Humangenetik, Polymorphie, Pigmentierung und Rassebegriff

Rassismus ist es, Menschen auf Grund von Rassemerkmalen unterschiedliche Rechte und Fähigkeiten zuzubilligen oder abzusprechen, nicht aber die Feststellung von Rassemerkmalen an sich.
Du hast hinreichend deutlich gemacht, wie Du den Begriff "Rasse" verwendest und dass Du ihn nicht rassistisch auslegst. Das Problem ist nur: Der Begriff "Rasse" dient keinem anderen Zweck, als Lebewesen aufgrund ganz willkürlicher Kriterien in "Kategorien" einzuordnen. Damit wird zum Beispiel auch der Begriff "reinrassig" zu einem völlig willkürlichen Konstrukt. "Reinrassig" ist ein Lebewesen dann, wenn es den Kriterien entspricht, die irgendein Mensch (zum Beispiel ein Herr Mendel) ohne irgendeine objektive Notwendigkeit festgelegt hat. Mendel z.B. hätte auch ein beliebiges anderes Kriterium auswählen können - etwa Blattformen statt Blütenfarbe.

Der Begriff "Rasse" bekommt damit eine Bedeutung verliehen, die er gar nicht hat. Würde man andere Kriterien zugrundelegen, käme man zu ganz anderen Rasseeinteilungen. Das Problem mit dem Begriff "Rasse" liegt nicht in der Beschreibung spezifischer Unterschiede zwischen den Lebewesen, sondern in der willkürlichen Entscheidung, welche Unterschiede jemand für "relevant" erklärt - und vor allem: warum er das tut.

Bei jemandem, der Pferde züchtet, ist die Absicht klar. Er braucht vielleicht ein Pferd, das bei einem Rennen mitlaufen soll. Oder eines, das einen Bierwagen ziehen soll. Einen riesenhaften Kaltblüter würde der Züchter nicht in ein Rennen schicken und ein feuriger Araber taugt nicht für die Bierkutsche. Hier ist der Rassebegriff mit "Zweck" und "Wert" verknüpft. Ein Katzenzüchter hat auch relativ klare Absichten (wobei Katzenzucht recht "jung" ist; die Grundformen der meisten Katzenrassen haben sich ohne menschliche Einwirkung herausgebildet).

Nur: Welche Funktion hat der Begriff "Rasse" bei der Anwendung auf Menschen? Auch hier wurde er mit den Begriffen "Zweck" und "Wert" verknüpft und "diente" zu lange und zu oft mit zu hässlichen Folgen einem Zweck, von dem man den Rassebegriff heute - insbesondere in Deutschland - einfach nicht mehr befreien kann.

Das Dilemma ist: Ersetzt man den Begriff "Rasse" durch irgendeinen anderen Begriff, hat man ein neues Wort, aber prinzipiell das gleiche Problem. Das klang ja in dieser Diskussion schon an...

Deshalb will ich Fragen der Kulturentwicklung auch nicht unter Aspekten wie Humangenetik und Rassebegriff diskutieren. Da könnte es zu leicht passieren, dass jemand Verbindungen sieht zwischen der äußeren Erscheinung der Menschen und der äußeren Erscheinung der Gesellschaften, in denen sie leben. Das sind aber völlig getrennte Phänomene.

Ein Beispiel:

Unlängst ist ein Flugzeug der brasilianischen Regierung über den Dschungel geflogen und hat Film- und Fotoaufnahmen von einer Gruppe von Indianern gemacht, die bislang unbekannt war und offenbar fast völlig isoliert lebt. Die Leute leben noch genauso wie vermutlich schon ihre Vorfahren vor tausenden von Jahren. Dass sie die Zivilisation zumindest mittelbar kennen, sieht man daran, dass einige von ihnen Macheten haben und dass auf einem der Fotos ein industriell gefertigter Kochtopf zu sehen ist. Trotz ihrer Kenntnis der "Segnungen der Technik" verbleiben die Menschen aber in ihrer "primitiven" Lebensweise.

Warum ist das so? Ist es ein "Rassemerkmal", dass ihre Gesellschaft keinen kulturellen "Fortschritt" machen kann oder will? Auf den Gedanken kann man leicht kommen, wenn man davon ausgeht, dass sich menschliche Gesellschaften zwangsläufig von "primitiven" Formen zu Hochkulturen und schließlich zur "modernen Zivilisation" entwickeln. Dann liegt der Verdacht nahe, dass Gesellschaften, die diesen Weg nicht schaffen, aus irgendwelchen Gründen (vielleicht sogar genetischen?) unfähig dazu sein könnten.

