Ein paar Fragen zu den Germanen

Pope schrieb:
Der Begriff "Germanen" war nach heutiger Lehrmeinung ursprünglich keine Eigenbezeichnung.
Das wissen wir nicht, denn der Name „Germanen“ ist eine Sammelbezeichnung für einen ursprünglich kleineren Teil germanischer Stämme.

Pope schrieb:
Die Germanen verstanden sich wahrscheinlich nicht einmal als ein einheitliches Volk, sondern sahen sich als das, was sie in Wahrheit waren: Als eine Vielzahl von unabhängigen Einzelstämmen.
Das läßt Tacitus gänzlich außer Acht. Tacitus berichtet, die Germanen hätten in uralten Liedern einen Urvater und Gründer ihres Volkes verehrt. Sie hätten sich auch in Verbänden zusammengefunden, ohne ihren Stamm aufzugeben. Die Namen dieser Stämme seien die echten alten Namen gewesen; die Tungrer seien damals Germanen genannt worden. So habe der Name eines Stammes, nicht eines ganzen Volkes, allmählich weite Geltung erlangt.

Barbarossa schrieb:
Aus wissenschaftlicher Sicht stellt sich das Problem des Germanenbegriffs und der "Germanen" westlich des Rheins folgendermaßen dar:
Caesar führte den Rhein als Scheide zwischen Germanien und Gallien ein, was aber nach sprachwissenschaftlichen Befunden und nach Bodenfunden nicht der Fall war. Zwischen den eigentlichen Germanen und den eigentlichen Kelten hat es ein Übergangsgebiet von keltisch beeinflußten Germanen gegeben, das sich von den Kelten nicht in Ost-West-Richtung trennte, sondern in Nord-Süd-Richtung. Der Name eines Teils oder für einen Teil keltisch beeinflußter Germanen hat durch Caesars Anwendung des Begriffs offenbar auch seine Benennung für die eigentlichen Germanen gefunden.

Barbarossa schrieb:
Bei allen genannten Autoren ist in der Wissenschaft bis heute strittig, welche wörtliche Bedeutung der Begriff "Germanen" aus deren jeweiliger Sicht hatte.
Barbarossa schrieb:
Das Wort "Germani" war bei den Kelten relativ häufig in Gebrauch und bedeutete bei ihnen soviel wie "Nachbarn".
Das ist widersprüchlich.
 
...Das ist widersprüchlich.
Erst mal vielen Dank für die vielen Hinweise.
@Horst-das finde ich nicht. Beim ersten Satz ging es um die jeweiligen Autoren und deren Sicht und beim zweiten um die wörtliche Bedeutung bei den Kelten, was ein Unterschied ist.
Oder sehe ich jetzt was falsch?
:grübel:
 
Das wissen wir nicht, denn der Name „Germanen“ ist eine Sammelbezeichnung für einen ursprünglich kleineren Teil germanischer Stämme...
Aber man darf annehmen, daß auch sie sich nicht selbst so nannten, da dieser Name auch nicht aus dem Germanischen kommt-oder?

Der Hinweis mit Tacitus und dem Urvater Mannus ist gut, aber das habe ich für einen späteren Abschnitt - Mythologie - vorgesehen, wo es wohl auch reingehört.
 
Zuletzt bearbeitet:
Aber man darf annehmen, daß auch sie sich nicht selbst so nannten, da dieser Name auch nicht aus dem Germanischen kommt-oder?.

Ja, so weit sind sich alle Sprachwissenschaftler und auch Vorgeschichtsforscher einig: "Germanen" ist ist eine Sammelbezeichnung von ursprünglich keltischer Seite (das gilt wohl als gesichert) für die benachbarten und bei aller ethnischen und sprachlichen Verwandtschaft verschiedenen Völkerschaften. Ebenso ist Konsens, dass die Herkunft des Namens "Germanen" ungeklärt ist und antike Quellen nicht immer zwischen Germanen, Skythen und Kelten unterscheiden.

Für eine Gliederung der Germanen hilft die mythische Einteilung in Ingwäonen, Istwäonen und Hermionen - wie sie von Tacitus und Plinius überliefert ist - nicht viel weiter. Eher ist als Arbeitshypothese die Scheidung in Westgermanen (Alemannen, Sueben, Markomannen, Franken), Ostgermanen (Vandalen. Goten, Heruler, Warnen, Rugier, Burgunder, Gepiden, Langobarden) sowie Elb-, Nordsee- und Nordgermanen brauchbar.

