heinz schrieb:
Liebe Ingeborg,
es ist doch völlig klar, dass das Vergangene immer im idealisiertem Licht hingestellt wird und nur ein toter Indianer ein guter Indianer war. Dass das Leben in den heutigen Reservationen anders aussieht, ist doch bekannt.
Dass Karl Mays Bücher keine Quelle sachlicher Informationen sind ist ebenso klar, da er erst nach Erscheinen seiner Bücher diese Gebiete besucht hat.
Ich habe trotzdem als Jugendlicher seine Bücher verschlungen und ich glaube, dass mir dieses nicht unbedingt geschadet hat.
Der Satz ist in zweierlei Hinsicht verstanden worden (und dies ist teils heute noch der Fall!):
1. als Begründung, lebende Indianer zu töten
2. wurden dann die, die bereits tot waren, gut weil tot.
Was May betrifft: ich denke, die Lektüre schadet doch! Und zwar insofern, als Kinder und Jugendliche in einem Alter, in dem man leicht zu beeindrucken ist, mit Informationen über Indianer 'gefüttert' werden, die reine Fiktion sind und Indianer als primitiv, grausam und nur dann einigermaßen erträglich schildern, wenn sie durch deutsche Lehrer "zahmer" gemacht wurden. Dies muß natürlich das Bild bestimmen, was die Leser - teils noch als Erwachsene - von Indianern haben.
Was regt sich doch manch einer von uns auf, daß/wenn Amerikaner von Deutschen erwarten, in Krachledernen und Tirolerhut rumzulaufen etc. Kenn' wir ja, was wir angeblich alles so an Klamotten anhaben und was wir tun. Daß dies in keiner, aber auch gar keiner Weise der Realität entspricht, wissen *wir* und finden es teils gar nicht amüsant, welche Stereotypen über uns im Umlauf sind.
Indianer aber sollen ruhig weiter so porträtiert werden, wie es der Realität nicht entspricht, nur weil es uns besser gefällt und wir es halt gerne lesen und es schadet ja nicht....
Wie meinst du, daß "das Leben in den heutigen Reservaten anders aussieht"? Anders als was?
Leider mußt du dich da von dem Bild des in der Tourismusunterhaltung oder in einem Casino tätigen Indianer weitgehend verabschieden. Die Reservationen liegen am Ar..m der Heide und viele davon sind auch in keiner Weise gegendmäßig etc touristisch interessant. Tourismus gibt es nur in wenigen Reservaten und Casinos sind auch nicht so breit gestreut. Durch die in den Reservationen häufig herrschende Armut sind diese auch nicht besonders vorzeigbar, da man Touristen ja im allgemeinen nicht mit Elend belästigen will.
In den meisten Reservaten beträgt die Arbeitslosigkeit 70 bis über 90&. Da sie so isoliert liegen, ist eine Ansiedlung von Betrieben kaum möglich. Dazu kommt, daß bis in die 1970er Jahre die vom Bureau of Indian Affairs (BIA) in den Reservationen angebotene Schulbildung durchschnittlich ! vier Jahre betrug und daher die Schulbildung auch nur für nicht besonders anspruchsvolle Berufe "qualifizierte". Durchschnittlich vier Jahre bedeutete in der Praxis, das die vom BIA angebotene Schulbildung zwischen einem ! und zwölf Jahren variierte.
Dazu kommt, daß zb in den Reservationen der Plainsindianer die Regierung in Washington die seinerzeit noch erhaltenen Stammesstrukturen aufbrechen und u.a. verhindern wollten, daß sie wie üblich in Dörfern zusammenlebten, sich gegenseitig helfen konnten und vielleicht - Gott bewahre - durch das enge Zusammenleben gegenüber dem Agenten und der Verwaltung aufmüpfig werden.
Daher wurden die Familien gezwungen, auf dem ihnen zugeteilten Land Häuser zu bauen und leben isoliert voneinander. Das bedeutet aber auch lange Schulwege für die Kinder, da die Schulen in der Regel in der Agentur liegen.