Lässt man die Frage nach "Rassemerkmalen" beiseite, kommt man hingegen zu dem Schluss, dass menschliche Gesellschaft nach der Frage beurteilt werden muss, wie zuverlässig sie die Bedürfnisse der Individuen erfüllt. Dann kommt man schnell darauf, dass Gesellschaften nur dann ihre "Ruhelage" verlassen und sich zu entwickeln beginnen, wenn äußere Bedingungen es notwendig erscheinen lassen. Dann reden wir aber nicht über biologische/genetische Merkmale von Menschen, sondern über Merkmale von Gesellschaften. Meiner Ansicht nach ist DAS die richtige Herangehensweise.

Die Fragen, um die es Dir hier eigentlich geht, gehören nicht hierher.

MfG
 
(1)
....
Könnte man sagen, dass darüber allgemeiner Konsens besteht?
Zumindest von meiner Seite: Fast!

Ich widerspreche nur in einem Punkt:

(3)
die moderen Genetik hat nachgewiesen, dass es beim Menschen keine Rassen gibt: die genetischen Unterschiede zw. vermeintlichen Rassen sind unerheblich minimal, die genetischen Unterschiede zw. Mutti und Kind können größer ausfallen usw.)
Die moderne Genetik kann nicht beweisen, dass es keine (Menschen-)Rassen gibt. Einen solchen objektiven Gegenbeweis könnte sie nur erbringen, wenn es objektive Kriterien für die Einteilung solcher Rassen geben würde. Die gab es aber nie, weder bei Menschen noch bei Tieren oder Pflanzen. Rassekategorien hängen auch nicht von einem notwendigen Mindestmaß an genetischer Unterschiedlichkeit ab. Stattdessen sind es immer ganz bestimmte im Phänotyp sichtbare Merkmale, nach denen entschieden wird, ob z.B. ein Hund bestimmten "Rassemerkmalen" entspricht. Im Extremfall könnte es ein bestimmtes Merkmal auf einem einzigen Gen sein, das einem Züchter den Anlass gibt, von einer neuen "Rasse" zu sprechen.

MfG
 
Sehr schade, dass die Diskussion sich schon wieder im gleichen Thread festgefahren hat. Sepiola hatte doch extra http://www.geschichtsforum.de/f328/warum-haben-die-r-mer-das-schie-pulver-nicht-erfunden-49049/ eröffnet. Hat Hansforscht wohl nicht gefunden, der Titel ist etwas irreführend, leider, deshalb sind die meisten Beiträger auf den Erfindungs- Technikzug aufgesprungen.
Ich hatte den Threadableger anders verstanden und dachte, wir könnten die unterschiedlichen kulturellen Entwicklungspfade dort weiterdiskutieren. http://www.geschichtsforum.de/721254-post18.html
 
Bei jemandem, der Pferde züchtet, ist die Absicht klar. Er braucht vielleicht ein Pferd, das bei einem Rennen mitlaufen soll. Oder eines, das einen Bierwagen ziehen soll. Einen riesenhaften Kaltblüter würde der Züchter nicht in ein Rennen schicken und ein feuriger Araber taugt nicht für die Bierkutsche.

Ich weiß nicht, warum der Begriff "Rasse" in diesem Thread stets auf die Tierzucht verengt wird. Er ist in der biologischen Systematik die letzte Rangstufe direkt unterhalb der Art. Heutzutage ist der Rassebegriff allerdings dem Begriff "Unterart" oder "Subspezies" gewichen, was die gleiche Bedeutung hat. Definiert wird er so:

„Eine Subspezies ist die Zusammenfassung phänotypisch ähnlicher Populationen einer Art, die ein geographisches Teilgebiet des Areals der Art bewohnen und sich taxonomisch von anderen Populationen der Art unterscheiden.“

Das ist es vermutlich, was der User Hans sagen will: Eine Klassifizierung nach rein phänotypischen Merkmalen, wobei Variation und Dynamik nicht ausgeschlossen werden. Es geht also lediglich um Häufigkeitsunterschiede bzw. Häufigkeitsmerkmale und es gibt keine "homogenen" oder klar abgrenzbare Einheiten, sondern fluktuierende Übergänge.
Es ist allerdings zweifelhaft, ob der Begriff "Subspezies" im biologischen Sinn auf Menschentypen anwendbar ist.
 
