Gandolf, mit Verlaub, du findest eloquenter Weise immer wieder Formulierungen, allerdings weiß ich nicht, was du mit "wie du 2." meinst.
Über graduelle Unterschiede kann man natürlich diskutieren. Aber Dein ursprünglicher Standpunkt lautete ja,
dass für eine Romanisierung die Präsenz der Römer erforderlich ist,
diese somit nur vor dem Untergang des weströmischen Reiches möglich war und
da keine Römer in Amerika waren, sei dieser Kontinent auch nicht romanisiert worden.
Und ist es noch. Allerdings bin ich bereit der Nomenklatur "Romanisierung" als Verweis auf Übernahme romanischer Elemente zuzustimmen. Falls dich das desorientiert, solltest du dir gewahr werden, dass du, viel härter als ich es jemals war, nicht bereit bist den antiken Sinn zu beachten, ja mir scheint es fast zu akzeptieren.
Und auch jetzt noch bin ich nicht bereit von einer Romanisierung Amerikas zu sprechen, sondern vom Transport romanischer Elemente innerhalb anderer Kulturen, wie der spanischen usw.
Mir erschien zum Thema dieses Stranges das von Dieter Hägermann herausgegebene Buch "Akkulturation – Probleme einer germanisch-romanischen Kultursynthese in Spätantike und frühem Mittelalter" aus dem Jahr 2004 geeigneter. Zumal dieses Buch auf der Grundlage einer Tagung des Projektes der Deutschen Forschungsgesellschaft "Nomen et Gens - Name und Gesellschaft" erstellt wurde, die im Deutschen Historischen Institut in Paris vom 19. bis 22. März 2002 stattfand und an der mehr als 40 Sprachwissenschaftler, Historiker und Archäologen aus sechs Nationen zum interdisziplinären Austausch teilnahmen:
http://www.dhi-paris.fr/seiten_deut...kulturation.htm
1. Eine Konferenz, die sie ihren Namen nicht umsonst trug, andere Themengebiete also nicht als zentrale Themen erachtete.
2. Im Vorfeld wollte ichs vermeiden aber nun gut. Deine Zitate sind aus dem Zusammenhang gerissen und in deinem "Sinne" verwendet. Etwas das der Historiker (ich bin überrascht wie du als Jurist beständig für diesen Berufszweig vermeinst sprechen zu können) gar nicht leiden kann:
Tagungsbericht schrieb:
In den Quellen sei die Bezeichnung "Germanen" in zeitgenössischer Verwendung seit dem 4./5. Jh. präziseren Benennungen weitgehend gewichen.
Hier trennt Pohl das Problem, obwohl es in einer Beleuchtung von der Antike bis zum Mittelalter steht, ab, von der eigentlichen Antike und läßt den Konflikt erst in der Spätantike entstehen, oder noch besser, in der ausgehenden Antike. Somit ist die Kaiserzeit aus dieser Perspektive außen vor (was sie eigentlich nicht ist, denn schon um Teutonen wird heftig diskutiert, aber daran wird klar, dass der pamphletische Versuch Germanen im allgemeinen als schwer definierbar zu stempeln nur Ablenkung, oder, falls dies deinen Überzeugungen wirklich entspricht, ein Irrtum ist).
Tagungsbericht schrieb:
Als wissenschaftlicher Forschungsbegriff seien "die Germanen" mit einer ganzen Bandbreite unterschiedlich gelagerter Probleme behaftet. So sei der historiographische Germanenbegriff keineswegs deckungsgleich mit dem archäologischen bzw. philologischen. Zudem sei der Germanenbegriff allein schon durch seine affektive Besetzung problematisch.
Hier wird eingegrenzt, wieso der Germanenbegriff schwer zu benutzen ist, und nichts anderes kommt dabei heraus, als der Hinweis, dass es keine klaren Grenzen geben kann.
