Indogermanen, Konstrukt oder Wirklichkeit?

@Thomas Treuner: Viele interessante Gedanken aber doch sehr kulturimperialistisch was Du da sagst. Du willst nämlich uns Dein einer gegenwärtigen Mode entsprechendes Denksystem verordnen. Ich meine, daß es sehr wohl Völker gibt, ich meine daß sehr wohl Sprache und Kultur enge Zusammenhänge bilden. Die Übernahme von Sprachen aus anderen Kulturen und von anderen Völkern kommt offensichtlich vor. Gleichwohl gibt es offensichtlich ebenso die Tendenz Sprachen und Kulturen auseinander zu entwickeln. Dir ist das suspekt, Du verbindest das offenbar mit Faschisten, Nationalisten und starren Geisteshaltungen. Aber eben diese Sicht ist eine verengende aktuelle modische Strömung und nicht die, die die einzige Wahrheit beschreibt (wow, 3x die, geht das auch in anderen Sprachen?). Du unterwirfst die Richtigkeit einer Aussage Deinen politischen Wunschvorstellungen und genau das ist zu kritisieren.

Natürlich sind die Grenzen zwischen Volk, Kultur und Sprache fließend, in dem Sinne, daß sie nicht völlig starr und uneinreißbar dastehen (wie es wohl die Nazis gern gehabt hätten). Gleichwohl gibt es aber offensichtlich solche Grenzen.
 
Natürlich sind die Grenzen zwischen Volk, Kultur und Sprache fließend, in dem Sinne, daß sie nicht völlig starr und uneinreißbar dastehen (wie es wohl die Nazis gern gehabt hätten). Gleichwohl gibt es aber offensichtlich solche Grenzen.

Offensichtlich war das Thema in http://www.geschichtsforum.de/f22/die-wave-advance-theorie-20664/index6.html ab Beitrag 104 noch nicht ausdiskutiert.
Können wir da weitermachen oder Teile verschieben oder allgemein in http://www.geschichtsforum.de/f34/bernahme-von-sprachen-widerstand-macht-20628/ über alle Sprachen sprechen.
Mittlerweile bin ich etwas verärgert, dass in jedem Thread diese Indogermanendiskussion in irgendeiner Form wieder auftaucht, als gäbe es nichts Wichtigeres in der Menschheitsgeschichte.
In diesem Thread ging es mE um grundsätzliche Theorien.
 
Offensichtlich war das Thema in http://www.geschichtsforum.de/f22/die-wave-advance-theorie-20664/index6.html ab Beitrag 104 noch nicht ausdiskutiert.
Können wir da weitermachen oder Teile verschieben oder allgemein in http://www.geschichtsforum.de/f34/bernahme-von-sprachen-widerstand-macht-20628/ über alle Sprachen sprechen.
Mittlerweile bin ich etwas verärgert, dass in jedem Thread diese Indogermanendiskussion in irgendeiner Form wieder auftaucht, als gäbe es nichts Wichtigeres in der Menschheitsgeschichte.
In diesem Thread ging es mE um grundsätzliche Theorien.


Ich habe gerade nochmal nachgesehen, wie die Überschrift über Beitrag #1 dieses Threads hieß, nämlich: "Indogermanen, Konstrukt oder Wirklichkeit?"

Wieso ist es dann bitte off topic, wenn wir über Indoeuropäer sprechen???
 
Ich bin mal so frei und zitiere die Teile von dem Beitrag von Thomas die ich fast genauso sehe und die das gesamte Problem der Gleichsetzung Volk, Sprache Kultur sehr gut beschreibt und umschreibt:

Die Kategorisierung der in Europa gesprochenen Sprachen und die Benennung der „Sprachgruppen“ ist nach meinem Verständnis eben lediglich eine Schubladenbildung, eine Gruppenbildung um überhaupt einen Überblick über das babylonische Sprachwirrwarr in Europa zu erhalten.Diese Kategorisierung stammt aus Anfang/Mitte des 19.Jh.
Dummerweise aus einer Zeit, in der „Eroberung“, „Wanderung“, „Völker“ etc. feste Ideen in der politischen Welt und damit auch in den Erklärungsansätzen zur Geschichte waren.
Sozialdarwinismus, Hegemoniestreben, Gleichsetzung von Kultur, Nation, Volk und politischen Herrschaftsansprüchen, menschenfeindliche Überlegendheitsphantasien im Zeitalter des Imperialismus, dieser ganze Gedankenwelt floss in diese Überlegungen mehr oder weniger unbewusst mit ein.
Da dann ausgerechnet auch zur selben Zeit die römisch/griechische Antike mit deren „Völkerbezeichnungen“ und Vorstellungen absolut en vogue im Bildungsbürgertum war, ist es kein Wunder, dass auch in der Vorgeschichte die Idee von „Völkern“ (Kelten, Germanen, Seevölker etc.) aufkam, die offenbar nichts anderes taten, als sich laufend zu erobern, zu verdrängen und den „Unterlegenen“ ihren kulturellen Stempel aufzudrücken.
Und dann noch die Gleichsetzung von Sprache und Kultur, eine skurrile Vorstellung, die heute noch Ängste schürt, die Untergangsphantasien hervorruft, bloß weil man wieder mal feststellt, dass sich Sprachen ändern.

Kulturtransfer ist ein multifaktoreller, hochkomplexer Vorgang. Die Indikatoren sind nie wirklich eindeutig, oft nur lückenhaft fassbar und in ihrer Ursache kaum eindeutig zu fassen.
Es ist erkenntnistheoretisch unmöglich, aufgrund einer Wirkung eine eindeutige Ursache zu definieren. Zusammenhang und Zusammentreffen sind oft schwer zu trennen, bestimmte Faktoren wie z.B. Wechsel einer Geisteshaltung sind nicht fassbar.

Der Denkfehler ist offenbar der, dass in diesem threat, Vorstellungen des 19.Jh. einfach weiter tradiert und diskutiert werden.
Da werden archäologische Daten durcheinander geworfen, populärwissenschaftliche Veröffentlichungen als Quellen benutzt, mit Inbrunst nach passenden Fakten gesucht, die dann aus dem Zusammenhang gerissen werden.

Da werden Moden (Großsteingräber) als Beweise für Wanderungen genannt. Als wenn Mode, religiöse Vorstellungen und Handwerkstechnik mit der Sprache fest zusammenhingen..
 
Ich bin mal so frei und zitiere die Teile von dem Beitrag von Thomas die ich fast genauso sehe und die das gesamte Problem der Gleichsetzung Volk, Sprache Kultur sehr gut beschreibt und umschreibt:

Ich gebe mir das fast keine Mühe mehr, das geht nicht gegen dich Geist, sondern diesen Beitrag, den zu zitierst, der m.E. aber kaum noch an Niveau zu unterbieten ist.
 
Ehrlich gesagt – ich kann der Diskussion überhaupt nicht folgen. Eigentlich bin ich sogar richtig entsetzt über die Thematik ,siehe auch den Nachbarthreat http://www.geschichtsforum.de/f22/europa-vor-der-indoeurop-ischen-einwanderung-27561/

Die Kategorisierung der in Europa gesprochenen Sprachen und die Benennung der „Sprachgruppen“ ist nach meinem Verständnis eben lediglich eine Schubladenbildung, eine Gruppenbildung um überhaupt einen Überblick über das babylonische Sprachwirrwarr in Europa zu erhalten.


Fangen wir mit Satz 1 an, Schubladenbildung? Sprachgruppen in Anführungszeichen? Dürfte man sich einig werden können, dass Slawen Germanen, Romanen keine Schulbladensprachen sprechen, sondern sich Gruppen zuordnen lassen.

Dummerweise aus einer Zeit, in der „Eroberung“, „Wanderung“, „Völker“ etc. feste Ideen in der politischen Welt und damit auch in den Erklärungsansätzen zur Geschichte waren.
Sozialdarwinismus, Hegemoniestreben, Gleichsetzung von Kultur, Nation, Volk und politischen Herrschaftsansprüchen, menschenfeindliche Überlegendheitsphantasien im Zeitalter des Imperialismus, dieser ganze Gedankenwelt floss in diese Überlegungen mehr oder weniger unbewusst mit ein.

Führen wir uns Satz 2 zu Gemüte. Achso, wir lernen, der Sozialdarwinismus enstand vor Darwin. Wir lernen viel über die Gleichsetzung von Kultur, Volk und Nation. Endlich wissen wir, dass das in eine menschenfeindliche Überlegenheitsphantasie mündete, dank sei Freud, wiederauferstanden ist er und das alles mehr oder weniger unter- oder mittel oder überbewusst, faszinierend.