Aufgrund des überwiegend schlechten Bodens in den Reservationen (wie gesagt sind über 50% des Reservationslandes Wüste und Halbwüste) ist ein Lebensunterhalt durch Ackerbau auch nicht überall möglich; wo er möglich ist, ist er früher wie heute an den fehlenden finanziellen Mitteln der Familien gescheitert. Die Völker der Plainskulturen sollten zwar Bauern werden, aber ohne Kapital und ohne entsprechende Ausrüstung.
Aber auch außerhalb der Plains liegen die Reservationen isoliert und verkehrsungünstig, was einer Ansiedlung von Betrieben entgegensteht; welche Folgen in Richtung Arbeitslosigkeit das hat, ist klar.
Zum anderen gehören insbesondere im Umland der Reservationen Indianer auch heute noch nicht zu den gern gesehenen, geschweige denn eingestellten Arbeitnehmern. Auch dies trägt zur hohen Arbeitslosenrate bei.
In den 50er und 60er Jahren des 20. Jahrhunderts wurden Indianer gerne vom BIA in Jobs in den Großstädten vermittelt, was sich so auswirkte, das heute mehr Indianer außerhalb der Reservate wohnen als innerhalb. Große Chancen bestanden auch dort nicht: dies betraf eine Generation mit arg dünner Schulbildung (zwar war auch rein theoretisch in den Reservationen die übliche Schulpflicht gegeben, aber rein praktisch wurde dies in den wenigsten Reservationen umgesetzt), die also auch in ungelernte Jobs vermittelt wurde. Indianer gehörten überdies zu dem Arbeitsnehmerkreis, für den galt: last hired, first fired (als letzte eingestellt, als erste entlassen).
Zudem mußten viele Familien damals unterschreiben, daß sie alle Rechte als Reservationsindianer aufgeben und durften dann im Fall der Arbeitslosigkeit auch nicht in die Reservation zurückkehren.
Auf den Reservationen ist auch heute der größte Arbeitgeber das BIA, also mit Stellen in der Verwaltung oder bei der Polizei. Bis heute werden aber eingestellte Indianer gerne auf andere Reservationen geschickt, wo sie keine Bindungen haben und die Sprache und Kultur nicht kennen.
Wenn du jetzt meinst, die 70er und 80er Jahre des 20. Jhdts seien nun auch schon etwas länger her: in Washington State gibt es eine Reservation der Makah-Indianer. Dort beträgt außerhalb der Fischereisaison die Arbeitslosigkeit 91%! Und dies, obwohl es dort etwas Tourismus gibt, weil ein Wanderweg durchführt, der unter Naturschutz steht und es gibt ein von den Makah eingerichtetes Museum.
Auch irgendwelche Zahlungen für den Abbau von Bodenschätzen tragen nicht zum Reichtum der auf den Reservationen lebenden Indianer bei. Seit einigen Jahren klagt zb Elaine Cobell gegen das BIA und gegen einen Energiekonzern wg Offenlegung der Abrechnungen. Die Reservationsangehörigen bekommen seit Jahrzehnten, in denen dort Öl gefördert wird, einmal jährlich ein paar Dollar und in manchen Jahren gar nix. Wie die Höhe der Zahlungen berechnet wird, ist nie offengelegt worden.
Dazu war im letzten Winter mal ein Bericht im Weltspiegel; es wurde ein älterer Reservationsbewohner interviewt, der sagte, er könne nicht mal Zahnbehandlung oder Zahnersatz bezahlen; seine Zahlungen waren mal 40, mal 60 Dollar pro Jahr und manchmal wie gesagt nix.
Nebenbei bemerkt hat sich die US-Regierung zwar seinerzeit verpflichtet, auch die Gesundheitsfürsorge in den Reservationen zu stellen, aber sowas kann ja auch scheitern. Übrigens war das als Teil der *Bezahlung* für das abgetretene Land vorgesehen!
So, und bevor ich ein Buch produziere, schicke ich dies mal auf die Reise ins Forum.