So wie heute das Gebiet Elsas noch immer bilingual ist, und somit weder klar französisch oder deutsch ist, so gibt es Regionen und Stämme die ähnliche Probleme bereiten, was an sich nicht heißen soll, dass es keine deutlich zu erkennenden Germanen par Definitionem gibt. Auch das habe ich bereits versucht dir in einfachen Worten klar zu machen.
Tagungsbericht schrieb:
Der Vortragende warf zudem die Frage auf, ob die zwischen dem 5. und 8. Jh. feststellbaren Umbrüche bei den germanischsprachigen Völkern, u. a. auf den Ebenen der Sprache (Verlust der Muttersprache, Lautverschiebungen), der Religion (Bestattungssitten) und der traditionellen Lebensweise (Trachtwechsel, Siedlungsform) als "Akkulturation" anzusprechen seien. Germanen lebten in jahrhundertelanger Nachbarschaft zum Römischen Reich. Akkulturationsprozesse setzten demnach viel früher ein. "Akkulturation" sei nicht als einfache Übernahme römischer Kultur zu verstehen, vielmehr seien romanische Elemente innovativ an neue Umstände angepaßt worden
Nachdem hier nun klar der Begriff "germanisch" über das 5. Jh.n. Chr. ausgedehnt wurde (was, wie ich in meinem vorherigen Beitrag sagte auf die Strittigkeit zurück zu führen ist), spricht man hier auch deutlich von einer Akkulturation und scheint bewußt zu vermeiden, von einer Romanisierung zu fabulieren, vermutlich um nicht mit dem eigentlichen, dem antiken Sinne aneinander zu geraten.
Und noch viel weiter, sie verweist sogar auf den Transport des "romanischen" und nicht des "römischen" aus dem Imperium, und genau darum kann man bei den Germanen nicht von einer Übernahme römischer Kultur sprechen (Romanisierung) sondern nur von einer Akkulturation, Übernahme einzelner Elemente.
Das alles stammte aber von einem Redner, und zu meinem "erstaunen" wandten sich jene 40 Historiker, Sprachwissenschaftler und Archäologen (nicht unbedingt die bedeutenste Tagung der letzten Jahre...) der Sprachforschung zu, ihrem Spezialgebiet.
Ein anderer Redner läßt viel später folgendes verlauten:
Tagungsbericht schrieb:
Der Vortragende unterstrich insbesondere die Bedeutung der christlichen Mission beim Transfer antiken Bildungsgutes.
Der Vortragende unterstrich insbesondere die Bedeutung der christlichen Mission beim Transfer antiken Bildungsgutes.
Wenn also die romanischen Elemente teils modifiziert innerhalb der Christenlehre transportiert wurden, so kann man dabei in erster Linie von einer Christianisierung sprechen. Und in der Tat ist dies auch der Fall, wenn wir von der Tätigkeit der Missionare im 7.-9. Jh.n.Chr. und eben nicht von einer "Romanisierung" oder Akkulturation.
Und beschlossen wurde die Tagung mit dem Vortrag:
"Aspekte der Kultursynthese von Romanen und Germanen im Frankenreich im Spiegel der Historiographie des späten 6. und 7. Jhs."
Eine Trennung wie du sie als nicht existent beschrieben hast, in einer Zeit in der du den Germanenbegriff als nicht mehr existent ansprichst.
Soviel also dazu. Die Quintessenz, welche du übernommen hast, ist radikal und führt nicht nur bei den hier Anwesenden zu einigem erstaunen.
Denn selbst der Tagungsbericht sagt:
Insgesamt wurde deutlich, daß die germanisch-romanische Akkulturation im Zeitraum zwischen Spätantike und frühem Mittelalter einen langfristigen, vielgestaltigen und vielschichtigen Syntheseprozess darstellt, dessen Untersuchung eine enge interdisziplinäre und internationale Kooperation verlangt. Die von dieser Tagung ausgegangenen Anregungen und Neuansätze aus unterschiedlichen Disziplinen werden in Form eines Tagungsbandes der Forschung zur Verfügung gestellt.
