Die Zeit nach Augustus und der Cäsarenwahnsinn in der julisch-claudischen Dynastie

Na ja, sowas ähnliches habe ich auch gedacht,

ABER
es gibt doch dieses berühmte Sprichwort, "Der Fisch stinkt vom Kopf".

Soweit mein rudimentären Kenntnisse der römischen Gesellschaft reichen, lag das Reich bei der Machtergreifung des Augstus/Oktavius darnieder.
Er regierte zwar recht lange. Konnte er aber in seiner Regierungszeit ein solches "Fundament" schaffen, dass das Reich eine Serie von unfähigen Herrschern verkraftete?

Natürlich gab es sicherlich fähige, sehr fähige Statthalter und Feldherren.
Aber wurden diese Männer nicht von Kaiser ernannt?
Erkannte der Kaiser die persönliche Qualifikation der Feldherren/Statthalter, oder (was eigentlich üblich ist), wurden da nicht eher Günstlinge ernannt.
(mir kommt das der spätere Kaiser Vespasian in dem Sinne, der angeblich als Bienenzüchter kalt gestellt war)

Wie wurde man eigentlich Statthalter/Feldherr im alten Rom????
Gab es da eine Art 'Beamtenlaufbahn', oder unterlag dies der alleinigen Willkür des Kaisers?
(Nero's Pferd als Konsul)
 
Dokus in Fernsehen sind populär 'wissenschaftliche' Sendungen!

Selbstverständlich werden da Sachverhalte verkürzt und übertrieben dargestellt.
Aber wenn der Tenor Deiner Aussage zutrifft, hätten diese Sendungen keinen realen Hintergrund.....

Sprich, wie genannt "Fantasygeschichten"
 
Dass Dokus behaupten, populär-wissenschaftliche Sendungen zu sein, heißt nicht, dass sie es sind. Die Mehrheit ist eher populistisch.

Es werden ganz einfach pure Erfindungen untergemischt. Wer sich nicht auskennt, kann das nicht unterscheiden. Und damit sind diese Dokus in der Tat wie Fantasygeschichten zu werten. Sie sorgen nicht für Bildung, sondern pflegen Vorurteile.

Die römische Geschichtsschreibung ist senatorisch geprägt. Da hatten es Kaiser schwer, besonders die, die sich eher auf das Volk stützten als auf das Establishment, um es modern auszudrücken. Da fielen Caligula und Nero klar durchs Raster. Es konnte sogar eine Rolle spielen, ob der Nachfolger Kritik am Vorgänger zuließ.

Das deutsche Bildungsbürgertum hat sich nur allzu gern von den schönen Worten der Geschichtsschreiber einlullen lassen. Die Geschichtswissenschaft hat das Bild längst zurechtgerückt. Doch fällt es eben schwer, das liebgewonnene Bild aufzugeben. Und diese angeblichen Dokumentationen verbessern die Situation nicht.

Es gehört zur Ausbildung des Wissenschaftlers seinen eigenen Standpunkt zu hinterfragen. Früher war das auch eine gefragte Eigenschaft für Journalisten, insbesondere, wenn sie sich mit Wissenschaft beschäftigten. Heute wird von Produktionsfirmen verlangt, die Gesellschaft zu bestätigen und eigenes abweichendes Denken zu unterdrücken.

Also ja, dass sind Fantasygeschichten, die ihren Halt in den Vorurteilen und ethischen Verfehlungen unserer Gesellschaft haben und nicht in der Vergangenheit.

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Ein Reich, das trotz Bürgerkrieg, im Prinzip die Grenzen halten kann, liegt nicht darnieder. (Und denke daran, dass Rom in der Republik groß wurde. Die neumodische Sicht, die Republik auszuklammern ist der populistische Blödsinn von der Effektivität starker Männer.Die Umwandlung des Systems unter Augustus hatte innenpolitische Stabilität zum Ziel. Außenpolitisch ging es um die Abrundung des Reichs und um die Organisation der Provinzen, was von Claudius (s.u.) intensiviert wurde, aber letztlich erst unter den Flaviern einen gewissen Abschluss fand (s.u.).)

Das Fundament, dass Augustus schuf, hielt bis ins dritte Jahrhundert, wenn auch nicht ohne Probleme. Aber welcher Politiker kann solches für sich in Anspruch nehmen? Das liegt auch an der Flexibilität des Systems. Die Zivilverwaltung bekam erst durch Claudius seine typische Ausgestaltung, der neben dem Volk und der Oberschicht, die kaiserlichen Freigelassenen als Machtfaktor in der Verwaltung gleichsam anerkannte. Die Flavier bauten darauf auf und das modellhafte Bild, dass wir von dem Militär der frühen Kaiserzeit haben, zeigt ihre Reformen. Augustus hatte nur die Zahl der Legionen nach Ende des Bürgerkriegs auf ein vernünftiges Maß zurückgefahren und dafür gesorgt, dass es nicht mehr Hilfstruppler gab als Legionäre.

Den Cursus Honorum gab es für die Oberschicht schon in der Republik. Der wurde natürlich auch angepasst. Zwischen übernommenen Ämtern und Funktionen lagen lange Jahre als Privatmann, unterbrochen evt. von der Tätigkeit als Anwalt oder Ankläger und von Senatssitzungen.

Schon unter Augustus beantragten Männer, die nicht in den Cursus Honorum eintreten wollten oder mangels Beziehungen nicht diese Möglichkeiten hatten, aber über Vermögen verfügten, gleich als Zenturio in die Legion eintreten zu können. So entstand eine weitere Oberschichtenlaufbahn, später auch Ritterlaufbahn genannt. Dabei stand zu Beginn der Laufbahn das Militär mehr im Vordergrund. Wieder wurde das vor allem unter Claudius weiter ausgeformt und fand erst unter den Flaviern einen gewissen, greifbaren Abschluss. Auch hier lagen zwischen Phasen des Dienstes lange Ruhezeiten.

