Den großen Krieg planen

 
Shi, wie war eigentlich die ursprüngliche Planung für den "Osten" bevor das at acta gelegt wurde? Was genaues weiß ich da nicht.
Die beruhte ebenfalls auf einem Konzept dass bereits von Schlieffen stammte und lief wohl einfach darauf hinaus in der Nähe der eigenen Grenzen einen Zermürbungskrieg zu führen.
Hier scheint daran gedacht worden zu sein, weniger auf den Angriff, als mehr auf den Gegenangriff als taktisches Mittel und auf das deutsche Eisenbahnsystem und die Innenlinien zu setzen.
Es wäre darauf hinausgelaufen, zusammen mit den Österreichern moderat aber mit Übermacht gegen die Russen vorzugehen und so. die franzosen zu einem Entlastungsangriff auf die deutschen Stellungen im Westen zu zwingen, sich dann von den Russen zu lösen via Eisenbahn größere Kontingente nach Westen zu verlegen, die in der Offensive befindlichen Franzosen zu schlagen und zu werfen und dann gewissermaßen nach Bedarf zwischen den Fronten zu pendeln.

Weite Offensiven, deutlich (über polnische, litauische oder westukrainische Gebiete hinaus) nach Russland hinein, jedenfalls sofern sie sich allzu weit von den eigenen Eisenbahnendpunkten entfernt hätten, wären somit erstmal weder machbar, noch Ziel der Übung gewesen.

Da der Plan ähnlich dem Schlieffenplan über einen längeren Zeitraum existierte und angepasst wurde, variierte dementsprechend die Größe, der in Ost und West für den Einsatz geplanten Kontingente, zumal dass wegen der russischen Niederlage 1905 und der erst langsam anlaufenden Wiederaufrüstung, im Einzelnen dann auch vom russischen Rüstungsstand abgehangen haben dürfte.
 
Sag mal, hast überhaupt ein Buch über die Vorgeschichte des Ersten Weltkrieg gelesen?
Ich frage einfach mal zurück: Hast du die Zuber-Kontroverse ("Inventing the Schlieffenplan" und was dann folgte) verpasst?

Man muss sicherlich Zubers Schlussfolgerungen, dass der Schlieffenplan letztendlich überhaupt keinen validen Kriegsplan darstellte, der diese Bezeichnung verdient hätte ( https://www.jstor.org/stable/26069870 ) nicht teilen.
Für meinen Geschmack ist das deutlich zu radikal.
Die Kontroverse sollte aber hinreichend aufgezeigt haben, dass das womit Moltke da operierte eben kein Masterplan aus einem Guss war, der sich minutiös aufführen ließ, schon weil die Vorbedingungen nicht in hinreichendem Maße gegeben waren und das Ganze von Anfang an von überoptimistischen Vorstellungen ausging.

Man hat den Aufmarsch im Westen relativ minutiös durchgeplant und ihn auch einigermaßen Reibungslos durchführen können, man sollte aber den Aufmarsch nicht mit dem gesamten Kriegsplan verwechseln.

Der Schlieffenplan in seiner gesamten Konzeption hat die Reaktionsmöglichkeiten Joffres und die französische Möglichkeit Truppen per Eisenbahn aus dem angepeilten Kessel im Westen heraus zu ziehen brutal unterschätzt, da kann von nüchterner Kalkulation keine Rede sein.
Um dieses Konzept ausführen zu können, hätte Moltke über mehr Truppen verfügen müssen, um effektiv die französischen Verbände in Elsass und Lothringen zu fesseln und deren Rückverlegung in den Raum Paris zu verhindern und gleichzeitig über den rechten Flügel sein Umgehungsmanöver durchzuführen.
Insofern hat der Plan bei der gegebenen Truppenstärke, die Moltke aufzubieten hatte von Anfang an auf die Prämisse abgestellt, dass sich der französische Gegner entweder gar nicht bewegt, oder ausschließlich vorwärts, in Richtung der deutschen Gebiete.

