deutsche Identität bei den Schweizern

Genau das ist wieder der Punkt: Warum bezeichnen Sie die Alemannen ganz selbstverständlich als deutsch, während für Sie die Schweizer ganz selbstverständlich keine Deutschen sind?

Genau. Das ist wirklich der Punkt. Denn sie bezeichneten sich eben NICHT als Deutsche. Sie bezeichneten sich als Sweben, als Pleonungen, als Juthungen, als ....

Als Alemannen und als Deutsche WURDEN sie bezeichnet.

Das ist für mich schon ein Unterschied.
 
Kannst du mal verraten, was dich so aufbringt?
Zwei Dinge.

1. Die Tatsache, dass die ganze Diskussion hier meinem Verständnis von Wirklichkeit zuwiderläuft, ohne dass mir das jemand erklären kann. Wenn ein Ferdinand Vetter sich selbst als Deutscher bezeichnet, nehme ich das als eine Tatsache hin. Diese Tatsache kann man untersuchen, aber die Tatsache als solche bleibt bestehen. Das heißt, es gab in der Geschichte einen Zeitpunkt (vom 16. bis zum frühen 20. Jh.), wo es Schweizer gab, die sich als Teil des deutschen Volkes verstanden. Das mögen sie aus ihrem fünfhundert Jahre dauernden Zeitgeist getan haben, aus Nationalismus, aus Kosmopolitismus, aus diesem und jenem Grund. Die Tatsache bleibt, dass sie es getan haben. Diese Personen sahen sich als Deutsche. Sie sahen sich im 16. Jh. als Deutsche und sie sahen sich im 20. Jh. als Deutsche. Die Begleitumstände ändern nichts an ihrem Selbstverständnis.

2. Mich stört schon seit langem die Inkonsequenz der deutschen Geschichtsschreibung. Die Fragen, die ich gestellt habe, sind alle ernst gemeint und ebenso unbeantwortet. Warum gilt Goethe als Deutscher, Mozart aber bestenfalls mit hundert "Abers"? Wieso gilt Kant als Deutscher, Keller aber nicht? Diese Fragen sind unbeantwortet. Die Leute nehmen es einfach so hin, ohne darüber nachzudenken. Ich hätte auf diese Frage wirklich einmal eine Antwort, und ich hätte es gerne, wenn die Geschichtsschreibung in Zukunft konsequent wäre. Ich könnte auch damit leben, wenn endlich hochoffiziell festgestellt würde, dass es das deutsche Volk erst seit 1867 (Gründung des Norddeutschen Bundes) gibt und keinen Tag eher, wenn Goethe, Schiller, Kant und Bach konsequenterweise in Zukunft auch als Nichtdeutsche gelten würden. Aber das ist eben nicht so. Die einen werden als Deutsche bezeichnet, die anderen nicht, ohne Logik, ohne Begründung. Das bringt mich eben auf.
 
Ich habe auch nicht nur Seine Majestät zitiert. Aber die Aussagen sind eh egal, denn wie wir jetzt wissen, ist es wurst, wie die Leute sich selbst fühlten und bezeichneten. Im Übrigen stammt das im 16. Jahrhundert äußerst beliebte "Teutscher Nation Heldenbuch" von Heinrich Pantaleon, einem Schweizer: Dass erste -ander Theil Teuts - Titelansicht - e-rara.

Lass doch mal das Namen- und Quellendropping und nimm dir doch mal die Zeit zu einer ausführlichen Analyse der Quellen. Das Maxerl appelliert doch an das Deutschtumsgefühl der Eidgenossen. Die Quelle selbst gibt keinerlei Aufschluss darüber, ob dieser Appell die aus Max' Sicht richtige Strategie war, oder nicht. Worüber die Quelle aber Aufschluss gibt ist, dass die Eidgenossen sich eben so verhalten haben, wie sich Landsknechte verhalten und dass ihnen ihr Brot oder schneller Reichtum eher wichtig war, als so etwas abstraktes, wie ein "Nationalgefühl". Dieses "Nationalgefühl" will ihnen allenfalls das Maxerl aufdrängen.
 
Zu früheren Auffassungen der deutschsprachigen Schweizer über ihre Identität kann ich nicht sagen. Es scheint aber im Zuge der Abgrenzung der Schweiz vom deutschen Reich eine Art verstärkter Dialektalisierung in den dreißiger Jahren gegeben zu haben.

