber so einzigartig gewesen? Da müsste man, denke ich mal auseinander nehmen, wie es sich mit den britischen Kronkolonien verhielt, wo dieser Status vorwieegend zeremoniell war und de facto der britische Staat die Fäden in der Hand behielt und wo das etwas anders aussah.
 
Die Vorstellung dieser Krieg wäre aus nationalistischen Ideenwelten und Motiven vom Zaun gebrochen worden ist schlicht falsch.

Deine Argumente klingen erstmal überzeugend, allerdings handelt es sich hierbei um eine verbreitete Ansicht. Leider ohne dass das so im Detail erörtert wird, wie du das tust:

Der Nationalismus war eine herausragende Kraft im Europa des frühen 20. Jahrhunderts und eine bedeutende Ursache des Ersten Weltkriegs.
Nationalismus als Ursache des Ersten Weltkriegs


1914 war der Nationalismus in Europa so übersteigert, dass ein Funkenschlag im "Pulverfass Balkan" zu einem Flächenbrand führte, der am Ende fast 10 Millionen Todesopfer forderte.

Brennender Nationalismus - der Erste Weltkrieg


Obwohl der Ausbruch des Ersten Weltkriegs oft mit der Ermordung des österreichischen Erzherzogs Franz Ferdinand durch den serbischen Nationalisten Gavrilo Princip am 28. Juni 1914 in Sarajevo erklärt wird, sind die Ursachen in Wirklichkeit zahlreicher und komplexer. Sie sind auf das starke nationalistische Gefühl zurückzuführen, das Europa aufwühlt, auf die deutschen Wirtschaftsdynamik und auf die subtilen Spiele der diplomatischen Allianzen.
Der Erste Weltkrieg: Was waren die Ursachen?
 
Deine Argumente klingen erstmal überzeugend, allerdings handelt es sich hierbei um eine verbreitete Ansicht. Leider ohne dass das so im Detail erörtert wird, wie du das tust:

Der Nationalismus war eine herausragende Kraft im Europa des frühen 20. Jahrhunderts und eine bedeutende Ursache des Ersten Weltkriegs.
Nationalismus als Ursache des Ersten Weltkriegs


1914 war der Nationalismus in Europa so übersteigert, dass ein Funkenschlag im "Pulverfass Balkan" zu einem Flächenbrand führte, der am Ende fast 10 Millionen Todesopfer forderte.

Brennender Nationalismus - der Erste Weltkrieg


Obwohl der Ausbruch des Ersten Weltkriegs oft mit der Ermordung des österreichischen Erzherzogs Franz Ferdinand durch den serbischen Nationalisten Gavrilo Princip am 28. Juni 1914 in Sarajevo erklärt wird, sind die Ursachen in Wirklichkeit zahlreicher und komplexer. Sie sind auf das starke nationalistische Gefühl zurückzuführen, das Europa aufwühlt, auf die deutschen Wirtschaftsdynamik und auf die subtilen Spiele der diplomatischen Allianzen.
Der Erste Weltkrieg: Was waren die Ursachen?

Danke, wollte schon selber Artikel posten, hätte Shinigami aber wohl nicht umgestimmt.

Die Vorstellung dieser Krieg wäre aus nationalistischen Ideenwelten und Motiven vom Zaun gebrochen worden ist schlicht falsch.

Mir ist immernoch schleierhaft wie du darauf kommst. Selbst wenn Österreich nicht Nationalistisch gehandelt hätte, hat es aber, sind da immer noch die anderen Staaten die "hineingeschlittert" sind. Die hätten den Krieg auch verhindern können.
 
allerdings handelt es sich hierbei um eine verbreitete Ansicht.
Naja, es handelt sich auch um verbreitete Ansichten, dass der 30-Jährige Krieg in erster Linie ein Religionskrieg gewesen wäre (warum stand dann Sachsen dauern auf Seiten des katholischen Kaisers und warum paktierten die protestentischen Schweden mit den französischen Katholiken), dass sich die Menschen im Mittelalter nur 2 mal im Jahr gewaschen hätten oder Napoléon Bonaparte für seine Zeit außergewöhnlich klein gewesen sei und Luther als erster die Bibel übeersetzt habe.
 
Selbst wenn Österreich nicht Nationalistisch gehandelt hätte, hat es aber

Um überhaupt nationalistisch handeln zu können, hätte es erstmal einer Nation bedurft in deren Interesse das hätte geschehen können und die gab es im K.u.K.-Konsturkt in diesem Sinne nicht.
Da gab es diverse Nationalitäten, aber kein nationales österreichisches Gesamtkonstrukt. Selbst die deutschsprachigen Bewohner der Monarchie betrachteten sich zu diesen Zeitpunkt, in Sachen nationaler Identität vielfach noch als Deutsche, weniger als Österreicher.

