Ich mag an dieser Stelle ein kurzes Interview mit einer Matriachatforscherin in den Ring werfen.
Wie lebt es sich im Matriarchat?: "Frauenherrschaft? Das ist Unfug!" - n-tv.de
Als charakteristische Elemente matriarchaler Kulturen nennt die oben verlinkte Matriarchatsforscherin Heide Göttner-Abendroth das Vorhandensein eines gesellschaftlichen Konsensmodells, Matrilinearität (Abstammungsrechnung nach der Mutter), eine an Ausgleich orientierte Ökonomie und eine an vegetativen Kreisläufen ausgerichtete Religiosität. Im Matriarchat gibt es für Göttner-Abendroth weder Krieg noch ökologische Probleme. Kein Wunder, daß der promovierten Philosophin vorgeworfen wird, eine allzu idealisierte Darstellung der menschlichen Sozial- und Kulturgeschichte zu liefern, die nur indirekt aus Funden von Artefakten abgeleitet worden sei.
Hierbei könnte es sich wissenschaftlich betrachtet
um die Überbleibsel eines Matriarchats handeln. In England wird ja auch die Tradition der Könige repräsentativ fortgesetzt obwohl diese schon länger nichts mehr zu sagen haben. Die Engländer lassen sich das sogar viel Geld kosten.
Es gibt keinen Beweis für ein historisches Matriarchat, also eine "Frauenherrschaft". Historisch erwiesen ist lediglich in einigen Gemeinschaften eine
Matrilinearität, d.h. eine Abstammung sowohl der männlichen als auch der weiblichen Nachkommen über die weibliche Vorfahrenlinie bzw. über die Mutter. Das Verwandtschaftssystem sagt aber noch nichts über die politische Machtverteilung einer Kultur aus. So hat eine matrilineare Verwandtschaftsorganisation nicht automatisch die Konsequenz, dass Frauen die politische Macht innehaben. Man kann allerdings vermuten, dass Frauen in solchen Gesellschaften eine günstige und angesehene Position besaßen, da an ihnen die Erbfolge haftete.
Ich denke, dass auch im Urchristentum die Stellung der Frau durchaus gut war bis einige Nachfolger sich auf das alte Testament und ihre eigene Verachtung für Frauen besannen.
Das Judentum war wie alle Gesellschaften Vorderasiens patriarchalisch strukturiert, d.h. hier wie auch bei den Babyloniern oder Assyrern spielte die Frau im politischen und öffentlichen Leben keine Rolle. Warum sollte das im Urchristentum anders gewesen sein? Ich denke es ist ein Mythos zu glauben, dass erst eine vermeintlich frauenfeindliche Kirche die Frau in eine untergeordnete Stellung gedrängt hätte; das beruht auf einer uralten vorderasiatischen Gesellschaftsstruktur - trotz Maria oder Maria Magdalena.
Einen ähnlichen Verlauf nahmen die Bestrebungen des Propheten Mohammed, des Stifters des Islam. Er reformierte ebenfalls die Position der Frauen in der damaligen Gesellschaft und verschaffte ihnen mehr Rechte in der damaligen Zeit. Seine damals so fortschrittlichen Bestrebungen für die Frauenrechte werden heute von z.B. den Taliban völlig missgedeutet. Und auch im restlichen Islam werden die Worte des Propheten sehr einseitig gelebt.
Von fortschrittlichen Regeln in Bezug auf Frauen kann im
Koran und
traditionellen muslimischen Gesellschaften nicht die Rede sein. In vielen Punkten werden die muslimischen Frauen nicht als den Männern gleichberechtigt betrachtet. Sie haben zwar eine soziale Verantwortung zu tragen und sind Gegenstand von Belohnung und Bestrafung wie die Männer, doch fällt die Bestrafung oft härter aus, was sich aus der besonderen Betonung der Ehre ergibt. Bei Übertretungen in Glaubensfragen wird die Verantwortung der Frau als geringer als die ihres Mannes betrachtet.
Das traditionelle Ehe- und Familienrecht im Islam sieht eine Vorrangstellung des Mannes vor: Polygamie, Mischehe, Recht auf Entlassung der Frau, Vollmacht über die Ehefrau (
Koran 4,34: "Die Männer haben Vollmacht und Verantwortung gegenüber den Frauen, weil Gott die einen vor den anderen bevorzugt hat und weil sie von ihrem Vermögen [für die Frauen] ausgeben. ... Ermahnt diejenigen, von denen ihr Widerspenstigkeit befürchtet, und entfernt euch von ihnen in den Schlafgemächern und schlagt sie. Wenn sie euch gehorchen, dann wendet nicht Weiteres gegen sie an.")
Ferner geht die traditionelle islamische Gesellschaft von einer strengen Arbeitsteilung aus, wobei der öffentliche Bereich Domäne des Mannes und der innere Bereich Domäne der Frau ist. Das bedeutet, dass öffentliche Ämter den Frauen nicht zugänglich waren. Dass sich das heute im Gegensatz zur Zeit Mohammeds und seiner Nachfolger in einigen Staaten - längst nicht in allen - in manchen Punkten geändert hat, steht auf einem anderen Blatt.
Diese Voraussetzungen änderten sich als die Menschen sesshaft wurden und sich stark vermehrten. Zu diesem Zeitpunkt muss sich auch die Rollenverteilung in den Gesellschaften verändert haben.
Die feministische Matríarchatsforschung hat lange Zeit ein Matriarchat im frühen Neolithikum postuliert. Sie ging davon aus, dass der Feldbau mit Grabstock und Hacke vorwiegend von Frauen betrieben wurde, und Frauen somit einen wesentlichen Beitrag zur Existenzsicherung des Dorfs und seiner Bewohner leisteten. Dadurch seien Frauen gegenüber den Männern in eine gesellschaftlich begünstigte Stellung gerückt, was sich auch in öffentlicher Funktion (z.B. "Dorfvorsteherin") bemerkbar gemacht hätte. Diese Position sei erst mit dem schweren, von Ochsen gezogenen Pflug, den Frauen wegen geringerer Körperkraft nicht führen konnten, verloren gegangen. Als Beweis dieser Hypothese, die auch die bekannte Archäologin Marija Gimbutas vertritt, werden die unzähligen Frauenstatuetten genannt (solche von Männern fehlen bis auf ganz wenige), die man aufgefunden hat.
Allerdings: Wer in 10 000 Jahren gräbt und unzählige Marienstatuen findet, kommt zu einem Fehlschluss wenn er annimmt, die Gesellschaft des 20. Jh. sei ein Matriarchat gewsen.