Ich weiß nicht, warum der Begriff "Rasse" in diesem Thread stets auf die Tierzucht verengt wird.

Das liegt vor allem daran, dass er in der Biologie nun mal so definiert ist.

Rassen sind Zuchtprodukte, wie unsere heutigen Haus- und Nutztierrassen. Sie sind durch bestimmte Merkmale charakterisiert, wie Fellfarbe und -zeichnung, Größe und Proportionen, Fleischqualität, Michleistung, Verhaltensmerkmale, Verhaltensmerkmale und vieles mehr. Die Einhaltung dieser Rassestandards ist Aufgabe der Züchter. Selbstverständlich gibt es auch innerhalb einer Rasse eine mehr oder weniger große Merkmalsvariabilität, jedoch werden Tiere, welchen den Standards nicht genügen, in der Regel von der Zucht ausgeschlossen.

Rassen sind somit anthropogene Produkte, welche in freier Wildbahn nicht existent sind. Konsequenterweise kommt die Subspezies-Kategorie der Rasse auch in der zoologischen Taxonomie und Nomenklatur nicht vor.
Gisela Grupe, Kerrin Christiansen, Inge Schröder, Ursula Wittwer-Backofen
Anthropologie
Einführendes Lehrbuch
2. Auflage
Heidelberg 2012 (S. 201)



Oder in einem Satz:
Seine fachlich korrekte Verwendung beschränkt sich auf die Klassifikation von Zuchtformen

de.wikipedia.org/wiki/Rasse
 
Zuletzt bearbeitet:
Das liegt vor allem daran, dass er in der Biologie nun mal so definiert ist.

In der biologischen Systematik sind Rassen und Unterarten oder Subspezies deckungsgleich:

"Rassen oder Unterarten sind Populationen einer Art bei denen der Genaustausch mit anderen Populationen vermindert ist. Dadurch kann es zu einer verstärkten Herausbildung von gemeinsamen phänotypischen Merkmalen kommen die die Individuen der Rasse von anderen Populationen der gleichen Art unterscheiden (Merkmalsdivergenz). Andere Begriffe die vergleichbare Beobachtungen ausdrücken sind Unterart ( Subspezies ) Zuchtform oder Varietät . Im Pflanzenreich sprechen Biologen auch von Sorten ".

Rasse

Der Begriff "Rasse" hat sich lediglich im Lauf der Zeit auf Zuchtrassen im Haustierbereich verengt.

Ich vermute also, dass der User Hans weniger auf "Rassen", als auf Unterarten oder Subspezies mit den oben genannten Einschränkungen hinaus will.
 
Ich vermute also, dass der User Hans weniger auf "Rassen", als auf Unterarten oder Subspezies mit den oben genannten Einschränkungen hinaus will.

Wenn Hans wirklich Unterarten meint, müsste man beim Menschen Hunderte oder Tausende Unterarten unterscheiden:

Ich meine vielmehr, dass es sehr viele Rasen gibt, also hunderte und vielleicht auch tausende, wobei einige fließendere Übergänge haben werden als andere.
 
in diesem Link findet sich freilich auch:
Die mannigfachen Versuche Menschen nach äußeren Merkmalen (wie Hautfarbe Haarfarbe Körperbau usw.) in Rassen zu klassifizieren sind nur noch von historischem Interesse. Die Zahl der aufgestellten Gruppen schwankt sehr stark wobei sich die bereits von Linné http://www.uni-protokolle.de/Lexikon/Carl_von_Linn%E9.htmlangenommenen vier Urtypen (s.u. Exkurs über die Geschichte der Rassenforschung) oder dreier großer Rassenkreise - Europide (Europa Naher Osten Indien) Mongolide (Ostasien und Ureinwohner Amerikas) und Negride (Afrika) - besonderer Beliebtheit erfreuen. Dies wurde häufig weiter ausdifferenziert in zahlreiche Mischformen (z.B. Turanide Australide Mestizen Mulatten ) und Unterteilungen. So wurden beispielsweise die Europiden nochmals aufgefächert in Nordide Osteuropide Alpinide Dinaride Mediterranide Armenide Orientalide Indide .
Zwar sind diese Klassifikationen durch die Erkenntnisse der modernen Genetik überholt aber im alltäglichen Denken der meisten Menschen nach wie vor präsent. Humangenetiker wie Luigi Cavalli-Sforza argumentieren dagegen dass äußerliche Unterschiede wie Haut- und Haarfarbe Haarstruktur und Nasenform lediglich eine Anpassung an unterschiedliche Klima- und Ernährungsbedingungen sind die nur von etwa einem Dutzend Erbfaktoren bestimmt werden. Im Prinzip ist jede beliebige Untergruppe - theoretisch auch die Bewohner eines einzelnen Dorfes - durchschnittlich von anderen unterscheidbar. Zahllose Migrationen führten zu ständiger Vermischung und ununterbrochenem Genfluss. Anders ausgedrückt ist beim Menschen die Vielfalt so groß dass es unzweckmäßig ist diesen als Art zoologisch zu untergliedern.
 
