wie sind die 10 Gebote Moses' im historischen Kontext einzuordnen?

Die Liste der Juden, die konvertierten und Eingang ins deutsche Bildungsbürgertum fanden, ist lang. Ohne das 3. Reich wären sie in Deutschland längst assimiliert.
 
Mal zurück zum Topic:

- hier wurde im Thread festgestellt, dass die 10 Gebote nur für Juden untereinander galten.

=> ich denke, dass es einem Christen nicht erlaubt ist, einen andersgläubigen zu bestehlen, in umzubringen etc.. Das heisst, dass unter dem Christentum die zehn Gebote universelle Gültigkeit erhielten (ab wann? oder sehe ich das falsch?)
 
Mal zurück zum Topic:

- hier wurde im Thread festgestellt, dass die 10 Gebote nur für Juden untereinander galten.

=> ich denke, dass es einem Christen nicht erlaubt ist, einen andersgläubigen zu bestehlen, in umzubringen etc.. Das heisst, dass unter dem Christentum die zehn Gebote universelle Gültigkeit erhielten (ab wann? oder sehe ich das falsch?)
Für das Christentum gelten die 10 Gebote selbstverständlich, besteht doch die Bibel nicht nur aus dem sogenannten Neuen Testament.
Es geht im Thread- Zusammenhang wohl eher um die Entstehungszeit- und geschichte des Zehnworts, das dann im Christentum zu den 10 Geboten wurde.
 
Für das Christentum gelten die 10 Gebote selbstverständlich, besteht doch die Bibel nicht nur aus dem sogenannten Neuen Testament.
Es geht im Thread- Zusammenhang wohl eher um die Entstehungszeit- und geschichte des Zehnworts, das dann im Christentum zu den 10 Geboten wurde.

Sorry, ich glaube, Du hast mich falsch verstanden:

- dass die zehn Gebote für die Christen ebenso gelten wie für die Juden, ist mir glasklar. Die Fragestellung ist anders: darf ein Christ z.B. einen Nicht-Christen bestehlen? Oder anders gesagt: wird im Christentum die Gültigkeit des Schutzes im Rahmen der Zehn Gebote auf Nicht-Christen erweitert? (für Juden nehme ich an, dass sie ebenfalls geschützt sind).
 
Mit diesem Exkurs möchte ich mich wieder dem Kontext der 10 Gebote zuwenden. Kann es eine solche negative Migrationserfahrung in der Vorgeschichte des Judentums vielleicht sogar mehrfach gegeben haben, was wiederum sehr frei nach Assmann dazu führte die Erinnerungstechnik des Judentums so stark zu machen?
Mit Sicherheit, es gab ja immer wier Verfolgung von Juden in der Geschichte. Eigentlich mag ich ja keine Henne-Ei-Diskssionen aber hier könnte man durchaus fragen was zuerst da war: Verfolgung aufgrund Andersartigkeit und dadurch bewusste Abrenzung oder zuerst die bewusste Abgrenzung und dann erst die Verfolgung? Grundsätzlich wären die Voraussetzungen zu einer Vollinteration mE durchaus gegeben gewesen, wurden aber immer wieder durch entsprechende Sanktionen unterbunden (Judenhüte, Beschäftigungsverbote, Ghettos, Heiratsverbote etc.) bzw. von jüdischer Seite beschränkt (Heiratsverbote, Sprachbarrieren (Jiddisch), Unflexibilität bzgl. Teilhabe am Arbeitsleben (Shabbatruhe), äußere Abgrenzung (Kippa, Peot), etc.). Nichts desto trotz gab es immer wieder Transfer, seien es nun jiddische Ausdrücke im Deutschen oder kulturelle Aspekte, wie Dialekt, Bräuche etc. Zusätzlich gibt es ja selbst im Zusammenhang mit der Religion eine gewisse Schnittmenge, allerdings haben andererseits sowohl das Christentum als auch das Judentum den Anspruch, die allein selig machende Religion zu sein, hier hätte also eine Gruppe konsequenterweise komplett auf die eigene Religion verzichten müssen, damit es zur Vollintegration kommt.

Das Zwang hier nicht das probate Mittel war, sieht man an der Masse der exilierten Sephardim nach dem Alhambra-Edikt bzw. eben auch an der Anzahl der sog. Marranos welche in Spanien und Portugal verblieben, trotzdem aber nicht wirklich integriert wurden, wie man direkt an dem freundlichen Namen sehen kann, den man ihnen als konvertierte Juden verpasst hatte. Es gibt ja, wie bb bereits erwähnt hat, eine nicht unbeachtliche Menge von freiwillig konvertierten Juden, einer Vollintegration auf diesem Wege sind allerdings die Nationalsozialisten zuvor gekommen. Eine weitere Möglichkeit der Vollintegration ist schlicht die gruppenübergreifende Fortpflanzung, welche aber auch lange Zeit über von beiden Seiten ausgehend unmöglich war.