Die oben zitierte Rede von Kaiser Maximilian ist natürlich alles andere als ein Beleg für ein Deutschfühlen der deutschsprachigen Schweizer, eher ist sie ein Beleg dafür, dass es den Schweizer Landsknechten relativ egal war, für wen sie in den Krieg zogen. Maximilian scheint zwar versucht zu haben, sie an ihrem "Deutschtum" zu packen, das heißt aber nicht, dass dies auch tatsächlich etwaigen Zugehörigkeitsgefühlen der deutschsprachigen Schweizer tatsächlich entgegen kam. Das hätte das Maxerl aber auch anhand der Erfahrungen seines Onkels wissen können.


Man kann sich einfach die Quellen zum Schwabenkrieg anschauen:


9. September 1499.

Königliches Mandat, die Bundeshilfe gegen die Schweizer zu schicken.

Wir Maximilian u. s. w. embieten den u. s. w. allen prelaten, freien, herren und edlen, auch den von stettn, so mit disem unserm kunigclichen brief ermant werden, unser gnad u. s. w. ersamen u. s. w. Wiewol wir uns auf dem tag, so zwischen uns und den Schweytzern yetzo zu Basel gehalten ist, denselben Schweytzern uns und dem hailigen reich zu gutem ainer zimlichen rachtung geflissen haben, so ist doch solche rachtung von jnen gantz abgeschlagen aus den ursachen, das wir jnen das landgricht zu Costentz, den Schwaderwald und dartzu die schloss und flecken, so sy erobert haben, nicht nachlassen wöllen, das dann dweyl dem hailigen reich unüberwintlichen schaden und abbruch daraus erwachsen wurde, als jr selbs ermessen mügt, in kain weg zu thun ist, desshalben wir des überzugs von jnen alle tag widerumb gewiss sein, dann sy sich mit jrem geschütz und lewten gentzlich darnach gericht und willens haben, yetzo von stund die statt Costentz die Maynaw oder Zell und ander anstossend besetzungen und flecken zu überziehn und zu beschedigen, dweyl nun der merer tail volcks abgezogen, und nyemands oder gar wenig in denselben anstossenden besetzungen ist, dardurch die Schweitzer in der eyl iren willen erlangen, und ettwevil derselben besetzungen, schloss, stett und flecken erobern möchten, darumb die gross notturfft erfordert, sich eylends mit ainer gegenwär darein zuschicken, damit gegen solchem jrem eylenden überfall die besetzungen versehen bis auf dem tag, so von gemainem bundt auff nechsten sonntag nach St. Matheus tag gen Ulm angesetzt ist, verrer hierjn der notturfft nach müg gehandelt werden. Demnach empfelhen wir euch allen und ewer yedem von romischer kö. macht bei vermeidung unser und des reichs schweren ungnad und straff ernstlich mit disem brief gebiettent und wöllen, das jr von stund zu angesicht ditz briefs mit der anzal volcks zu ross und fuss, als zu Costentz der abschid gewesen ist, oder doch so maist, als jr mügt, gen Hüfingen am Hewgew zu unsern raten und haubtlewten, so wir daselbsthin verordnet haben, ziehet, daselbs werdet jr bei jnen weitern beschaid finden, und hierjn nit samig seyn, noch kainer auff den andern waigern oder verziehen, sonder uns und euch vor unwiderbringlichem schaden und verderben verhietten, als jr uns und euch selbs ewern eren und pflichten, auch den obgemelten abschid nach zu thun schuldig seit, und wir uns gentzlichen zu euch verlassen, daran thut jr unser ernstlich maynung. Geben zu Ulm am newnten tag des monats September nach cristi geburt vierzehenhundert und neunundneuntzigsten unser reiche, des römischen im vierzehenden und des hungerischen ym zehenden jaren.

Ad mandatum domini regis proprium.

Schmid'sche Sammlung Nro. 4. nach dem Senkenbergischen Bundbuch.

Quelle:

historicum.net: Akten zum Schwabenkrieg
 
Worüber die Quelle aber Aufschluss gibt ist, dass die Eidgenossen sich eben so verhalten haben, wie sich Landsknechte verhalten und dass ihnen ihr Brot oder schneller Reichtum eher wichtig war, als so etwas abstraktes, wie ein "Nationalgefühl".
Das Wissen um seine nationale Zugehörigkeit und die Konsequenzen, die sich daraus ergeben (müssten), sind zwei Paar Schuhe. Man kann sich auch seines Deutschtums bewusst sein und trotzdem drauf sch..., um es mal etwas salopp zu formulieren. Das ist doch heute nicht anders als damals. Als ich meinen Wehrdienst geleistet habe, war es vielen Kameraden auch egal, welche Uniform sie trugen. Die hätten auch bei den Franzosen gedient, wenn sie gekonnt hätten. Und trotzdem fühlten sie sich als Deutsche oder wussten, dass sie welche waren. Man kann sein Vaterland auch hassen oder ihm gleichgültig gegenüberstehen.
 