in diesem Link findet sich freilich auch:

Der User Hans will Völker und/oder Ethnien nach phänotypischen Merkmalen klassifizieren, wobei er sich bewusst ist, dass es keine homogenen und klar abgrenzbare Einheiten gibt. Dafür ließe sich nach der biologischen Systematik der Begriff "Unterart" oder "Subspezies" verwenden, der ebenfalls nicht auf genetische, sondern auf phänotypische Merkmale abstellt. Wie ich oben schon sagte, wird das folgendermaßen definiert:
„Eine Subspezies ist die Zusammenfassung phänotypisch ähnlicher Populationen einer Art, die ein geographisches Teilgebiet des Areals der Art bewohnen und sich taxonomisch von anderen Populationen der Art unterscheiden.“

Ob aber nun Rasse oder Subspezies: Ich bezweifle, dass man diese biologische Systematik auf Ethnien oder Völker anwenden kann. Ethnologen können zwar besondere Merkmale beschreiben, doch Klassifizierungen unterhalb der Art scheinen mir auf menschliche Populationen nicht anwendbar zu sein.
 
„Eine Subspezies ist die Zusammenfassung phänotypisch ähnlicher Populationen einer Art, die ein geographisches Teilgebiet des Areals der Art bewohnen und sich taxonomisch von anderen Populationen der Art unterscheiden.“
Diese Definition kann man wohl als veraltet betrachten, da diese phänotypisch ähnliche Populationen eben nicht mehr an ein geographisches Teilgebiet oder an eine Ethnie gebunden sind.

Worin besteht denn der Unterschied zwischen einem "schwarzen" und einem "weißen" US-Amerikaner ?
 
Diese Definition kann man wohl als veraltet betrachten, da diese phänotypisch ähnliche Populationen eben nicht mehr an ein geographisches Teilgebiet oder an eine Ethnie gebunden sind.

Nein, ist sie nicht. So wird in der Biologie (kurz zusammengefasst) der Begriff "Subspezies" definiert. Dass der (wie Dieter im von Dir zitierten Beitrag einen Absatz tiefer) auf Menschen schlecht bis gar nicht anwendbar ist, ist fast Konsens. ;)

Worin besteht denn der Unterschied zwischen einem "schwarzen" und einem "weißen" US-Amerikaner ?

Dem "schwarzen" Amerikaner sieht man an, dass unter seinen Vorfahren zumindest einige sind, die in den letzten Jahrhunderten aus Afrika kamen. Dehnte man das zeitlich entsprechend aus trifft das mit den afrikanischen Vorfahren ja auf uns alle zu, aber die Wege in den letzten 500 Jahren verliefen nun mal anders.

Warum auch immer das wichtig sein könnte, so im Angesicht der Geschichte...

Dass auch der "weiße" Amerikaner evtl einige Vorfahren hat, auf die das zutrifft, dass auch bei "schwarzen" Amerikanern die Mehrzahl der Ahnen europäische "Weiße" gewesen seinen können, dass "schwarze" Amerikaner mitunter eine hellere Hautfarbe haben können als "weiße" und immer noch als "schwarz" gesehen und bezeichnet werden, all das führt zu interessante Fragen (und mitunter zu sehr häßlichen Scheinantworten).

Wie aber soll man die diskutieren, ohne die dafür grundlegenden Tatsachen zur Kenntnis zu nehmen und irgendwie zu bennen? Ich hab mich vehement gegen die Verwendung des Rasse-Begriffs für Menschen ausgesprochen (und werd das auch weiter tun). Damit ändere ich aber nichts daran, dass Menschen aus verschiedenen Ecken der Welt unterschiedlich aussehen, oder dass Kinder idR ihren Eltern ähneln, oder dass man daher Menschen ihre Abkunft in bestimmten Grenzen ansehen kann.