Lange Rede kurzer Sinn: eine Vollintegration wäre durchaus möglich gewesen, durch bewusstes äußeres Steuern der Nichtintegration und oft auch darüber hinaus auf beiden Seiten kam es nicht dazu.
 
Zuletzt bearbeitet:
Sorry, ich glaube, Du hast mich falsch verstanden:

- dass die zehn Gebote für die Christen ebenso gelten wie für die Juden, ist mir glasklar. Die Fragestellung ist anders: darf ein Christ z.B. einen Nicht-Christen bestehlen? Oder anders gesagt: wird im Christentum die Gültigkeit des Schutzes im Rahmen der Zehn Gebote auf Nicht-Christen erweitert? (für Juden nehme ich an, dass sie ebenfalls geschützt sind).

Führt uns das denn weiter?
Ich meine, da waren wir schon mal und hatten festgestellt, dass es auch vor den 10 Geboten Regeln gab, an die man sich zu halten hatte.
Mir wäre es lieber, wir würden bei den Erinnerungstechniken ansetzen, zu denen die 10 Gebote genauso gehören, wie Rituale, Eßvorschriften, Sabbatheiligung und Beschneidung und warum es für die jüdische Identität so wichtig war, diesen Kanon unverändert weiterzugeben.

Aber es ist dein Thread, megatrend.:winke:
 
- hier wurde im Thread festgestellt, dass die 10 Gebote nur für Juden untereinander galten.
Nette Feststellung, aber eben so nicht ganz richtig. Zumindest das Sabbat-Gebot gilt nicht nur für das eigentliche jüdische Volk Israel, sondern auch für deren Knechte, Sklaven, Ochsen, Esel...
5. Moses, Kapitel 5 Vers 14:
Aber am siebenten Tage ist der Sabbat des HERRN, deines Gottes. Da sollst du keine Arbeit tun noch dein Sohn noch deine Tochter noch dein Knecht noch deine Magd noch dein Ochse noch dein Esel noch all dein Vieh noch dein Fremdling, der in deinen Toren ist, auf daß dein Knecht und deine Magd ruhe wie du.
 
Mir wäre es lieber, wir würden bei den Erinnerungstechniken ansetzen, zu denen die 10 Gebote genauso gehören, wie Rituale, Eßvorschriften, Sabbatheiligung und Beschneidung und warum es für die jüdische Identität so wichtig war, diesen Kanon unverändert weiterzugeben.
Vetreibung, Exil erfordern ein "tragbares Vaterland"(vgl.Heinrich Heine über die Tora). Das Festhalten am Ritus, an Gesetzen schafft eine Sicherheit und einen Zusammenhalt, ja eine Identität auch ohne Vaterland.
 
Vetreibung, Exil erfordern ein "tragbares Vaterland"(vgl.Heinrich Heine über die Tora). Das Festhalten am Ritus, an Gesetzen schafft eine Sicherheit und einen Zusammenhalt, ja eine Identität auch ohne Vaterland.
Dem stimme ich zu, wenn man denn an seiner Identität festhalten will.
Für das Festhalten an der eigenen Identität im Exil ist der schriftliche Kanon und die Rituale hervorragend geeignet, teilweise wurde er ja nach dem babylonischen Exil niedergeschrieben.
Trotzdem finde ich das jahrtausendelange Erinnern ungewöhnlich, deshalb wüßte ich gern, welche sehr frühen Erfahrungen die Juden veranlaßt haben, dieses "tragbare Vaterland Religion" überallhin mitzunehmen und es nie vollständig gegen ein neues einzutauschen.
 
Dem stimme ich zu, wenn man denn an seiner Identität festhalten will.
Für das Festhalten an der eigenen Identität im Exil ist der schriftliche Kanon und die Rituale hervorragend geeignet, teilweise wurde er ja nach dem babylonischen Exil niedergeschrieben.
Trotzdem finde ich das jahrtausendelange Erinnern ungewöhnlich, deshalb wüßte ich gern, welche sehr frühen Erfahrungen die Juden veranlaßt haben, dieses "tragbare Vaterland Religion" überallhin mitzunehmen und es nie vollständig gegen ein neues einzutauschen.
Vielleicht die Verbundenheit mit Gott, das persönliche Gottesverhältnis?
 