Nach meiner Logik dürfte damit einiges geklärt sein. Allerdings sehe ich ähnlich wie Simplicius hier einen gewissen Trend dazu, m.E. recht simple Sachverhalte so stark zerreden zu wollen, bis man als Fachfremder jegliche Lust daran verliert sich weiter mit dem Thema zu beschäftigen.

Der Sachverhalt ist weder simpel, noch wird er durch die Hinweise auf die widersprüchlichen Ergebnisse zur Natiuonalismusforschung zerredet, sondern eher durch "Teutschtümelei" seines theoretischen Gehalts entledigt.

Speziell zur Frage der Bedeutung von Sprache als identitätsstiftendes Element stellt Weichlein folgendes fest:

"Für Sprachnationalisten, Abstammungsanhänger und erst recht für Rassenationalisten stellten Belgien und die Schweiz in sich widersprüchliche Gebilde dar, die es eigentlich gar nicht geben konnte. Den nationalen Charakter der Staaten bejahten dagegen die Vertreter der Staatsbürgernation" (S. 13).

Damit wird deutlich, dass der sprachnationalistische Ansatz völlig unbrauchbar ist für die Erklärung der kollektiven Identät der Schweiz und auch ihren Weg des Nationbuildings!!!!!!!

Nationalbewegungen und Nationalismus ... - Siegfried Weichlein - Google Bücher

In Anlehnung an die Ausführungen von "KeineAhnung" soll auf die Nationalismustheorie von K.W. Deutsch hingewiesen werden, der die Sprache zum Kristallisationspunkt der kulturellen nationalen Gemeinschaft erhebt. Der Prozess des Nationbuildung erfolgt bei Deutsch durch das Konstrukt der "sozialen Kommunikation" und der "Komplementarität". In diesem Sine wird nicht nur die gleiche Sprache vorausgesetzt, sondern auch ein identisches Verständnis und eine gleiche Bewertung voraus.

Der Nationalismus und seine Alternativen - Karl Wolfgang Deutsch - Google Bücher

Deutsch geht explizit, als Beleg für seine These, auf die unterschiedliche Komplementarität der Bewohner Süddeutschlands und der Deutch-Schweiz ein und stellt fest, dass die Kommunikation auf der gleichen Sprache beruht, aber auf einer unterschiedlichen Nutzung von Begriffen und Symbolen. Und die ist, trotz geographischer Nähe, nicht gegeben!


Und die konkrete Ausformung des unterschiedlichen Umgangs mit Symbolen kann in Anlehnung an die Überlegungen von Eisenstadt (Die Konstruktion nationaler Identitäten in vergleichender Perspektive, S. 21-38) des Konflikts zwischen Zentrum und Peripherie sinnvoll erklärt werden.

Nationale und kulturelle Identität - Google Bücher

Ein weiteres Beharren auf der angeblichen Bedeutung der "Selbstbezeichnungsthese" kann faktisch durch die Darstellung der Geschichte der Schweiz durch "ursi" als widerlegt angesehen werden und ebenso auf der theoretischen Ebene der Nationalismusforschung.

Und leicht OT:
Und wer schon mal in Karlsruhe oder in Freiburg in einem Spiel gegen Stuttgart jemals das Absingen des Badener-Lieds verfolgt hat und sich mit "patriotischen" Badenern unterhält, der kennt die tieferliegenden Regionen der Distanz zu Württemberg.
 
