Die Godentümer dürften tatsächlich eng mit einigen Besonderheiten Islands zusammenhängen. Ihre Zahl war meines Wissens genau festgelegt, um alle Regionen der Insel über Things zu repräsentieren. Man merkt natürlich, dass hier eine "koloniale" Gesellschaft am Werk war, die sich auf einen konkreten geographischen Raum bezog. Nicht umsonst blieben die Gode auch nach der Christianisierung im Amt. Außerdem liegen auch fast 1000 Jahre zwischen den Cheruskern und der vermuteten Entstehung der Godentümer, man wird also kaum Rückschlüsse auf germanische Kulte ziehen können.
 
Absolut.
Schade eigentlich, dass es in der Frage nie klarer wird. Also nehmen wir das, was wir haben.
 
"Schamane" stammt meines Wissens aus dem Kulturkreis indigener Völker Sibiriens. Ich bin nicht sicher, ob es sinnvoll ist, solche Begriffe auf die Germanen der Zeitenwende zu übertragen.

Kommt darauf an. Im engeren Sinne ist es sicher nicht sinnvoll, im weiteren evtl schon.

Zitat: Schamanismus bezeichnet im engeren Sinne die traditionellen ethnischen Religionen des Kulturareales Sibirien
(...)
Im weiteren Sinne meint Schamanismus alle wissenschaftlichen Konzepte, die aufgrund von ähnlichen Praktiken spiritueller Spezialisten in verschiedenen traditionellen Gesellschaften die kulturübergreifende Existenz des Schamanismus postulieren.

Schamanismus – Wikipedia

In der besser, aber immer noch bruchstückhaft überlieferten nordgermanischen Religion(en) (Odin & Comp.) kann man eine Reihe solcher Praktiken vermuten. Bei den Cheruskern wissen wir mWn eigentlich zu wenig (bzw so gut wie gar nichts) über konkrete Praktiken, und es ist letztendlich reine Spekulation.

Man wurde dazu gemacht. Wir nennen heute den Papst Potifx Maximus (oberster Brückenbauer). Dieses Amt gab es aber schon vor dem Christentum. Der Pontifex Maximus war - in dieser Funktion! - ein Priester. Aber er wurde in dieses Amt gewählt. Und konnte weitere Identitäten haben. Die Funktion eines Priesters ist nur bedingt die, dass er per se eine bestimmte Verbindung zu den Göttern habe. Es geht vielmehr darum, dass er gewisse Rituale [korrekt] ausübt.

Der Pontifex Maximus war der oberster Priester der römischen "Staatskirche" (anachronistischer Begriff), was Bernds Frage beantwortet, wer hier der "Auftraggeber" war: SPQR, die römische Republik. Gleiches gilt für die Götterverehrung in anderen antiken (Stadt-) Staaten. Diese Priesterämter waren mE va politische Ämter, zumindest in der klassischen Zeit. Cäsar war mal Ponitfex maximus, aber das war ein Sprungbrett zur Macht, keine religiöse Berufung.

Wie war das mit berühmten überregionalen Heiligtümern wie Delphi oder Ephesos? Wer setzte die Jupiter-Priester in dem allen Latinernheiligen Tempel ein? Ich hab keine Ahnung, um ehrlich zu sein, aber zumindest waren das (bei Delphi und dem Artemistempel zu Ephesus) mWn durchaus Lebensaufgaben.

Die Sachsen hatten (Jahrhunderte später) die Irminsul als so etwas wie ein zentrales Heiligtum, aber auch da wissen wir weniger mehr drüber als das (wenn überhaupt).

Die Kelten hatten in in Gallien & Britannien mit den Druiden evtl einen Stand, der Aufgaben wie Priester oder Seher für sich beanspruchte, aber auch da haben wissen wir wenig mehr als eine paar Andeutungen von Cäsar ua antiken Schriftstellern; und dass sie verboten waren, was heißt, dass es etwas zu verbieten gab...

Und bei den Cheruskern? Wär spannend zu wissen...
 
Guten Morgen,

aber könnte es nicht sein, dass schamanistische Praktiken bei den Germanen nicht Relikte der eiszeitlichen Rentierhirten vor sehr, sehr langer Zeit waren?
Wenn wir dies darauf zurückführen, dass die Germanen das Produkt jener besagten drei Einwanderungswellen waren, so läßt sich ihre Religion ja auch möglicherweise auch auf diese Ursprünge zurückführen, oder?