Trotzdem finde ich das jahrtausendelange Erinnern ungewöhnlich, deshalb wüßte ich gern, welche sehr frühen Erfahrungen die Juden veranlaßt haben, dieses "tragbare Vaterland Religion" überallhin mitzunehmen und es nie vollständig gegen ein neues einzutauschen. __________________
1) Juden sind am längsten im Besitz einer Heiligen Schrift. Wer das Alte Testament auch nur flüchtig kennt, wird wissen dass da immer wieder ein Elitärdenken als "Gottes auserwähltes Volk" durchschimmert.
2) In ihrer langen Geschichte haben sie genug leidvolle Erfahrungen gemacht. Diese wurden schriftlich überliefert und vor allem auch immer wieder studiert. Unter den Juden in der Diaspora gab es de facto, anders als sonst irgendwo, keine Analphabeten.
 
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Für das Festhalten an der eigenen Identität im Exil ist der schriftliche Kanon und die Rituale hervorragend geeignet, teilweise wurde er ja nach dem babylonischen Exil niedergeschrieben.
Eigentlich ging es immer in umgekehrter Richtig. Rituale, Gesetze etc. wurden im Exil ausgeformt und aufgeschrieben.
Beachtet man den Verlauf des Pentateuch, wird es schon über deutlich. In Ägypten wird ein gewisser Moses Anführer der Hebräer, führt diese in die Wüste, zerdeppert das "goldene Kalb" (also den Götzen) und versorgt die Mannschaft mit 10 Geboten, religiöser Offenbarung usf.
Folgt man eben der Thora, so waren die Hebräer/Juden/Israeliten als sie sich zur Zeit der Erzväter in Kanaan aufhielten noch ohne das mosaische Gesetze. Leider gibt es ja für die Moses-Geschichte ja so gut wie keine außerbiblischen Berichte. Sie kamen vom Sinai mit den mosaischen Gesetzen, also aus der Fremde!

Noch erstaunlicher ist die Sache mit dem Babylonischen Exil. In Babylon formte sich allen Anschein nach die jüdische Religion.
Befreit von Persern führt der jüdische Priester Esra die Exilanten zurück ins Heilige Land. Im Gepäck jene Lehre und Weiterentwicklung der jüdischen Religion, die wahrscheinlich in Babylon begründet wurde. Die dort verbliebenen, scheinbar verwilderten Juden (ohne jenen starken Einfluß der babylonischen und persischen Kultur) wurden dann von Esra eingewiesen, ihre fremden Weiber verstoßen, der Tempel wiedererrichtet (oder erstmals gebaut). Im Grunde hat er das Judentum mal wieder ( oder vielleicht doch erstmals) neu erschaffen.

Das Kernproblem ist aber, ob es die Zeit davor wirklich gab, ob Abraham, Moses und König David mehr waren als bloße Legende. Wahrscheinlicher ist, dass die mosaischen Gesetze erst jetzt geformt wurde. Ob sie davor bereits in Israel bekannt waren oder erst in Babylon entstanden bleibt unklar. Vieles spricht dafür, dass die jüdische Religion das Werk der babylonischen Gemeinde ist, dass dann von den elitären Stadtbewohnern aus Babylon den Bauern und Hirten Israels aufgedrückt wurde und das nach dem Buch Esra mit Auftrag des persischen Königs Artraxerxes. (Ähnlich wie später die Ausbreitung des babylonischen Talmuds vom Partherreich in die Weite der spätantiken/frühmittelalterlichen Diaspora.) Esra errichtet innerhalb der Großreiches Persien einen Judenstaat mit eigenen, den mosaischen Gesetzen.

Hierzu noch das Wissenschaftliche Bibellexikon:
Aus historischer Perspektive darf man nicht einfach die Tora und das „Gesetz des Himmelsgottes“ aus dem Artaxerxes-Auftrag gleichsetzen: dāt ist zunächst nicht das aramäische Äquivalent zu tôrāh im Hebräischen (Rendtorff, 1984; 1999). Insofern wäre es zu einfach, Esras Tätigkeit als Einführung der Tora als persisches Reichsrecht zu beschreiben. Esra erhält die Aufgabe der Aufrichtung einer Rechtsordnung mithilfe des „Gesetzes des Himmelsgottes“, das in seiner Hand ist (und dessen genauer Bestand heute nicht mehr rekonstruierbar ist). Die persische Zentralregierung hatte wohl kein Interesse daran, die „Tora“ als solche mit Autorität zu versehen, wohl aber ratifizierte die persische Verwaltung die Anwendung der „Gebote und Satzungen“ der Tora (Esr 7,11; vgl. auch Esr 7,10) in der Rechtsordnung – das kann durchaus mit dem aramäischen Wort dāt bezeichnet werden. Esras herausragende historische Leistung war es wohl, die Rechtsordnung in Jerusalem zu etablieren und dabei eine Vorstufe der Tora in bisher nicht gekannter Weise in den Mittelpunkt der Öffentlichkeit zu tragen und im Bewusstsein der jüdischen Rückkehrergemeinde zu verankern. Dies war ein grundlegender Beitrag zur Neuformulierung ihres Selbstverständnisses.
Demnach soll die Tora, also die Bücher Moses erst nach Esras Zeit aufgeschrieben worden sein. (Hierfür spricht auch, dass sie auf Hebräisch verfasst wurde. Dazu weiter unten mehr.) DIe Gesetze existierten aber schon vorher, nur eben nicht als Tora.