Das Aussehen ist keinesfalls notwendig für Rassismus, sonst hätten die Nazis keine gelben Sterne verteilen müssen. Aber es prägt viele Formen des Rassismus nachhaltig. Der KuKluxKlan hatte nie Probleme, einen "N..." zu identifizieren.

Solange das so ist (und evtl auch noch danach, aber ich plan nicht über Pflaumenpfingsten hinaus...) muss es möglich sein, dafür Begriffe zu finden. "Rasse" isses, wie gesagt, nicht. Auch jeder andere Begriff wird künstlich und menschengemacht, weder ewig in Stein noch den Menschen ihre Gene eingemeisselt sein, und sollte immer kritisch hinterfragt werden. Ohne eine Bennenung des Offensichtlich geht's trotzdem nicht.
 
Der User Hans will Völker und/oder Ethnien nach phänotypischen Merkmalen klassifizieren, wobei er sich bewusst ist, dass es keine homogenen und klar abgrenzbare Einheiten gibt.
dass User Hans das will, glaube ich nicht*) - ich glaube eher, dass hier Konsens darüber herrscht, dass man weder "Rasse" noch Phänotyp (oder gar Subspezies) mit Ethnie gleichsetzen kann.
________________
*) falls er das will, sollte er das selber sagen
 
Wirklich gefallen tut mir das Wort "Rasse" auch nicht, mir fällt aber kein besseres ein, um das Offensichtliche zu bezeichnen. Ich glaube auch, dass ein so belastetes Wort durch richtigen Gebrauch allmählich wieder wertneutral gebraucht werden kann. Das Wort euphemistisch zu ersetzen scheint mir dagegen ungeeignet, die uns sehr störenden Assoziationen mit diesem Wort zurückzudrängen. Ich finde, wir sollten zunächst anerkennen, dass es eine Zeit gegeben hat, die auch noch nicht ganz vorbei ist, in der diesem Wort und Begriff eine Mehr- und Minderwert-zuschreibende Konnotation beigefügt war, die dem Begriff eigentlich gar nicht angehört. Erst wenn wir diesen Umstand, einschließlich der fehlenden Notwendigkeit in der Begriffsverknüpfung Raum geben, können wir den Begriff entgiften.

Ein Ausweichen auf "Unterart" oder latinisierend "Subspezies" finde ich keine Verbesserung sondern eine Verschlechterung, da hier jedenfalls in meinem Kopf viel stärker Schuhschachteln suggeriert werden, als bei dem Wort "Rasse", während ich mir bei dem Wort "Rasse" völlig bewusst bin, dass die Grenzen fließend sind.

Dann wäre selbst so ein Wort wie "reinrassig", das heute auf Menschen bezogen sehr polemisch klingt, wertneutral. Es könnte das seltene Exemplar bezeichnen, den ungewöhnlichen Fall eines Menschen, der aus einem besonders alten, isolierten Genpool abstammt. Dieser Mensch könnte für Forschungen sehr interessant sein.

Interessant finde ich übrigend den Hinweis auf die Hauskatzen, bei denen wesentliche Rassenunterschiede bereits ohne menschliches Eingreifen entstanden sein sollen. Dann wäre eine Einschränkung, wonach Rassen nur durch züchterisches Eingreifen zustande kommen können, falsch.

Ethnie ist für mich ein voll und ganz kultureller Begriff. Hierin einen Euphemismus für Rassen finden zu wollen, hieße Sand streuen. Ein Findelkind, dass in einer Bevölkerung eines ziemlich einheitlichen Phänotyps aufwächst, von dem das Kind sich unübersehbar unterscheidet, wird Teil der Ethnie, soweit seine Mitmenschen es nicht rassisstisch ausgrenzen. Die phänotypischen Merkmale seiner Mitmenschen erlangt es davon aber nicht. Seine Nachkommen werden über die Generationen immer unkenntlicher von den übrigen Menschen der betreffenden Ethnie werden. Ist die Gruppe klein genug, wird sich der Phänotyp der Gruppe etwas verändert haben, soweit die Nachkommen unseres Findelkindes nicht aus dem Genpool ausscheiden.

