Guten Morgen Ugh Valencia,

ein großartiger Tipp!!! Vielen herzlichen Dank dafür! Also Geismar nicht bei Göttingen, sondern im Chattenland an der Eder bei Fritzlar. Hochinteressante Ausgrabungen! Ich hatte ein ganz anderes Bild von den Chatten gehabt. Rustikale Bergbewohner im wilden Hessen aber natürlich gab es auch dort auch Flusstäler Werra, Fulda, etc. und möglicherweise war ihre Kultur ja "höher" entwickelt als die der Cherusker aber dafür gibt es natürlich wie immer keine Belege.

Laut Plinius wird ja eine gewisse Zugehörigkeit suggeriert, zumindest was den Ursprung angeht:
„in der Mitte wohnen die Hermionen, zu denen die Sueben, Hermunduren, Chatten und Cherusker gehören“
Wie auch immer das gemeint ist. Meint er das sprachlich, geographisch, ist wahrscheinlich geschichtswissenschaftlich überhaupt nicht haltbar.

WP
Im Jahre 9 n. Chr. nahmen die Chatten wohl an der Rebellion des Arminius gegen Publius Quinctilius Varus teil und schlossen sich in den folgenden Jahren der anti-römischen Koalition unter Führung der Cherusker an. Dafür spricht, dass im Jahre 15 n. Chr. Mattium (nicht lokalisiert – die Altenburg in Niedenstein bei Kassel scheidet als Standort aus, da sie bereits früher von Sueben zerstört wurde), einer der Hauptorte der Chatten, im Zuge der Germanicus-Feldzüge restlos zerstört wurde. Etwas später soll ein chattischer Adliger mit Namen Adgandestrius allerdings dem römischen Senat die Ermordung des Arminius durch Gift angeboten haben, die Tiberius jedoch ablehnte. Tacitus erwähnt, dass es um ca. 58 n. Chr. zu Kämpfen mit ihren östlichen Nachbarn, den Hermunduren, um einen salzführenden Grenzfluss (vermutlich die Werra) kam, die in einer Niederlage für die Chatten endeten.[10] Die Anwesenheit des Germanicus an der Eder, wo Tacitus Mattium lokalisiert, sowie der spätere Konflikt mit den Hermunduren lassen darauf schließen, dass die Chatten spätestens ab 15 n. Chr. nach Nordhessen einwanderten.

Es heißt ja, die Chatten hätten die Cherusker irgendwann nach Chr. unterworfen. Vielleicht wurden ja bei dieser Gelegenheit die Fürstenhöfe eines Segestes und Segimer geschleift, niedergebrannt, aufgelöst, Menschen umgesiedelt, was auch immer. Es mag gute Gründe gegeben haben, warum von den Cheruskern nichts mehr übrig blieb.

Ja, es gibt dünne Spuren das Hirschwappen von Alfeld/Leine und die mögliche Herleitung des Namens Herut, Hirsch. Oder die Apenteichquelle als Opferplatz, den es schon seit 5.000 Jahren gegeben hatte und der Verdacht liegt nahe, dass er auch für die Cherusker eine kultische Bedeutung hatte.
Aber auch das sind keine Beweise nicht einmal Hinweise für gar nichts. Alles andere wurde anscheinend für immer ausgelöscht. Wir haben nicht die Möglichkeit, einen Sachsen zu befragen, was von den Cheruskern übrig geblieben ist. Vielleicht noch ein paar Wortbrocken, Begrifflichkeiten, Rituale, was auch immer.
Warum hat die Überlieferung bei diesen Stämmen eigentlich nicht funktioniert?

Bei den Schotten war das wohl anders. Vielleicht waren sie ja geographisch zu isoliert und keinen Völkerwanderungen unterworfen, so dass sich die Hochlandclans noch sehr ursprünglich vielleicht sogar noch bis auf die Piktentraditionen erhalten konnten.
Aber wenn Du sagst, man sollte die Hoffnung nicht ganz aufgeben, vielleicht findet sich irgendwann ja doch noch etwas, um wenigstens ein klein wenig mehr Licht auf diese Angelegenheit zu werfen.

