Festus621 schrieb:
Zitat:
"Doch kaum hatten sich die zwangsweise umgesiedelten Stämme in den Gebieten niedergelassen, waren sie wiederum der amerikanischen Expansion nach Westen im Wege. Nachdem sich das Gebiet der USA nach ihrem Krieg mit Mexiko Mitte des letzten Jahrhunderts erneut deutlich vergrößert hatte und darüber hinaus in Kalifornien Gold gefunden worden war, setzten die Amerikaner ihren Weg nach Westen weiter fort."
Wie ist eigentlich die mexikanische Regierung mit der Urbevölkerung umgegangen? Wurden, die im heutigen Westen der USA (damaligen Gebiet von Mexiko) lebenden Indianer auch schon in der "mexikanischen Zeit" vertrieben oder begann die Tragödie erst, nachdem die westlichen Gebiete zu den Vereinigten Staaten gehörten?
Der Umgang war "eigentlich" völlig anders. Das lag zum einen daran, daß die Spanier nie daran interessiert waren, die Kolonien zu besiedeln, sondern hauptsächlich Profit herausziehen wollten. Viele der Conquistadores waren zudem adliger Abstammung und hielten manuelle Arbeit oder Handeln für weit unter ihrem Niveau.
Die Indianer in den spanischen Kolonien wurden hauptsächlich zur Zwangsarbeit gebraucht, in den Minen im vormaligen Inka-Gebiet zum Beispiel. In Mexiko kam es zur Landverteilung an spanische Conquistadores, die das Land weiterhin von den Indianern bearbeiten ließen, die dazu von Gesetz wegen gezwungen wurden. Das hatte Ähnlichkeit mit der Leibeigenschaft in Europa, da die Indianer, die auf dem Landgut eines Spaniers lebten, dort nicht einfach wegziehen durften. Zudem wurden die Indianer durch weitere Ausbeutungspraktiken zu mehr oder weniger ewig währenden Schuldnern gemacht, die ihre Schulden beim Haciendero nie abbezahlen konnten und dadurch auch bequemerweise im Fall einer Flucht eine Straftat begingen und von den Behörden dafür verfolgt wurden, so daß der Haciendero das Einfangen "seiner" Indianer im Grunde dem Staat überlassen konnte. (Literaturtip: mehr oder weniger alles von B. Traven, gerade, was Mexiko betrifft).
Zum anderen wurden die in Mexiko lebenden Indianer in Missionen gezwungen, wo sie unter der Aufsicht von Mönchen arbeiten mußten. Zu harter körperlicher Arbeit kamen Unterernährung und stundenlanges Beten. In den Missionen wurden die Indianer übrigens in Baracken nach Geschlechtern getrennt untergebracht; in Fällen von "Unkeuschheit" wurden drakonische Strafen verhängt. Die Missionen mußten übrigens immer mal wieder den Staat um Unterstützung bitten, da die Indianer mitunter eine kurze Haltbarkeit hatten (Sarkasmus off) und die Conquistadores neue Indianer beschaffen mußten, damit die Geschäftstätigkeit in den Missionen weitergehen konnte.
Durch die Zwangseinweisung in Missionen wurden auch viele Indianer Opfer der eingeschleppten europäischen Krankheiten, insbesondere in Verbindung mit der von den Mönchen eingeführten Nicht-Hygiene, die zwar dem damalig katholischen Keuschheitsideal entsprach (das übrigens in Spanien entscheidend mitgeprägt war durch die Reconquista, wo man es auch mit einer Kultur zu tun gehabt hatte, die großen Wert auf Reinlichkeit und Baden legte).
Zum anderen fand eine relativ frühe De-Kulturation statt, da in den Missionen, aber auch auf den Haciendas Angehörige verschiedener Völker vermischt wurden und außerdem streng auf ein formales Christentum geachtet wurde und indigene Religionen strikt verboten waren. Dies bedeutete, daß Traditionen nicht weitergegeben werden konnten und Spanisch vielfach untereinander die einzige Verständigungsmöglichkeit darstellte.
Aufgrund dieser Lebensumstände sind in Mexiko zwar ca 90% der Einwohner indigener Abstammung (in Volkszählungen bekennen sich deutlich weniger als Indianer), viele haben aber keine Verbindung zur traditionellen Kultur und Sprache.
Die geringe Bereitschaft, sich als Indianer zu erkennen zu geben, wurde außerdem unterstützt durch ein ziemlich rigides und detailliert ausgearbeitetes System der Klassifizierung, wobei es u.a. Bezeichnungen für Personen indianischer Abstammung zu 75%, zu 50%, bis in die feinsten, noch ahnbaren Prozentanteile gab, weiter spezialisiert je nachdem ob die anderen Anteile "weiß" oder "schwarz" waren, oder beides.
Auch der spanische Staat und als Nachfolger der mexikanische Staat erkannten und erkennen kollektives tribales Landeigentum nicht an; es gibt in Mexiko keine Reservationen. Die Indianer wurden nach Gründung des mexikanischen Staates noch nicht einmal offiziell als Indianer wahrgenommen und bezeichnet, sondern als 'campesinos', also Bauern, da Indianer als etwas Minderwertiges begriffen wurden und man doch bestrebt war, diese Bevölkerungsschicht zu zivilisieren und auf einen höheren Stand zu bringen.
In Kalifornien gab es meines Wissens keine "Besiedelung" durch Landverteilung in Form von Haciendas, sondern nur die Missionsstädte. Wer da trotz der eingeschleppten Krankheiten, der Zwangsarbeit, der Unterernährung entkam, wurde später von den US-amerikanischen Goldsuchern teils als Wochenendsport abgeknallt. Und darüber hinaus der Lächerlichkeit preisgegeben und als erbärmliche, zerlumpte, bettelnde Gestalten dargestellt.
Einige der letzten Überlebenden gingen sozus. in den Untergrund und führten ein Leben im Verborgenen - siehe Ishi, der Anfang des 20. Jhdts. "gefangen" wurde, ein paar Jahre im Museum leben mußte und schließlich an Tuberkulose starb.