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2. Mich stört schon seit langem die Inkonsequenz der deutschen Geschichtsschreibung. Die Fragen, die ich gestellt habe, sind alle ernst gemeint und ebenso unbeantwortet. Warum gilt Goethe als Deutscher, Mozart aber bestenfalls mit hundert "Abers"? Wieso gilt Kant als Deutscher, Keller aber nicht? Diese Fragen sind unbeantwortet. Die Leute nehmen es einfach so hin, ohne darüber nachzudenken. Ich hätte auf diese Frage wirklich einmal eine Antwort, und ich hätte es gerne, wenn die Geschichtsschreibung in Zukunft konsequent wäre. Ich könnte auch damit leben, wenn endlich hochoffiziell festgestellt würde, dass es das deutsche Volk erst seit 1867 (Gründung des Norddeutschen Bundes) gibt und keinen Tag eher, wenn Goethe, Schiller, Kant und Bach konsequenterweise in Zukunft auch als Nichtdeutsche gelten würden. Aber das ist eben nicht so. Die einen werden als Deutsche bezeichnet, die anderen nicht, ohne Logik, ohne Begründung. Das bringt mich eben auf.

Du personalisierst hier in unzulässiger Weise die "deutsche Geschichtsschreibung". Mal abgesehen davon, dass ich den Begriff Geschichtsschreibung für fehl am Platze halte und eher Geschichtswissenschaft setzen würde - wiewohl es innerhalb der Geschichtswissenschaft ausreichend Leute gibt, die die Geschichtswissenschaft meinend dann doch den Begriff der Geschichtsschreibung oder Historiographie verwenden - suggerierst du damit eine fast schon Borg-ähnliche (diese gleichgeschalteten Wesen aus Star Trek) Korps-Identität, die schlicht nicht existiert - außer natürlich, zumindest bei denen die ernst genommen werden wollen - was die Einhaltung wissenschaftlicher Standards betrifft. Die Logik, warum jemand als Deutscher oder auch nicht bezeichnet wird, wirst du im Einzelfall den einzelnen Arbeiten entnehmen müssen, in denen das passiert.

Aber kehren wir zu den Quellen und der Quellenkritik zurück: Was ein Akademiker in Bern, Basel oder Zürich schreibt, trifft das auch auf Bergbauern zu, der den Sommer auf der Alm verbringt? Als was fühlt der sich? Was meint überhaupt der Terminus "deutsch" oder "teutsch" im Einzelnen? Meint er tatsächlich eine Nation oder nicht doch nur eine Sprache? Das wirst du in jedem Einzelfall jede Quelle fragen müssen, die du für diese Fragestellung heranziehst: Was ist eigentlich mit diesem Wort gemeint, wie definiert es sein Autor?

Das Wissen um seine nationale Zugehörigkeit und die Konsequenzen, die sich daraus ergeben (müssten), sind zwei Paar Schuhe. Man kann sich auch seines Deutschtums bewusst sein und trotzdem drauf sch..., um es mal etwas salopp zu formulieren. Das ist doch heute nicht anders als damals. Als ich meinen Wehrdienst geleistet habe, war es vielen Kameraden auch egal, welche Uniform sie trugen. Die hätten auch bei den Franzosen gedient, wenn sie gekonnt hätten. Und trotzdem fühlten sie sich als Deutsche oder wussten, dass sie welche waren. Man kann sein Vaterland auch hassen oder ihm gleichgültig gegenüberstehen.

Das ist dann aber nur noch eine Frage der juristischen Identität.
 
Zu Schwaben und Alemannen
Nööööe, die Alemannen und die Sweben/Schwaben sind ja nun von alters her zwei komplett verschiedene Schuhe. Die kommen denn doch aus unterschiedlichen Räumen zu unterschiedlichen Zeiten in ihren neuen Siedlungsgebieten an und haben auch eine unterschiedliche Ethnogenese. Wenn auch die Sprache sehr ähnlich klingt.
OT und spasshaft:
Die Nachfahren der daheimgebliebenen stehen sich heute noch an den Ufern der Oker mit Keulen gegenüber :)
OT off
 
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@ Simplicius
Du wirst wohl damit leben müssen, das es das deutsche Volk nicht gibt.
Es gibt viele Deutsche, aber nicht ein deutsches Volk. Derer gibt es wohl mehrere, und die deutschsprechenden/schreibenden Schweizer in ihrer Gesamtheit bilden nun mal kein Volk für sich allein, also auch kein "deutsches Volk". Und selbst die einzelnen Gruppen davon empfinden sich nicht als "Deutsche". Trotz 3Sat, Dudenkonferenz und sonstigen Sachen. Haben die "Deutschen" eben zu akzeptieren.
 
Es wäre schön, wenn der Threadersteller oder ein anderer zunächst die im Threadtitel genannte deutsche Identität konkret definiert. Was sind die Kriterien für eine deutsche Identität?