In diesem Zusammenhang muss man sich darüber im klaren sein, dass von den Germanenstämmen der Völkerwanderung am Schluss nur noch so genannte "Traditionskerne" blieben, da eine kräftige Durchmischung mit fremden Elementen wie Daker, Sarmaten, Alanen usw. erfolgte.
 
Barbarossa schrieb:
Beim ersten Satz ging es um die jeweiligen Autoren und deren Sicht und beim zweiten um die wörtliche Bedeutung bei den Kelten, was ein Unterschied ist.
Oder sehe ich jetzt was falsch?
Woher weißt du, welche Bedeutung das Wort bei den Kelten hatte? Wenn es eine eindeutige wörtliche Bedeutung bei den Kelten gab, warum sollte sie dann in der Wissenschaft strittig sein? Ist sie aber strittig, dann ist doch anzunehmen, daß sie auch nicht sicher die von dir angegebene Bedeutung hat, oder?
Barbarossa schrieb:
Aber man darf annehmen, daß auch sie sich nicht selbst so nannten, da dieser Name auch nicht aus dem Germanischen kommt-oder?
Eine gemeingermanische Wortbedeutung von "Ger" ist bisher angeblich weder überliefert noch erschlossen; was mich angesichts von Vornamen wie Gerlinde oder Gerhard etwas verwundert. Die etymologische Erklärung „ger-mann“ - zu „ger“ wie „Wurfspieß“- wurde von Tacitus behauptet und war lange weit verbreitet, ist jedoch wohl nicht haltbar. Die Herkunft des Namens muß deshalb nicht keltisch sein, sie könnte auch ungeklärt sein.
Dieter schrieb:
"Germanen" ist eine Sammelbezeichnung von ursprünglich keltischer Seite (das gilt wohl als gesichert) für die benachbarten und bei aller ethnischen und sprachlichen Verwandtschaft verschiedenen Völkerschaften. Ebenso ist Konsens, dass die Herkunft des Namens "Germanen" ungeklärt ist und antike Quellen nicht immer zwischen Germanen, Skythen und Kelten unterscheiden.
Als ältester Beleg für das Wort „Germanen“ gilt ein Verzeichnis von siegreichen Feldherren (fasti triumphales) zum Jahre 222 v.d.Z. Dort wird der Sieg des Marcus Claudius Marcellus bei Clastidium über „Galleis et Germaneis“ genannt. Damals belegte man offenbar südalpine Gallier mit dem Germanenbegriff. In Rom wurden die in Mitteleuropa lebenden Völkerschaften aber noch lange Zeit nicht als Germanen bezeichnet; ein Zusammenhang ist daher eher abwegig. Die Kimbern wurden zur Zeit ihres Auftretens nicht als Germanen angesehen, sondern überwiegend für Kelten gehalten. Versteht man unter dem Begriff Germanen eine volkstümliche Einheit, die sich entweder selbst Germanen nennt oder von anderen Zeitgenossen Germanen genannt wird, dann treten Germanen zum ersten Mal in der Geschichte auf, als sie Caesar im Bellum Gallicum nennt, unbesehen vorheriger Nennungen des bloßen Namens.
 
Wikipedia schrieb:
Eine gemeingermanische Wortbedeutung von "Ger" ist bisher angeblich weder überliefert noch erschlossen; was mich angesichts von Vornamen wie Gerlinde oder Gerhard etwas verwundert.


Du wunderst Dich mit Recht, auch wenn ich nicht weiß, wie Du aus deutschen Vornamen wie Gerlinde oder Gerhard auf eine gemeingermanische Wortbedeutung von "Ger" schließen willst.
Die Bedeutung "Wurfspieß"/"Wurfspeer" dürfte wohl außer Zweifel stehen. Zu rekonstruieren ist (laut Wolfgang Pfeifer, Etymologisches Wörterbuch des Deutschen, Berlin 1993) die Lautform *gaiza-, der ein keltisches Pendant entspricht, das im Lateinischen als "gaesum" und im griechischen als "gaison/gaisos" ("Wurfspieß der Gallier") bezeugt ist. (Hätten sich die Germanen nach ihrem Wurfspieß benannt, wären sie als "Gaisomanen" bekannt geworden.)


Die etymologische Erklärung „ger-mann“ - zu „ger“ wie „Wurfspieß“- wurde von Tacitus behauptet und war lange weit verbreitet, ist jedoch wohl nicht haltbar.