Kulturtransfer ist ein multifaktoreller, hochkomplexer Vorgang. Die Indikatoren sind nie wirklich eindeutig, oft nur lückenhaft fassbar und in ihrer Ursache kaum eindeutig zu fassen.
Es ist erkenntnistheoretisch unmöglich, aufgrund einer Wirkung eine eindeutige Ursache zu definieren. Zusammenhang und Zusammentreffen sind oft schwer zu trennen, bestimmte Faktoren wie z.B. Wechsel einer Geisteshaltung sind nicht fassbar.
Was jetzt nicht heißt, dass hier gar keine validen Aussagen möglich sind. Diese Aussagen bleiben jedoch immer Theorien, immer ein Stück Spekulation, sie sind immer laufend im Fluss.

Satz 3. Höchst spannend, Lücken sind in ihrer Ursache nicht fassbar, glänzend gefolgert, Dann äußert sich der Autor zum Thema Erkenntnistheorie und folgert messerscharf, dass Kausalität ein Problem sein könnte. Abschließend äußert sich der Autor - erkenntnistheoretisch versiert, alles sei laufend im Fluss. Ach?
 
Zuletzt bearbeitet von einem Moderator:
Ich bin mal so frei und zitiere die Teile von dem Beitrag von Thomas die ich fast genauso sehe und die das gesamte Problem der Gleichsetzung Volk, Sprache Kultur sehr gut beschreibt und umschreibt:

Wenn du irgendwas gleichsetzen willst, gibt es in der Tat ein Problem.
 
Da wird nach „Völkern vor den Indogermanen (sic)“ gefragt. Völkern. Furchtbar.

Ich wüsste nicht, was daran "furchtbar" wäre.

Es gibt bis zum heutigen Tage seriöse Archäologen und Prähistoriker, die eine Einwanderung indoeuropäisch sprechender Populationen nach Europa annehmen. Folgt man diesem Gedankengang, so gibt es eine Reihe von Völkern mit nichtindoeuropäischer Sprache: Iberer, Basken, Etrusker, Ligurer, Minoer usw. In denen könnte man also eine vorindoeuropäische Bevölkerungsschicht vermuten.

Es ist keineswegs degoutant, derartige Gedankebspiele und Hypothesen anzustellen, was auch die seriöse Forschung durchaus praktiziert. Ebenso kann man aber auch der Meinung des Forschers Alexander Häusler folgen, der eine indoeuropäisch sprechende Population als autochthone Bevölkerung Europas vermutet.
 
We Are Not Our Ancestors

"In contrast to the Paleolithic paradigm, these studies indicate an unexpected and significant genetic discontinuity exists between contemporary Europeans and their Paleolithic predecessors. They also suggest that the exclusive use of contemporary DNA samples in the reconstruction of earlier population histories has created a misleading picture of the European genetic legacy.

Various demographic and evolutionary mechanisms may have led to this genetic break with the past, including the strong likelihood of genetic contributions from migratory peoples that occurred during the Neolithic, and into the Bronze and Iron Ages. This gene flow may have been so significant that genetic signals from the earlier inhabitants of Europe have been all but obliterated, even amounting to wholesale population replacement. Founder effects, genetic drift and bottlenecks also have had a dramatic impact. In addition, Darwinian principles of natural selection and resistance against disease may have changed the face of Europe over time, causing certain genetic groups to disappear while others have come to dominate the genetic landscape. These events, either alone or in combination, have resulted in a striking genetic discontinuity between past and present populations.

As a result, contemporary Europeans should not be viewed as descending entirely or even significantly from either Neolithic farmers or the indigenous Paleolithic inhabitants of Europe. Rather, Europeans appear to be an entirely new and modern genetic mix formed as a result of a number of demographic and evolutionary events over time, including the continual movement of peoples across the European continent over the millennia."
 