Erst wenn man gegebenenfalls Kriterien für eine deutsche Identität gefunden hat, kann man auch überprüfen, ob diese Kriterien auf Personen zutreffen, die zu unterschiedlichen Zeiten in der Schweiz lebten.
 
@ Simplicius
Du wirst wohl damit leben müssen, das es das deutsche Volk nicht gibt.
Es gibt viele Deutsche, aber nicht ein deutsches Volk...

Das ist so auch nicht ganz richtig.
Es gibt in der deutschen Gesetzgebung eine Besonderheit, die es so wohl in keinem anderen Land gibt. Denn zusätzlich zur Deutschen Staatsbürgerschaft gibt es noch den Begriff der deutschen Volkszugehörigkeit. Diese findet in § 6 Abs. 1 des Bundesvertriebenengesetzes (BVFG) eine nähere Bestimmung:
Demnach ist ein deutscher Volkszugehöriger eine Person, die sich in ihrer (außerdeutschen) Heimat „zum deutschen Volkstum bekannt hat, sofern dieses Bekenntnis durch bestimmte Merkmale wie Abstammung, Sprache, Erziehung, Kultur bestätigt wird“
Quelle: Volksdeutsche ? Wikipedia

Es gibt ein deutsches Volk und man kann auch außerhalb Deutschlands als Deutscher gelten, nur man muß sich schon an seinem alten Wohnsitz zu seiner deutschen Volkszugehörigkeit bekennen.
Soviel mal als kleiner Einwurf, wie es rechtlich aussieht.
Und um nun zum Thema zurück zu kommen: Wenn sich also die Schweizer (oder auch die Österreicher oder sonst wer) nicht als Deutsche verstehen, dann sind sie auch keine *Punkt*
 
Es wäre sehr hilfreich, wenn neue Ideen wenigstens ansatzweise die bereits vorhandene Darstellung vorhandener Ergebnisse der Historiographie zu diesem Thema und dem Schweizer Nationbuilding aufgreifen würden.

Aber wir können natürlich auch gerne alle 2 Stunden das Rad neu erfinden. Vielleicht wird es ja wieder rund. :devil:

@Heine: Nochmal: Die Art der Bildung von Nationen verläuft nicht! nach einem einheitlichen Verfahren. In Deutschland und in der Schweiz, so die Meinung der Nationalismus-Theoretiker bzw. -Historiker, verlief sie entlang unterschiedlicher historischer Entwicklungen. Deswegen ist es irreführend nach Kriterien für eine gemeinsame deutsche Identität zu suchen, da die Prozesse für die Bildung der Identität unterschiedlich waren (vgl. dazu #12 zu Ethnie und Agenten der Identitätsbildung)
 
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jau, Barbarossa, steht aber nicht drin, zu welchem "deutschen Volk" der sich zählt.
Und so soll es "Ex-Südtiroler" mit BRD Pass geben. Und andere Kuriositäten. Donauschwaben sind ja nun eigentlich "Österreicher ".
Aber das hat mit der Identität der Schweizer nichts zu tun. Obwohl, Aufenthalts und Arbeitserlaubnisse Deutschsprachiger in den jeweils anderen Staaten auch ein spezielles Thema sind. Es haben ja etliche Berühmtheiten ihren Hauptwohnsitz in einem anderen Staat gewählt, ohne die Staatsangehörigkeit zu wechseln.

Nun, wir haben eine "deutsche Identität" für Schweizer gesucht, und oben eigentlich festgestellt,-für mich bewiesen-, sie ist nicht zu finden, es gab und gibt sie nicht.
Nicht nur für uns nicht, auch die Begründer der Paulskirche sahen sie nicht. Es waren Vertreter der Deutschen aus allen Teilen des HRRDN eingeladen, Schweizer nicht. Oder irre ich mich?
 
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@thanepower: Ich hatte deine Beiträge schon so verstanden. Mir geht es vielmehr um den Begriff "deutsche Identität" konkret.
 
Entschuldigung. Ich habe gerade nicht die Zeit eure Beiträge genauer zu lesen, aber das folgt noch. Ein bis zwei Punkte, auf die ich gerne eingehen möchte:

Der Sachverhalt ist weder simpel, noch wird er durch die Hinweise auf die widersprüchlichen Ergebnisse zur Natiuonalismusforschung zerredet, sondern eher durch "Teutschtümelei" seines theoretischen Gehalts entledigt.

Speziell zur Frage der Bedeutung von Sprache als identitätsstiftendes Element stellt Weichlein folgendes fest:
...
...