Die etymologische Erklärung dem Tacitus zu unterschieben, halte ich für Unfug. Wo soll denn Tacitus das behauptet haben?
 
Zuletzt bearbeitet von einem Moderator:
Woher weißt du, welche Bedeutung das Wort bei den Kelten hatte? Wenn es eine eindeutige wörtliche Bedeutung bei den Kelten gab, warum sollte sie dann in der Wissenschaft strittig sein? Ist sie aber strittig, dann ist doch anzunehmen, daß sie auch nicht sicher die von dir angegebene Bedeutung hat, oder?
Eine gemeingermanische Wortbedeutung von "Ger" ist bisher angeblich weder überliefert noch erschlossen; was mich angesichts von Vornamen wie Gerlinde oder Gerhard etwas verwundert. Die etymologische Erklärung „ger-mann“ - zu „ger“ wie „Wurfspieß“- wurde von Tacitus behauptet und war lange weit verbreitet, ist jedoch wohl nicht haltbar. Die Herkunft des Namens muß deshalb nicht keltisch sein, sie könnte auch ungeklärt sein...
Wortbedeutung von "Ger"? Davon war doch jetzt auch gar keine Rede (jedenfalls nicht von mir), aber das mit dem Namen "Germani"(keltisch)="Nachbarn" habe ich hier gelesen und es gab keinen Widerspruch. :S
 
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timotheus schrieb:
Diese Diskussion hatten wir übrigens schon mehrfach...
Ein Ergebnis gab es aber nicht, oder?
vgl. http://www.geschichtsforum.de/showpost.php?p=9671&postcount=17
Die Bedeutung kelt. germani = Nachbarn trifft ja wohl nicht zu.
hyokkose schrieb:
Du wunderst Dich mit Recht, auch wenn ich nicht weiß, wie Du aus deutschen Vornamen wie Gerlinde oder Gerhard auf eine gemeingermanische Wortbedeutung von "Ger" schließen willst.
Will ich nicht. Die Vornamen gehen wohl auf eine germanische Waffe namens Ger zurück, die aber, wenn ich das jetzt richtig verstanden habe, nicht auf die Lautform *gaiza- zurückgeführt werden kann, weshalb sich die Germanen nicht nach dem Wurfspieß der Gallier benannt haben können, oder? So sind die Germanen wohl nach ihrer eigenen Waffe benannt.
hyokkose schrieb:
Die etymologische Erklärung dem Tacitus zu unterschieben, halte ich für Unfug.
Danke, dann ist das ja geklärt.
 
Ein Ergebnis gab es aber nicht, oder?
vgl. http://www.geschichtsforum.de/showpost.php?p=9671&postcount=17
Die Bedeutung kelt. germani = Nachbarn trifft ja wohl nicht zu.

Natürlich kann es kein Ergebnis gegeben haben, denn mW ist sich selbst die Wissenschaft da nicht ganz einig.

Aber noch einmal zur keltischen Bedeutung: soweit ich dies verstanden bzw. bisher gelesen habe, sprechen verschiedene Lexika lediglich von der Möglichkeit, daß der Name Germanen keltischen Ursprungs ist und für benachbarte Stämme als Sammelbezeichnung verwendet wurde. Dies bedeutet aber noch lange nicht, daß keltisch germani = Nachbarn heißt. Immerhin aber hatte Hyokkose seinerzeit einen Verweis aufs Altirische angeführt, nach dem dies durchaus denkbar ist: http://www.geschichtsforum.de/showpost.php?p=9604&postcount=13

Die Vornamen gehen wohl auf eine germanische Waffe namens Ger zurück, die aber, wenn ich das jetzt richtig verstanden habe, nicht auf die Lautform *gaiza- zurückgeführt werden kann, weshalb sich die Germanen nicht nach dem Wurfspieß der Gallier benannt haben können, oder? So sind die Germanen wohl nach ihrer eigenen Waffe benannt.

Ich hatte das eigentlich etwas anders verstanden...
gaisaz oder gaiza ist germanisch und bedeutet Speer, während die Waffenbezeichnung Ger eine spätere (frühmittelalterliche?) Schöpfung ist.
ger gibt es als germanisches Wort zwar auch, jedoch bedeutet dies begehren oder verlangen.
Vgl. dazu aus dem germanischen Wörterbuch: http://www.koeblergerhard.de/germanistischewoerterbuecher/germanischeswoerterbuch/germ-G.pdf
 
Ein Ergebnis gab es aber nicht, oder?
vgl. http://www.geschichtsforum.de/showpo...1&postcount=17
Die Bedeutung kelt. germani = Nachbarn trifft ja wohl nicht zu.