In den Ruhezeiten beschäftigte sich jeder nach seinen Wünschen. Vespasian fand der Überlieferung zufolge die Bienenzucht interessant. Und natürlich kam es für weitere Verwendungen auf zwei Dinge an. Die Person musste als fähig gelten und / oder in der Gunst des Kaisers stehen.

Was ist mit Tiberius, Caligula und Nero?

Tiberius wird niemand unterstellen, geradezu unfähig gewesen zu sein. Doch zog er sich zurück, mit den bekannten Folgen. (Verhandlungslösungen beurteilen wir heute positiver als es noch Mitte des 20. Jahrhunderts der Fall war und eine gewisse gesellschaftliche Ungeschicklichkeit war zwar damals, im System des Augustus, ein wichtiger Faktor, da es den Ausgleich erschwerte, konstituiert aber auch keinen schlechten Herrscher.)

Caligula wurde im Forum gerade erst besprochen. Nun, er regierte nur 4 Jahre.

Nero regierte in der ersten Hälfte "gut", sprich in Übereinstimmung mit Herkommen und Oberschicht. 7 gute und 7 "schlechte" Jahre. (Es wird oft von seinem glücklichen Jahrfünft gesprochen, doch ist ein Übergang festzustellen und Tod, bzw. Rückzug der Berater lag etwas später.)

Aber rechnen wir einfach mal überschlagsmäßig nach den üblichen Vorurteilen:

Augustus, Tiberius Anfang und Claudius und Neros Anfang: 45+12+13+7= 77 "gute" Jahre

Tiberius 'Ruhestand' und Caligula und Nero: 11+4+7=22 "schlechte" Jahre

Tiberius wäre, was die Stabilität des Reichs betrifft, eher ganz zu den "guten" Jahren zu rechnen: 88 gegenüber 11 hätten wir dann sogar. Vier Jahre Caligula waren leicht zu überstehen, Nero brachte das Ende der Dynastie.

Und, wie gesagt, ist bei den "schlechten" Beurteilungen vieles Propaganda oder bezieht sich auf Dinge, die die Funktion des Staates nicht beeinträchtigen.

Überhaupt, "Staat". Den darfst du nicht mit heute vergleichen. Die Armee verwaltete die Provinzen. Der Kaiser benötigte eine Kanzlei und eine Vermögensverwaltung. Der Rest funktionierte großteils wie in der Republik.

Eine schlankere Verwaltung als im Rom des Prinzipats gab es nie wieder. Und es gab keine Allgegenwart des Staats im modernen Sinn.

Dieter Flach, Einführung in die Römische Geschichtsschreibung, dürfte die Frage beantworten, wie es zu einer falschen Beurteilung der Kaiser kam.
 
Wie wurde man eigentlich Statthalter/Feldherr im alten Rom????
Gab es da eine Art 'Beamtenlaufbahn', oder unterlag dies der alleinigen Willkür des Kaisers?
(Nero's Pferd als Konsul)

Der mit dem Pferd war Caligula. Er hat es nicht zum Konsul ernannt, sondern soll das lediglich vorgehabt haben. Und wenn man bei Sueton nachliest, handelte es sich auch dabei nur um ein Gerücht.

Und sogar wenn das Gerücht stimmen würde: In der Kaiserzeit hatte ein Konsul im Gegensatz zum Statthalter oder Feldherr keine wichtigen Entscheidungen mehr zu treffen. Das Konsulamt war mehr oder weniger ein Feigenblatt, das eine Kontinuität zur vergangenen Republik vorgaukeln sollte.
 
Der mit dem Pferd war Caligula. Er hat es nicht zum Konsul ernannt, sondern soll das lediglich vorgehabt haben. Und wenn man bei Sueton nachliest, handelte es sich auch dabei nur um ein Gerücht.

Und sogar wenn das Gerücht stimmen würde: In der Kaiserzeit hatte ein Konsul im Gegensatz zum Statthalter oder Feldherr keine wichtigen Entscheidungen mehr zu treffen. Das Konsulamt war mehr oder weniger ein Feigenblatt, das eine Kontinuität zur vergangenen Republik vorgaukeln sollte.
Trotzdem spiegelt die Pferdeepisode eine gewisse - Caligula zumindest unterstellte - Geringschätzung der republikanischen Institutionen und der senatorischen Klasse wider, die man auch so sehen könnte, dass Caligula das Feigenblatt eben nicht mehr wichtig war.
 
Soweit mein rudimentären Kenntnisse der römischen Gesellschaft reichen, lag das Reich bei der Machtergreifung des Augstus/Oktavius darnieder.
Er regierte zwar recht lange. Konnte er aber in seiner Regierungszeit ein solches "Fundament" schaffen, dass das Reich eine Serie von unfähigen Herrschern verkraftete?
Das Römische Reich war in gewisser Weise zum Teil ein "Selbstläufer". Es wurde nicht von Rom aus bis ins kleinste Kaff im hintersten Kappadokien hineinregiert. Die Städte (denen auch ihr Umland zugeordnet war) verfügten über ein hohes Maß an innerer Selbstverwaltung und kümmerten sich um ihre Alltagsangelegenheiten weitgehend selbst. Die Aufgabe des Statthalters beschränkte sich im Wesentlichen auf die Aufrechterhaltung von Ruhe und Ordnung, die Rechtsprechung sowie allenfalls die Abwehr kleinerer Einfälle. Wenn also in Rom ein unfähiger Kaiser saß, hatte das im Allgemeinen recht geringe Auswirkungen auf das Leben in der Provinz oder auch in einer italischen Landstadt.