"Simpel" finde ich die Tatsache, dass, wenn sich jemand als "deutsch" bezeichnet, er sich auch als "deutsch" betrachtet.
Was unter diesem "deutsch" im jeweiligen Zusammenhang zu verstehen ist, ist eine andere Frage, und da möchte ich auch gerne eure Ausführungen gelten lassen.

Heine
Es wäre schön, wenn der Threadersteller oder ein anderer zunächst die im Threadtitel genannte deutsche Identität konkret definiert. Was sind die Kriterien für eine deutsche Identität?

Das habe ich an mehrfacher Stelle schon getan. Hier noch einmal:
Es geht um die Sich-Selbst-Bezeichnung = Sich-Selbst-Einschätzung der Bevölkerung der Schweiz als "Deutsche", und wann, ob und in welchem Zusammenhang solche Selbstbezeichnungen statt gefunden haben.
 
jau, Barbarossa, steht aber nicht drin, zu welchem "deutschen Volk" der sich zählt.
Es gibt nur ein deutsches Volk, da es seit gut 20 Jahren auch nur einen Deutschen Staat gibt. Und selbst zur Zeit der deutschen Teilung galten die DDR-Bürger automatisch als Deutsche, wenn sie in die BRD kamen. (Umgekehrt ging das aber nicht.) Das gleiche gilt z. B. für die "Russlanddeutschen", und:
Donauschwaben sind ja nun eigentlich "Österreicher ".
auch die deutsche Minderheit in Rumänien. Wenn die nach Deutschland kommen und sich hier niederlassen wollen, brauchen sie sich nicht extra einbürgern lassen, sondern bekommen sofort den deutsche Pass, weil sie sich im Unterschied zu den Deutschschweizern als Deutsche verstehen.

Aber das hat mit der Identität der Schweizer nichts zu tun.
(...)
Nun, wir haben eine "deutsche Identität" für Schweizer gesucht, und oben eigentlich festgestellt,-für mich bewiesen-, sie ist nicht zu finden, es gab und gibt sie nicht...
Nö, gibts nicht, weil sie sich selbst nicht so sehen. Ich wollte das jetzt nur mal auf andere (offizielle) Weise herausarbeiten, wer als Deutscher gilt und wer nicht. Und ich wollte eben auch klar stellen, daß es nur ein Deutschland gibt und nicht mehrere Deutschlands. So ist z. B. Österreich eben Österreich und nicht ein anderes Deutschland. Und Liechtenstein ist Liechtenstein.
Das hat etwas damit zu tun, wie sich die Bevölkerung eines Landes selbst sieht. Kommt aber jemand und will so einen Landesteil wie die Deutschschweiz zu einer Nationalität oder Identität erklären, die es gar nicht sein will, so kommt es eben zu solchen Verstimmungen und Endlosdiskussionen, wie es sie in diesem Pfad auch wieder gegeben hat. Und das hat sogar noch ein "Geschmäckle", weil es so aussieht, als wollte der eine den anderen für sich vereinnahmen. Das sollte man tunlichst vermeiden.
Eine gemeinsame Sprache kann verbindend wirken (siehe DDR/BRD 1989/90 - und selbst da gibt es bis heute noch genug Zankereien), muß es aber nicht zwangsläufig.
 
Das ist so auch nicht ganz richtig.
Es gibt in der deutschen Gesetzgebung eine Besonderheit, die es so wohl in keinem anderen Land gibt. Denn zusätzlich zur Deutschen Staatsbürgerschaft gibt es noch den Begriff der deutschen Volkszugehörigkeit. Diese findet in § 6 Abs. 1 des Bundesvertriebenengesetzes (BVFG) eine nähere Bestimmung:
Quelle: Volksdeutsche ? Wikipedia

Für die Themenstellung (Deutsche Identität bei den Schweizern) hat das allerdings mE keine Relevanz.

Dennoch sollte ein Blick über den Wortlaut von Grundgesetz etc. hinaus auf den Bedeutungszusammenhang und die teleologische Auslegung geworfen werden:

"Ausgangspunkt aller staatlichen Gewalt und damit Subjekt demokratischer Legitimation ist nach Art. 20 Abs. 2 das Volk. Volk in diesem Sinne ist nach ganz überwiegender Ansicht das Staatsvolk der Bundesrepublik Deutschland. Das Staatsvolk wird grundsätzlich aus den deutschen Staatsangehörigen gebildet; hinzu kommen die Statusdeutschen nach Art. 116 Abs. 1 Alt. 2 und 3. Für dieses Verständnis des Staatsvolkes spricht zum einen der systematische Bezug zur Präambel sowie zu Art. 33, 56, 64 Abs. 2, 116 und Art. 146. "
Maunz/Dürig, Kommentar Grundgesetz, 2011, RN 79 zu Artikel 20.