Im Grunde eine groß angelegte Ethnogenese in der die babylonischen Juden mit den Hebräern zu einem Volk verschmelzen sollten. Das mosaische Gesetze wäre demnach nur ein Nebenprodukt des Versuches die eingewanderten, babylonischen Juden mit den einheimischen Hebräer zu vereinen.
Angesichts der Spaltung der Juden und Samariter ist das Projekt offenbar gescheitert. Die Samariter übernahmen zwar die Thora nicht aber die Bücher der Propheten und den Tempelkult in Jerusalem, behielten aber die hebräische Sprache. Die Juden hingegen hielten an der aramäischen Sprache fest und pflegten das Hebräische nur als tote Sprache.
 
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Nette Feststellung, aber eben so nicht ganz richtig. Zumindest das Sabbat-Gebot gilt nicht nur für das eigentliche jüdische Volk Israel, sondern auch für deren Knechte, Sklaven, Ochsen, Esel...
5. Moses, Kapitel 5 Vers 14:

Danke für Deine Ergänzung, sie ist aber nicht wirklich die Beantwortung meiner Frage, denn die steht immer noch aus:
- hat das Christentum eine Erweiterung der zehn Gebote in Bezug auf Schutz der anderen gebracht?

[...........]Das mosaische Gesetze wäre demnach nur ein Nebenprodukt des Versuches die eingewanderten, babylonischen Juden mit den einheimischen Hebräer zu vereinen.

Meinst Du nicht, dass die mosaischen Gesetze die Folge der "Entdeckung" der Schrift ist? Ich erinnere da an den Codex Hammurapi, der auch infolge Entdeckung der Schrift entstand. Die Entdeckung/Einführung der Schrift könnte doch quasi zu einem exzessiven Bedürfnis geführt haben, alles schriftlich festzuhalten, quasi zu einen Gesetzes-Overkill.

Führt uns das denn weiter?
Mir wäre es lieber, wir würden bei den Erinnerungstechniken ansetzen, zu denen die 10 Gebote genauso gehören, wie Rituale, Eßvorschriften, Sabbatheiligung und Beschneidung und warum es für die jüdische Identität so wichtig war, diesen Kanon unverändert weiterzugeben.

Die Frage ist wen was interessiert. Ich finde Deine Fragestellung sehr interessant; sie trifft aber den Thread-Titel nur am Rande. Was manchmal suboptimal ist, wenn mehrere Leute im gleichen Thread parallel über diverse Themen weiterdiskutieren, kann manchmal zur Unübersichtlichkeit führen.

Aber es ist dein Thread, megatrend.:winke:

Nein, der Thread gehört allen im Forum, die im Thread zum Thema mitmachen.
 
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Wie meinst du das? Wieso ist 1% oder was immer du da gerechnet hast, eine gewaltige Kulturleistung, wenn andere Assimilationprozesse spätestens nach 3 Generationen zur Vollintegration führen?
Ich meine es so, dass ich die Nicht-Assimilation als Kulturleistung ansehe und nicht das Assimliert-Werden.