Es können also kaum klare Aussagen darüber im moment getroffen werden.
Im Gegensatz dazu die traditionelle Begrifflichkeit der Romanisierung.
Diese ist zwar in Detailfragen heiß diskutiert, wie weit etwa der Osten nun wirklich romanisiert wurde oder nicht, die Rahmenbedingungen sind aber ebenso klar wie die Folgen und die nötigen Indizien.
Gandolf schrieb:
Eigentlich beschreibt dein Einwand die Problematik, um die es mir geht, ganz gut. Die Begrifflichkeiten "Romanen" (romania) und "Barbaren" / "Germanen" stammen aus einer Zeit, in der sich diese "Gruppen" gegenüberstanden. Doch diese waren auch Nachbarn und infolgedessen begann ein Prozess der Akkulturation, der Angleichung der beiden Kulturen. Dieser Prozess begann sich infolge der Invasion und der damit einhergehenden Völkervermischung noch weiter zu verstärken. Schließlich begann die Kirche, die durch den Untergang Westroms ihren staatlichen Schutz verloren hatte, die geistige Gegenoffensive (Truppen hatte sie ja keine). Sie begann die Völker des Nordens im Rahmen ihrer Missionierung zu romanisieren und gewann somit neue Schutzherren. Infolge dieses Angleichungsprozesses büssten die Begriffe "Romanen" und "Germanen" ihre ursprüngliche Trennschärfe ein.
Wieder falsch. Wie die Tagung beschrieben hat, beginnt die Akkulturation im eigentlichen Sinne erst durch die verstärkten Vorstöße, also die Invasionen, wie du sie nennst. Eine Übernahme römischen Gedankengutes findest du zuerst im "Militär", denn die Germanen passen die Kampfesweise den Römern an, worauf diese selbst zu weiteren Reformen gezwungen werden usw. usf. Dies wird im 3. Jh.n.Chr. sichtbar, gegen dessen Ende die ersten großen und verheerenden Einfälle seit der Republik stattfinden und in deren Folge jene Akkulturation einsetzt (wenn man großzügig ist).
Die Konferenzteilnehmer legen dies, wie oben beschrieben, erst auf das 4./5. Jh.
Und auch falsch, dass die Kirche "romanisierte". Sie christianisierte, logischerweise, und gleichzeitig war nicht allein ausschlaggebend sie es. Oder hast du den Streit mit den irischen Mönchen vergessen?
Gandolf schrieb:
"Diesseits des Rheines" ist in einem Internetforum aber eine ziemlich ungenaue Ortsangabe, nicht wahr? das macht aber nichts. Ich weiß ja, was Du gemeint hast.
Ich traue meinen Diskussionpartnern und den Forumsbesuchern nach mehrmaliger Klarstellung und diesmaliger Gegenüberstellung durchaus zu, sich zu erinnern, welche der Rhein- und Limesseiten romanisiert wurde und welche nicht, und ich traue ihnen nicht zu, in den Glauben zu verfallen, rechts des Rheines seien die Römer erfolgreicher gewesen als links des Rheines...
Es ist immerhin tröstlich, dass du darüber nachgedacht, und dann erkannt hast, was ich meinte, wenn es dir nicht sofort einleuchtete...
Ich schrieb ja auch, dass die Germanen römisch-katholische Christen "wurden" und in meinem Beitrag vom 07.08.05 -01:55 Uhr - habe ich ja auch geschrieben, wie dies geschehen ist.
Das mag sein, aber du springst in den Zeiten und Epochen zu viel.
Im einen Moment sprechen wir noch von "linksrheinischen" und "rechtsrheinischen" also antiken Germanen, dann springst du zu den völkerwandernden und dann zu den mittelalterlichen, bei denen diese Einteilung hinfällig relevant ist.
