Die Geburt Jesu in den Winter, auf die Wintersonnenwende bzw. die Tage danach zu verlegen war durchaus naheliegend: "Ich bin das Licht der Welt" soll er den Evangelien zufolge von sich selbst gesagt haben. Das Licht der Welt ist nun mal die Sonne. Daher auch die Identifikation mit dem heidnischen Gott Sol Invictus. Neuer Wein in gebrauchten Gefäßen.
Wunderbar!
Eine sehr interessante Synopse.
Zusammenfassend kann man also diese These als durchaus relevant betrachten, zumal nun das Thema des Datums geklärt sein dürfte.
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Um zum eigentlichen punctum puncti zurückzukehren:
Bereits lange vor der Zeit der Hochkulturen, um ca. 80 000 bis 30 000 a. Chr. n. etablierten sich erste Vorformen von Religion und ein Glaube an eine höhere Macht, die das Leben und das Schicksal der Menschen beeinflusst und von deren Gnade und Wohlwollen der Mensch in seinem irdischen Dasein, seiner menschlichen Ohnmacht, abhängig ist.
Dokumentieren lässt sich dies durch die bedeutenden Funde von katakombenartigen Kultstätten und Grabkammern, an deren Wänden erste Zeichnungen dieser archaischen Gottheiten zu sehen sind.
Aus Ritualen und mündlichen Erzählungen von dem Menschen übergeordneten, mächtigeren Wesen manifestierten sich mit der Zeit verschiedene Religionsformen. (vgl. Norbert Scholl, Die großen Themen des christlichen Glaubens)
Zu unterscheiden sind – gerade in der Anfangsphase der Religion – verschiedenste Modelle. Der Dynamismus spiegelt sich als in Gegenständen und Personen wohnend; eine Gottheit in einem theistischen Sinne gibt es quasi nicht. Der Animismus hingegen verehrt Geister, die ganze Welt ist "beseelt".
Der Monismus, der auch heute sehr aktuell ist, kennt eine Vielzahl von Göttern (Polytheismus), hinter denen eine noch übergeordnete Macht (z. B. Karma) steht. Gerade in asiatischen Kulten und Religionen ist dies nach wie vor zu finden.
Das traditionelle Modell des Theismus geht von einem Gott (Monotheismus) oder mehreren Göttern aus.
So unterschiedlich die Modelle nun auch seien, die Gemeinsamkeit eines Glaubens besteht dennoch. Jede (Hoch-)Kultur kannte einen Gott oder Götter, Geister oder verehrten heilige Gegenstände und führten kultische Handlungen und Rituale zum Dialog mit ebenjener höheren Macht aus. (vgl. Peter Neuner)
Die Religion basiert schließlich auf dem Abhängigkeitsgefühl des Menschen, das sowohl Theologen als auch Religionskritiker wie Feuerbach und Freud kennen. Der Mensch ist – unbestritten diese Tatsache! – von der Natur abhängig. Ebenso von einem Schicksal, Katastrophen und dem Leben an sich. Dieses Gefühl der Ohnmacht gegenüber der Natur führten die Menschen auf Götter zurück, die für all dies verantwortlich sein sollten: Für den Erfolg auf der Jagd, für Gesundheit und alle möglichen Wünsche, die man nun mal hatte.
Immer wieder stoßen Menschen auch an die Grenzen ihrer Existenz, sei es nur als rationale Wesen mit Geist und Verstand oder durch ein sehr konkretes Ereignis wie den Tod. Man begibt sich geistig auf die Suche nach dem Sinn des Lebens und muss zwangsläufig auf eine höhere Macht stoßen. Weitere Erklärungen dürften überflüssig sein.
Peter Neuner schreibt in seinem Artikel "Die Universalität des Gottesglaubens" dazu:
"Religion ist so alt wie die Menschheit. Wohin wir in der Geschichte blicken, welchen Kulturkreis wir betrachten: überall finden wir Religionen, bei Reitervölkern Ostasiens ebenso wie bei den Eingeborenenstämmen in Australien [...]. Wer heute fremde oder untergegangene Kulturen studiert ist auf [...] künstlerische Äußerungen angewiesen. Und diese stammen zum überwiegenden Teil aus dem Bereich der Religion. Sie erzählen von der Erstehung der Welt und ihrer Vollendung, Kunstgegenstände dienten bei Beisetzungsfeiern [...]. Sie sollten die Götter besänftigen [...].
[...] In umfassendster Sicht wird Religion verstanden als 'erlebnishafte Begegnung mit dem Heiligen und als antwortendes Handeln des vom Heiligen bestimmten Menschen'. Das Heilige wird in den Religionen erlebt als 'mysterium tremendum et fascinans'."
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Da wir noch das Thema JHWHs hatten:
Otto Hermann Pesch sagt in seinem Werk "Heute Gott erkennen" dazu: "Es ist auch kein Wunder, dass in diese biblischen Anschauungen von Gott Einflüsse aus den Religionen der umliegenden Völker eingehen, entscheidend und unverwechselbar ist vielmehr, was in Israel und in der Bibel aus diesen Einflüssen wird. Dies sollten wir in aller Unbefangenheit festhalten: Wenn die Bibel Wort Gottes ist, oder, was jetzt nicht mehr unverständlich ist: wenn uns in der Bibel das Wort Gottes trifft, so geschieht dies auf keinem anderen Wege als so, dass in der Bibel der Glaube Israels und dessen fortschreitende Entwicklung, Reinigung und Reifung über mehr als ein Jahrtausend hin aufgeschrieben ist. Wir haben keinen Anlass zu erschrecken, wenn jemand etwa die Botschaft der Bibel mit religiösen Anschauungen der umliegenden Völker vergleicht."
Den religionskulturellen Raum beschreiben U. Struppe und W. Kirschschläger in ihrem Werk "Einführung in das Alte und Neue Testament":
"Die historisch erfassbare Geschichte des Volkes Israel beginnt mit den sogenannten 'Patriarchen' oder 'Stammesvätern': Abraham, Isaak und Jakob. Die im AT vorfindbaren Erzählungen über diese Personen sind früher entstanden als die Schrift. Sie stammen aus dem 18. bis 14. Jh. v. Chr. und wurden zunächst mündlich überliefert. Sie entstanden [...] als Nomaden in Sippen am Rande des Kulturlandes entlang zogen [...]. Mit dieser Zeit wurden immer mehr dieser Sippen im Gebiet des damaligen Kanaan (heutiges Israel) sesshaft. [...]
Die kanaanäische Urbevölkerung lebte damals bereits in befestigten Städten und pflegte den Polytheismus. Die einzelnen nomadischen Sippen pflegten einen Monotheismus, jedoch unterschieden sie sich in ihren Stammesgöttern."