Ein realistisches Szenario hätte allerdings davon ausgehen müssen, dass spätestens bei deutschen Vorstößen in die Wallonie und in Richtung Brüssel Joffre Lunte riechen und umgruppieren würde, was im Klartext bedeuten musste erhebliche Kräfte aus dem drohenden Kessel per Bahn abzuziehen um im Norden und Nordwesten Potential für Widerstand zu schaffen.



Moltkes Plan hätte wie gesagt möglicherweise funktionieren können, wenn er im Verteidigungsfall aktiviert worden wäre und wenn wegen französischer Agression Italien mitgezogen und Großbritannien sich rausgehalten hätte.
Dann hätte man an der Westfront deutlich mehr Truppen gehabt weniger Gegner auf der anderen Seite und die Franzosen hätten ihrerseits ihre Kräfte im Norden wegen des notwendigen Schutzes der Alpengrenze ausdünnen müssen.
In dem Fall wäre das Schlieffen-Moltke-Szenario gegebenenfalls umsetzbar gewesen. Als Angriffsplan ohne mit den Italienern rechnen zu können und bei garantierter britischer Intervention, war das kein nüchtern durchkalkulierter Plan, sondern ein Vabanque-Spiel.
 
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Ich frage einfach mal zurück: Hast du die Zuber-Kontroverse ("Inventing the Schlieffenplan" und was dann folgte) verpasst?
Ich habe den Eindruck da geht einiges durcheinander. Vielleicht reden wir auch an einander vorbei.

Die genannte "Zuber-Kontroverse" geht darum ob die Einlassung des alten Schlieffen bereits den Charakter einer konkreten Planung hatte, oder doch eher den einer Empfehlung. Falls ich das falsch verstanden habe, bitte ich um Korrektur.
Der Begriff Schlieffen-Plan ist problematisch deshalb, weil er ja 1914 nur mehr im Grundsatz galt und Änderungen nebst einer immer feineren Ausarbeitung vorgenommen wurden.
Genannt wird er aber weiterhin so.

Auch beim "Plan" wird man fragen müssen worauf dieser sich bezieht.
Der Plan XVII der Franzosen z.B. war ein reiner Aufmarschplan.
Der Moltke-Schlieffen-Plan war ein kompletter Operationsplan mit genauer zeitlicher Planung bis zur Einnahme von Paris.

Planungen waren "minutiös" in dem Sinne, dass ja der alles entscheidende Auftakt in die Logistik der Eisenbahn eingepasst werden musste.

Quellen reiche ich gerne nach.
 
.. und es gab nur diesen einen Plan im DR.
Das schränkt natürlich die Möglichkeiten der Diplomatie erheblich ein.
 
Der Moltke-Schlieffen-Plan war ein kompletter Operationsplan mit genauer zeitlicher Planung bis zur Einnahme von Paris.
Aus dem oben verlinkten Artikel "There never was a Schlieffenplan" von Zuber:

"5. I noted, that the Schlieffen plan called for 96 divisions in a one-front-war (and 109 divisions in a two-front-war). In 1906 the Germans had 72 divisions in total; in 1914, 68 divisions in the west. There were never enough divisions to conduct the "Schlieffen Plan", wich included at least 24 "ghost divisions" (S. 241).

Das ist der für mich problematische Aspekt.

Das ein Plan lediglich im Grundsatz gilt, und Änderungen von Zeit zu Zeit vorgenommen werden, geschenkt. Dass manche Pläne nicht über ein bestimmtes Operationsziel hinausgehen ebenfalls geschenkt.


Man kann die Schlieffen-Denkschrift vor diesem Hintergrund als Empfehlung an seinen Nachfolger Moltke verstehen, das Auffüllen der Lücke zwischen den im Plan vorgesehenen und den real vorhandenen Kräften nach Möglichkeit beim Kaiser und bei der Regierung durchzusetzen.
Nur passierte das nicht.