Ich habe absolut kein Bild davon.
Der "Wolfgang", der in den Körper eines Wolfes fährt oder der weißbärtige germanische Priester mit dem weißen Umhang, der einem keltischen Druiden ähnelt und mit Misteln aus dem Wald kommt, damit einen Zaubertrank zubereitet, der einer Frau hilft, wieder Söhne gebären zu können.
Der germanische Priester wie ein Pastor in der Mitte der Dorfgemeinschaft, zu Hochzeit, "Sterbebett" und Brandbestattung geholt wird. Und der natürlich bei Vollmond das Thing eröffnet.

Ja ich weiß sind nur Spinnereien meinerseits.

Viele Grüße
 
aber könnte es nicht sein, dass schamanistische Praktiken bei den Germanen nicht Relikte der eiszeitlichen Rentierhirten vor sehr, sehr langer Zeit waren?
Da machst du mal locker einen Sprung von zwölftausend Jahren oder mehr.
In der Eiszeit wurden Rentiere auch noch nicht gehalten. Das Ren dürfte überhaupt eines der letzten Tiere sein, das auf dem eurasischen Kontinent vom Jagdwild zum Nutztier avancierte, Jahrtausende nach der Neolithisierung.
 
Ja, das habe ich doch erwähnt, dass viel Zeit dazwischen lag.
Es ging mir um den Ursprung des Schamanismus, der sich möglicherweise eventuell unter bestimmten Umständen bei den Germanen halten konnte. Eine reine Vermutung mehr nicht.
 
Das tue ich doch gar nicht. Ich versuche nur zu sondieren, was am wahrscheinlichsten und plausibelsten erscheint.
Mehr nicht.
 
Naja, du hattest schon im Mai vergangenen Jahres erklärt bekommen, dass zwischen mittelsteinzeitlichem Schamanentum und eisenzeitlichen Germanen kein Zusammenhang besteht. Daher verwundert dieses Wiederkehr zu dem Thema etwas.
Das ist so ähnlich wie mit deinen Indianerkriegen á la Karl May-Festspiele zwischen Chatten und Cheruskern. Du beharrst immer wieder auf irgendwelchen Vorstellungen und das ist manchmal etwas irritierend.
Lös dich mal von Karl May und Asterix.
 
Bezugnahmen Daums Wenskus und Kehne schreibt Heiko Steuer in deinem 2021 erschienenen Germanenbuch (S. 810 f.):

Eine weitere Facette der Gesellschaftsformen bildeten die – immer wieder thematisierten – frei beweglichen Kriegerscharen, die losgelöst von den dörflichen Gemeinschaften durch Germanien zogen. Ihre Anführer und ihre jeweilige Gefolgschaft bildeten Einheiten, die Namen trugen und daher von den Römern mit territorial gebundenen Siedlungsgemeinschaften (Stämmen?) verwechselt werden konnten. Diese Heere hießen nach den Anführern, Arminius gehörte zur Sippe der Cherusker, und nur solange es diese Familie gab, gab es auch einen Stamm der Cherusker. Nachdem die letzten Vertreter aus dem Clan des Arminius und Segestes ausgeschaltet waren, die von Rom unterstützten bzw. gar eingesetzten Könige Italicus und Chariomerus (unter Domitian 81–96 n. Chr.), gab es keine Nachrichten in der schriftlichen Überlieferung mehr mit Nennung der Cherusker.
Ich würde nun nicht alles unterschreiben von dem was Steuer hier schreibt. Z.B. wissen wir nicht, ob Segestes und Arminus näher verwandt waren, dass man von Sippe sprechen kann und mit dem Verschwinden der Sippe auch kein entsprechender Stamm der Cherusker mehr existierte. Was wir wissen ist, dass die Cherusker sich in der Bedeutungslosigkeit verlieren. Und Steuer steht da auch mit sich selbst im Widerspruch, denn noch auf S. 804 schreibt er:

Caesar lokalisiert Sueben im Bellum Gallicum irgendwo nordöstlich der Cherusker;....
Was du aber von der obigen Stelle mitnehmen kannst, ist, dass Stammeszugehörigkeit nicht so stabil war, wie man sich das gemeinhin so vorstellt.
 
Guten Morgen,

na ja, aber wenn das Althergebrachte Bullshit ist, dann braucht man halt fundierte Neuerkenntnisse, um diese dauerhaft zu widerlegen. Das alte Narrativ wird durch ein neues ersetzt, ganz einfach eigentlich.
Ich tu mich aber schwer mit der Haltung, das Alte ist Bullshit aber wie es genau es dann doch war, wissen wir nicht, tu ich mich schwer. ;-)

Du spielst auf Heiko Steuer: "Germanen" aus Sicht der Archäologie an? Buch zu einem stolzen Preis, sollte man sich vielleicht in einer Bibliothek holen. Google Books ermöglicht einen Einblick. Abbildung 12 zeigt sogar die Besiedlungsdichte einer Teillandschaft bei Göttingen. Heureka - also gab es tatsächlich Funde im Leinetal.