Zu Zeiten, als die Menschen allgemein in ziemlich voneinander isolierten Bevölkerungen lebten, gab es am Erscheinungsbild recht deutlich voneinander unterscheidbare Völker. Damals stimmten Ethnie und phänotypische Merkmale sehr weitgehend miteinander überein. Diese Übereinstimmung hat sich in manchen Gegenden schon deutlich aufgelöst, in anderen ist sie noch vorherrschend. Wir sollten schon auseinander halten, wovon wir jeweils sprechen. Rasse bestimmt sich aus Äußerlichkeiten, die nicht kulturell geprägt sind (Schminke, Kleidung, etc.) sondern auf dem Wege der Abstammung vererblich.
 
(1)
es gibt keinen Menschenzüchter, der Menschenrassen analog zu irgendwelchen Nutztieren gezüchtet hat (das einfachste Argument gegen die Anwendung des Rassenbegriffs)
Wenn du das zur Definition machst, ist das so. Zucht sehe ich aber nicht als Teil der Definition. Deshalb ist es für mich ein Zirkelschluss.

(2)
Rasse und Ethnie sind keine Synonyme (hierin lag der peinliche Fehler des 19. Jhs., was man damals auch "Blut" oder "Abstammung" nannte, dann den Begriff Rasse quasi halbwissenschaftlich verwendete und zuletzt willkürlich Auf- und Abwertungen verteilte (also den "Rassen/Ethnien" irgendwelche typischen Eigenschaften zusprach)
Sehe ich auch so.

(3)
die moderen Genetik hat nachgewiesen, dass es beim Menschen keine Rassen gibt: die genetischen Unterschiede zw. vermeintlichen Rassen sind unerheblich minimal, die genetischen Unterschiede zw. Mutti und Kind können größer ausfallen usw.)
Wie auch immer man das begründen will, denn: Noch immer sehen die Bewohner eines Dorfes in Uganda ganz signifikant anders aus, als die eines Dorfes bei Tokyo oder in den Anden. Ich finde den Versuch das wegzudiskutieren albern. Womöglich käme man zu anderen Ergebnissen, wenn man nur die den Phänotyp definierenden Marker betrachten würde. Jedenfalls ist das Phänomen viel zu offensichtlich, um es so unsichtbar zu machen. Ich glaube wir streiten um ein Wort, nicht um die Existenz eines Phänomens. Natürlich seht ihr alle, was ich sehe.

(4)
allerdings gibt es Populationen, die (statistisch genetisch unerhebliche) äußere Merkmale über lange Zeiträume zäh fortpflanzen
Eben. Und da beißt keine Maus nen Faden ab.[/quote]

(4)a
man könnte meinen, dass es sich um Anpassungen an die Umwelt handelt, aber:
- es gibt indigene dunkelhäutige Pygmäen und indigene Nichtpygmäen in derselben Gegend (also scheint das in der jeweiligen Population vererbte Merkmal der stark differierenden Körpergröße nicht sonderlich umweltanpassungsabhängig zu sein)
(4)b
man kann argumentieren, dass Mutationen, die dergleichen hervorgerufen haben, zwar für ein paar Jahrhunderte oder Jahrtausende wirksam sind (sofern sexuelle Auslese hinzukommt), aber insgesamt keine Rolle spielen, da sich dergleichen nach 50.000 Jahren (? mehr oder weniger) ohnehin ändert
- mag sein, dass 50.000 Jahre evolutionsgenetisch nur ein Augenblick sind, für uns aber scheinen sie sehr sehr lang zu sein: den über die möglichen Veränderungen 50.000 Jahre nach unserem Ableben können wir eigentlich nichts sinnvolles, auf jedenfall nichts (für uns) nachprüfbares aussagen.
(4)c
die Ursache für genetische Veränderungen bzw. Mutationen ist der Zufall
- mag sein, dass die genetisch unerheblichen Unterschiede zwischen verschiedenen Populationen zufällig entstanden sind - sichtbar vorhanden und für unsere kurzlebigen Vorstellungen zäh vererbt werden sie.
Über die Gründe für die Ausdifferenzierungen phänotypischer Merkmale können wir sicherlich noch herrlich diskutieren. Aber erst einmal wollen wir feststellen, dass es diese Unterschiede überhaupt gibt. Danach können wir gerne weiter schauen. Die Ursachen für die Ausdifferenzierung sind sicherlich erheblich, um sich dem Zeithorizont, um den es mir im Grunde bei dem Thema geht, einzugrenzen. Wäre es z.B. Zucht (was sicherlich ausscheidet), wäre der Zeithorizont viel kürzer, als bei natürlichen Ursachen. Aber unterschiedliche natürliche Ursachen lassen ebenfalls unterschiedliche Geschwindigkeiten bei der Ausdifferenzierung erwarten.