Und Du ? Der o. g. Beitrag steht doch dem folgenden um 180 ° entgegen :
Dass das Judentum seine eigene Identität über die Jahrtausende in nahezu jedem Umfeld bewahrt hat, fasziniert mich schon länger. Dieses Bewahren und Aufrechterhalten der mitgebrachten Tradition ist doch eher ungewöhnlich oder gibt es andere Beispiele für Migrationen, die nach 3 Generationen nicht weitgehend in der Mehrheitsbevölkerung aufgegangen waren?
"Integriert" im oben definierten Sinne waren die deutschen Juden doch eh'...
Es gab in Berlin Rabbiner, die den Gottesdienst am Sonntag abhielten und sogar über die Beschneidung wurde diskutiert. Diese Bewegung hätte vielleicht zu einer Vollintegration dieser Gruppe der Reformjuden führen können, ...
... und die Verlegung es Sabbath auf Sonntag kann man wohl kaum als die notwendige Beseitigung eines Hindernisses für eine Integration ansehen, sondern eher für eine Assimilation.
Erschwerend kommt hinzu, dass es den Juden in Europa nicht möglich ist, sich durch eine unterschiedlich Hautfarbe o. dgl. sozusagen von selbst abzugrenzen.
Oder hast du die Smileys vergessen und ich verstehe bei der Hitze deinen Humor nicht?
Eine abweichende Haufarbe ist für eine assimiationswillige Minderheit ein Hindernis. Für eine abgrenzungswillige hingegen erschwert gleiches Aussehen die Nicht-Assimilation. Daher muss sie nach innen striktere Regeln aufstellen und über viele Generationen durchsetzen (-> Kulturleistung), um ihre Identität zu wahren. Es ist eben leichter, z. B. Heiraten mit der Bevölkerungsmehrheit zu meiden, wenn diese ihrerseits Vorbehalte wg. Hautfarbe hat.
 
Ich meine es so, dass ich die Nicht-Assimilation als Kulturleistung ansehe und nicht das Assimliert-Werden.

Und Du ? Der o. g. Beitrag steht doch dem folgenden um 180 ° entgegen :
Mich fasziniert es, weil es eher die Ausnahme ist, wenn ich es mit den vielen anderen Migrationen vergleiche, die teilweise später stattgefunden haben und deren Nachkommen schon nach 3 Generationen fast unentwirrbar vermischt waren, weil sowohl bei den Einwanderern als auch bei der Mehrheitsgesellschaft die Ausgangsidentitäten nach dieser Zeit vergessen worden waren.

Über das weitere muß ich nachdenken.
 
Mir wäre es lieber, wir würden bei den Erinnerungstechniken ansetzen...
Ich nehme das - mit megatrends Einverständnis - gern auf. Assmann schreibt darüber einiges [1] und nennt u.a. acht solcher Verfahren:

  1. Bewußtmachung, Beherzigung - Einschreibung ins eigene Herz
  2. Erziehung - Weitergabe an die folgenden Generationen
  3. Sichtbarmachung - Denkzeichen auf der Stirn (Körpermarkierung)
  4. Limitische Symbolik - Inschrift auf dem Türpfosten (Grenze des Eigenen)
  5. Speicherung und Veröffentlichung - Inschrift auf gekalkten Steinen
  6. Feste der kollektiven Erinnerung - die drei großen Versammlungs- und Wallfahrtsfeste Pessach, Wochenfest und Laubhüttenfest
  7. Mündliche Überlieferung, d.h. Poesie als Kodifikation der Geschichtserinnerung
  8. Kanonisierung des Vertragstextes (Torah) als Grundlage 'buchstäblicher' Erinnerung
Assmann hält die achte für die Entscheidende: Sie beendet den "Traditionsstrom" ein für alle mal: "Von nun an darf nichts hinzugefügt, nichts weggenommen werden. Aus dem Vertrag [zwischen JHWH und seinem Volk) wird der Kanon." [2]

Eigentlich ging es immer in umgekehrter Richtig. Rituale, Gesetze etc. wurden im Exil ausgeformt und aufgeschrieben. ... Noch erstaunlicher ist die Sache mit dem Babylonischen Exil. In Babylon formte sich allen Anschein nach die jüdische Religion.
So kann man es wohl sehen! Besagte Mnemotechnik wird, so Assmann, "in der Not des babylonischen Exils" grundgelegt.

Das zu Memorierende selbst entstammt einer "Urszene", nämlich der "Auffindung des Buches Deuteronomium und der darauf aufbauenden Josianischen Reform. ... Dem Bericht in 2 Kg. 22, 2-13 zufolge 'fand' der Hohepriester Hilkia im Tempel von Jerusalem ein offenbar völlig in Vergessenheit geratenes 'Buch der Torah' ... [welches] nicht nur bis ins einzelne spezifiziert die 'Gebote, Zeugnisse und Statuten' des Vertrages, den der Herr mit Israel geschlossen hatte, sondern dazu auch noch schwerste Verwünschungen für den Fall der Nichtbeachtung" enthielt.