Man kann mit guten Gründen bis heute auch eine Einwanderungstheorie vertreten
Das es Wanderungen gegeben hat, wird ja auch nicht bestritten.
Aber lies doch mal genau was dort steht insbesondere folgender Abschnitt:
Various demographic and evolutionary mechanisms may have led to this genetic break with the past, including the strong likelihood of genetic contributions from migratory peoples that occurred during the Neolithic, and into the Bronze and Iron Ages.
Der Autor spricht eben nicht nur sehr schwierige Neol. Migration an sondern vor allem die Wanderungen in der Bronze- und Eisenzeit.
Ich kann hier auf jeden Fall nicht daraus interpretieren, dass einzig und alleine die Neolithisierung durch Wanderung in unseren Breitengraden stattgefunden hatt.
Wie schon mehrfach angesprochen in diesem Thread ist es doch sehr viel wahrscheinlicher das die Neolithisierung je weiter sie von ihrem "Ursprungsorten" entfernt ist, durch Kulturtransfer stattfand. Das schließt natürlich nicht aus das auch kleine Bevölkerungsgruppen gewandert sind.

"In contrast to the Paleolithic paradigm, these studies indicate an unexpected and significant genetic discontinuity exists between contemporary Europeans and their Paleolithic predecessors.
Das sollte einen nicht verwundern, denn zwischem dem Paläolithikum und heute liegt ein sehr langer Zeitraum, dass von den "Genen" der Paläol. Menschen nicht mehr soviel vorhanden ist, läßt sich vor allem durch die geringe Bevölkerung im Paläol. erklären und natürlich auch durch die vielschichtigen Wanderungsbewegungen in der Bronze, Eisenzeit und bis heute erklären.

Was dass nun alles mit dem Problem der Indogerm. Sprachen zu tun hat, bleibt mir aber Rätselhaft. Sprache hat mit Genen nun mal nichts zu tun.

Wobei mich an dem zitierten Artikel stört dass nur allg. von Paläolithikum gesprochen wird, das ist ein verdammt langer Zeitraum eine genauere Datierungsansprache durch den Autor wäre wünschenswert, da man so eigentlich nicht weiter diskutieren kann.
 
Ich schiebe noch mal ein paar Zitate ein die ich für die Diskussion als interessant erachte:

Eine in frühreren Jt. bestehende "Kultur der Indogermanen" ist weder aus sprachlichen noch archäologischen Material abzuleiten.
A. Häusler, Indogeramische Altertumskunde, In: Hrsg.: Beck, Heinrich / Geuenich, Dieter / Steuer, Heiko, Reallexikon der Germanischen Altertumskunde, Bd. 15, 2000, S. 402-408

Die ,,indoeuropäische Ursprache" stellt zunächst nichts weiter als ein sprachwissenschaftliches Konstrukt dar, das keinen Anspruch auf die Realität einer tatsächlich gesprochenen Sprache und auf gelebte Realität erhebt und auch nicht erheben kann. Zwar steht die -Verwandtschaft" der Einzelsprachen außer Frage, doch ob und wie man sich ein ursprüngliches sprachliches Kontinuum vorzustellen hat, muß hypothetisch bleiben.Brather (2000), Germania 78,S.174
 
Das es Wanderungen gegeben hat, wird ja auch nicht bestritten.
Aber lies doch mal genau was dort steht insbesondere folgender Abschnitt:
Der Autor spricht eben nicht nur sehr schwierige Neol. Migration an sondern vor allem die Wanderungen in der Bronze- und Eisenzeit.
Ich kann hier auf jeden Fall nicht daraus interpretieren, dass einzig und alleine die Neolithisierung durch Wanderung in unseren Breitengraden stattgefunden hatt.
Wie schon mehrfach angesprochen in diesem Thread ist es doch sehr viel wahrscheinlicher das die Neolithisierung je weiter sie von ihrem "Ursprungsorten" entfernt ist, durch Kulturtransfer stattfand. Das schließt natürlich nicht aus das auch kleine Bevölkerungsgruppen gewandert sind.

Das sollte einen nicht verwundern, denn zwischem dem Paläolithikum und heute liegt ein sehr langer Zeitraum, dass von den "Genen" der Paläol. Menschen nicht mehr soviel vorhanden ist, läßt sich vor allem durch die geringe Bevölkerung im Paläol. erklären und natürlich auch durch die vielschichtigen Wanderungsbewegungen in der Bronze, Eisenzeit und bis heute erklären.