(5)
da die genetischen Unterschiede zwischen allerlei existenten Populationen minimal sind, ist der Gedanke, dass wir alle grundsätzlich gleich ausgestattet sind und demzufolge dieselben Fähigkeiten haben, völlig richtig.
- es scheint kulturell bedingt zu sein, dass dies oder jenes nicht überall zur selben Zeit erfunden wurde - auf jeden Fall hat das Aufkommen der Keramik nichts mit Rassen zu tun (mal salopp gesagt: den Umgang mitm Handy lernt man unterschiedslos überall, diese Fähigkeit ist also quasi universell) :)
Richtig. Ich habe auch nie behauptet, dass ein Zusammenhang zwischen unterschiedlichen Rassen und unterschiedlichen Kulturleistungen bestehe. Ich behaupte ja gerade, dass ein solcher Unterschied schon zwischen den heute lebenden Menschen und den jüngsten gemeinsamen Vorfahren aller heute lebenden Menschen nicht bestanden hat. Ich versuche NICHT mit Rassenunterschieden unterschiedliche Kulturleistungen zu begründen. Ich frage mich, warum ein gewisses Niveau an Kulturleistungen vor einem gewissen Zeitpunkt nie überschritten wurde. Die Existenz der Rassen dient mir nur als Beleg, dafür, wie lang der Zeitraum gewesen sein muss, in dem diese Kulturleistungen nach heutiger Kenntnis nirgends aufgetreten sind. Das ist der Bezug zur Keramik. Ich sehe schlicht ein Paradox zwischen sehr wohl vorhandener Fähigkeit und trotzdem nicht stattgefundener Entwicklung.[/quote]

Könnte man sagen, dass darüber allgemeiner Konsens besteht?

Ich komme da wohlwollend bei fifty-fifty raus.
 
Sehr schade, dass die Diskussion sich schon wieder im gleichen Thread festgefahren hat. Sepiola hatte doch extra http://www.geschichtsforum.de/f328/warum-haben-die-r-mer-das-schie-pulver-nicht-erfunden-49049/ eröffnet. Hat Hansforscht wohl nicht gefunden, der Titel ist etwas irreführend, leider, deshalb sind die meisten Beiträger auf den Erfindungs- Technikzug aufgesprungen.
Ich hatte den Threadableger anders verstanden und dachte, wir könnten die unterschiedlichen kulturellen Entwicklungspfade dort weiterdiskutieren. http://www.geschichtsforum.de/721254-post18.html

Ich habe zwar Verständnis dafür, ein anderes Thema diskutieren zu wollen, da es ja viele interessante Themen gibt. Aber dein thematischer Vorschlag "die unterschiedlichen kulturellen Entwicklungspfade" passt nicht wirklich unter die Überschrift "humangenetik-polymorphie-pigmentierung-und-rassebegriff".
 
Ein Ausweichen auf "Unterart" oder latinisierend "Subspezies" finde ich keine Verbesserung sondern eine Verschlechterung
Da siehst Du mal, dass ich Dich immer noch besser verstehe als Dieter. ;)

Dann wäre selbst so ein Wort wie "reinrassig", das heute auf Menschen bezogen sehr polemisch klingt, wertneutral. Es könnte das seltene Exemplar bezeichnen, den ungewöhnlichen Fall eines Menschen, der aus einem besonders alten, isolierten Genpool abstammt. Dieser Mensch könnte für Forschungen sehr interessant sein.
So einen "besonders alten, isolierten Genpool" gibt es aber nicht.
Jedenfalls nicht nach Deinen eigenen Zeitmaßstäben:
Ich meine, diese erheblichen Unterschiede brauchen einen Horizont im Bereich von eher 100.000 bis 1.000.000 Jahre als von nur 12.000 oder 15.000 Jahren.


Zu Zeiten, als die Menschen allgemein in ziemlich voneinander isolierten Bevölkerungen lebten, gab es am Erscheinungsbild recht deutlich voneinander unterscheidbare Völker. Damals stimmten Ethnie und phänotypische Merkmale sehr weitgehend miteinander überein. Diese Übereinstimmung hat sich in manchen Gegenden schon deutlich aufgelöst, in anderen ist sie noch vorherrschend.
Das klingt jetzt so, als ob früher z. B. Helvetier, Räter und Vindeliker voneinander isoliert gelebt hätten und sich deutlich im Aussehen unterschieden hätten - während man heute Franzosen, Deutsche und Schweizer kaum mehr nach dem Aussehen unterscheiden kann.
 
