@r.a., quintus fabius
Jetzt muß ich doch noch einmal auf die Reichsidee zu sprechen kommen.
"Reichsidee, die in einem Herrschaftsbereich bestehenden Vorstellungen, die diesen als universal, mit einer höheren Weihe versehen und in eine bestimmte Tradition eingebunden begreifen und mit denen hegemoniale Ansprüche verbunden werden."
Es ist vielleicht nicht ganz klar geworden, worauf ich mich jeweils beziehe. Deshalb werde ich jetzt einige Zeilen zitieren und danach noch einmal auf diese Definition zu sprechen kommen.
Ich kann klar aus den eigenen Äußerungen der mongolischen Großkhane genau diese Reichsidee zeigen.
Die Idee der Mongolen war, dass der Himmel (Tengri) sie als Volk dazu ausersehen hat, über die anderen Völker zu herrschen und alle Gebiete der Erde mit der Zeit zu erobern.
Wir haben hier also klar eine höhere Weihe (Auftrag des Himmels), und einen klaren hegemonialen Anspruch sowie sogar eine bestimmte Tradition (Wiedererrichtung des Ersten Mongolenreiches)
Hier haben wir keine Reichsidee, sondern lediglich die Elemente "höhere Weihe" und "Hegemonialanspruch" (erobern und herrschen) und meinetwegen auch eine bestimmte Tradition. Allerdings scheinen hierbei Tradition und Hegemonialanspruch auf die Mongolei begrenzt.
Nach dem Sieg über Choswarem wurde die Reichsidee universal und alle Äußerungen ab diesem Zeitpunkt zeigen klar, dass die Mongolischen Führer der Überzeugung waren, im Auftrag des Himmels die ganze Welt erobern zu müssen.
Eine Reichsidee wird nicht universal, sie ist universal! Ansonsten liegt keine Reichsidee vor. Aber auch hieraus geht hervor, daß die Vorstellung war, erobern zu müssen. Damit landen wir wieder bei Idee=Hegemonialanspruch.
Das Wort Frieden schreibe ich jetzt in diesem Satz das erste mal. Ich habe nirgends etwas von frieden geschrieben.
Jain.
die Idee war, alle Menschen der Welt zu unterwerfen und unter ein Gesetz zu zwingen das für alle Menschen der Welt exakt gleich sein sollte. Diese Idee stammte aus der Idee, durch genau diese Maßnahme die permanenten Kriege der Stämme untereinander zu beenden. Nachdem dies erfolgreich war, wurde das gleiche Prinzip mit den weiteren militärischen Erfolgen universal.
Da steht nicht das Wort, aber was soll dieser Absatz sonst als "Frieden durch Krieg" bedeuten? Ist die Idee jetzt die Eroberung und sind das Gesetz für alle und Frieden Nebenprodukte oder Reflexe? Oder war die Eroberung nur ein Mittel zum Zweck? Hier liegt aber auch ein gewisser Widerspruch zu dem, was oben noch als Tradition ausgewiesen wurde: ging es zunächst um den Frieden zwischen den Steppenvölkern oder um die Wiederherstellung des ersten Mongolenreiches. Denn wird nur eines kann Ziel sein. Das andere ist dann entweder Reflex oder Mittel. Je nachdem.
Es gibt doch wirklich genug Äußerungen, Reden und sogar überlieferte Briefe mongolischer Herrscher in denen klar die mongolische Reichsidee hervor tritt. Solche Briefe sind sogar im Original erhalten (so zum Beispiel in den Vatikanischen Archiven da die Großkhane dem Papst schrieben und seine Unterwerfung forderten)
Beschliessend als Beispiel ein Brief des Großkhan an König Ludwig von Frankreich aus der Schrift von Rubruks:
Vom einzigen Gott ist es so gefügt, dass es im Himmel nur einen ewigen Gott gibt und daher auch auf der Erde nur ein einziger Herrscher sein soll, nämlich Chinggis Khan, der Sohn Gottes. Daher, wer ihr auch alle seid, Mongolen, Naiman oder Muselman, wo immer Ohren hören können, möge es gehört werden und klar verstanden werden: Sobald Menschen meinen Befehl gehört haben, jedoch nicht glauben wollen, werden sie nie mehr sehen können, obwohl sie augen haben, wenn sie sich festhalten wollen werden sie keine Hand mehr haben, und wenn sie fliehen wollen werden sie keine Füße mehr haben. Dies ist das ewige Gebot Gottes.
Die Aussagen in dem Schreiben sind genau das, was ich unter blankem Willen zur Macht verstehe. "Ich bin erkoren, zu herrschen und wer sich widersetzt, wird vernichtet werden!".
Wo geht es da um Frieden? Wo um Gesetze, Kultur, mit der man andere beglücken wolle? Oder verstehe ich, von Haus aus Jurist und durchs römische Recht bis zur Unkenntlichkeit geprägt, unter Gesetz etwas ganz anderes als Du meinst?
"Du mußt mir gehorchen!" sehe ich als Gebot, wie es in dem Brief Ausdruck fand, jedoch nicht als Gesetz. Hierhin spiegelt sich lediglich der Herrschaftswille (Wille zur Macht).