Und hier kommen wir dann eben zu dem Problem, dass die minutiöse Planung auf dem Papier und beim Aufmarsch vielleicht ganz hüsch aussah, und zumindest bei der Mobilisierung auch funktionierte, der notwendige Kräfteansatz, den Schlieffen mal veranschlagt hatte dabei aber nicht erreicht wurde, während sich seit Schlieffen aber durch die Erhohlung Russlands und die zunehmende Entfremdung Italiens vom Dreibund die Ausgangslage zunehmend verschlechterte.
Moltkes Modifikation des Plans und die Entscheidung die Niederlande nicht mit einzubeziehen um sich überseeische Zufuhren auf diesem Weg zu erhalten erschwerte die Ausführung ebenfalls, weil damit Maastricht als wichtiger Verkehrsknotenpunkt/Einfallstor für die Westbewegung entfiel und damit alles mehr oder weniger durch das Nadelöhr Lüttich oder Luxemburg durch musste (= größeres Risiko, sich an der Festung Lüttich festzurennen und weniger Bahnlinien um Verstärkungen und Nachschub nach vorn zu bringen, folglich Gefahr des Verstopfens der Bahnlinien, Bahnhöfe und Vormarschstraßen).


Wenn Moltke aber substanzielle Teile der Truppen fehlten, die er eigentlich gemäß Schlieffens Kalkulationen benötigt hätte und Schlieffen sich dabei nicht sehr vertan hatte, konnte Moltke nur entweder den linken Flügel schwächen und die Möglichkeit im Elass Druck auszuüben um die Franzosen hier zu fesseln abschwächen, mit der Folge, dass die es leichter haben würden Truppen aus der Front herauszuziehen und nach Nordwesten zu verlegen oder aber den rechten Angriffsflügel zu schwächen, um mehr Möglichkeiten zu haben die Franzosen im Elsass in Kämpfe zu verwickeln und substanzielle Teile ihrer Truppen dort zu binden, bei gleichzeitiger Schwächung der Durchschlagkraft des rechten Angriffsflügels.

Moltke entschied sich bekanntlich dafür (im Vergleich zu Schlieffens Konzeption) den rechten Flügel zu Gunsten des Linken zu schwächen was ihm posthum dann jede Menge Schmähungen eingebracht hat, da er angeblich den Schlieffenplan "verwässert" habe.

Was wäre aber die Konsequenz gewesen, wenn er das nicht getan hätte?
Deutschland hätte im Elsass noch weniger Truppen zur Verfügung gehabt, die in Konsequenz weniger französische Truppen dort hätten fesseln können. Joffre hätte dann um so leichter Truppen aus der elsässischen und der lothringer Front herausnehmen und auf den französischen linken Flügel umgruppieren können.

Moltke hätte zur Ausführung seines Plans tatsächlich eine sehr deutliche Übermacht benötigt (wenigstens zeitweise). Aber die hatte er nicht.




Das ganze hätte möglicherweise etwas anders ausgesehen, wenn Frankreich der Agressor gewesen, Italien auf der Seite der Zentralmächte in den Krieg eingetreten wäre und sich der britische Kriegseintritt wenigstens verzögert hätte.
Die Konsequenz wäre gewesen, dass wie gesagt Frankreich im Süden die Alpengrenze hätte sichern müssen, was Truppen gebunden hätte, man hätte 1-2 Italienische Korps im südlichen Elsass aufmarschieren lassen können, um Bindewirkung für die gegenüberstehenden französischen Truppen aufzubauen und weitere deutsche Kräfte auf den rechten Flügel verschieben zu können.
Wäre das passiert und hätte sich der britische Kriegseintritt jedenfalls verzögert, weil der Kriegseintritt auf Seiten des ursprünglichen Agressors dem Parlament und der Bevölkerung schwerer zu vermitteln gewesen wäre, hätte die Situation vielleicht anders ausgehsen.

