Tib. Gabinius schrieb:
Und daher ist meine Meinung, dass zumindest dieser Teil "warum tat niemand etwas" (obwohl es ja immerhin ein paar gab) vielleicht nicht "unerklärlich" ist, aber unverständlich wenn man es nicht selbst erlebt.
Irgend ein schlauer Mensch hat mal gesagt (ich weiß nicht mehr, wer), "Worte sind nur das Bild vom Feuer, die Hölle musst du selbst erleben."
Stichwort: "Warum tat niemand etwas"
Wir hatten ja weiter oben schon mal festgehalten, dass es in der Natur des Menschen liegt, scheinbar gleichgültig zu reagieren, in Nichtstun zu verharren, so lange es uns nicht selber an den Kragen geht.
In normalen Zeiten fällt dies nicht auf. Wir lassen uns heute eine Angela Merkel genauso gefallen wie vorher einen Gerhard Schröder oder wir haben einen Helmut Kohl genauso hingenommen wie einen Helmut Schmidt. Wir "maulen" zwar über sie, mehr aber nicht.
In den 1930er Jahren war der Mensch nicht viel anders geartet. Hinter vorhaltener Hand wurde ganz bestimmt auch damals über alles gemeckert. Man kennt ja heute noch die versteckten 3.-Reich-Witze, die hinter dem Rücken erzählt wurden.
Mehr aber nicht. Wurden die Leute direkt mit Funktionsträgern des Regimes konfrontiert, "kuschten" sie wieder.
Auch das kann man mit Beispielen von heute erklären; in wie vielen Unternehmen wird die Chefetage gnadenlos kritisiert - betritt der Vorgesetzte den Raum, fragt womöglich noch, wo der Schuh drückt, kriegt keiner mehr den Mund auf - ist alles in Ordnung.
Oder, anderen Menschen helfen. 10 Km entfernt war das nächste KZ, die Bevölkerung hat weggesehen, wollte nicht wissen, was dort geschieht. Nach dem Krieg behaupteten viele, sie hätten nichts gewusst.
Wenn heute ein Verletzter auf der Straße liegt und Erste Hilfe benötigt, laufen auch zunächst 20 Leute an ihm vorbei, bis sich dann doch noch jemand um den Verunfallten kümmert. Anschließend bildet sich eine Menschenmasse, die zuguckt, was dort vor sich geht. Sogenannter "Gaffer". Fragt man später die ersten 20, warum sie vorbei gegangen sind und nicht geholfen haben, sagen sie garantiert, sie hätten den Verletzten nicht gesehen (weggeschaut??).
Es hat sich nichts geändert. Wir Menschen sind gleichgültig wie eh und je. In kleinen Dingen genauso wie in großen Dingen. Hinterher sind wir immer schlauer. Haben alles schon gewusst (rückwärtsgewandte Prophetie). Und vor allem sind wir wieder ganz beruhigt, wenn ein Schuldiger gefunden worden ist. Dann sind wir ja selber aus dem "Schneider". Die ganzen sogenannten kleinen Übeltäter des 3. Reichs wurden ja erst nervös, als auch ihre Verhaltensweise während des NS-Regimes hinterfragt wurde. In den 60er Jahren ungefähr. Vorher hatte man mit NS-Oberen die Schuldigen ausgemacht- und fertig. Jeder andere musste nicht mit sich selber ins Reine kommen.