Überhaupt waren die Aktivitäten des Kaisers nicht mit denen heutiger Regierungen vergleichbar. Vor allem fabrizierte er nicht laufend Gesetze mit reichsweiter Geltung und massiven Auswirkungen auf Wirtschaft und Alltag aller Reichsbewohner. Das Risiko, mit ein paar miesen Ideen, die in Gesetze gegossen werden, die Wirtschaft und den ganzen Staat gegen die Wand zu fahren, war also geringer als heutzutage. (Wirklich "Mist bauen" konnte der Kaiser vor allem im Bereich des Abgaben- und Geldwesens.) Der Kaiser war außerhalb Italiens hauptsächlich dazu da, mittels seiner Statthalter und Legionen für Ruhe und Ordnung zu sorgen sowie das Reich zu verteidigen, was er aber in der frühen Kaiserzeit nur eher selten selbst in die Hand nahm. Solange die Abgaben flossen und es keine Unruhen gab, konnten die (freien) Provinzbewohner relativ unbehelligt ihr Leben nach ihren eigenen Traditionen und Sitten sowie im Rahmen der lokalen Selbstverwaltung leben. Erst in der Spätantike griff die Zentralmacht stärker ein und durch.

In der frühen Kaiserzeit hatte das Reich außerdem das Glück, nur selten wirklich gravierenden Angriffen von außen ausgesetzt zu sein. Die Parther im Osten waren zwar eine permanente Bedrohung für die orientalischen Provinzen, lähmten sich allerdings oft selbst durch Thronstreitigkeiten. Zu Kriegen kam es nur fallweise. Ansonsten wären noch die Daker zu nennen, die ab Domitian die Balkanprovinzen massiv bedrohten, aber von Traian unterworfen wurden. Die nächste große Bedrohung waren dann erst die Markomanneneinfälle unter Marcus Aurelius.
 
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Senatorische Geschichtsschreibung hin oder her aber was bezweckt denn ein Patrizier, ein Fabier oder wer auch immer, wenn er den Kaiser über alle Maßen mit Dreck bewirft und ihn abnorme Perversitäten andichtet? Bringt ihm das die Macht zurück? Nein, sondern man fragt sich doch eher, welches Problem der Diffamierer denn bloß mit dem Machthaber hat. Und wenn diese Gerüchte erst nach dem Tod des Potentaten verbreitet werden, dann machen sie ja noch sehr viel weniger Sinn.

Es sei denn, diese Diffamierungen, Caligula sei das abscheulichste und abartigste Scheusal der Menschheitsgeschichte führt dazu, dass der Senat darüber übereinkommt, dass das Kaiserhaus wegen seiner Machtkonzentration keinen Bestand haben darf.

Lieber altrepublikanische Werte und der Kaiser hat sein Tun in jeder Hinsicht vor dem Senat zu rechtfertigen und dieser entscheidet dann. Ich kann mir gut vorstellen, dass der Senat bestrebt war, die überbordende Machtauswüchse der julisch-claudischen Familie einzuhegen.
Doch die haben die Prätorianergarde und zusätzlich die Germanische Leibwache. Was hat der Senat, um seine Ansprüche durchzusetzen? Weise und mahnende Worte in der Curie?

Ein anderer Machtfaktor sind natürlich die Legionen.
Wer hindert diese denn, die Bannmeile zu überschreiten und in der Hauptstadt für neue Fakten zu sorgen? Mahnende Worte, die Stadt nicht betreten zu dürfen?
Was wäre denn, wenn Tiberius oder der jüngere Germanicus (Letzterer war wohl nicht in der Thronfolge aber wer die Macht hat, der bestimmt) es nicht abwarten können, bis Augustus endlich stirbt, sondern sie brechen mit Billigung des Senates etwaige Feldzüge in Germanien, Pannonien oder wo auch immer ab, um in Rom einzumarschieren und den Kaiser abzusetzen?
 
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Der aktuelle Kaiser war nicht zu kritisieren. Aber nach dem Sturz des Caligula konnte frei über diesen hergezogen werden. Ähnlich bei Nero.

Und damals gab es noch keine systematische Quellenkritik. Das Bild der ersten Schríften über einen Kaiser wurde übernommen und oft genug ausgeschrieben.

Ein Tacitus kann nach 90 Jahren Germanicus zum Helden stilisieren und Tiberius kritisieren. Aber bei der aktuellen Dynastie muss er Rücksicht nehmen. Er schreibt nicht über Nerva und Trajan. Er kann Interesse erwecken, indem er die Unglückliche Liebe des pflichtbewussten Titus thematisiert, aber das ist keine Kritik. Er hat den Flaviern ja seinen Aufstieg zu verdanken. Die Kritik am System erfolgt weit in der Vergangenheit. Statt die Historien (vom Ende Neros) bis in die Gegenwart weiter zu führen, beginnt Tacitus die Annalen weiter in der Vergangenheit mit dem Tod des Augustus. Der Herrscher hat die Wahl zwischen Nachruhm und Schande, solange es nur Geschichtsschreiber gibt. Dann wurden auch die Senatoren mit der Zeit braver. Das System an sich wurde nicht in Frage gestellt. Es ging um die Gewichtung, um die Ausprägung.

Vor allem ist es keine Frage, ob. Das kann jeder an den Texten nachvollziehen:

Dieter Flach, Römische Geschichtsschreibung (früher als Einführung in die römische Geschichtsschreibung betitelt), zeigt solche und andere Hintergründe der Geschichtsschreibung anhand der Werke auf. Er hat als lateinischer Philologe die verwendeten Stellen für diese Einführung neu übersetzt. Wer wissen will, wie die römische Geschichtsschreibung zu lesen ist, ohne dicke Handbücher zu wälzen, kommt an dieser Einführung für Studenten kaum vorbei.