"Auswirkungen der Eiszeit noch zu spüren"? Wird leider nicht ausgeführt.
Röm. Kaiserzeit. Abnehmende Niederschlagsmenge - Trockenheit? Nasse Kälteperiode im 3. Jhrdt. Was denn jetzt?
Vorherrschend Buchenwälder (was ist eigentlich mit der Gemeinen Esche - Fraxinus excelsior? Jenem kultischen Baum, weiß man eigentlich, wo dieser in der römischen Eisenzeit sein Hauptverbreitungsgebiet hat?)
Klima i.d. vorrömischen Eisenzeit, 2. u. 1. Jhrdt "nicht gerade angenehm" - für wen?
Feucht und kühl. Römische Angriffskriege in eine "dafür eigentlich besonders günstige Periode". Also doch trocken und warm. Germanen auf Steinskulpturen leicht bekleidet.
Harte Winter, Vieh länger im Stall - logisch
"Vorurteil der undurchdringlichen Wälder, erbärmliches Wetter und Dauerregen" - das mag sein

Deine Ausführungen zu Kriegerscharen sind in Google Books leider nicht einsehbar.

Insgesamt aber sehr nebulös.

Grüße
 
Zuletzt bearbeitet:
Abnehmende Niederschlagsmenge - Trockenheit? Nasse Kälteperiode im 3. Jhrdt. Was denn jetzt?

Genau das. Erwartest du für 300 Jahre ein einheitliches Wetter?
Oder allgemeiner für diese Zeit ein einfaches einheitliches Bild der Bevölkerung?
Das wirst du niemals finden, die Menschen waren schon immer unterschiedlich - auch im Leinetal - die Umweltbedingungen auch und die handelnden Personen sowieso.
Die eine einfache Beschreibung existiert nicht und wird daher auch nie gefunden werden.
So gesehen ist Geschichte immer nebulös.
 
Ja, vielleicht oder in größeren Zeiträumen.
Wissenschaft und dazu gehören auch Geschichtswissenschaften sollten schon den Anspruch haben, möglichst präzise zu sein.

Vielleicht reicht die Analytik für belastbare Aussagen auch noch gar nicht aus.
Der biologisch-technische Fortschritt schreitet voran und die Kenntnisse wachen natürlich. Es gibt die Pollenanalyse/Palynologie und mit deren Hilfe sollte man sich schon ein +/- Vegetationsbild aus der Zeit 100 v. bis 100 n. Chr. machen können. Die Menschheit kann die Tiefsee und das Universum erforschen und scheitert an einen Blick auf die Zeit vor 2.000 Jahren?
Okay, vielleicht denke ich zu naiv und es gibt auch Dinge, die sämtliche Spuren irreversibel wegwischen.

Steuer spricht von Flussniederungen, deren Hochwasser (mein "legendäres" Leinehochwasser) und Sedimente natürlich alles irgendwann davontragen und das am Ende nichts mehr übrigbleibt.
Die Germanen haben im Großen und Ganzen keine bleibenden Artefakte hinterlassen und daher bleibt es wahrscheinlich auch in der Dunkelheit bzw. der Phantasie der Menschen, die sich damit beschäftigen.
 
Natürlich kann man permanent damit argumentieren, dass sich Klimata, Menschen und deren Organisationsformen laufend ändern, doch man sollte doch zu bestimmten Zeitmarken den "Anker schmeißen" und sagen, in der Epoche 100 v. und 100 n Chr. hatten wir nach den heutigen Erkenntnissen folgende Umstände.
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Steuer wird zu bestimmten Punkten sogar +/- präzise. So soll (belegt wird das nicht) das Gehöft des Fürsten Segestes eine beachtliche Größe gehabt haben, um ein vielleicht sogar größeres Gefolge + Pferden aufzunehmen. Vielleicht sogar ein dreischiffiger Herren- oder Haupthof mit entsprechenden Nebengebäuden.
Ich suche nach möglichst genauen Angaben und weniger nach Allgemeinplätzen.
Ja, ich weiß, ich muss mich mit dem Wenigen, was bekannt ist, zufrieden geben, das habe ich sehr wohl verstanden.
 
Lass einfach die Eiszeit aus all deinen Gedankenspielen heraus. Wir reden hier über eine Zeit die +/- 2000 Jahre her ist. Damals war die Eiszeit +/- 12.000 Jahre her. Der zeitliche Abstand von den kaiserzeitlichen Germanen zum Ende der Eiszeit betrug also das Sechsfache zu dem zeitlichen Abstand, den wir zur römischen Okkupationszeit haben.
 