Dann wäre es gegebenenfalls möglich gewesen vor Inerscheinungtreten der Briten den linken französischen Flügel zu umschließen und teilweise aufzureiben, gleichzeitig hätte Fesselung der französischen Truppen an der Elsass-Front unter Miteinbeziehung italienischer Kräfte Joffre die rechtzeitige Umgruppierung sehr erschweren können.
Das Defizit an Truppen gegenüber Schlieffens Kalkulationen hätte sich unter diesen Bedingungen vielleicht auffangen lassen, wenn wir mal davon ausgehen, dass Schlieffen vorsichtig und nicht auf des Messers Schneide seinen benötigten Kräfteansatz kalkuiert hatte.


Aber als Agressor, also mit den Briten gegen sich, ohne die Italiener als Unterstützung und ohne zweite Front für Frankreich im Süden, sehe ich nicht, wie das hätte funktionieren sollen.
 
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Das schränkt natürlich die Möglichkeiten der Diplomatie erheblich ein.
Und eben aus dem Grund, würde ich meinen, ist doch die Frage, ob dass durch Faulheit, Überheblichkeit oder Ignoranz Moltkes verschuldet war, oder ob der mit seinen Kräften einfach nicht anders konnte, weil ihm die Mittel fehlten, doch von erheblichem Interesse.

Das diese Zwickmühle vorhanden war, darüber herrscht ja in der Literatur konsens, aber es wäre doch interessant näher zu wissen und zu verstehen, wie genau die entstanden ist.
 
und es gab nur diesen einen Plan im DR.
Das schränkt natürlich die Möglichkeiten der Diplomatie erheblich ein.
oder man betrachtet es so:
ob sich die möglichen bzw machbaren politischen und militärischen Handlungsoptionen so sehr verengt hatten, dass sie zur Alternativlosigkeit schrumpften. Wenn man das für 1913 bis Mitte 1914 nachweisen könnte, müsste man zumindest diplomatisches Versagen auf allen Ebenen konstatieren - zu fragen wäre lediglich, ob man sich selber in die Alternativlosigkeit manövriert hatte, oder zu einem Teil dahin getrieben wurde. Beide Möglichkeiten haben weitreichende Folgen.
Ich habe Zweifel daran, dass der Schlieffen/Moltkeplan in der Zeit vor dem Kriegsausbruch die Diplomatie des DR eingeschränkt haben sollte.
 
Ich denke, das die Diplomatie und die Planung der Militärs zwar von einander abhängig sind, aber in diesem Fall die Diplomatie in ihren Aktionen kaum von der militärischen Planung beeinflußt wird.

Um direkt beim Thema zu bleiben, wie ich es schon ganz zu Anfang angesprochen habe, ein "Ostplan" konnte nur Aussicht auf Erfolg haben wenn zugleich eine Neutralität GBs, sei es auch "unwohlwollend", aber zumindest ohne militärisches Eingreifen, gesichert war.
Dies zu erreichen wäre dann der Diplomatie zu überlassen. Ob ab 1912 oder auch schon früher überhaupt eine Aussicht darauf bestand, ohne das sich das DR ökonomisch und militärisch stark zurück genommen hätte kann ich nicht beurteilen. Ich denke, eine geringe Chance auf ein Abkommen wäre vorhanden gewesen.

Bei einem ausgeführtem "Ostplan" wird allerdings für das DR kein "vollständiger" Sieg möglich gewesen sein ( war es dann beim "Westplan" ja auch nicht!), ein Verhandlungsfriede sicherlich, nur konnte das Ziel der Planer sein?
 
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Ich habe Zweifel daran, dass der Schlieffen/Moltkeplan in der Zeit vor dem Kriegsausbruch die Diplomatie des DR eingeschränkt haben sollte.
Im langfristigen Vorlauf natürlich nicht. Im gegebenen historischen Moment der Juli-Krise und als in Russland Generalmobilmachung befohlen wurde und damit die Sachzwänge des Schlieffenplans anfingen zu greifen allerdings schon, und darum ging es @hatl, sofern ich das richtig verstanden habe.