Natürlich ist in einer Einführung nicht jede Nuance zu finden und Flach schreibt manchmal täuschend einfach - etwas Nachdenken über das Gesagte lohnt dann - und generell trocken, was durch das eigene Denken abgemildert wird.

Wie oft haben wir hier schon Tacitus oder Cassius Dio in ihren Eigenarten diskutiert, um zeigen zu können, wie sie zu verstehen sind und was von ihnen verwertbar ist? Denn da hat jede Quelle ihre Eigenarten. Nur ist das eben nicht auf Anhieb zu sehen. Wer das nicht in einem Seminar erarbeiten kann (oder bei -äh- älteren Lehrenden vorgeführt bekommt) - und das findet sowieso nur für einen Teil statt - , der muss es sich lesend aneignen, wenn er oder sie verstehen will, wieso da vieles nicht wörtlich zu nehmen oder gar zu streichen ist.

Am berühmt-berüchtigten Anfang der Historien schreibt Tacitus verräterisches über die Möglichkeiten der Geschichtsschreibung. Leider fand ich keine deutsche Übersetzung und habe keine Zeit zu tippen. Also das erste Kapitel auf Englisch:

I begin my work with the second consulship of Servius Galba, when Titus Vinius was his colleague.1 Many historians have treated of the earlier period of eight hundred and twenty years from the founding of Rome, and while dealing with the Republic they have written with equal eloquence and freedom.2 But after the battle of Actium, when the interests of peace required that all power should be concentrated in the hands of one man,3 writers of like ability disappeared; and at the same time historical truth was impaired in many ways: first, because men were ignorant of politics as being not any concern of theirs; later, because of their passionate desire to flatter; or again, because of their hatred of their masters. So between the hostility of the one class and the servility of the other, posterity was disregarded. But while men quickly turn from a historian who curries favour, they listen with ready ears to calumny and spite; for flattery is subject to the shameful charge of servility, but malignity makes a false show of independence. In my own case I had no acquaintance with Galba, Otho, or Vitellius, through either kindness or injury at their hands.* I 4 but those who profess inviolable fidelity to truth must write of no man with affection or with hatred. Yet if my life but last, I have reserved for my old age the history of the deified Nerva's reign and of Trajan's rule, a richer and less perilous subject, because of the rare good fortune of an age in which we may feel what we wish and may say what we feel.

zitiert nach Lacus Curtius: LacusCurtius • Tacitus, Histories — Book I Chapters 1‑49

* Edit: In der Übersetzung fehlt ein Satz: "Daß mein Rang von Vespasian begründet, von Titus erhöht und von Domitian weiter angehoben wurde, möchte ich nicht abstreiten." (zitiert nach der Übersetzung von Flach im genannten Werk.)
 
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Senatorische Geschichtsschreibung hin oder her aber was bezweckt denn ein Patrizier, ein Fabier oder wer auch immer, wenn er den Kaiser über alle Maßen mit Dreck bewirft und ihn abnorme Perversitäten andichtet? Bringt ihm das die Macht zurück? Nein, sondern man fragt sich doch eher, welches Problem der Diffamierer denn bloß mit dem Machthaber hat. Und wenn diese Gerüchte erst nach dem Tod des Potentaten verbreitet werden, dann machen sie ja noch sehr viel weniger Sinn.

Es sei denn, diese Diffamierungen, Caligula sei das abscheulichste und abartigste Scheusal der Menschheitsgeschichte führt dazu, dass der Senat darüber übereinkommt, dass das Kaiserhaus wegen seiner Machtkonzentration keinen Bestand haben darf.

Zu dem, was Riothamus schon gesagt hat, könnte man noch hinzufügen, dass solche Gerüchte vielleicht auch ein wenig die Freude am Klatsch bedienten. Es wurde ja schon erwähnt, dass Tacitus sich diese ganzen Details nicht einfach nur selbst ausgedacht haben wird, sondern wenigstens zum Teil in seinen Quellen gefunden haben dürfte. Ob jemand dem verhassten Kaiser einfach bloß Böses nachsagen wollte oder ob etwas Bestimmtes wirklich passiert war, konnte er im Einzelnen kaum nachprüfen, und auch wir können das heute nur selten.

Bei Caligula ist eben auch die Frage, ob er wirklich unter einer psychischen Erkrankung litt oder Senatoren bewusst demütigte, um ein neues Modell des Prinzipats zu schaffen. Ich hatte ja schon auf Aloys Winterling verwiesen, der die Quellen in dieser Art deutet. Wenn man dem folgt, hätte Caligula den Hass der Senatoren auf den alternden Tiberius, aber auch ihre Schmeicheleien und die "Tyrannei" des Prätorianerpräfekten Seianus erlebt. Daraus habe er den Schluss gezogen, dass das "Schauspiel" des Augustus beendet werden müsse. Die Monarchie sollte also auch als solche deutlich erkennbar sein und nicht mehr unter dem Deckmantel der Republik stehen. Die Demütigung der Senatoren wäre also ein Weg gewesen, ihre Machtlosigkeit öffentlich zu demonstrieren. Winterling deutet die Gerüchte über alle möglichen Ausschweifungen des Kaisers dann als Reaktion der senatorischen Oberschicht nach dem Tod des Kaisers. Man habe nicht zugeben können, dass Caligula die eigene Abhängigkeit bloßgestellt habe und sich daher auf dessen Wahnsinn bzw. dessen verdorbenen Charakter gestürzt.