(was ist eigentlich mit der Gemeinen Esche - Fraxinus excelsior? Jenem kultischen Baum, weiß man eigentlich, wo dieser in der römischen Eisenzeit sein Hauptverbreitungsgebiet hat?)
Das Verbreitungsgebiet kann man per Pollenanalyse bestimmen. Die durch einen historisch interessierten Biologen eingeführte Pollenanalyse ist seit den 1920ern (damals war das der heiße Scheiß) Bestandteil der ur- und frühgeschichtlichen Archäologie und hat wesentlich zu deren Verwissenschaftlichung beigetragen.

Was nun „jenen kultischen Baum“ anbelangt: Du überträgst - mal wieder! - Vorstellungen des skandinavischen Mittelalters auf die kontinentaleuropäischen Germanen der Antike.
 
na ja, aber wenn das Althergebrachte Bullshit ist, dann braucht man halt fundierte Neuerkenntnisse, um diese dauerhaft zu widerlegen. Das alte Narrativ wird durch ein neues ersetzt, ganz einfach eigentlich.
Ich tu mich aber schwer mit der Haltung, das Alte ist Bullshit aber wie es genau es dann doch war, wissen wir nicht, tu ich mich schwer. ;-)

Das ist verständlich und wahrscheinlich auch nicht zu vermeiden. Im Geschichtsunterricht werden solche Epochen ja eher gestreift und sind meistens in den unteren Klassen Thema, so dass man viel vereinfachen und verallgemeinern muss. Dasselbe gilt aus anderen Gründen für Dokumentationen und sicherlich auch für das eine oder andere Museum. Dann kommt noch unsere Phantasie hinzu, nach der "urwüchsige" Völker irgendwie geschichtslos sind, in Einklang mit der Natur leben und uralte Riten und Traditionen bewahren.

Natürlich ist es unbefriedigend, wenn man ein Deutungsmuster einfach nur dekonstruiert, ohne ein neues an dessen Stelle zu setzen; manchmal lässt sich aber einfach nicht mehr sagen. Generell darf man das generationenübergreifende Erinnerungsvermögen schriftloser Kulturen jedenfalls nicht überschätzen, weil Geschichten und Mythen häufig nach aktuellen Erfordernissen angepasst und verändert werden.

Es gibt beispielsweise einige nordamerikanische Legenden, die von den indigenen Völkern als uralt angesehen werden und mit dem eigenen Ursprung verwoben sein sollen. Da in ihnen aber Pferde vorkommen, können sie eigentlich nur aus der nachkolumbianischen Zeit stammen. Das macht sie nicht weniger wertvoll, aber wir können davon eben nicht ableiten, dass beispielsweise die Komantschen schon seit Jahrtausenden Reiterkrieger gewesen seien. Dasselbe gilt für Germanen oder andere "Völker" der Zeitenwende. Selbst wenn sie auf bestimmte eiszeitliche Gruppen zurückgehen sollten, müssten sich ihre religiösen und kulturellen Vorstellungen in den Jahrtausenden danach deutlich verändert haben.
 
Steuer spricht von Flussniederungen, deren Hochwasser (mein "legendäres" Leinehochwasser) und Sedimente natürlich alles irgendwann davontragen und das am Ende nichts mehr übrigbleibt.
Dass nichts mehr übrig bleibt, ist doch so gar nicht gesagt. Es kann sein, dass auch im Leinetal archäologische Funde und Befunde einer größeren Siedlung irgendwo schlummern und nur noch nicht erforscht wurden. In einer Gegend, die man gerne den (von dir wohl nicht so geschätzten :p) Chatten zuordnet, hat man eine große Siedlung gefunden, die von vor Christi bis ins 11. Jahrhundert n.Chr. besiedelt war: Alt-Geismar*. Grabungen fanden 1980 statt. Viele Funde sind bis heute noch nicht komplett ausgewertet.
Archäologen gehen dort übrigens nicht von einer Siedlungskontinuität einer Gruppe/eines Stammes aus, sondern gehen von verschiedene Migrationsphasen aus, die den Ort geprägt haben. Ob das ganze 1:1 auf das Leinetal übertragbar ist, weiß ich nicht. Man bekommt aber einen Eindruck, wie ein bedeutender Ort in der Germania Magna ausgesehen haben mag.

* Die Internetseite ist teilweise etwas folkloristisch, dennoch bekommt man einen groben Überblick der Funde und Befunde.
 
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