Dies zu erreichen wäre dann der Diplomatie zu überlassen. Ob ab 1912 oder auch schon früher überhaupt eine Aussicht darauf bestand, ohne das sich das DR ökonomisch und militärisch stark zurück genommen hätte kann ich nicht beurteilen. Ich denke, eine geringe Chance auf ein Abkommen wäre vorhanden gewesen.
Die Diplomatie hätte definitiv Möglichkeiten gehabt, weiter in Richtung eines Agreements mit GB zu arbeiten.
Eine Möglichkeit wäre gewesen, dass ausgehandelte, aber nicht finalisierte Abkommen über die eventuelle Aufteilung der portugiesischen Kolonien (im Falle das ein drohender Sttatsbankrott Portugal dazu nötigen würde diese abzustoßen um seine Staatsfinanzen zu sanieren, was allerdings relativ wahrscheinlich war) zu finalisieren/ratifizieren.
Damit hätte man einne deutsch britische Abmachung zur Abgrenzung von Einflussinteressen in Afrika gehabt, an deren Aufrechterhaltung sicherlich London durchaus gelegen gewesen wäre.
Das wäre keine harte Garantie für den Kriegsfall gewesen, aber durchaus diplomatisches Kapital auf dessen Basis man nach dem faktischen Aussetzen des Flottenwettrüstens eine Annäherung an GB hätte ausbauen können.

Ansonsten käme es im gegebenen Fall ja möglicherweise durchaus darauf an, wer einen großen Krieg der europäischen Mächte begonnen/verschuldet hätte.

Was die Aufgabe der reinen Landesverteidigung angeht, hätte es für Moltke wahrscheinlich unterm Strich genügt, wenn London bereit gewesen wäre Neutralität für den Fall zu garantieren, dass Frankreich oder Russland gegenüber Deutschland oder Österreich-Ungarn eindeutig als Agressor auftreten würden.
Das allerdings wäre wiederrum mit der Prämisse verbunden gewesen, dass Moltke bereit gewesen wäre seiner Regierung sehr offensiv einzuschärfen, dass die britische Neutralität absolut lebensnotwendig gewesen wäre und sich damit jedes außenpolitische gambling, das theoretisch einen Krieg mitverschulden konnte verbieten würde.

Das Problem ist nur, dass im Fall von Problemen auf dem Balkan Wien wiederrum auf genau einem solchen gambling bestehen und damit (zumindest theoretisch) drohen konnte die Allianz zu kündigen, die für Moltke, wenn er einen Kriegsplan für den Fall einer Auseinandersetzung mit dem französisch-russischen ZWeibund aufbieten sollte, aber ebenfalls notwendig war.
Es hätte sich in erster Linie also weniger darum gehandelt Deutschland und Großbritannien näher aneinander zu bringen, als viel mehr die sehr unterschiedlichen Bedürfnisse Londons und Wiens irgendwie unter einen Hut zu bringen.

Das dass sehr schwierig würde, musste klar sein, seitdem man London, als dieses zu Anfang des Jahrhunderts die Möglichkeit eines Bündnisses mit Berlin auslotetete, anheim gestellt hatte, dass GB doch dem Dreibund beitreten könne, London aber weil dass bedeutet hätte sich auch Österreich-Ungarn und seinen Balkaninteressen gegenüber zu verpflichten dazu nicht bereit war.

Da lag die eigentliche Herausforderung aus diplomatischer Perspektive.


Aber das entzog sich den Einflussmöglichkeiten Moltkes wiederrum.