Es wäre immerhin möglich, daß es sich tatsächlich um eine Ableitung von einem keltischen Wort mit der Bedeutung "Nachbarn" (vgl. altirisch "gair") handelt. Beweisen läßt sich das jedoch nicht.


horst schrieb:
Eine gemeingermanische Wortbedeutung von "Ger" ist bisher angeblich weder überliefert noch erschlossen; was mich angesichts von Vornamen wie Gerlinde oder Gerhard etwas verwundert.
hyokkose schrieb:
Du wunderst Dich mit Recht, auch wenn ich nicht weiß, wie Du aus deutschen Vornamen wie Gerlinde oder Gerhard auf eine gemeingermanische Wortbedeutung von "Ger" schließen willst.
horst schrieb:


Dann bleibt allerdings Dein Hinweis auf Gerlinde und Gerhard völlig unverständlich.


Die Vornamen gehen wohl auf eine germanische Waffe namens Ger zurück, die aber, wenn ich das jetzt richtig verstanden habe, nicht auf die Lautform *gaiza- zurückgeführt werden kann


Nein, im Gegenteil. Also noch einmal:

Das Wort für den Wurfspieß hieß im Gemeingermanischen *gaiza.

Aus *z wird im späteren Germanisch - außer im Gotischen - ein r. Der Wandel von *gaiza zu "Ger" ist somit genauso eine reguläre Erscheinung wie der Wandel von "maiza" zu "mehr".

spontaner Wechsel von urgerm. z (sth. s) zu westgerm. r im Inlaut, z.B. got. maiza > ahd. mero ›mehr‹. Der Wandel ist in allen germ. Spr. außer dem Got. anzutreffen.
http://www.phil.muni.cz/german/mediaev/histent/term/termini.htm

Wir haben es also mit einem germanischen Wort *gaiza zu tun, das (sicher nicht rein zufällig) mit einem bedeutungsgleichen keltischen Wort "gaisa" übereinstimmt.

Nicht entschieden werden kann, ob die Übereinstimmung des keltischen *gaisa mit dem germanischen *gaiza auf Urverwandtschaft oder Entlehnung beruht.


So sind die Germanen wohl nach ihrer eigenen Waffe benannt.


Dann hätten sie sich ja Gaizamanen nennen müssen. Das wäre dann im Lateinischen als "Gaesamani" wiedergegeben worden, jedoch bestimmt nicht als "Germani". Also kann die Ableitung von der Waffe *gaiza (dem späteren "Ger") nicht stimmen.
 
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Und trotzdem ist im Kreuzworträtsel der GER als germanischer Wurfspieß die zutreffende Lösung.

Mit Gruß vom Spezialisten für unqualifizierte Beiträge
 
Jawoll!! Wo bleiben nun die urgermanisch vermuteten Gerhilds, Gerhards, Gerburgs, Gerlindes .....?

Vor allem aber, wie mein Vorredner beklagt, der schöne germanische Kreuzwortwurfspieß GER?
 
Und trotzdem ist im Kreuzworträtsel der GER als germanischer Wurfspieß die zutreffende Lösung.


Sicher, solange es sich um ein deutschsprachiges Kreuzworträtsel handelt. Bei altnordischen, gotischen oder langobardischen Kreuzworträtseln ist jeweils ein Lösungswort mit fünf Buchstaben gesucht.
 
Zuletzt bearbeitet von einem Moderator:
Kurze Zwischenfrage: Wofür steht das * in *gaiza? Hab dies schon öfter bei germanischen Wörtern gelesen.
 
Kurze Zwischenfrage: Wofür steht das * in *gaiza? Hab dies schon öfter bei germanischen Wörtern gelesen.


Das steht (nicht nur bei germanischen Wörtern) vor Formen, die als solche nicht schriftlich belegt sind, sondern aus späteren Formen oder aus verwandten Wörtern oder Lehnwörtern aus anderen Sprachen rekonstruiert werden können.

Z. B. läßt sich aus Formen wie etwa "Burg" (deutsch), "borg" (schwedisch), "-burgh"/"borough" (englisch) und auch aus dem von lateinischen Quellen bekannten "Teutoburgiensis Saltus" hinreichend zuverlässig rekonstruieren, daß es ein germanisches Wort *burg gegeben haben muß, auch wenn mangels urgermanischer Texte dieses Wort als solches nicht direkt belegt ist.
 
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