Man muss dem gewiss nicht folgen, und die reale Bedrohung des eigenen Lebens sowie der gewaltsame Tod beider Brüder und der Mutter könnte beim jungen Caligula wirklich eine Mischung aus Hass und Verachtung gegenüber den Senatoren - die Tiberius stets mit Schmeicheleien bedachten, egal was seine Gefolgsleute wie Seianus auch taten - ausgelöst haben. Dann wären seine Gewalttaten vielleicht wirklich die eines psychisch erkrankten Alleinherrschers, der die Demütigungen und die Angst seiner Kinder- und Jugendzeit vergelten wollte.
 
Das ist aber sehr interessant, dass von diesen Ereignissen aus der Rückschau berichtet werden, wenn die Hauptakteure schon längst verstoben sind.
Klar, ist verständlich, zu Lebzeiten eines Kaisers herrscht sicherlich ängstliches Schweigen, zumal ja Tiberius (bin mir nicht sicher) den Straftatbestand der "Majestätsbeleidigung" eingeführt hat, so dass vielleicht ein Wink reicht und man wird auf der Straße verhaftet und hingerichtet.
Außerdem das Haus des Augustus, die Kaiserpaläste auf dem Palatin sind ja von der Prätorianergarde + Germ. Leibwache geschützt. Was soll da schon groß nach außen dringen?
Obwohl das ja nicht ganz richtig ist. Augustus hat anscheinend wenig Trennung zwischen Staat, Religion und eigener Familie vorgenommen. Immerhin hatte er ja auch Audienzen im Palast abgehalten.
Warum hatten sie eigentlich keine Hofberichterstatter, die schon zu seinen Lebzeiten von seinen glanzvollen Taten künden, wie großartig seine Familie sei, von der beispielhaften Sitte und Tugend der Frauen in der julisch-claudischen Familie, etc.

Es sei denn auf den Saturnalien, wo ja (fast) alles erlaubt war, plaudert ein Sklave/Freigelassener in einer Taverne aus, was sich wirklich auf dem Palatin abspielt. Aber wer sollte ihm schon glauben?

Der Senat hat sich sicherlich wenig dafür interessiert, was an Interna auf dem Palatin vor sich geht.
Sie müssen ja eher diskutieren, ob der Feldzug des Germanicus in Germanien gerechtfertigt ist, welche finanziellen Mittel bereitgestellt werden müssen --- und das wurde sicherlich auch protokolliert, wie jemand mal sagte. Zeitgenössische Aufzeichnungen hat es wohl gegeben aber sie haben die Jahrhunderte wohl leider nicht überdauert.

Das ist das, was ich hier mitgenommen habe.
 
Warum hatten sie eigentlich keine Hofberichterstatter, die schon zu seinen Lebzeiten von seinen glanzvollen Taten künden, wie großartig seine Familie sei, von der beispielhaften Sitte und Tugend der Frauen in der julisch-claudischen Familie, etc.
Auf jedem Forum standen - neben örtlichen Magnaten - Statuen der Kaiserfamilie. Augustus selbst verfasste einen Erfolgsbericht (Res Gestae) , der im Imperium aufgestellt wurde*, die best erhaltene Inschrift stammt aus Ankara (Monumentum Ancyranum).

Einer von Augustus‘ Vertrauten war Gaius Cilnius Maecenas. Dir ist der Begriff Mäzen/Mäzenatentum bekannt? Der ist vom Cognomen Maecenas abgeleitet. Maecenas scharte Dichter um sich (Vergil, Horaz u.a,) die u.a. auch Lobgedichte auf Augustus verfassten.

Wir wissen auch, dass aus der Kaiserfamilie selbst geschrieben wurde. Von Germanicus soll es griechische Komödien gegeben haben (meines Wissens nicht überliefert) und es gibt die Aratea, deren Verfasserschaft unklar ist, meist wird sie Germanicus zugeordnet, sie könnte aber auch von Tiberius stammen, für beides gibts Argumente.

Ein wichtiger Geschichtsschreiber der augusteischen Epoche ist auch Titus Livius (ab urbe condita) der mit Augustus persönlich bekannt war. Sein Werk endet allerdings mit Drusus‘ Tod 9 v. Chr. und beginnt natürlich bereits - ab urbe condita - 753.


*von vier - teils nur sehr fragmentarisch erhaltenen - bekannten Inschriften stammen allerdings 100 % aus der Türkei. Von anderen Orten sind keine Funde bekannt oder nicht als Teil der Res Gestae erkannt, aber es ist zu erwarten, dass die Res Gestae im ganzen Imperium aufgestellt wurden, nicht bloß in Kleinasien, auf/ wenn physische Nachweise dafür bisher fehlen.
 
Der Panegyrikus war ja eine durchaus beliebte Form der Rede zu festlichen und anderen Anlässen, auch wenn aus der frühen Kaiserzeit da wenig erhalten ist.
Lobhudeleien auf die Herrscher gab es mehr als genug.
 
Viel diskutiert hier im Forum, wenn auch vorwiegend die kurzen Abschnitte zu den Germanenkriegen, ist die Historia Romana von Velleius Paterculus, der Tiberius sehr zugeneigt ist.
Die Schrift über die Germanenkriege des älteren Plinius (+ 79) ist leider nicht auf uns gekommen, ebensowenig, wie Aufidius Bassus.

Von Claudius wissen wir, dass er sowohl Geschichtswerke, als auch eine Autobiographie schrieb. Erhalten ist davon nichts. Bzw. lediglich durch Zitate bei Plinius, Sueton und vermutlich Tacitus.
 
Klar, ist verständlich, zu Lebzeiten eines Kaisers herrscht sicherlich ängstliches Schweigen, zumal ja Tiberius (bin mir nicht sicher) den Straftatbestand der "Majestätsbeleidigung" eingeführt hat, so dass vielleicht ein Wink reicht und man wird auf der Straße verhaftet und hingerichtet.