Grüße
 
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Nachsatz: Die Welt Germanen: Schon in Rom waren Hessen als Söldner gefürchtet - WELT
Ihre geistige Wendigkeit stellte kurz darauf der Chattenfürst Adgandestrius unter Beweis. Er bot 19 nach Christus den Römern an, Arminius zu vergiften [Wie sollte er das bewerkstelligen? Gift bei einem Trinkgelage beibringen, durch gedungene Knechte, na ja wird wohl Wege gegeben haben], ein Vorhaben, das Kaiser Tiberius allerdings brüsk zurückwies. Es sei mit der Würde des römischen Volkes unvereinbar. Am Ende des Jahrhunderts sollen die Chatten die Cherusker sogar mit einem regelrechten Vernichtungskrieg überzogen haben.

Das lässt den Schluss zu, dass Angehörige chattischer Fürstenfamilien durch Heiratspolitik direkten Einfluß auf den Hof eines cheruskischen Fürstensproßes hatten.
 
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Ja, es gibt dünne Spuren das Hirschwappen von Alfeld/Leine und die mögliche Herleitung des Namens Herut, Hirsch.
Nein, sicher nicht. Der Hirsch, der König des Waldes, ist ein edles, wappenwürdiges Tier. Als die Wappen aufkamen hat an die Cherusker seit 1000 Jahren niemand mehr gedacht.

Bei den Schotten war das wohl anders. Vielleicht waren sie ja geographisch zu isoliert und keinen Völkerwanderungen unterworfen, so dass sich die Hochlandclans noch sehr ursprünglich vielleicht sogar noch bis auf die Piktentraditionen erhalten konnten.
Der Kilt wurde erst in der Frühindustrialisierung erfunden. Von einem Engländer.

Der Name Schottland kommt von einem im FMA aus Irland zugewanderten Stamm. Von den Pikten haben wir kaum mehr als ein paar Bildstelen über.
Der Hl. Columban, der, weil er in Irland einen Krieg ausgelöst hatte (der erste Streit um Copyright), brachte aus Irland das Christentum nach Schottland, das war seine Buße für die Toten des durch ihn ausgelösten Krieges (so jedenfalls überliefert es Abt Adamnan, der 9. Abt von Iona. Nun lebte der aber auch 100 Jahre nach der Klostergründung durch Kolumban.
In der Wikingerzeut setzten sich Norweger in Irland und Schottland fest, so, dass man einige der Highlandclans als im Kern skandinavisch bezeichnet, die Orkney‘s gehörten bis ins 15. Jhdt. zum Königreich Norwegen. Dann gab es rege Händel mit England und deswegen - der Feind meines Feindes - auch mit Frankreich. Die Reformation in Schottland war noch mal besonders radikal, so ziemlich jedes Kloster und jede Bischofskirche, ist nach der Reformation als Ruine zurückgeblieben. Bei vereinzelten Klöstern hat man es zugelassen, dass die Mönche dort ihr Lebensende verbringen durften (aber danach fielen sie dem Verfall anheim), die meisten wurden aber zerstört. Die Zerstörung der Kathedrale von Glasgow (St. Kentigern/St. Mungo) konnte verhindert werden; de facto ist sie keine Kathedrale mehr, sondern nur noch eine große Kirche.
Nach den Jakobitenaufständen im 18. Jhdt. wurden die Lairds nach London geholt und so von ihren Clans entfremdet, sie wurden von hervorgehobenen Familienangehörigen zu Feudalherren, die ökonomische Interessen entwickelten, weshalb in den Highlands großflächig Schafe (Wollrassen) eingeführt wurden und die Menschen vertrieben wurden. Die Highland Clearances, die manche schon mit den Massaker am Clan McDonals of Glencoe beginnen lassen, die aber eigentlich erst knapp ein Jahrhundert später begannen, gelten manchen Schotten als Genozid.
 
