HEIKO STEUER
Standortverschiebungen früher Siedlungen –
von der vorrömischen Eisenzeit bis zum frühen
Mittelalter
Originalbeitrag erschienen in:
Gerd Althoff u.a. (Hrsg.): Person und Gemeinschaft im Mittelalter : Karl Schmid zum
fünfundsechzigsten Geburtstag.
Sigmaringen: Thorbecke, 1988, S. [25] - 59
[...]
Wie steht es mit archäologischen Siedlungsgrabungen für das alemannische und bairische Gebiet selbst? R. Christlein hat in seinem Buch >Die Alamannen< (1978) zusammengestellt, was seinerzeit ergraben war, hat danach selbst in Bayern Siedlungen ausgegraben", so wie im Breisgau G. Fingerlin die ersten neuen Siedlungsuntersuchungen hat durchführen lassen. D. Planck konnte von der frühalemannischen Siedlung von Sontheim im Stubental immerhin soviel ergraben, daß der Grundriß eines Großgehöftes erkennbar wurde. Innerhalb einer Palisade, die nach einer Seite, nach Süden, eine doppelte Linie und ein turmbekröntes Tor aufwies, standen mehrere Bauten, wie anhand der Pfostenstellungen rekonstruierbar ist. Überschneidungen und Richtungsänderungen belegen, daß am Platz des Grabungsausschnittes mindestens zweimal ein Anwesen errichtet worden ist. Innerhalb und außerhalb der Palisade standen Häuser; die Siedlung bestand somit wohl aus mehr als nur einem eingezäunten Hofkomplex. Vergleichbar sind auch die Ergebnisse der Grabungen 1976 und 1983/84 in der germanischen Siedlung bei Treuchtingen-Schambach, Ldkr. Weißenburg-Gunzenhausen. Palisaden, mehrfach an derselben Stelle erneuerte Pfostenbauten sowie Grubenhäuser sind ein Ausschnitt aus einer Siedlung des 4./5. Jahrhunderts. Andere frühalemannische Siedlungen des 4./5. Jahrhunderts, so bei Wittislingen oder auch bei Mengen, Kr. Breisgau-Hochschwarzwald, haben zahlreiche sog. Grubenhäuser erbracht, die üblichen Nebengebäude frühmittelalterlicher Höfe.
[...]
Dies gilt insgesamt auch für die Jahrhunderte der Merowingerzeit. Vom Elsaß bis nach Bayern sind Siedlungen angegraben worden. Immer war es möglich, Grubenhäuser in größerer Zahl nachzuweisen; auch Hinweise auf ebenerdige Bauten sind vorhanden. Doch Siedlungspläne lassen sich kaum erstellen". Immerhin konnten in der Siedlung Burgheim, Ldkr. Neuburg/Donau durch Zäune abgegrenzte Hofstätten innerhalb eines Dorfplanes nachgewiesen werden, wobei ein dreischiffiges Wohnstallhaus sowie mehrere Grubenhäuser den Komplex eines Hofes bilden. Auch ein kleines Gräberfeld neben einer Hofstelle mitten im Dorf ließ sich hier schon vor Jahren nachweisen.
[...]
Die Wüstung Sülchen hat Reste des 4./5. Jh. und der Zeit seit dem 7. Jh. bis zum 13. Jh. erbracht. – Die Literaturhinweise beschränken sich auf die neueren Grabungen im alemannischen und bajuwarischen Gebiet [...]
Von der Siedlung >Seewiesen<, Heidenheim-Schnaitheim, sind seinerzeit 2 ha ergraben worden; sie erstreckt sich über eine Länge von 250 m am Bachufer entlang, und es konnten über 20 Großhäuser und zahlreiche Grubenhäuser des 7./8. Jh. nachgewiesen werden. In allen ergrabenen Teilflächen wurden alemannische Siedlungsreste nachgewiesen, so daß hier mit einer weit ausgedehnteren bzw. wandernden Siedlung zu rechnen ist. – Die alemannische Siedlung Heidenheim-Großkuchen (Archäologische Ausgrabungen in Baden-Württemberg 1978, Stuttgart 1979, S. 86ff.) hat Siedlungsspuren vom 4. bis zum 7. Jahrhundert erbracht (Flur >Gassenäcker<), auch zahlreiche rechteckige Steinsetzungen, gedeutet als >Ofen< zur Eisenverarbeitung.
[...]
Die ausschnitthaften Befunde zur Siedlungsgeschichte im Südwesten lassen sich wie folgt zusammenfassen: Auf den Gemarkungen heutiger Dörfer lassen sich nachweisen:
1. frühalemannische Siedlungen des 4./5. Jahrhunderts, manchmal bei und auf dem Areal älterer römischer Siedlungen und villae rusticae;
2. wenige Gräber dieser Zeitphase;
3. Siedlungsspuren des späten 5. bis frühen B. Jahrhunderts, auch solche der Karolingerzeit und solche, die in einem hochmittelalterlichen Wüstungsvorgang enden bzw. in die heutigen Dörfer einmünden;
4. oft, und das ist wichtig festzuhalten, mehrere Reihengräberfriedhöfe der Zeit ab 500, die zeitgleich sind oder sich gewissermaßen zeitlich ablösen;
5. für die ausgehende Reihengräberzeit sind mehrere Familien- oder Gehöftgräberfelder in ausgegrabenen Siedlungen belegt.