Das crimen laesae maiestatis gab es meines Wissens auch schon zur Zeit der Republik, denn es handelte sich um die "Majestät"/Würde des römischen Volkes, also sozusagen der staatlichen Institutionen. Meist wurden dafür Amtsträger belangt und verbannt, die beispielsweise ihre Pflichten verletzt oder ihre Vollmachen überschritten hatten. Es ging aber natürlich auch andersherum, wenn einem Amtsträger als Bevollmächtigtem des Römischen Volkes nicht die nötige Achtung entgegengebracht worden war. Daneben gab es dann noch eine Würde, die etwa dem pater familias oder einem bestimmten Ort wie einem Tempelbezirk zukam und ebenfalls geschützt war.

Die Majestätsprozesse im frühen Prinzipat hielten meines Wissens an der Rechtstradition aus der Republik fest. Der Kaiser wurde also als Träger von Amtsvollmachen geschützt. Hier kam es seit Tiberius ganz sicher immer wieder zu Missbräuchen, aber im Prinzip handelte es sich nicht um ein ganz außergewöhnliches Vorgehen. Solche Prozesse waren ja gewiss auch früher schon aus politischen Gründen geführt worden.
 
Und der Palast gab durch Aushang die Acta Diurna (in etwa "tägliche Taten / tägliches Geschehen") bekannt, laut Wikipedia von 59 v. Chr. bis 235 n. Chr.. Ganz ähnlich, wie die Windsors in England manchmal Bekanntmachungen vor die Tür hängen, nur häufiger und wesentlich ausführlicher. Reiche Senatoren ließen sich das Abschreiben.

Siehe auch: Acta diurna – Wikipedia

Offizielle Annalen (annales maximi) hängte der Pontifex Maximus schon in der Republik aus. Ursprünglich wohl reine Listen von Wunderzeichen und religiös Relevantem. Später auch weitere ganz kurze politische Nachrichten.

Die Senatsprotokolle gab es seit der späten Republik. Sie wurden leider nur in Ausnahmefällen zitiert.

Wie die acta diurna und die annales maximi sind die Senatsprotokolle nicht erhalten.

Einige Reden wurden in Stein gemeißelt. Von Claudius blieb so die Rede erhalten, mit der er vor dem Senat rechtfertigte, auch Gallier zu Senatoren zu ernennen. Von Hadrian blieb die Besprechung eines Kavalleriemanövers erhalten, unnachahmlich im deutschen Kommisston seiner Zeit von Hans Delbrück in seiner Kriegsgeschichte übersetzt. Ob nun stolze Gallier oder stolze Offiziere, erfplgte solche Überlieferung zufällig. Als gewesener Konsul und Senator hätte Tacitus die genannte Rede des Claudius in den Protokollen suchen können. Hat er nicht. Er schrieb eine eigene Rede, so wie er sie gehalten hätte. Bis auf wenige Ausnahmen war das seit Thukydides (Athener General, der verbannt wurde und die Geschichte des Peloponnesischen Kriegs, den Höhepunkt antiker 'Geschichtswissenschaft' teils in Sparta schrieb.) so üblich. Reden sind quasi Kommentare der Geschichtsschreiber. Thukydides selbst ist da noch recht streng:

„Was nun in den Reden hüben und drüben vorgebracht wurde, während sie sich zum Kriege anschickten, und als sie schon drin waren, davon die wörtliche Genauigkeit wiederzugeben war schwierig sowohl für mich, wo ich selber zuhörte, wie auch für meine Gewährsleute von anderwärts; nur wie meiner Meinung nach ein jeder in seiner Lage etwa sprechen mußte, so stehn die Reden da, in möglichst engem Anschluß an den Gesamtsinn des in Wirklichkeit Gesagten.“ (zitiert nach Wikipedia)

Andere nutzten die Reden, um glänzen zu können oder, wie gesagt, als Kommentar. Trotz Kurzschrift sind fast alle Reden nur Stilübungen der Geschichtsschreiber, nicht die real gesprochenen Worte. Und aus Kommentaren kann bekanntlich die Meinung des Autors entnommen werden.

Manchen Geschichtsschreibern wurde auch der Zugang zu Archiven ermöglicht. Offiziöse Geschichtsschreibung gab es. Der Jüdische Krieg von Josephus, der Vespasian zum Messias erklärte, musste auf Befehl des Kaisers in alle öffentliche Bibliotheken aufgenommen werden. Missliebige Autoren wurden schon mal hingerichtet, ihre Werke verbrannt. Heikel wurde es, als der junge Claudius zu ehrlich über die Zeitgeschichte schrieb. Er wandte sich dann erst mal älteren Themen zu.
 
Senatorische Geschichtsschreibung hin oder her aber was bezweckt denn ein Patrizier, ein Fabier oder wer auch immer, wenn er den Kaiser über alle Maßen mit Dreck bewirft und ihn abnorme Perversitäten andichtet? Bringt ihm das die Macht zurück? Nein, sondern man fragt sich doch eher, welches Problem der Diffamierer denn bloß mit dem Machthaber hat. Und wenn diese Gerüchte erst nach dem Tod des Potentaten verbreitet werden, dann machen sie ja noch sehr viel weniger Sinn.

Sich auf Ereignisse und Persönlichkeiten in der Vergangenheit zu beziehen, kann natürlich erstmal dabei helfen gewisse zensorische Spielregeln zu umgehen.

Vielleicht konnte man einen amtierenden Kaiser und seine Dynastie nicht offen kritisieren, aber natürlich konnte man z.B. einen griechischen Tyrannen oder einen Kaiser der Vorgängerdynastie Kritisieren und dieser Tyrann oder Kaiser konnte innerhalb des literarischen Werks natürlich rein zufällig ähnliche Ticks und Eigenschaften aufweisen, für die amtiernde Kaiser bekannt waren oder die ihnen nachgesagt wurden, so dass den Zeitgenossen klar sein musste, wer eigentlich gemeint war.