Was du hier tust, ist imperialistische Großmachtspolitik mit Nationalismus durcheinander zu werfen. Das ist nun einmal nicht unbedingt das gleiche.

sind da immer noch die anderen Staaten die "hineingeschlittert" sind. Die hätten den Krieg auch verhindern können.
Ja, da sind auch andere noch mitgegangen, dass ist durchaus richtig. Aber keiner dieser Akteure hat diesen Schritt vorwiegens aus nationalistischen Gründen betrieben.

Russland wollte seinen Einfluss am Balkan halten (imperialistisch, aber nicht nationalistisch) Deutschlands Interesse lag vor allem daran die Entente zu sprengen und für Frankreich dürfte die Überlegung maßgeblich gewesen sein, dass man aus sicherheitspolitischen Erwägungen heraus gegenüber dem Dreibund das russische Bündnis nicht aufgeben wollte, was man riskiert hätte, hätte man nicht mitgezogen.

Bei allen diesen Überlegungen ging es um Einflussinteressen, diplomatische Konstllationen und Bündnispolitik, aber nicht darum, dass irgendwer meinte Krieg führen zu müssen, weil er sich selbst aus kulturchauvinistischen Gründen für den größten hielt.
 
Der Nationalismus war eine herausragende Kraft im Europa des frühen 20. Jahrhunderts und eine bedeutende Ursache des Ersten Weltkriegs.
Nationalismus als Ursache des Ersten Weltkriegs
Ja, das ist die herrschende Meinung der Wissenschaft. Und auch meine.

Und das deckt sich auch mit den Ereignissen in Juli/August 1914 – Zitat:

Angesichts der kriegsbereiten Stimmung in der Bevölkerung, die an einen Angriff durch die Entente-Mächte glaubte, fürchteten viele SPD-Abgeordnete, sich durch konsequenten Pazifismus ihren Wählern zu entfremden.
(…)
Mit Friedrich Ebert bejahten 96 Abgeordnete eine Zustimmung zu den von der Reichsregierung geforderten Kriegskrediten. 14 Parlamentarier, an der Spitze der zweite Vorsitzende Hugo Haase, sprachen sich dagegen aus, stimmten aber wegen der Fraktionsdisziplin dennoch dafür. So bewilligte die gesamte SPD-Fraktion am 4. August die Kriegskredite. Zwei Tage zuvor hatten die Freien Gewerkschaften bereits einen Streik- und Lohnverzicht für die Kriegszeit beschlossen. Mit dem Gewerkschafts- und dem Parteibeschluss wurde die volle Mobilisierung des deutschen Heeres möglich.


Wenn die Gewerkschaften, die wirklich die Interessen der Arbeiterklasse vertraten, 2 Tage vor der Abstimmung im Reichstag über die Kriegskredite einen Streik- und Lohnverzicht für die Kriegszeit beschließen, dann kann man nicht sagen, für den Krieg wären nur bestimmte Schichten der Bevölkerung gewesen.

Dass es da auch Menschen gab, die skeptischer waren, das ist klar, die gibt es immer. Aber sie hatten keine Stimme oder sie hatten welche, aber niemand wollte sie hören. Gegen den Strom zu schwimmen ist immer schwer, vor allem in so einem Klima wie damals.

Für den Krieg zu sein, bedeutet damals für das Volk also für die Nation zu sein. Man darf nicht vergessen, wie lange schon das Aufwerten der eigenen Nation und das Abwerten anderer vor sich ging. Praktisch seit dem deutsch-französischen Krieg von 1870/71 fühlten sich Deutsche als Sieger – und die Verlierer waren natürlich Franzosen. Das entsprach auch der Wahrheit, aber dieser Sieg lag schon 40 Jahre zurück.

Die damalige Gesellschaft wird in der Wikipedia ganz gut beschrieben – Zitat:

Letztlich führte die Konzeption von Kriegen mit Millionenheeren um 1900 zu einer generellen Ausweitung der Kriegszone. Alle staatlichen und gesellschaftlichen Ebenen wurden in die militärische Sphäre inkorporiert.[15]


Der feudal-militaristischen (alten, ostelbischen) Elite gelang es, das Großbürgertum über die Institutionen des „Einjährigen“ und des „Reserveoffiziers“ zu integrieren. Dafür kam das gewachsene nationale Prestige des Militärs durch den Sieg über Frankreich und die Kaiserkrönung in Versailles zugute.

