Das Thema hat mich auch vor kurzem interessiert, wozu ich Niall Fergusons "Der falsche Krieg" gelesen habe. Sehr interessant, weil es sich abhebt von einseitigen Betrachtungen. Bei seinen Recherchen hat er jedenfalls herausbekommen, dass auch England plante im Kriegsfall die Neutralität Belgiens zu verletzen, um so den Handel mit Deutschland (Antwerpen dafür zu besetzen) massiv zu schädigen. Hatte ich vor diesem Buch nicht gewusst, was aber ein ganz merkwürdiges Licht auf die vorgeworfene Kriegsschuld Deutschlands wirft. Wenn also Deutschland darauf verzichtet hätte und nur über Luxemburg nach Frankreich eingefallen wäre, hätte dass keinesfalls verhindert, dass sich der Krieg auch auf Belgien ausgeweitet hätte. Dieser Ablauf war durchaus möglich, denn der ursprüngliche Schlieffenplan wurde ja auch soweit modifiziert, dass auf eine Verletzung holländischen Gebietes verzichtet wurde. Im Ablauf hätte jedoch bei einer englischen Neutralitätsverletzung das Land Belgien auf Seiten der Mittelmächte gekämpft, was nicht nur in Europa einen anderen Kriegsverlauf verursacht hätte. Was noch eine Rolle spielte war der Zeitfaktor, wie lange etwa England brauchte die Opposition für einen Beitritt zum Krieg zu überzeugen, wenn es keinerlei Grund dafür gab. Ferguson gibt dazu an, dass ohne deutsche Neutralitätsverletzung der Kriegsbeitritt überhaupt nicht zu Stande gekommen wäre, was auf mittlerer Sicht den technisch effektiver kämpfenden deutschen Heer den Sieg gebracht hätte im Westen. Danach wäre wohl der Krieg im Osten noch vor 1917 beendet gewesen, weil den Russen jede weitere Unterstützung fehlte (vor allem finanziell).