Oder die Apenteichquelle als Opferplatz, den es schon seit 5.000 Jahren gegeben hatte und der Verdacht liegt nahe, dass er auch für die Cherusker eine kultische Bedeutung hatte.

Der Wikipedia-Artikel ist dürftig.

Sie waren ein heidnischer Kultbereich, in dem etwa 5000 Jahre alte Opfergaben gefunden wurden. Erdarbeiten förderten 1950 eine Bronzenadel zutage. Die weiteren Arbeiten wurden von der zuständigen Kreisarchäologie begleitet. Zum Fundgut gehören ein großes Flintbeil und eine Steinaxt, ferner die Reste von drei Bronzeringen und eine Fibel, also eine Gewandschließe.
Flintbeil und Steinaxt verweisen auf stein- oder frühbronzezeitliche Deponierungen. Da allerdings von etwa 5000 Jahre altem Fundgut die Rede ist, können damit die Bronzeteile fast nicht gemeint sein, das wäre einige Jahrhunderte zu früh für die Region (so, als stünde in dem Artikel etwas über eine Schmiede aus dem 13. Jhdt. und Autoteile). Natürlich gab es auch in der Eisenzeit Bronze. Die Fibel wird leider auch nicht näher bestimmt. Nach dem Wikipediaartikel zu urteilen- der aber wie gesagt für ein Urteil zu dürftig ist - liegen auch hier zwischen der mutmaßlichen Nutzung als Kultplatz und den Cheruskern erkleckliche Zeiträume.
 
@Stilicho: mein Gott, was ist denn bloß los mit Dir? Versuchst Du gerade Deine Vorstellungen auf andere Menschen zu projezieren? Ich denke, wer ernsthafte Fragen stellt, hat entweder keine oder zumindest eine ernsthafte Antwort verdient und nicht irgendeinen Plumperquatsch, also wirklich!

@El Quijote: Du magst mit dem Wappen des LK Alfeld/Leine recht haben. Nur weil mein etwas gerne so hätte, muss es noch lange nicht der Realität entsprechen. Die Erklärung Datei:Wappen Landkreis Alfeld.png – Wikipedia entspricht wahrscheinlich einer älteren Wunschvorstellung. Gut, das sehe ich ein. Zur Herkunft der Pikten und Schotten magst Du sicherlich auch recht behalten. Da muss ich meine Vorstellung, dass sich die Herkunft der McDonalds, McGregors, Camerons, Campbells auf die Pikten fußt, wohl deutlich korrigieren. Man lernt halt nie aus.
 
@Stilicho: mein Gott, was ist denn bloß los mit Dir? Versuchst Du gerade Deine Vorstellungen auf andere Menschen zu projezieren? Ich denke, wer ernsthafte Fragen stellt, hat entweder keine oder zumindest eine ernsthafte Antwort verdient und nicht irgendeinen Plumperquatsch, also wirklich!

Mit Verlaub, aber du bist es, der hier permanent mit Bildern aus Wild-West-Abenteuern oder Wikinger-Gothic-Sagas kommt. Du bist es, der Stereotype über die damaligen Menschen stülpen will. Die rustikalen wilden Hessen sind ja da noch die vergleichsweise harmlose Variante.

Und obwohl du mehrfach von verschiedensten Usern darauf hingewiesen wurdest, kommst du wieder und wieder damit um die Ecke.
 
Die Erklärung Datei:Wappen Landkreis Alfeld.png – Wikipedia entspricht wahrscheinlich einer älteren Wunschvorstellung.
Dass eine "Erklärung" in Wikipedia/Wikimedia/Wikicommons verbreitet wird, macht sie nicht richtig. Aufschlussreich ist, wenn man sich den Wikipedia-Artikel über den Hirsch als Wappentier ansieht. Der Artikel beginnt mit dem Satz:

Der Hirsch ist in der Heraldik als eine gemeine Figur beliebt.
Das ist so weit korrekt und im Artikel dann ja auch durch zahlreiche Beispiele belegt.
Und dennoch entblödet sich irgendein Beiträger nicht, das Wappen des Landkreises Alfeld mit dem Text zu versehen

steigend (Landkreis Alfeld/Leine, Siedlungsgebiet der Cherusker, ihr Stammesname wird von „cherut“ = Hirsch abgeleitet)
Das ist in etwa so, also würde man einen Hutträger in North Dakota zum Sioux erklären, nur weil er sich eine Feder an den Hut gesteckt hat.
 