Es gelang auch, die bäuerliche Bevölkerung und die Arbeiterklasse einzubinden. Das Mittel dazu war die allgemeine dreijährige Wehrpflicht. Der autoritäre, nationalistische Drill vermittelte einen großen Teil der Gesellschaft die von der alten Elite gewünschten militaristischen Orientierungen und Wertvorstellungen. Krieg wurde als ein Element der von Gott gewollten Ordnung dargestellt, die nicht steuerbar, und daher Krieg letztlich auch unvermeidbar war. Auch Frauen stellten sich ganz überwiegend in den Dienst der ‚nationalen Sache‘. Pazifismus im heutigen Sinne spielte in dieser Gesellschaft keine nennenswerte Rolle.
 
Zuletzt bearbeitet:
Ja, das ist die herrschende Meinung der Wissenschaft. Und auch meine.
Was du hier als angeblichen Beleg auffährst ist Wikipedia nicht Wissenschaft.

Wenn die Gewerkschaften, die wirklich die Interessen der Arbeiterklasse vertraten, 2 Tage vor der Abstimmung im Reichstag über die Kriegskredite einen Streik- und Lohnverzicht für die Kriegszeit beschließen, dann kann man nicht sagen, für den Krieg wären nur bestimmte Schichten der Bevölkerung gewesen.

Sag mal, dir ist schon klar, was Krieg für die zivile Wirtschaft bedeutet, selbst wenn ein dezidierter Übergang zur Kommandowirtschaft und Kontingentieerung von Rohstoffen noch nicht in Sicht ist?
Nein? Dann will ich es dir verraten:

1. Führt das Einziehen hunderttausender Reservisten zu einer abrupten Verknappung von Arbeitskräften.
2. Führt das Einziehen hunderttausender Reservisten, die für die Dauer des Krieges ihren Zivilberug ruhen lassen müssen und mit einem eher symbolischen Sold abgefunden werden das gesamte wirtschaftliche System in Form eines Nachfrageeinbruchs, weil unter diesen Umständen auch die Familien der Soldaten kürzer treten müssen.
3. Führt das Bedürfnis der Kriegswirtschaft nach Rohstoffen, z.B. Stahl etc. zu einer Verknappung dieser Ressourcen auf dem Markt und damit verbunden zu massiven Preisanstiegen, die diese Güter für die Zivilbevölkerung, auch die Zivilwirtschaft nahezu unerschwinglich machen können.
4. Führt der Einbruch der inländichen Produktion dadurch zur Notwendigkeit Güter an denen Mangel herrscht im Ausland einzukaufen, was voraussetzt, dass entsprechende Devisen-Reserven vorhanden sind oder gebildet werden können.

Was wäre die Folge von ausbleibendem Lohnverzicht oder Streiks in Kriegszeeiten gewesen?

1. Die Beibehaltung des Lohnniveaus und der Lohnkosten hätten es den Unternehmern sehr erschwert finanzielle Reserven zu bilden und Stoffe deren Verknappung zu erwarten war, die für die Produktion allerdings benötigt wurden zu den kriegsbedingt höheren Preisen im Inland oder über das Ausland zu beziehen.
Die Folge wäre der Stillstand der Produktion und der Zusammenbruch der betroffenen Unternehmen gewesen, was kummuliert Massenentlassungen bedeutet hätte.
2. Streiks hätten die Versorgungslage der gesamten Bevölkerung unter diesem Umständen nochmal ganz anderes getroffen, als in Friedenszeiten.
Gerade im Bereich der Rüstungsrelevanten Betriebe hätten sie auch die Versorgung der Frontsoldaten und damit auch der zum Frontdienst herangezogenen Arbeiter und Gewerkschaftsmitglieder betroffen.
Je nachdem unter welchen Umständen und in welchem Sektor, hätten solche Streiks ohnehin juristisch als Hochverrat aufgefasst werden können, denn in einem Krieg, der als Verteidigungskrieg aufgfasst wird, etwa durch Streiks die Munitionsproduktion lahmzulegen und somit dem Agressor Tür- und Tor zu öffnen, hätte kaum anders aufgefasst werden können.

Der Beschluss von Lohnverzicht in diesem Sinne war eine wirtschaftlich sinnvolle Konsequenz zur Vermeidung von Inflationserscheinungen und zur Veermeidung der dauerhaften Beschädigung der zivilen Wirtschaft, von der die Mitglieder der Gewerkschaften immerhin lebten.
Der Beschluss für die Kriegszeit auf Streiks zu verzichten war ein Beschluss der vor allem dem Selbstschutz und dem Schutz des Streikrechts diente.

Kann man im Übrigen auch ohne Fachkenntnisse drauf kommen, würde nur voraussetzen, sich einigermaßen um Objeektivität zu bemühen.