...ein "tragbares Vaterland" (vgl.Heinrich Heine über die Tora). Das Festhalten am Ritus, an Gesetzen schafft eine Sicherheit und einen Zusammenhalt, ja eine Identität auch ohne Vaterland.
Ja! Assmann drückt das so aus: Es geht um die "Trennung von Identität und Territorium... Worauf es im Deuteronomium ankommt, ist die Zumutung, sich im Lande an Bindungen zu erinnern, die außerhalb des Landes eingegangen sind und ihren Ort in einer extraterritorialen Geschichte haben: Ägypten - Sinai - Wüste - Moab. Die eigentlich fundierenden 'lieux de mémoire' liegen außerhalb des Gelobten Landes. Damit wird eine Mnemotechnik fundiert, die es möglich macht, sich außerhalb Israels an Israel zu erinnern, und das heißt, auf den historischen Ort dieser Ideen bezogen: im babylonischen Exil Jerusalems nicht zu vergessen (Ps. 137.5). Wer es fertigbringt, in Israel an Ägypten, Sinai und die Wüstenwanderung zu denken, der vermag auch in Babylonien an Israel festzuhalten."


[1] aaO., Abschnitt "Religion als Erinnerung: Das Deuteronomium als Paradigma kulturelle Mnemotechnik" (S. 212-228). Die Darstellung des Autors ist sehr kompakt - am besten selber nachlesen!
[2] S. 222, die weiteren Zitate S. 227, S. 215 f. und S. 213.
 
Danke für Deine Ergänzung, sie ist aber nicht wirklich die Beantwortung meiner Frage, denn die steht immer noch aus:
- hat das Christentum eine Erweiterung der zehn Gebote in Bezug auf Schutz der anderen gebracht?
Nein, die 10 Gebote gelten nicht für Christen. Im Matthäus-Evangelium werden die 10 Gebote ausgehölt, verschärft, ja in Frage gestellt.
Das Sabbat-Gebot wird im Matthäus-Evangelium durch Jesus als grober Unfug dargestellt.
Hier erweitert Jesus die 10 Gebote um die Nächstenliebe, stellt aber gleichzeitig dar, dass die Einhaltung der 10 bis 11 Gebote allein zwecklos ist, wenn man in den Himmel kommen möchte, vorher müsse man all sein Eigentum verschenken oder eben die Sache mit dem Kamel und dem Nadelöhr durchziehen.
Im Lukas-Evangelium werden die Gebote auf "Liebe Gott und deinen Nächsten wie dich selbst" reduziert bzw. ausgedehnt.
Sprich die 10 Gebote gelten nach den Evangelien als zumindest teilweise überholt. Nach den Paulus-Briefen müssen sich Christen nicht an das mosaische Gesetze halten.


Weiteres zum Ursprung der Gebote:

Esra nennt das Gesetz des Moses aramäisch dât. Später ging daraus die hebräische Bezeichnung hervor. Dies ist ein persisches Lehnwort von data, bedeutet Gesetz, bezeichnet auch persische Gesetze und zoroastrische Lehren. Die persische Provinz Juda erhält also ein Gesetz. Das Gesetz des Moses ist daher das Gesetz eines Staates, eben gegründet von aus Babylon einwandernden oder zurückkehrenden religiösen Eifereren.

Die Bundeslade selbst wird im Alten Testament beschrieben. Sie sei mit Cherubim, seltsamen geflügelten Mischwesen aus Löwe, Mensch und Stier verziert. Solche Fabelwesen sind von den Assyrern bekannt, im Gegensatz zum goldenen Kalb nicht aber von den Ägyptern. Die Bundeslade ist im Stil Mesopotaniens gestaltet, hat also mit Ägypten nichts zu tun.

Die Frage nach dem Ursprung der mosaischen Gesetze, beschäftigte schon Tacitus in seinem Judenexkurs, der darauf prophane und sympathiefreie Antworten fand.
Hier nun die passendenden Tacitus-Stellen zum Thema:
Damit er sich des Volkes für die Zukunft versichere, gab Moyses ihm neue Kultbräuche, die im Gegensatz stehen zu denen aller übrigen Menschen. Unheilig ist dort alles, was bei uns heilig, andererseits ist erlaubt bei ihnen, was für uns als Schande gilt. (2) Ein Bild des Tieres, durch dessen Hinweis sie Herumirren und Durst überwunden hatten, weihten sie in ihrem Allerheiligsten, wobei sie einen Widder schlachteten, gleichsam zur Verhöhnung Ammons; auch Stieropfer bringen sie dar, weil die Ägypter den Apis verehren.Schweinefleisch rühren sie nicht an - in Erinnerung an die Plage, weil auch sie damals der Aussatz entstellt hatte, von dem dieses Tier oft befallen wird. (3) Ihre einstige lange Hungersnot bezeugen sie bis heute durch oftmaliges Fasten, und als Erinnerung an den Raub von Feldfrüchten halten die Juden an ihrem ungesäuerten Brot fest. Am siebenten Tag, so sagt man, habe es ihnen gefallen, der Ruhe zu pflegen, da dieser Tag ihnen das Ende ihrer Plagen gebracht habe; als ihnen dann die Untätigkeit behagte, hätten sie auch jedes siebente Jahr dem Müßiggang geweiht...
Diese Kultbräuche, auf welche Weise auch immer eingeführt, werden durch ihr hohes Alter gerechtfertigt: die übrigen Einrichtungen, unsinnig und abstoßend, kamen zur Geltung eben wegen ihrer Abscheulichkeit...
Den von mir fett markierten Satz halte ich für besonders treffend. ;)