Hab gerade noch ein bisschen nachrecherchiert. Das Wappen scheint erst 1935 verliehen worden zu sein. Über einen adeligen Träger als Vorläufer ließ sich nichts herausfinden. Wenn das Wappen also 1935 verliehen aus dem Nichts geschaffen wurde und, wie Barner dann 1940 schreibt, dies wegen der Verortung der Cherusker hier der Fall war, dann ist das etwas anderes. Dann ist das keine - wie im obigen Beitrag insinuierte - Remininszenz, also eine ungebrochene Erinnerung an die Cherusker von der Zeitenwende bis ins Mittelalter, sondern gelehrtes "Wissen" (Wissen ist bewusst in Anführungszeichen gesetzt), das 1935 die Cherusker dort verortete. Da stecken dann noch die "fest umgrenzten Kulturareale" eines Gustav Kossinna drin, die davon ausgingen, dass der Bauer über Jahrtausende auf seiner Scholle saß. Wobei das Wort noch hier eigentlich fehl am Platze ist.
Dann ist Wikimedia/Wikicommons (bzw. dem/den Beiträger/n) vorzuwerfen, hier nicht die notwendige kritische Distanz zum Motiv der Wappenverleihung 1935 aufgebracht zu haben.
 
Vorherrschend Buchenwälder (was ist eigentlich mit der Gemeinen Esche - Fraxinus excelsior? Jenem kultischen Baum, weiß man eigentlich, wo dieser in der römischen Eisenzeit sein Hauptverbreitungsgebiet hat?)

In Mitteleuropa ist auf den meisten Standorten die Buche die vorherrschende Klimaxbaumart, d. h. die Art, die sich am Ende der Sukzession von einem baumfreien Standort über Strauch- und Pionierbaumartenstadien am Ende durchsetzt, da sie höher wächst als die anderen Bäume und diese am Ende ausdunkelt.

Andere Baumarten können zumindest bestandsbildend nur auf Sonderstandorten auftreten, wo es für die Buche zu nass, zu sauer oder zu flachgründig etc. ist, wenn sie nicht gezielt durch den Menschen gepflanzt oder indirekt gefördert werden (z. B. durch Waldweide).

Für die Eschen sind das vor allem feuchte Hanglagen z. B. in Bachtälern oder Hartholzauen, da sie mehr Feuchtigkeit im Boden verträgt als die Buche. Da sie anders als die Schwarzerle keine Staunässe verträgt und sie anders als Birken nicht zu sauren Boden verträgt, wächst sie nicht in Bruchwäldern oder Mooren.
 
Löst Euch von der Vorstellung eines irgendwie kriegerischen Germaniens. Das waren Bauern, für die auch die Religion nur eine Nebensache war. Der Alltag war Feld, Vieh und Wetter. Für alles andere war keine Zeit und auch kein wirtschaftlicher Ertrag: Subsistenzwirtschaft.

Vielleicht ist meine Sicht auch aufgrund meiner Kenntnis des Landlebens im heimischen Siegerland sehr erdnah...

Mit den Erkenntnissen der letzten Jahre (Dank auch an @Hermundure, der immer wieder Fundzusammenhänge dargestellt hat) wird allenfalls ein wirtschaftliches Netto-Plus durch Handel mit römischen Gebieten und wohl auch durch germanische Söldner in römischen Diensten gewesen sein.
Mit Schamanentum und großer Mystik hatten die nix am Hut.

Selbst jährliche überregionale Feiern werden eher an Wacken oder Rock am Ring erinnert haben.