Im Übrigen, dass 2 Tage vor dem Beschluss der Kriegskredite (4. August 1914) der 2. August 1914 und der Krieeg somit seit einem Tag bereits erklärt und Realität war, ist dir schon klar?
 
Die damalige Gesellschaft wird in der Wikipedia ganz gut beschrieben

Schauen wir mal:

Es gelang auch, die bäuerliche Bevölkerung und die Arbeiterklasse einzubinden. Das Mittel dazu war die allgemeine dreijährige Wehrpflicht.

Ja, das kommt denn davon, wenn man sich um die Recherche der tatsächlichen Verhältnisse nicht kümmert:

Die allgemeine Wehrpflicht existierte auf dem Papier, de facto wurde aber nur etwa die Hälfte der theoretisch wehrpflichtigen Teile der Bevölkerung tatsächlich eingezogen und ausgebildet.
Gegen Heeeresvermehrungen bestanden um 1910 im Kriegsministerium unter anderem deswegen massive Bedenken, weil man fürchtete, dann so viele Arbeiter und vor allem auch Sympathisanten der Sozialdemokratie in die Armee einziehen müsste, dass sich deren Charakter ändern und diese unzuverlässig werden könnte und als Instrument, im Besonderen zur Bekämpfung innerer Unruhen ausfallen könnte.

Aus diesem Kalkühl heraus, wurden Kasernen zur Unterbringung der Wehrpflichtigen, wenn sie neu errichtet wurden, auf dem platten Land und gezielt außerhalb der industriellen Ballungsgebiete errichtet, um den Kontakt zwischen Arbeitern, Arbeiterorganisationen und -Parteien und Soldaten so gering als möglich zu halten, um zu verhindern, dass diese anfangen könnten miteinander zu fraternisieren.

Das käme der Realität dann näher ;-)
 
Wenn die Gewerkschaften, die wirklich die Interessen der Arbeiterklasse vertraten, 2 Tage vor der Abstimmung im Reichstag über die Kriegskredite einen Streik- und Lohnverzicht für die Kriegszeit beschließen, dann kann man nicht sagen, für den Krieg wären nur bestimmte Schichten der Bevölkerung gewesen.
Es gab auch Gegenstimmen zur Kriegsbegeisterung im August 1914.
"Im Sommer 1914 gab es im ganzen Land Demonstrationen gegen den Krieg. Es gab aber auch in Berlin und anderswo Stimmen, die versuchten, die Protestierenden mit patriotischen Parolen zu übertönen."

Diese wurden jedoch medial weniger wahrgenommen - sowohl 1914, als auch im 21. Jahrhundert bei wiki et.al.
"Gleichzeitig waren es junge Männer und Jugendliche, die unter dem Absingen patriotischer Lieder die Aufmerksamkeit auf sich zogen: Fotografien zeigen sie freudestrahlend und Hüte schwenkend auf den Straßen. Schon bald darauf wurden diese Umzüge in patriotischen Publikationen als Beweis für eine umfassende Kriegsbegeisterung in Deutschland herangezogen. Doch Begeisterung für den Krieg hegten tatsächlich nur vergleichsweise wenige Menschen in den Großstädten, sie stammten in der Regel aus dem Bürgertum, waren jung, zumeist Schüler und Studenten. Es gibt jedoch keine Fotografien von jenen Frauen und Männern, die in stiller Zweisamkeit zu Hause sorgenvoll in Zukunft blickten."
Zitate aus: LeMO Erster Weltkrieg - Augusterlebnis
 
Vielen Dank, Ugh Valencia, für den Link, aus dem ich Folgendes zitiere:

Den meisten Deutschen dienten die Appelle zur nationalen Einheit und zur radikalen Abgrenzung gegenüber den feindlichen Nationen als identitätsstiftende Orientierung in stürmischer Zeit. In der national aufgeladenen Atmosphäre sich überbietender Vaterlandsliebe bedurfte es keiner behördlichen Beeinflussung, um im August 1914 die Bevölkerung Berlins geistig für den Kampf zu mobilisieren. In einer rasch anschwellenden Flut von patriotischen Büchern und Broschüren, von Gedichten und Liedern ganz unterschiedlicher Qualität beschworen die meisten Autoren die nationale Geschlossenheit.

Was ist sagen wollte und will: Über Jahrzehnte wachsender Nationalismus in ganz Europa war das langsam wirkende Gift, das die Staaten in den Krieg stürzte, wobei die Propaganda natürlich ihren Anteil daran hatte, dass alle glaubten, angegriffen worden zu sein. In Wirklichkeit war alles für den Krieg vorbereitet, Ultimaten an Serbien und Russland sollten nur den Schein wahren.
 
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