Das findet man von Chinggis Khan an durchgehend: Schon Chinggis Khan erklärte, dass sich der jeweilige Feind unterwerfen müsse, weil ihm Chinggis Khan (man beachte dabei den Namen selbst) vom Himmel das Recht und der Auftrag erteilt worden sei zu
Herrschen.
Und wieder der Herrschaftsanspruch (Hegemonie). Aber keine Vorstellung.
Das gleiche bei all seinen Nachfolgern, ich habe dir einen Brief von Möngke Ka Khan zitiert, indem steht klar das Gott den Auftrag und das Recht an die Mongolen verliehen hat die ganze Welt zu erobern und zu beherrschen.
Und also entwickelte sich auch später keine Idee.
Es gibt zwei mongolische Aussagen:
1 Es ist der Auftrag des Himmels überall zu herrschen
2 alle Menschen sollen nur einem Gesetz gehorchen
Ich sehe hier keinen Wiederspruch. Ferner ist die Idee, die mit dem Hegemonialanspruch verbunden ist eben die, ein Einheitliches Gesetz weltweit durchzusetzen.
Hier gibt es ein Problem. Was ist der Auftrag? Deiner Aussage nach die Eroberung der Welt. Nicht aber "Gesetzgeber der Völker" zu sein. So wie dies oben dargelegt ist, steht Aussage 2, die eine taugliche Reichsidee wäre, nicht in dem notwendigen Zusammenhang mit dem Auftrag.
Vielmehr zeugt sie so nur von der Art und Weise, wie man die Herrschaft organisierte oder organisieren wollte.
Nehmen wir das Römische Reich zum Vergleich. Rom wurde zum Reich, als es begann, sich als Kulturbringer, als Verbreiter der römisch-griechischen Kultur zu begreifen. Wesentlicher Bestandteil war die entsprechende Stadtkultur. Und so brachten dann auch überall ihre Kultur hin und gründeten Städte.
Man kann aber auch Städte gründen, ohne diese Vorstellung, diesen Anspruch zu haben. Und darin liegt in Bezug auf die Reichsidee der entscheidende Unterschied.
Die Pax Romana wiederum beschreibt die innere Sicherheit und die Sicherheit der Grenzen. Und ist gerade deshalb nicht Hegemonialanspruch, den die Römer natürlich auch hatten, formulierten und durchzusetzen versuchten (was nicht zwangsläufig mit Eroberung einhergehen muß).
Zitat:
wenn Du den Hegemonialanspruch zur Reichsidee höchstselbst erhebst
Ich würde dir zustimmen, wenn es der hegemonialanspruch ein rein machtpolitischer wäre.
Es wird aber immer und in allen Texten betont, dass der Himmel (Tengri) den Mongolen die Herrschaft gegeben hat. Der Herrschaftsanspruch wird von der Entscheidung des Himmels abgeleitet.
Daher ist das eine Reichsidee.
Da ist der casus knacksus.
Der Herrschaftsanspruch (Hegemonie!) wird mit der höheren Weihe verbunden, nicht eine im Herrschaftsbereich bestehende Vorstellung!
Ob ich meinen Willen zur Macht weltlich oder religiös legitimiere, ist dabei unerheblich.
Jetzt mal zwei Zitate von r.a.:
Auch das paßt nahtlos hinein - es ist ein geradezu klassischer Topos für eine "Reichsidee", daß das Imperium durch Unterordnung Aller zu Frieden führen wird.
Auch das ganz klassisch: Erst kommt das Erobern, dann das Beherrschen, und dann erwartet man sich den Weltfrieden davon.
Wie oben schon gezeigt ist es nicht einerlei, ob man nun erobert, um Frieden zu schaffen oder der Frieden lediglich Nebenprodukt ist, die Eroberung jedoch das eigentliche Thema.
Dies mag für die Menschen in ihrer Lebenswirklichkeit dann einerlei sein. Für die Frage nach der Reichsidee jedoch ist dieser Unterschied erheblich.
Denn das Hegemonialbestreben ist, wie die Definition aufweist, nur ein Teil des Begriffs.
Einschränkend muß man sagen, und mehr wollte ich nicht zum Ausdruck bringen, daß von einer Reichsidee jedenfalls nach dieser Definition, die sich von dem antiken römischen und später dann abendländischen christlichen Begriff der Reichsidee herleitet, nicht die Rede sein kann, gleichwohl aber nach anderen Definitionen eine Reichsidee befürwortet werden kann und muß.
Wie auch schon erwähnt, ist bereits der Begriff "Reich" schillernd.
Wie groß muß ein Herrschaftsbereich sein? Wie lange muß die Herrschaft aufrechterhalten werden oder worden sein? Wie intensiv muß diese Herrschaft ausgefallen sein?
Das sind alles Fragen, über die heftig gestritten wird. Bisher ohne abschließende Einigung.
Insbesondere, wenn es um die Frage geht, welche Reiche zu den Weltreichen gezählt werden können. Das "Dritte Reich" wird von einigen hinzugezählt, von anderen nicht.