Die unterschiedlichen Gesetzgeber scheinen eine aneinanderreihung von Allegorien zu sein. Die Wiederentdeckung der mosaischen Gesetze ein biblische Topos mit zahlreiche Episoden.
Einig sind sich die jüdischen Quellen nur darin, dass die Urschrift in der Bundeslade bis zu einer Wiederherrichtung eines neuen goldenen Zeitalters verschollen sind.
Besonders eindrucksvoll ist die Legende des Versteckens der Lade im Tempelberg durch Jeremia im 2. Buch der Makkabäer.
Jeremia übergibt das heilige Feuer, die Gesetze und letztlich die Nachfolge Judas, Isreals usw. der babylonischen Gemeinde, wird ein neuer Moses und versteckt die Bundeslade im Berg, wo sie erst hervorkommen soll, bis "Gott sein Volk wieder sammelt". (Die Urschrift ist damit der Welt komplett entrückt.)
In den Schriften steht, Jeremia, der Prophet sei es gewesen, der befohlen habe, etwas von dem Feuer - wie schon gesagt - zu nehmen, als sie in die Verbannung geführt wurden. Der Prophet habe ferner den Verbannten das Gesetz übergeben und ihnen eingeschärft, die Gebote des Herrn nicht zu vergessen noch im Herzen irre zu werden, wenn sie die goldenen und silbernen Götzen und ihren Prunk sähen...
Die Stelle beginnt mit Verweis auf die Schrift. Pikanterweise findet sich diese nette Geschichte von Jeremia, dem heiligen Feuer und der Lade ur in diesem jüngsten Buch des Alten Testament, natürlich nicht im Buch Jeremia. Die Schrift ist also neu, das Motiv jedoch uralt. Die Helden und Propheten der Himmel scheinen austauschbar.
 
Zuletzt bearbeitet:
@ Maglor: Danke für Deinen wertvollen Beitrag!

Jedoch: ich glaube, dass das Gebot der Nächstenliebe automatisch auch das Gebot "Du sollst nicht morden" beinhaltet. Ebensowenig kann ich mir vorstellen, dass für einen Christen das Gebot "Du sollst nicht stehlen" nicht gelten soll.

Genauso passt m.E. "Du sollst nicht lügen" bzw. "Du sollst kein falsches Zeugnis machen wider Deinen Nächsten" nicht zum Christentum.

"Du sollst keine anderen Götter neben mir haben" passt ebenfalls zum Christentum.

"Du sollst Dir kein Bildnis von mir machen" wurde nicht wirklich konsequent umgesetzt, wenn wir an die vielen Jesus-Statuen oder Bilder in Kirchen denken (Jesus ist ja der Sohn und ein Teil von Gott).

"Du sollst nicht ehebrechen": ich denke da an die Doktrin der katholischen Kirche, welche eine Scheidung gar nicht oder nur unter extremen Umständen zulassen. Auch in diesem Kontext: "Du sollst nicht begehren Deines Nächsten Weib".

"Du sollst nicht stehlen": indirekt kennt Jesus fremden Besitz an, alles andere wäre sehr verwunderlich. Ich erinnere an "Gebt dem Kaiser, was des Kaisers ist, und Gott, was Gottes ist" (Matt. 22,21). Stehlen passt ebenfalls nicht in die christliche Doktrin.

Was den Sabbat anbelangt: der wurde letztlich auf den Sonntag verschoben, vermutlich aus Dissimilationsgründen gegenüber dem Judentum.

Sonntag: Tag des Sonnengottes (z.B. Sol oder Mithras)

Freitag: Tag der Freya, Venerdi (ital.) Tag der Venus, Vendredi (franz.) ebenfalls Tag der Venus (Freya: das Pendent zur römischen Venus).

Montag: Tag des Mondgottes (oder der Mondgöttin), ital. lunedi, franz. lundi, = Tag des Mondes bzw. der Mondgöttin (Luna).