Die "Statusdeutschen" sind also (teleologisch und nach dem Bedeutungszusammenhang: nur!) ein Konstrukt aufgrund der Nachkriegsfolgen und der Vertreibungen, ...

"Art 116 Abs 1 GG knüpft den Begriff des Statusdeutschen an folgende Tatbestandsmerkmale: Flüchtling oder Vertriebener deutscher
Volkszugehörigkeit“ ist eine Person, die ihren Wohnsitz außerhalb des heutigen Bundesgebiets hatte und ihn im Zusammenhang mit den Ereignissen am Ende des Zweiten Weltkriegs durch Vertreibung oder Flucht verloren hat...
Die deutsche Volkszugehörigkeit setzt das Bekenntnis zum Deutschtum unmittelbar vor Beginn der gegen die deutsche Bevölkerung gerichteten allgemeinen Verfolgungs- und Vertreibungsmaßnahmen voraus (BVerfGE 17, 224, 228; 59, 128, 151)...
Der Status eines „Deutschen“ iSd Grundgesetzes entsteht erst mit der Aufnahme in Deutschland."
Epping/Hillgruber, BeckOK GG Art. 116, RN 5.

Hieraus wird deutlich, dass es sich um ein Hilfskonstrukt handelt, unter der besonderen Situation. Bei den Statusdeutschen sind die o.a. Kriterien hilfsweise als "Ausdruck einer echten Bindung der Betroffenen an Deutschland" zu verstehen. Für eine Abgrenzung des "deutschen Volkes" taugt das nicht, und ist auch mE nicht auf die Sichtweise Dritter übertragbar.

Volk, Nation, Staat, Staatsvolk usw. sind daher auseinander zu halten, wie oben von den Mitdiskutanten auch schon mehrfach ausgeführt wurde. Ebenso sind "Identitäten" und Konstrukte, insbesondere Hilfskriterien aufgrund einer bestimmten Zielstellung, auseinander zu halten. Aber wie gesagt: mit der schweizer Sichtweise/Identität - wie immer die zu bestimmten Zeitpunkten aussieht oder gewirkt hat - hat das alles nichts zu tun.
 
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Ein weiteres Beharren auf der angeblichen Bedeutung der "Selbstbezeichnungsthese" kann faktisch durch die Darstellung der Geschichte der Schweiz durch "ursi" als widerlegt angesehen werden und ebenso auf der theoretischen Ebene der Nationalismusforschung.
Heißt also, wie ich gesagt habe: Wir ignorieren einfach, wie die Leute sich selbst bezeichneten und fühlten, und drücken ihnen eine Identität auf, die uns logisch erscheint. Das heißt, wir verändern die Geschichte nach unserem Gusto.

Ich kann Sie nicht verstehen. Ich kann Ihre ganze Argumentation nicht nachvollziehen. Wenn ein Herr Vetter sich als Deutscher sah, ist das ein Fakt, an dem Sie nichts ändern können. Punkt. Sie können Herrn Vetter als Deppen bezeichnen und daran herummäkeln, was er sagte, aber Sie können nichts daran ändern, dass er sich selbst so sah. Keine Tatsache ändert etwas daran.

Erklären Sie's mir bitte, weil ich's nicht verstehe. Ich kann Ihre Denkart nicht nachvollziehen und will es doch so gerne. Warum ist es Ihnen wurst, wie die Leute sich fühlten? Ist denn nicht DAS das Entscheidende? Wie können Sie hergehen und einem Herrn Vetter, der sich als Deutscher verstand, sagen, dass er keiner war? Warum wissen Sie besser als der Herr Vetter, was er war und was er nicht war? Wissen Sie besser als ich, wer ich bin? Können Sie einfach ignorieren, wie ich mich selbst sehe?

Warum gilt Goethe als Deutscher, Ferdinand Vetter aber nicht, obwohl sich beide als Deutsche verstanden?