Es sei denn, diese Diffamierungen, Caligula sei das abscheulichste und abartigste Scheusal der Menschheitsgeschichte führt dazu, dass der Senat darüber übereinkommt, dass das Kaiserhaus wegen seiner Machtkonzentration keinen Bestand haben darf.

Es ist wenig sinnvoll den Senat als homogene Interessengemeinschaft zu betrachten. Die senatorischen Familien, hatten natürlich insofern zum Teil ähnliche Interessen, als das sie der sozialen Oberschicht angehörten, aber für einen Teil der senatorischen Familien war es wesentlich interessanter sich auf die eine oder andere Weise mit dem jeweiligenn Kaiserhaus zu verbinden, als es stürzen zu wollen.

Ich kann mir gut vorstellen, dass der Senat bestrebt war, die überbordende Machtauswüchse der julisch-claudischen Familie einzuhegen.

Die führenden, reichsten, angesehensten und am besten vernetzten unter den Senatoren/Senatorischen Familien mögen Interessen in diese Richtung gehabt haben, die Aufsteiger unter den Senatoren und die weniger bedeutenden senatorischen Familien eher nicht.
Für die war ein mächtiger Kaiser mit dem sie sich gegen die bedeutenderen Senatoren verbünden konnten wesentlich attraktiver, als ein ein schwacher oder gar kein Kaiser und ein mächtiger Senat, in dem sie dann als minderbedeutende Akteure von den mächtigeren senatorischen Familien marginalisiert worden wären.

Bei einem starken Kaiser hingegen, der mächtig genug war, sich mit den größeren sentaorischen Familien anlegen zu können, konnten sie das Zünglein an der Wage sein mächtiger werden, als ihre ökonomischen Möglichkeiten und ihr Ansehen es sonst zugelassen hätten.

Doch die haben die Prätorianergarde und zusätzlich die Germanische Leibwache.

Das ist falsch ausgedrückt. Es gab die Prätorianergarde. Wem gegenüber die gerade loyal war, ist eine ganz andere Frage.
Es ist einmal eine problematische Eigenschaft, von stehenden (Elite)Formationen, die sich im Zentrum der Macht befinden, dass sie sehr gerne ein Eigenleben entwickeln, dazu neigen Palastrevolutionen anzuzetteln und sich in Nachfolgefragen einzumischen.

Das war bei den Prätorianern so und das war auch bei anderen Formationen, die in der Geschichte ähnliche Rollen hatten, wie bei den Janitscharen im Osmanischen Reich oder den Strelizen im vorpetrinischen Russland so.

Auf den Unterschied zwischen Prätorianergarde und Germanischer Leibwache ist bereits hingewiesen worden. Prätorianer als in der Regel Einheimische hatten sicherlich größere Hemmungen gegen Römer vorzugehen, mit denen sie einiges verband, als die Germanen, die keine nähere Verbindung damit hatten.
Wie viel tatsächliche Loyalität die Angehörigen der germanischen Leibwache tatsächlich für den Kaiser empfanden, wird schwierig zu beurteilen sein, wahrscheinlich wird ein Gutteil der Loyalität auf regelmäßiger und guter Besoldung beruht haben, schlechterdings waren die senatorischen Familien in der Regel sehr zahlungskräftig und sicherlich in der Lage, der germanischen Leibwache den Sold zu erhöhen, wenn sie dafür ihre Loyalität wechselte.

Insofern sind das Gruppierungen, die im komplexen Machtgefüge des Kaiserreiches durchaus ein Eigenleben hatten und einen eigenen Machtfaktor darstellten, oder deren Loyalität möglicherweise zu kaufen war (Germanen und andere Söldner).

Ein anderer Machtfaktor sind natürlich die Legionen.
Grundsätzlich ja, aber weniger, was die Auseinandersetzung zwischen dem Kaiser und den senatorischen Familien angeht, als im Hinblick auf Kommandeure die auf die Idee kommen konnten sich selbst zum Kaiser zu machen, wofür sie allerdings die Mittel benötigten ihre Truppen zu bestechen um da mit zu machen, was enorme Summen oder Beuteversprechen erforderte.
Die Möglichkeit solche Mittel im Voraus aufzubringen hatten die Wenigsten (und schon gar nicht ständig) und wer seinen Truppen erlaubte Italien zu plündern um sie bezahlen zu können, machte sich natürlich bei sämtlichen führenden Familien Roms, die da ihre Besitzungen hatten, nicht unbedingt beliebt.

Was wäre denn, wenn Tiberius oder der jüngere Germanicus (Letzterer war wohl nicht in der Thronfolge aber wer die Macht hat, der bestimmt) es nicht abwarten können, bis Augustus endlich stirbt, sondern sie brechen mit Billigung des Senates etwaige Feldzüge in Germanien, Pannonien oder wo auch immer ab, um in Rom einzumarschieren und den Kaiser abzusetzen?

Warum hätten die Senatoren auf die Idee kommen sollen sowas zu unterstützen? Wenn man einem Feldherren erlaubt hätte in Rom einzumarschieren und sich selbst auf den Thron zu setzen, vielleicht wäre der ja auf die Idee gekommen, dass der Senat eigentlich eine überlebte Institution sei, der es eigentlich nicht mehr bedürfe und wo die Truppen ohnehin schon einmal da sind und man sie mit irgendwas bezahlen muss, weil die sich für die Intrigen auch nicht umsonst hergeben...........
Mal davon abgesehen, dass das erstmal vorausgesetzt hätte die Truppen überhaupt dazu zu bewegen dem zu Folgen.