So lange er damit rechnen musste, dass die Wilhelmstraße bereit sein würde nötigenfalls ein gambling zu betreiben, dass krisenverschärfend würde wirken können um den Wiener Alliierten zufrieden zu stellen, musste moltke damit rechnen das der Schwarze Peter des Agressors möglicherweise nicht eindeutig in Paris oder St. Petersburg angesiedelt sein und die öffentliche Meinung in GB und die londoner Regierung sich dementsprechend verhalten würde.
 
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Ja, hierzu muß ich sagen, das DR hat hier, aus welchen Gründen auch immer, seinen möglichen Einfluß auf die KuK- Monarchie sicherlich nicht!!!! genutzt. Wär außer dem DR hätte sich als Bündnispartner angeboten? An eine wirklich mögliche Einigung mit dem Zarenreich glaube nicht, hierzu scheinen mir die Interessen zu unterschiedlich gewesen zu sein.
 
Ja, hierzu muß ich sagen, das DR hat hier, aus welchen Gründen auch immer, seinen möglichen Einfluß auf die KuK- Monarchie sicherlich nicht!!!! genutzt. Wär außer dem DR hätte sich als Bündnispartner angeboten? An eine wirklich mögliche Einigung mit dem Zarenreich glaube nicht, hierzu scheinen mir die Interessen zu unterschiedlich gewesen zu sein.
Ich hatte das an anderer Stelle ja auch schonmal angesprochen, dass ich die Panik bei der deutschen Regierung und im Auswärtigen Amt vor dem Verlust Österreich-Ungarns als Aliiertem, aus genau diesem Grund, weil Wien eigentlich keine anderen wirklich guten Optionen hatte (jedenfalls so lange Frankreich an Russland gebunden war), absolut nicht nachvollziehen kann.
Für mich ein Fall unerklärlicher, ins Irrationale abdriftender Betriebsblindheit. Aber ob rational begründbar oder nicht, diese Panik scheint in der deutschen zivilen Reichsleitung vorhanden gewesen zu sein. Ich weiß nicht, inwiefern Moltke selbst das teilte, aber selbst wenn das nicht der Fall war, musste er dem Umstand Rechnung tragen, dass Bethmann-Hollweg und die zivile Regierung das wohl zunehmend so sahen und versuchten (möglicherweise unnötig) dadurch gegenzusteuern Wien sehr weit entgegen zu kommen.

Es wäre doch durchaus möglich gewesen, auf Serbien einen entsprechenden Druck auszuüben ohne mit Krieg zu drohen!??
Wenn man nicht auf die Idee verfallen gewesen wäre das Attentat von Sarajevo dazu zu instrumentalisieren über die folgende Krise die Entente sprengen zu wollen, hätte man das möglicherweise sogar nutzen können, um die Beziehungen der Großmächte untereinander insgesamt zu verbessern.
Ich stelle einfach mal folgende verspinnerte Idee in den Raum:

Man hätte aus der Beerdigung Franz Ferdinands einen im größeren Rahmen inszenierten Staatsakt machen können (faktisch hielt man das in relativ kleinem Rahmen), was Gelegnheit dazu gegeben hätte die anderen gekrönten Häupter Europas zu dieser Gelegenheit einzuladen, um vor allem die an einen Tisch zu bringen.

Das Attentat von Sarajevo war ja nicht nur Ausdruck divergierender nationalistischer Phantasien und Ansprüche, sondern letztendlich handelte es sich auch um den Anschlag auf das Leben eines zukünftigen Monarchen, so dass man davon hätte ausgehen können, dass die Sympathie der gekrönten Häupter im gegebenen Moment schon aus Eigeninteresse eher auf Seiten Wiens sein musste.
Das hätte man nutzen können um ein generelles Agreement zwischen den Monarchen zustande zu bringen, unabhängig von den sonstigen Rivalitäten der Großmächte untereinander, sich darauf zu verständigen, dass solche Aktivitäten unterbunden werden müssten.
Wenn man im Besonderen Zar Nikolaus II. die Bitte angetragen hätte, doch seinen Einfluss auf Serbien geltend zu machen um die serbsiche Regierung dazu zu veranlassen gegen allgemein friedensfeindliche bis terroristische Strukturen schärfer vorzugehen, könnte ich mir gut vorstellen, dass der sich darauf eingelassen hätte.
Nikolaus II. hatte selbst die Ermordung seines Großvaters Alexander II. durch eine terroristische Gruppe erlebt und natürlich die Revolution von 1905 und ihre Gewaltausbrüche. Der hätte wenn der alte Franz Joseph ihn am Grab des ermordeten Thronfolgers in dieser Sache um Solidarität und das zeitweilige Vergessen der Rivalitäten gebeten hätte, das sehr wahrscheinlich nicht abgelehnt.