Interessant finde ich eher dass innerhalb weniger Generationen ein Wechsel von zentralen / statischen Verteidigungsstrukturen wie z.B. Oppida zu einem fast völligen Fehlen von Befestigungsanlagen stattgefunden hatte. Das lässt eher an ein Stammesbewusstsein und Freiwilligenheer denken.
 
Löst Euch von der Vorstellung eines irgendwie kriegerischen Germaniens. Das waren Bauern, für die auch die Religion nur eine Nebensache war. Der Alltag war Feld, Vieh und Wetter.
Könnte nicht gerade diese massive Abhängigkeit von Naturgewalten für eine hohe Bedeutung der Religion im Alltag sprechen?
Und der Umstand, dass jeder erfolgreiche Viehraub (oder Plünderung des Vorrats an Feldfrüchten) für die Betroffenen den Hungertod bedeuten konnte, für eine Notwendigkeit, den Umgang mit Waffen zu beherrschen?

Vielleicht ist meine Sicht auch aufgrund meiner Kenntnis des Landlebens im heimischen Siegerland sehr erdnah...
Da stellt sich die Frage, inwieweit man von heute noch Rückschlüsse ziehen kann. Aus dem ländlichen Raum stamme ich auch (wenn auch nicht persönlich aus bäuerlichen Verhältnissen), aber die Religiosität, insbesondere die Volksreligiosität, scheint mir mittlerweile auch im ländlichen Raum deutlich rückläufig zu sein.

Interessant finde ich eher dass innerhalb weniger Generationen ein Wechsel von zentralen / statischen Verteidigungsstrukturen wie z.B. Oppida zu einem fast völligen Fehlen von Befestigungsanlagen stattgefunden hatte. Das lässt eher an ein Stammesbewusstsein und Freiwilligenheer denken.
In Stämmen waren allerdings auch die Gallier organisiert, und sie hatten trotzdem ihre Oppida.
 
Löst Euch von der Vorstellung eines irgendwie kriegerischen Germaniens. Das waren Bauern, für die auch die Religion nur eine Nebensache war. Der Alltag war Feld, Vieh und Wetter. Für alles andere war keine Zeit und auch kein wirtschaftlicher Ertrag: Subsistenzwirtschaft.

Subsistenzwirtschaft spricht nicht gegen einen andauernden Kleinkrieg gegen die Nachbarn; zB um deren Vieh zu stehlen, respektive weil die das eigene gestohlen haben. Kriege mit größeren Heeren & Schlachten waren sicherlich selten, aber das muss nicht für Überfälle und Scharmützel gelten. Die Römer warben mE genau deswegen so gerne Germanen für ihre Legionen an.

Mit Schamanentum und großer Mystik hatten die nix am Hut.

Selbst jährliche überregionale Feiern werden eher an Wacken oder Rock am Ring erinnert haben.

Trance, Sex & Drogen; passt doch zu beidem, Schamanismus & Wacken, hervorragend... ;)
 
Hallo Pardela_cenicienta, sehr interessante Theorie, aber worauf basiert diese? Ansonsten gehe ich eher mit Raveniks Einwänden mit.
 
Es gibt doch den Bericht über einen nächtlichen römischen Überfall auf eine germanische Feier, wo die wehrlos trunkenen Germanen abgeschlachtet werden.

Ich meine nur: der Alltag innerhalb der Stämme war geregelt und friedlich. Stammeszugehörigkeit bedeutete auch Rechtssicherheit, gleiches Wertesystem.

Die befestigten bandkeramischen Siedlungen im Marburger Raum wirken auf mich weniger friedlich als die offenen germanischen Dörfer. Es gibt andererseits aber auch Funde von gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen germanischen Gruppen in Norddeutschland und Skandinavien.
 
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Was für mich bei der These der friedliebenden Germanen überhaupt nicht passt, sind die unzähligen Fehden der Stämme untereinander und dann in wechselseitigen und für den Dritten kaum überschaubaren Allianzen gegen die Römer.