Feldzüge in Pannonien und anderswo an und vor allem außerhab der Reichsgrenze bedeutete, die Truppen mussten kämpfen, sie durften anschließend aber auch alles plündern, was sie vorfanden, so dass es sich auch lohnte.
Einen solchen Feldzug mal eben "umzuleiten" hätte vorausgesetz den Truppen einen Ersatz für die entgangene Chance auf Plünderungen in Aussicht zu stellen.
Heißt der entsprechende Feldherr hätte den Truppen erlauben müssen Italien und Rom zu plündern.
Über ein solchs Ansinnen wären die Senatoren nicht unbedingt amused gewsen und vor der römischen Bevölkerung wäre dass sicherlich auch kein gelungener Amtsantritt eines Kaisers gewsen, sie als erste Amtshandlung zunächst mal ausrauben zu lassen.

Keine gute Idee.
Da war es für Senatoren, die mit dem Gedanken spielten einen missliebigen Kaiser loswerden zu wollen, wesentlich simpler, sicherer und billiger zu versuschen die Prätorianer oder die Germanische Leibwache zu bestechen oder zu versuchen sonstige Bedienstete, die direkten Zugang zum Kaiser hatten "umzudrehen", oder eben das römische Stadtvolk gegen den Kaiser aufzubringen.
Aber keinen Militärführer, den sie nicht kontrollieren konnten und der womöglich mehrere Legionen mitbrächte, die Hauptsächlich auf Beute aus sein würden.
 
Noch eine Anmerkung mit Beispiel:

Das Gefolgschaftswesen konnte zwar vom Kaiser ausgenutzt werden. Aber es wird genug Gefolgsleute gegeben haben, denen Geld wichtiger war. Aber das Gefolgschaftswesen darf auch nicht einfach ignoriert werden. Aus der Spätantike gibt es ein Beispiel für diese Probleme.

454 ermordete Kaiser Valentinian III. bei einer Audienz eigenhändig den Heermeister und patricius Aetius, den Sieger der Schlacht auf den katalaunischen Feldern. In dieser Zeit hatten Generäle Privattruppen, die sog. buccelarii, und oft auch barbarische Gefolgschaften. Die Tat des Kaisers galt zudem allgemein als Untat.

455 -nur ein halbes Jahr später - wurde daher Valentinian von 2 zur Rache verpflichteten Gefolgsleuten des Aetius erschlagen. Seine Garde griff nicht ein. Jedenfalls nicht rechtzeitig.

Valentinian III. – Wikipedia
 
Guten Morgen liebe Leute,

vielen herzlichen Dank für Eure ausführliche Beantwortung meiner Fragen.
Viele Grüße
 
Aussagefetzen von Historikern werden zurechtgeschnitten.
Das wird gern behauptet und sicher geschieht es auch ab und zu, aber ein Historiker, der sich in einer Dokumentation falsch oder verkürzt dargestellt sieht, hat immer die Möglichkeit, seinen Auftritt löschen zu lassen oder zu verlangen, ihn ganz zu zitieren. Und in der Regel werden da nicht irgendwelche Historiker befragt, sondern schon Leute, die sich im jeweiligen Thema gut auskennen.

Das Niveau und die Art, den Zuschauer anzusprechen sind teilweise eine regelrechte Beleidigung für einen mündigen Staatsbürger.
Das Bildungsniveau der mündiger Bürger ist möglichweise nicht identisch mit deinem, womit wir bei einem Vorurteil deinerseits wären. :D

Es werden ganz einfach pure Erfindungen untergemischt. Wer sich nicht auskennt, kann das nicht unterscheiden. Und damit sind diese Dokus in der Tat wie Fantasygeschichten zu werten. Sie sorgen nicht für Bildung, sondern pflegen Vorurteile.
Ich möchte hier an die Schilderung der Varusschlacht erinnern, wo mitunter ausgiebig auf Cassius Dio zurückgegriffen wird, weil anderes nicht zur Verfügung steht.

Selbst wenn es zu Anfang gesagt wird, Cassius Dio hat das 200 Jahren nach den Ereignissen geschrieben und seine Beschreibungen sind daher mit Vorsicht zu genießen, so wird das anschließend von Nichthistorikern vergessen. Warum? Weil die Varusschlacht zu einem deutschen Heldenmythos gehört, zu dem man gerne mehr wissen will. Sollte man also dem Publikum aus Ermangelung gesicherten Daten gar nichts erzählen? Oder es in 2 Minuten abhandeln und sagen: Es fand eine Schlacht zwischen germanischen Stämmen und 3 römischen Legionen statt, die allesamt vernichtet wurden, aber wir wissen nicht, wo und wie sich das abspielte?

Ich finde, man sollte in solchen Sendungen zumindest das erzählen, was auch im Geschichtsunterricht den Schülern erzählt wurde und werde, die dann zu sogenannten Bildungsbürgern wurden und werden. Ich weiß, was zu meiner Zeit über die Varusschlacht erzählt wurde, aber was wird heute darüber erzählt, weiß ich nicht – ich vermute nur: ziemlich das gleiche, nämlich die Cassius Dios Version.

Das gilt für alles. Zum Beispiel auch für römische Kaiser, von denen hier die Rede ist. Wieso weiß praktisch jeder, dass Caligula sein Pferd zum Konsul machen wollte, obwohl das angeblich nur ein Gerücht gewesen? Weil das etwas Wahres aussagt über diesen Kaiser und die Zeit der damaligen Gesellschaft. Will sagen: Selbst wenn Caligula das nicht gesagt hat, die Geschichte charakterisiert ihn ganz gut als Diktator, der er war.
 
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