Und wenn man im Rahmen eines Monarchen-Treffens sich darauf geeinigt hätte, in diesem Fall zusammen zu arbeiten und alle Politiker die auf die Idee kommen sollten das zum Zündeln am europäischen Frieden zu benutzen aus dem Amt zu entfernen und vor die Türe zu setzen (dazu waren die 3 Monarchen Deutschlands, Österreich-Ungarns und Russlands ja durchaus befugt), hätte man diese Krise sicherlich bereits im Keim ersticken und abräumen können.
Wenn man anstatt Belgrad knall-auf-fall ein Ultimatum vor den Kopf zu knallen und somit St. Petersburg zu provozieren von Anfang an versucht hätte Russlands Monarchen in moderierender Funktion an der Lösung des Problems zu beteiligen, wäre das Ergebnis wahrscheinlich ein ganz anderes gewesen.

Es hätte weder die Grundproblematik der divergierenden Balkaninteressen, noch die außenpolitischen Probleme der Einzelakteure gelöst, aber sehr wahrscheinlich hätte man die Krise abräumen können und wahrscheinlich hätte Wien in der gegebenen Situation auch durchaus einen diplomatischen Erfolg erzielen können.
 
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folgende verspinnerte Idee
dieses fiktive Szenario hat einen eigenen Charme - ob sich aber nach dem Attentat auf die Verwandtschaft eines der Oberhäupter diese zu einer deeskalierenden Konferenz hätten versammeln lassen, scheint mir fraglich (passt das zu den Charakteren und Handlungsabsichten der Oberhäupter? da habe ich Zweifel) - - im schönen Fall, dass diese fiktive Konferenz stattgefunden hätte, wäre der Schlieffen/Moltke Plan in der Schublade geblieben. Das sagt uns aber nichts über die Frage nach der militärischen Alternativlosigkeit dieses Plans.
 
Es geht mir darum, ein Szenario zu haben, bei dem ein "Ostplan" eine echte Alternative gewesen wäre, unter der Maßgabe, GB aus einem Krieg herauszuhalten. Politisch hätte das DR und die KuK-Monarchie hierbei zwingend in der Hinterhand sein müßen. Eine Kriegserklärung samt offensiver Aktion Seites des Zarenreichs und/oder Frankreichs als erste hätte es ja GB politisch erheblich schwerer gemacht, auf deren Seite einzugreifen.

Bitte diese Gedanken nicht falsch verstehen, diese meine Sichtweise bezieht sich auf die politischen und diplomatischen Verhältnisse um 1914.
Im Prinzip würde das ja eine Verleitung zum Angriff bedeuten, eventuell eine Provokation, vielleicht aber auch "nur" ein überreiztes politisches "Spiel"!
 
Bitte diese Gedanken nicht falsch verstehen, diese meine Sichtweise bezieht sich auf die politischen und diplomatischen Verhältnisse um 1914.
Im Prinzip würde das ja eine Verleitung zum Angriff bedeuten, eventuell eine Provokation, vielleicht aber auch "nur" ein überreiztes politisches "Spiel"!
Eine offene Provokation à la Emser Depesche oder offensichtliches Zündeln hätte die öffentliche Meinung in GB da schon wieder zum Kippen bringen können, dass hätte man unterlassen müssen.