Was dass nun alles mit dem Problem der Indogerm. Sprachen zu tun hat, bleibt mir aber Rätselhaft. Sprache hat mit Genen nun mal nichts zu tun.
Hiergegen möchte ich zumindestens einwenden, daß grundsätzlich jedes Volk seine Sprache an die nächsten Nachkommen weiter gibt. Darüber hinaus gibt es natürlich Szenarien, bei denen von diesem Grundsatz abgewichen wird. Einige dieser denkbaren Szenarien wären:

- Ein Volk wird z. B. gewaltsam unterworfen und zur Annahme der Sprache der neuen Herrscher gezwungen. In diesem Fall muß die dadurch neu entstandene Herrscherschicht auch nicht die Bevölkerungsmehrheit darstellen (genau dieses Szenario wird bei der Einwanderung der Indoeuropäer nach Mittel- und Westeuropa allgemein angenommen).

- Ein Volk/Stamm wandert in ein Gebiet mit relativ schwacher Vorbevölkerung ein und bildet danach die Bevölkerungsmehrheit. Bei diesem Szenario wird sich die Sprache der Bevölkerungsmehrheit durchsetzen und nach einigen Generationen wird nur noch deren Sprache gesprochen.

Bei diesen beiden Beispielen ist jedoch zu beachten, das meist geringe Sprachreste auch des Volkes erhalten bleiben, das seine Sprache geändert hat. Es kann dadurch auch bei der sich durchsetzenden Sprache z. B. zu Lautverschiebungen kommen.

Edit:
DerGeist schrieb:
Ich schiebe noch mal ein paar Zitate ein die ich für die Diskussion als interessant erachte...
Ich schiebe dann auch mal ein Zitat aus indoeuropäische Sprachfamilie | wissen.de ein:
indoeuropäische Sprachfamilie

in Deutschland meist indogermanische Sprachfamilie genannt, ein 1816 von F. Bopp in seiner genetischen Verwandtschaft erkannter Sprachstamm. Der Name indogermanisch sollte die östliche und die westliche Grenze des Raumes bezeichnen, in dem frühgeschichtliche Völker mit Sprachen dieses Stammes verbreitet waren (Indien im Osten, Germanien im Westen). Durch die Entdeckung einer noch weiter östlich gesprochenen indoeuropäischen Sprache, des Tocharischen, und durch die europäische Kolonisation, durch die sich die historischen Siedlungsräume der Indoeuropäer über Europa und Asien hinaus nach Afrika, Amerika und Australien ausbreiteten, entspricht den Bezeichnungen indoeuropäisch und indogermanisch keine geographische Realität mehr.

Die indoeuropäische Sprachfamilie gehört zu den am besten erforschten und kann bis maximal 4500 v. Chr. zurückverfolgt werden. Zu diesem Zeitpunkt begann auch der Prozess der Aufspaltung der einheitlichen indoeuropäischen Grundsprache, des Proto-Indoeuropäischen (ca. 7000 - ca. 2500 v. Chr.), in die verschiedenen Sprachzweige und deren Einzelsprachen, ein Prozess, der praktisch bis heute andauert. Die indoeuropäische Sprachfamilie gliedert sich heute in 10 Sprachgruppen: Germanisch, Italisch, Romanisch, Keltisch, Griechisch, Albanisch, Slawisch, Baltisch, Armenisch, Indoiranisch. Einige indoeuropäische Sprachen sind ausgestorben, z. B. Hethitisch, Tocharisch, Illyrisch. Die Sprachen der indoeuropäischen Sprachfamilie gehören dem flektierenden Sprachtypus an, doch gab es schon früh Abweichungen, und einige moderne Sprachen haben die Flexion stark eingeschränkt (Neupersisch) oder fast ganz beseitigt (Englisch). Die früher übliche Einteilung der indoeuropäischen Sprachfamilie in die beiden Gruppen der Kentum- und der Satem-Sprachen ist aufgegeben worden.
 
Zuletzt bearbeitet:
Die indoeuropäische Sprachfamilie gehört zu den am besten erforschten und kann bis maximal 4500 v. Chr. zurückverfolgt werden.

Das scheint nun mal nicht korrekt, die älteste schriftl. überlieferte Indoger. Sprache ist das Hethitisch.
Da die Reichsbildung etc. der Hethiter erst im 2 Jt. v.chr stattfand, wäre eine Quellenangabe auf die sich die oben genannte Datierung stützt von Nöten.
 