Im einen Moment reden wir von den durch die "Invasionen" übernommenen romanischen Traditionen und Gütern, im nächsten steckst du 300-500 Jahre später im tiefsten Sachsenland... Das ist der Sache und auch deines eigenen Verständnisses nicht förderlich.
Ich merke vor allem, dass du dich mit meinen Beispielen, die für das Gegenteil sprechen, gar nicht auseinandersetzt und Dich nun auf die fehlenden Thermen, Tempeln, Foren, etc. stürzt. Ich will es mal so sagen:
Das ist auch wieder falsch. Ich setze mich mit deinen Beispielen auseinander. Nur darum habe ich in meinem letzten Beispiel akzeptiert, dass du eine in deinem Sinne gesprochene "Romanisierung" auch bei anderen Völkern sehen kann. Das nämlich romanische Elemente vorhanden sind.
Andersherum wehrst du dich ausgesprochen eloquent dagegen, dass du hier das Thema viel zu weit ausgedehnt hast, dass "diese" Romanisierung als solcher Akt nicht existierte sonder nur ein unterschwelliger Effekt ist und gegen eine eigentlich zweifelsfreie Begriffseinteilung, ja sogar gegen eine Fokusierung des Themas auf den von der Fragestellerin ursprünglich gemeinten Bereich.
Und um weiter voran zu schreiten:
Thermen setzen heisse Quelle voraus. Diese wollen entdeckt sein und dann muss auch noch das Geld für den Bau von Bädern zur Verfügung gestellt werden. So etwas ist nicht am Anfang des Romanisierungsprozesses zu erwarten.
Das ist mit oder ohne Verlaub albern. Thermen setzen heiße Quellen voraus? Wer hat dir diesen Bären aufgebunden? Thermen setzen den Bau solcher voraus und das Geld dafür ist weitaus geringer als für den Bau einer Burg oder eines Festungsbereiches. Die Siedlungen des Mittelalters wären also durchaus in der Lage gewesen diese zu errichten, einzig das Können, und darauf will ich hinaus, wwar ihnen nicht zuteil geworden, also waren sie nicht romanisiert worden, denn die Kelten, Illyrer, ja sogar die Inselkelten und Iberer bauten sie nach ihrer Romanisierung.
Nachdem das Christentum Staatsreligion wurde, kam selbst in Rom der Tempelbau zum Erliegen. Nun wurden Kirchen gebaut. Im Rahmen ihrer Missionierung bauten auch die Germanen Kirchen.
Richtig, du sagst es. Während ihres "Jahrhundertelangen Kontaktes und der damit verbundenen Akkulturation (die es eben noch nicht gab)" übernahmen die Germanen den Tempelbau nicht: keine Romanisierung (im Gegensatz zu den Kelten, die bauten Tempel). Und selbst nach den "Invasionen" bauten die Germanen keine Kirchen (keine wie auch immer geartete Romanisierung), sondern erst nach der Missionierung und der damit verbundenen Christianisierung (in deren Kielwasser auch ein Transport romanischen Kulturgutes fuhr).
Foren setzen Städte voraus und die Gründung von Städten wurde von den "romanisierten Germanen" betrieben wie nie zuvor.
Hier fehlt die zeitliche Eingrenzung (was mit "romanisierten Germanen" nicht getan werden kann. Die eingefallenen Germanen ins Reich jedenfalls bekamen Siedlungen zugeteilt wenn sie dort seßhaft werden wollten, und diese Städte bestanden bereits und verfügten von alters her über ein Forum.
Hingegen verzichten mittelalterliche Städte auf ein Forum und benutzen eben einen Marktplatz, dessen Funktionen nicht zur Gänze denen eines Forums entsprechen und deren Aufbau sich grundlegend unterscheidet (bis auf eine freie Fläche, aber das ist lange nicht alles).
Ende Teil 1 (wußte gar nicht dass es eine Beschränkung von Postings gibt....)