Karl May beschreibt aber nicht alle Indianer positiv. Diejenigen, die unter "deutschem Einfluß" stehen, sind etwas Besseres, so wie die von ihm beschriebenen Apachen, die einen Deutschen als Lehrer haben. Also bedürfen die Indianer der Belehrung (ganz klar), und möglichst von Deutschen. Da spiegelt sich das Zeitalter des Imperialismus wieder (bei Cooper veredelt dann natürlich der Kontakt mit und die Orientierung auf die englische Kultur), das die Segnungen der eigenen Kultur als Zivilisation zu den vorgeblich Wilden bringen wollte, tatsächlich damit aber die Kolonisierung und Eroberung bemäntelte.
Außerdem versetzt May seine Apachen in Pueblos, in denen sie nie gelebt haben. Noch besser kommen diejenigen weg, die sich in Richtung Christentum orientieren, also an einem europäischen Muster, nicht nur bei der Religion, sondern auch kulturell. Das erinnert schon an eine Umerziehung vom "Wilden" zum "Menschen" - und findet sich auch in der US-Geschichte wieder, in der lange Zeit indianische Kinder derart "erzogen" werden sollten: kill the Indian and keep the man.
Im Gegensatz dazu beschreibt May die "anderen" Indianer durchaus als wild, verschlagen, lügnerisch und äußerst gefährlich. Diese Dichotomie mit guten Indianern, mit denen man gerade verbündet ist und die man eine zeitlang für eigene Zwecke brauchen kann und denjenigen, die mit einem anderen Kolonisator verbündet und damit schlecht sind, ist in Nordamerika nicht ungewöhnlich.
Aber auch die Charakterisierung als edle Wilde oder brutale, blutdürstige Wilde ist nicht auf May oder Cooper begrenzt. Es sind aber beides rassistische Stereotypen, die die Beschriebenen eben nicht als Menschen wie du und ich wahrnehmen. Das eine stellt (nicht nur) Indianer als grausame Untermenschen dar, die sich der Zivilisation mit Blutbädern widersetzen. Das andere überhöht sie scheinbar, erklärt sie aber nichtsdestoweniger zu Wilden und gleichzeitig zu einer im Prinzip ausgestorbenen bzw zum Aussterben verurteilten Spezies, da sie einem Stand entsprechen, den wir Zivilisierten leider, leider glücklicherweise schon lange hinter uns gelassen haben. Im Grunde genommen wird damit gesagt: sie sind zwar besser als wir, aber das ist ein Fehler, der zum Untergang führt. Denn daß man sich selbst vielleicht wieder einem besseren Zustand annähert, ist gar nicht geplant, man ist ja gerade so schön am Erobern und Entdecken.
Es war auch kein neuer Einfall von May, seinem Winnetou Pläne anzudichten, alle Indianer gegen die Weißen zu vereinen. Solche Bestrebungen hatte es gegeben, zb von Tecumseh, der auch ein ansehnliches Bündnis von Völkern im östlichen Kulturareal zustande bekommen hatte.
Als Nebenbemerkung: interessant ist auch, wie Charlie Shatterhand sich innerlich krümmt und windet, weil Winnetous Schwester Heiratsabsichten hat. Es wird deutlich, daß er sie nicht als gleichwertig menschlich ansehen kann - da kommt denn der Überfall und ihr Tod sehr gelegen.
May bestärkt außerdem die europäisch-zentrierte Sichtweise indianischer Kulturen, indem er zb den Häuptlingen eine Stellung gibt, die nicht der Realität, sondern eher der europäischen Kultur entspricht.
Interessant dabei ist auch, daß eine ähnliche Herangehensweise Cooper dazu bringt, seinen Unkas als superguten reinen Wilden darzustellen - während er in Wirklichkeit wohl eher ein alkoholsüchtiger Stinkstiefel gewesen ist. Unkas war ein "brauchbarer Wilder", der bereit war, den englischen Siedlern bei der Bekämpfung und Vernichtung mehrerer Nachbarvölker zu helfen, wobei Unkas die Mohegan in eine ökonomisch und machtpolitisch bessere Position bringen wollte anstelle der Narragansett-Konföderation, die den Handel bis dahin kontrollierten und Nachbarvölker in abhängige Positionen gebracht hatten.