Nun, wir haben eine "deutsche Identität" für Schweizer gesucht, und oben eigentlich festgestellt,-für mich bewiesen-, sie ist nicht zu finden, es gab und gibt sie nicht.
Dann erklären Sie mir, warum die genannten Schweizer sich dann als Deutsche bezeichneten. Was haben die damit gemeint? Dass sie Nichtdeutsche sind?

Das hat etwas damit zu tun, wie sich die Bevölkerung eines Landes selbst sieht. Kommt aber jemand und will so einen Landesteil wie die Deutschschweiz zu einer Nationalität oder Identität erklären, die es gar nicht sein will, so kommt es eben zu solchen Verstimmungen und Endlosdiskussionen, wie es sie in diesem Pfad auch wieder gegeben hat.
Es geht aber hier um die Geschichte. Und geschichtlich sah Österreich sich nun mal als deutsch, und geschichtlich sangen die Liechtensteiner in ihrer Landeshymne nun einmal bis 1963, dass sie Deutsche sind. An der Geschichte ändern heutige Befindlichkeiten gar nichts.

@ alle:
Mir hat bisher noch keiner erklären können, warum deutschsprachige Böhmen als Deutsche gelten, Luxemburger aber nicht (im historischen Kontext, nicht in der Gegenwart). Mir hat auch noch keiner erklären können, warum Goethe als Deutscher gilt, C. F. Meyer aber nicht.
 
Heißt also, wie ich gesagt habe: Wir ignorieren einfach, wie die Leute sich selbst bezeichneten und fühlten, und drücken ihnen eine Identität auf, die uns logisch erscheint. Das heißt, wir verändern die Geschichte nach unserem Gusto.

Ich kann Sie nicht verstehen. Ich kann Ihre ganze Argumentation nicht nachvollziehen. Wenn ein Herr Vetter sich als Deutscher sah, ist das ein Fakt, an dem Sie nichts ändern können. Punkt. Sie können Herrn Vetter als Deppen bezeichnen und daran herummäkeln, was er sagte, aber Sie können nichts daran ändern, dass er sich selbst so sah. Keine Tatsache ändert etwas daran.

Bisher ignorierst erst einmal du etwas:
a) Dass der Begriff deutsch nicht notwendigerweise immer dasselbe bedeutet, es wäre also eine Analyse vonnöten, die diesem Begriff im Einzelfall versucht näher zu kommen.
b) Dass man von Einzelmeinungen nicht auf das große Ganze schließen kann. Gesetzt dem Fall, dein Herr Vetter hätte sich tatsächlich als "Deutscher" im politischen Sinne gefühlt, sagt das nichts darüber aus, was seine Verwandten, Nachbarn und Mitbürger darüber dachten.


Erklären Sie's mir bitte, weil ich's nicht verstehe. Ich kann Ihre Denkart nicht nachvollziehen und will es doch so gerne. Warum ist es Ihnen wurst, wie die Leute sich fühlten? Ist denn nicht DAS das Entscheidende?

Die nationale Herkunft ist zunächst eine Frage der Geburt, des Gefühls eine der Erziehung. Die Nation und ein Zugehörigkeitsgefühl dazu sind Abstrakta. Wer nichts zu Beißen hat, dem kann es relativ egal sein, zu welcher Nation er gehört, es sei denn, die Zugehörigkeit zur Nation wird politisch instrumentalisiert und mit den benötigten Gütern geködert (wes Brot' ich ess...). Das Entscheidende ist die Zugehörigkeit zu einer Nation sicher nicht. Welchen Nutzen hat das für die Existenz?



Wie können Sie hergehen und einem Herrn Vetter, der sich als Deutscher verstand, sagen, dass er keiner war? Warum wissen Sie besser als der Herr Vetter, was er war und was er nicht war? Wissen Sie besser als ich, wer ich bin? Können Sie einfach ignorieren, wie ich mich selbst sehe?

Wie gesagt, als was Herr Vetter sich verstand ist - für die Identität seiner Umgebung - unerheblich, wenn er ein Einzelfall war.

Warum gilt Goethe als Deutscher, Ferdinand Vetter aber nicht, obwohl sich beide als Deutsche verstanden?
Viel interessanter ist doch, was sie jeweils mit dem Begriff deutsch meinten.
Es reicht eben nicht, eine Textstelle aufzuzeigen, nach der jemand von sich behauptet, er sei dieser oder jener Nation, sondern man muss auch genau schauen, was er darunter versteht.

Gänzlich unbegreiflich bleibt mir aber immer noch, warum das für dich einen solchen Aufreger darstellt.
 
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