Albanische Burrneshas und afghanische Bacha Posh sind sicherlich Beispiele für Transgender, also Beispiele für die komplette Übernahme einer männlichen Geschlechterrolle und männlicher Geschlechtsidentität durch biologische Frauen. Dies bezieht sich nicht nur auf die männlichen Vorrechte im Patriarchat, sondern schließt auch das Tragen von Männerkleidung und das Führen männlicher Vornamen mit ein. Es wird eine neue männliche Identität angenommen. Die biologische Frau hat sich damit sozial als eine männliche Identität konstruiert und diese wird gesellschaftlich anerkannt.
Bei Crossgender geht es nicht nicht ganz so weit, sondern es werden nur bestimmte Attribute der Männlichkeit angenommen. Eine Frau gilt auch weiterhin als Frau und hat weiterhin eine weibliche Identität, obwohl sie Männerkleidung trägt. Sie kann z.B. auch rituellen Gründen Männerkleidung tragen. So trug z.B. Katharina die Große während ihres Putsches gegen ihren Mann eine männliche Reiteruniform mit Degen, eben um ihre herrschaftliche neue Macht zu symbolisieren und zu zeigen, dass sie den Putsch anführt. Zarin Katharina hatte manchmal buchstäblich "die Hosen an", bei den meisten Gelegenheiten repräsentiere sie aber in aufwendigen Kleidern. Die ägyptische Pharaonin Hatschepsut trug wahrscheinlich sogar einen falschen Bart um ihre patriarchale Macht zu symbolisieren. Männerkleidung und Waffen sind Symbole von Macht und Herrschaft. Wenn eine biologische Frau nun aus symbolischen Gründen wie der Repräsentation ihrer Herrschaft Männerkleidung und Waffen trägt, ist rituelles Cross-Dressing, gehält sie trotzdem ihre weibliche Identität. Denkbar wäre, dass eine verstorbene Frau aus solchen symbolischen Gründen Waffen und männliche Trachtbestandteile als Grabbeigabe erhält.
Toplaks These zu typisch männlichen Grabausstattungen für biologischen Frauen ist, dass die Archäologie nicht die Mittel hat bei Grabausstattungen zwischen Transgender und rituelles Cross-Dressing voneinander zu unterscheiden.
Welcher Version das Das Kammergrab 581 aus Birka jetzt abbildet, ist nicht mehr sicher feststellbar.
Die nordischen Sagen liefern übrigens auch kein eindeutiges Bild. Crossgender und Transgender-Phänmene werden vereinfacht als eine Gruppe betrachtet: die sogenannten Schildmaiden. Auch gilt es zu unterscheiden.
Lediglich Hervör scheint (für einige Zeit) eine männliche Geschlechtsidentiät anzunehmen. Sie trägt nicht nur Männerkleidung und Waffen, sie nimmt auch den männlichen Namen Hervard an und wird dann Anführer(!) eine Kriegerbande. Sie wäre somit ein sagenhaften Beispiel für eine Transidentität. (Dass die nordische Saga mit Goten und Hunnen eher die Völkerwanderungszeit beschreibt, ist mir bewusst.)
Freydis Eriksdottir ist jedoch ganz anders. Sie nimmt eben nicht eine männliche Geschlechtsidentiät sondern führt die Waffen als Symbole patriarchaler Macht. Übrigens kommt es in beiden Sagen nicht mal zu richtigen Kämpfen.
Gerade die Szene, in der Freydis das Hemd ablegt und das Schwert gegen die nackte Brust drückt, ist schwer deutbar. Ist das nur ein Trick um die Ureinwohner zu erschrecken? Zeigt sie den männlichen Angreifer durch die nackte Brust, dass sie eine Frau ist und apelliert an einen männlichen Ehrenkodex die Frauen zu schonen? Oder geht es eigentlich, darum, dass Freydis das hinderliche weibliche Kleidungsstück ablegt und sich wie ein Mann mit freiem Oberkörper den Feinden stellt? Die Szene ist jedenfalls von mehrdeutiger Symbolik.
Die Idee, dass die Männer die Frauen verschonen sollen, taucht in der anderen Sage auf. Hier fordert Freydis von ihrem männlichen Gefolge, die gefangenen Frauen zu töten. Da die Mordbuben die Ermordung der Frauen verweigern, greift Freydis selbst zur Axt und umgeht so den männlichen Ehrenkodex.
Natürlich wird es damals zwischen Island und Gotland Männer und Frauen gegeben haben, die aus ihren Rollen ausbrachen, so wie jeher. Wären Praktiken wie "Cross-dressing" aber im Allgemeinbewusstsein verankert gewesen, hätten nicht zumindest die christlichen Missionare davon berichtet?
Heute fällt weibliches Cross-Dressing kaum noch auf. Wenn in der heutigen Zeit und in unserem Land eine Frau eine Hose trägt oder flache Schuhe fällt das kaum auf. Wenn eine Frau eine Krawatta trägt, fällt es dann noch. Da trägt eine Frau wohl Männerkleidung. Das ist Cross-Dressing.
In der Wikingerzeit sind Cross-Dresserinnen sicherlich schneller aufgefallen.
Eine extreme und überzeichnete und daher leicht verständliche Version von Cross-Dressing im Umfeld eines ausgeprägten Patriarchats, zeigt übrigens der Film "Das Leben des Brian". Dort wollen jüdische Frauen, die unbedingt an einer Steinigung teilnehmen wollen, bei der kein "Weibsvolk" dabei sein darf. Hierfür verkleiden sich die Frauen als Männer, heften sich falsche Bärte an und verstellen sogar noch die Stimme. So gehen sie als Männer durch und können an dem Spektakel der Steinigung teilnehmem.