Persönlich habe ich vor xx Jahren die "normale" Volksschule besucht; dort wurde mir (und den anderen) die zehn Gebote beigebrieacht; niemand hat damals gesagt, dass ich mich nicht daran zu halten habe... Zudem machen sie im Grossen und Ganzen Sinn (wenn wir vielleicht von Scheidungsverbot absehen, denn ich bin ein einer reformierten Gegend zur Schule gegangen).
 
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Weiteres zum Ursprung der Gebote:
Die persische Provinz Juda erhält also ein Gesetz. Das Gesetz des Moses ist daher das Gesetz eines Staates, eben gegründet von aus Babylon einwandernden oder zurückkehrenden religiösen Eifereren.
Wenn man von realgeschichtlichen Tatsachen ausgeht, entspricht das auch meinem Kenntnisstand:

  • Das Geschichtsbuch 2. Könige berichtet in Kapitel 22, dass im achten Jahr des Königs Joschija ? Wikipedia das "Gesetzbuch" (wieder-?)gefunden wurde, d.h. wohl im Jahr 632.
  • Auf der Grundlage dieses Buches führt der König die nach ihm benannten Reformen durch. [1]
  • Im Jahre 586 wird ein Teil der Judäer, insbesondere die Oberschicht, ins Babylonische Exil verschleppt.
  • Im Exil, wahrscheinlich nach dem Jahre 561 [2], wird das Geschichtsbuch 2. Könige verfasst, worin über Fund & Reform berichtet wird.
  • In mehreren Schüben wird den Judäern nach dem Jahr 538 die Rückkehr in die Heimat gestattet.
  • Dort erfolgt nach 450 die Kanonisierung der Tora.
Es sind eine Reihe von Fragen offen: Inwieweit entspricht die Darstellung in 2. Könige den historischen Tatsachen? Inwieweit gelang es den Judäern, das, was vor dem Exil Gesetz war, "menomotechnisch" zu bewahren? Was von dem Bewahrten ging hinterher in den Kanon ein? usw.

Nein, die 10 Gebote gelten nicht für Christen.
Bezüglich der Gültigkeit verweise ich auf Mt 5, 17
Dieser Aspekt gehört bereits zur nichtjüdischen Rezeptionsgeschichte. Deshalb nur soviel: Ich stimme eher Hulda zu. Neben der von ihr genannten Bibelstelle gibt es noch weitere Jesusworte, welche die Weitergeltung der Gebote belegen, explizit z.B. Mk 10, 19: "Du kennst die Gebote: Du sollst nicht töten, nicht ehebrechen, nicht stehlen, nicht falsches Zeugnis ablegen, keinem das ihm Zukommende vorenthalten, ehre deinen Vater und deine Mutter!"

Im Matthäus-Evangelium werden die 10 Gebote ausgehölt, verschärft, ja in Frage gestellt.
In der zitierten Stelle Mk 10 bedeutet Jesus dem reichen Jüngling, dass er sein Vermögen unter die Armen verteilen solle. Die Geltung der Gebote wird dadurch nicht berührt, sondern dem Jüngling wird für die Gewinnung des ewigen Lebens - und darum geht es hier! - eine zusätzliche Bedingung gestellt.

Allgemeiner formuliert in Anlehnung an den juristischen Sprachgebrauch: Die Beachtung der Gebote ist und bleibt notwendig, um ein soziales Miteinander zu ermöglichen, aber sie sind - nach Bezzola [3] - keine "hinreichenden Mindestbedingungen einer akzeptablen Rechtsordnung", sondern bedürfen der Ergänzung und - aus moderner Sicht - zum Teil auch der Korrektur.

"Du sollst Dir kein Bildnis von mir machen" wurde nicht wirklich konsequent umgesetzt, wenn wir an die vielen Jesus-Statuen oder Bilder in Kirchen denken (Jesus ist ja der Sohn und ein Teil von Gott).
Das ist sicher richtig. Freilich würde die Diskussion der Frage, inwieweit die Gebote überhaupt befolgt wurden, den Rahmen dieses Threads bzw. des Forums sicherlich sprengen. Das gilt erst recht dann, wenn über das Judentum hinausgegangen wird in den Bereich der Kirchen- und Weltgeschichte... :devil:


[1] Vgl. Würthwein in: Studien zum Deuteronomistischen ... - Google Bücher - dort S. 191 auch ein Hinweis auf die Prophetin Hulda. :winke:
[2] Mertens: Handbuch der Bibelkunde. Düsseldorf 1966, S. 37
[3] Recht, Freiheit und Bündnis in der ... - Google Bücher
 
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