Eine sehr interessante Diskussion, danke für die vielen guten Ausführungen Geist!

Mit dem Begriff "Indo-Europäer" können wie ich das sehe verschiedene Dinge gemeint sein, nämlich verschiedene "Völker" die heute Indoeuropäische Sprachen sprechen, verschiedene Völker die in der Vergangenheit indoeuropäische Sprachen gesprochen haben UND ein hypothetisches "Ur-Volk", das eine hypothetische indoeuropäische "Ur-Sprache" gesprochen hat.

Letztere beiden Punkte sind, wie ich es sehe aus verschiedenen Gründen anzweifelbar...

die Frage ist, wenn man die Hypothese von EINEM "Ur-Volk" und EINER Ur-Sprache verwirft... (und da sie archäologisch nicht gestützt werden kann spricht da IMHO nichts gegen), ersetzt man sie überhaupt durch eine neue Theorie oder lässt man den Ursprung des Indoeuropäischen aufgrund von mangelndem Material komplett im Dunkeln?

Also EINE der erwähnten konträren Hypothesen wäre wie ich es verstanden habe eine "Kontakt-hypothese" nach der das Indo-europäische (bzw. verschiedene Sprachgruppen die so genannt werden können) durch kulturellen Kontakt und Austausch entstand indem sich prähistorische Stämme miteinander vermischten und annäherten und so auch sprachlich eine "ethnogenese" stattfand (bei der eventuell EINE vielleicht aber auch mehrere verwandte Sprachen herauskamen, die zu denen wurden die wir heute als indo-europäische kategorisieren)...

oder sollte man auch solche alternativen Hypothesen mangels Beweisbarkeit von vornherein besser lassen?

Hab ich das soweit richtig verstanden?
 
Geschichte hat immer etwas mit Wiederholbarkeit zu tun.

Ich meine, die Auseinanderentwicklung einer Sprache zu sich zunehmend unterscheidenden Nachfolgesprachen läßt sich an verschiedenen Beispielen beobachten. Da wären z.B. die romanischen oder die slawischen Sprachen zu nennen. Aber auch Deutsch zusammen mit anderen germanischen Sprachen. Spannend ist dabei allerdings die Frage, wieviel bloßer Drift geschuldet ist und wieviel auf unterschiedliche äußere Einflüsse zurückgeht (z.B. auf Angehörige unterschiedlicher Bevölkerungen, die in dem jeweilien Bevölkerungsgemisch aufgegangen sind).

Wir kennen ebenso Fälle, in denen ganze Völker mit der Gewalt des Herrschers oder des Faktischen gezwungen wurden, ihre bisherige Sprache hinter sich zu lassen und eine fremde Sprache zur Sprache ihrer Nachkommen zu machen. Dies trifft z.B. auf die indianische Bevölkerung Amerikas zu, mit Ausnahme der Menschen, die den Sprachen der europäischen Eindringlinge noch nach Jahrhunderten standhalten. Dasselbe trifft aber auch auf den Siegeszug des Hochdeutschen gegen die vielen Dialekte zu, die in unserer medialen Gesellschaft schon weitgehend verschwunden sind.

Eine Nebeneinanderentwicklung von Sprachen, die - ohne daß es dazu eine gemeinsame, einheitliche Vorsprache gegeben hätte - sich nebeneinander so entwickeln, daß sie wie eine Sprachgruppe erscheinen, wäre für mich ein neues Szenario. Gibt es dazu belegbare Fälle anderswo?
 
guter Punkt.

Aber das ist eben auch das Problem ,daß wir uns in der schriftlosen Frühgeschichte bewegen...

andersrum argumentiert müssten Sprachen immer einen Vorläufer haben, d.h. entweder es gab mal EINE einzige Ursprache oder an verschiedenen Orten entwickelten Menschen ganz unabhängig voneinander verschiedene Ur-Sprachen und eine davon war der Vorläufer des Indo-europäischen...

recht wahrscheinlich scheint es mir ,daß das indoeuropäische (ob nun als eine geschlossene Ursprache oder als eine Gruppe nahe verwandter Dialekte) entstanden ist, vielleicht wirklich aus einer "eurasiatischen" oder "nostrischen" Sprachfamilie...

woher die dann kam und warum sie auseinanderdriftete in andere Sprachen (wenn es sie denn gab und sie dieses tat)... tja...