Drusus führt 12/11 v. Chr. einen Feldzug gegen die Sugambrer und verwüstet deren Stammesgebiet, während die sugambrischen Krieger gerade die Chatten gerade in eine antirömische Koalition/Allianz zwingen wollen. Auf dem Rückmarsch treffen die Sugambrer (waren sie überhaupt siegreich gegen die Chatten? Zumindest haben sie antirömische Fraktionen gestärkt) dann auf die Drusus-Legionen, bekämpfen diese und die germanischen Auxilien, die sie bei Arbalo beinahe vernichtend schlagen können.

Auf einmal verlassen die Chatten das ihnen zugewiesene Siedlungsgebiet (freiwillig?) und lassen sich weiter im Norden an der Eder nieder. Jetzt haben die antirömischen Kräfte die Vorherrschaft und Drusus muss aus Rom zurückkehren, um sie wieder unter die Knute zu zwingen. Und so chaotisch geht es in einer Tour weiter, vielleicht sind das ja auch alles Missinterpretationen/Fehlübersetzungen der Überlieferungen, die diese Feldzüge behandeln, das weiß ich nicht.

Wenn es sich nur um rein friedliebende Ackerbauern und Viehhirten gehandelt hätte, die sich nicht um Herrschaft scheren und für die es keine Rolle spielt, ob sie ihre Rinder an einen Warlord oder an einen fremden römischen Besatzer abtreten, dann hätte Drusus es relativ problemlos bis an die Elbe und darüber hinaus geschafft und vielleicht in der zweiten Welle römische Siedler oder Menschen aus anderen römischen Provinzen in den neu eroberten Gebieten anzusiedeln, die dann in friedlicher Kooexistenz mit den Einheimischen leben.

Ja, ich weiß, überspitzt formuliert.
 
Okay, das verstehe ich.
Ohne römische Invasion eine friedliche Kooexistenz der germanischen Stämme. Zwistigkeiten über ein Thing und möglicherweise Zahlung von Blutgeld oder was auch immer geregelt.
 
Die Tatsache, dass die Römer mächtig Unruhe in die bestehende Balance of Power gebracht haben, ist absolut nachvollziehbar.
 
Okay, das verstehe ich.
Ohne römische Invasion eine friedliche Kooexistenz der germanischen Stämme. Zwistigkeiten über ein Thing und möglicherweise Zahlung von Blutgeld oder was auch immer geregelt.

Ist das wirklich realistisch? Man wird sich "die" Germanen sicher nicht als tumbe Raufbolde vorstellen dürfen, die ohne Sinn und Verstand und ohne jede Möglichkeit zur Konfliktlösung aufeinander einschlugen, aber man sollte eben auch nicht das Kind mit dem Bade ausschütten und aus ihnen edle Wilde machen, die stets friedlich und im Einklang mit der Schöpfung ihren Acker bestellten. Ja, die Menschen werden gewiss Formen gefunden haben, Konflikte inner- und außerhalb der Stammesverbände zu regeln, aber es dürfte dennoch immer wieder zu militärischen Konflikten gekommen sein. Dazu reicht ja im Prinzip ein ehrgeiziger Mann aus einer mächtigen Sippe, der durch eine großzügige Beuteverteilung an Macht gewinnen möchte.

Anders gesagt: "Die Germanen" waren ebenso Individuen mit unterschiedlicher Lebenserfahrung wie wir heute. Wie würdest Du das Leben in Europa Anfang 2023 beschreiben? Es gibt Regionen, in denen Menschen recht friedlich zusammenleben, es gibt aber genauso Brennpunkte der Gewalt bis hin zu einem offenen Krieg, der sich heute jährt. Es ist auch damals gut möglich, dass die Chatten gerade im Frieden lebten, während die Cherusker in einen langwierigen Krieg verstrickt waren. Das muss nicht unbedingt immer mit den Römern zu tun gehabt haben, nur wissen wir eben von Auseinandersetzungen mit römischer Beteiligung mehr, weil die römischen Autoren sich dafür eher interessierten.
 
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