Das Problem, was ich sehe und was das Szenario in meinen Augen unmöglich macht, ist dass Moltke es mit einer Regierung zu tun hatte, die eben spätestens ab 1913/1914 so weit war den Bruch mit Österreich so sehr zu fürchten, dass man Wien, wenn es meinte provokant auftreten zu müssen, wahrscheinlich nachgeben würde.

Die britische Neutralität einigermaßen sicher zu haben, hätte vorrausgesetzt selbst eine Regierung zu haben, die bereit gewesen wäre, den eigenen österreichischen Verbündeten jederzeit zur Raison zu bringen, aber das scheute die Regierung Bethmann ja zunehmend.
Diese Bedingung war nicht gegeben.
Und ohne dem konnte Moltke mit britischer Neutralität jedenfalls nicht fest planen, sondern sie allenfalls als "nice to have" ansehen.

Damit aber fallen aus meiner Sicht beim gegebenen Rüstungsstand etc. die Prämissen für ein Ostszenario möglicherweise weg.


Hinzu kommt noch eine Schwierigkeit mit dem Zweibundvertrag:

Im Gegensatz zum Dreibundvertrag, der ausdrücklich regelt, dass die Vertragsparteien nur im Fall eines explizit unprovozierten Angriffs auf eine Vertragspartei zur gegenseitigen militärischen Unterstützung verpflichtet wären (was ursprünglich eine Maßnahme gewesen sein dürfte um nicht von Italien wegen Korsika und Tunesien in einen Krieg gegen Frankrech gezogen werden zu können), enthielt der Zweibundvertrag zwischen dem Deutschen Reich und Österreich-Ungarn eine solche Formulierung nicht, sondern die verpflichtete die Vertragspartner zur Hilfeleistung, wenn der jeweils andere angegriffen würde.

Nun konnte man sich sicherlich auf den Standpunkt stellen, dass wenn einer der Vertragspartner als erstes angriff und ein dritter Akteur der angegriffenen Seite zur Hilfe käme und deswegen dem Vertragspartner den Krieg erklärte, dies keinen Angriff im Sinne des Vertrags darstellte.
Das war (sonst wäre die Mission Hoyos nicht notwendig gewesen um das zu klären) wohl Interpretationssache.
Was hingegen keine Interpetationssache vor dem Hintergrund dieses Vertrags gewesen wäre, wäre dass ein Angriff auf einen Vertragspartner, selbst wenn der in Reaktion auf eine Provokation nicht militärischer Art erfolgt wäre, den "casus foederis" bedeutet hätte.

Das heißt vor dem Hintergrund der bestehenden Verträge konnte die Deutsche Regierung Wien bei bloß provokantem, aber nicht eigentlich militärisch aggressivem Verhalten nicht die militärische Beistandsgarantie entziehen, ohne sich dem Vorwurf auszusetzen selbst vertragsbrüchig zu werden.
Das musste für die Möglichkeit der zivilen Regierung in Berlin den Wiener Partner zu mäßigen Einschränkungen nach sich ziehen, in der Form, dass man Wien im Rahmen der Verträge hätte bestellen können, dass man diese eng auslegen und Österreich, sollte es selbst zu erst militärisch gegen einen Nachbarn aktiv werden, nicht zur Hilfe kommen würde.
Aber Wien unter Androhung des Entzugs der Unterstützung bloße nichtmilitärische Provokationen zu verbieten, war vor dem Hintergrund dieses Bündnisvertrags nicht drinn.


Wie ich das sehe, führte wegen des komplizierten Verhältnisses mit Österreich zu einer kontrolliert herbeiführbaren britischen Neutralität durch eine mäßige Deutsche Politik, die aber Vorraussetzung dafür gewesen wäre, dass Ost-Szenario grundsätzlich als valide Option zu betrachten, kein Weg.
 
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