vielleicht aber ist der Ursprung des Indo-europäischen aber wirklich eine frühe "pidginsprache", das sollte man nicht verwerfen wie ich finde, wenn eine solche Pidgin oder "Kreolsprache" sich als Verkehrssprache durchgesetzt, sich in verschiedene Dialekte gespalten und dann eigene Sprachfamilien hervorgebracht hätte--- wer weiss? Die Steinzeit funktionierte ja vielleicht wirklich nach anderen Schemen als die Kolonialzeit oder die Feudalzeit oder die Antike auf denen die evolutionistische Herkunftsstheorie des IE beruht...

aber wichtig finde ich es das Element des "Stammes" in die Diskussion einzubringen, frühgeschichtliche Menschen dachten mit ziemlicher Sicherheit eher in Kategorien wie "Stamm", "Klan", "Sippe", "Bündnis", "Reich" etc. als in Kategorien wie "Ethnie", "Staat" oder "Nation"... wahrscheinlich auch schon in der schriftlosen Vorgeschichte
 
Zuletzt bearbeitet:
Eine Nebeneinanderentwicklung von Sprachen, die - ohne daß es dazu eine gemeinsame, einheitliche Vorsprache gegeben hätte - sich nebeneinander so entwickeln, daß sie wie eine Sprachgruppe erscheinen, wäre für mich ein neues Szenario. Gibt es dazu belegbare Fälle anderswo?

Bei der Verbreitung indoeuropäischer Sprachen gibt es verschiedene Szenarien, die selbstverständlich alle hypothetisch bleiben.

Eine Fraktion vermutet, dass sich indoeuropäische Sprachträger von einem Zentrum zwischen den Karpaten und Südrussland Richtung Westen nach Mittel- und Südeuropa ausgebreitet haben, während ein anderer Zweig nach Osten Richtung Indien und Zentralasien expandiert ist. Das ursprüngliche Idiom dieser Proto-Indoeuropäer - nämlich die nur hypothetisch von der Indogermanistik erschlossene "Grundspraxche" - hätte sich danach in den neuen Regionen zu den historisch bekannten indoeuropäischen Einzelsprachen entwickelt, woran die Sprachen der autochthonen Bevölkerung beteiligt waren.

Dieses Modell versucht also zu erklären, warum sich indoeuropäische Sprachen in einem riesigen geografischen Raum finden lassen, der immerhin vom Atlantik bis Indien und Zentralasien reicht.

Ein anderes Modell, das u.a. der Archäologe Alexander Häusler in mehreren Publikationen vertritt, zählt die indoeuropäischen Sprachträger zur autochthonen Bevölkerumng Europas, die dort ohne größere Invasionen oder Migrationen von außerhalb seit dem Mesolithikum ansässig waren. Die weite Verbreitung der indoeuropäischen Sprachen wird lediglich durch die Weitergabe von Kulturkontakten erklärt.

Alexander Häusler, Nomaden, Indogermanen, Invasion. Zur Entstehung eines Mythos. http://www.uni-leipzig.de/~diffint/index.php/diffint/article/viewArticle/36

Ein anderes Szenario lässt die indoeuropäischen Sprachträger aus Anatolien/Vorderasien kommen und identifiziert sie mit den frühen Ackerbauern des Neolithikums, die sich von Anatolien aus im 7. Jahrtausend v. Chr. über den Balkan verbreiteten (Sesklo-, Starcevo- und Vinca-Kultur) und schließlich um 5500 v. Chr. mit der Linearbandkeramischen Kultur Mitteleuropa erreichten. So vor allem Colin Renfrew:

Colin Renfrew: Die Indoeuropäer – aus archäologischer Sicht. in: Spektrum der Wissenschaft. Dossier. Die Evolution der Sprachen. Heidelberg 2000, 1, S. 40–48. ISSN 0947-7934

Colin Renfrew.: Archaeology and Language. The Puzzle of Indo-European Origins. Jonathan Cape, London 1987, Cambridge 1990. ISBN 0-521-38675-6.

Da keine dieser Hypothesen zu beweisen ist, darf sich jeder die ihm am wahrscheinlichsten dünkende Spekulation zur Ausbreitung der indoeuropäischen Sprachen frei Haus aussuchen.
 
Zurück
Oben