Interessant finde ich übrigend den Hinweis auf die Hauskatzen, bei denen wesentliche Rassenunterschiede bereits ohne menschliches Eingreifen entstanden sein sollen. Dann wäre eine Einschränkung, wonach Rassen nur durch züchterisches Eingreifen zustande kommen können, falsch.

Ähhh, da liegt jetzt ein kleiner Denkfehler vor.

In der Tat ist es so, dass die Katzen erst sehr spät der "züchterischen Aufmerksamkeit" des Menschen teilhaftig wurden. Zucht von Nutztieren hatte immer die Funktion, den Nutzwert zu erhöhen. Schweine mit mehr Fleisch, Kühe die mehr Milch geben etc. Oder nehmen wir Hunde: Einer, der für die Baujagd taugen soll, muss klein sein. Einer, der den Hof bewachen soll, muss groß sein etc. Wozu sollte man also Katzen züchten? Die vermehrten sich von allein und taten ohnehin nicht anderes als Mäuse zu fangen. Deshab wurden sie erst gezüchtet, nachdem ihr Nutzwert um die Funktion "Kuscheltier" erweitert worden war.

Deshalb sind die meisten Grundformen der heutigen Katzenrassen von allein und ohne menschliches Zutun entstanden. Nur: Bis der Mensch mit der Katzenzucht anfing, nannte er sie alle nur "Katzen". Erst mit dem Beginn der Zucht sprach man dann von "Rassen".

MfG
 
Ähhh, da liegt jetzt ein kleiner Denkfehler vor.

...

Deshab wurden sie erst gezüchtet, nachdem ihr Nutzwert um die Funktion "Kuscheltier" erweitert worden war.

Deshalb sind die meisten Grundformen der heutigen Katzenrassen von allein und ohne menschliches Zutun entstanden. Nur: Bis der Mensch mit der Katzenzucht anfing, nannte er sie alle nur "Katzen". Erst mit dem Beginn der Zucht sprach man dann von "Rassen".

MfG

Na ja, da machst nun du einen Denkfehler. Vorher waren die Menschen zwar uninteressiert und ignorant den existierenden Katzenrassen gegenüber. Offenbar gab es sie aber. Es sei denn du wolltest postulieren, Rassen seien nicht durch Unterschiede, die man beobachten könne, gegeben, sondern nur durch solche, die man tatsächlich beobachtet, weil man gerade mal aufmerksam hinschaut. Mir reicht es, wenn es beobachtBAR ist. Und das war es bei denen Lieblingstieren doch schon vorher.
 
Da siehst Du mal, dass ich Dich immer noch besser verstehe als Dieter. ;)
Das wäre schön. Allerdings vorausgesetzt, du verstehst mich dan besser als bisher, nicht, Dieter verstünde mich nun weniger gut als bisher.

So einen "besonders alten, isolierten Genpool" gibt es aber nicht.
Jedenfalls nicht nach Deinen eigenen Zeitmaßstäben
Zum einen habe ich einen theoretischen Fall beschrieben. Zum anderen könnte ich mir schon vorstellen, dass man noch den einen oder anderen mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit "reinrassigen" Papua findet, da sich da die Eindringlinge aus anderen Erdteilen noch nicht so sehr lange rumtreiben. Das Problem wird sein zu wissen, wer denn wirklich keine Genbeiträge aus anderen Genpools hat. Und der Maßstab müssend dafür auch nicht 100.000 Jahre sein. Nicht alle Aufspaltungen sind so alt.

Das klingt jetzt so, als ob früher z. B. Helvetier, Räter und Vindeliker voneinander isoliert gelebt hätten und sich deutlich im Aussehen unterschieden hätten - während man heute Franzosen, Deutsche und Schweizer kaum mehr nach dem Aussehen unterscheiden kann.

Du suchst die Beispiele für Genpools, die ziemlich jung sind oder zu einem Betrachtungszeitpunkt waren und von denen man schlecht sagen kann, ob sie jemals längere Zeit isoliert lebten. Natürlich gibt es die. Das ist aber gar nicht der entscheidende Punkt. Die Frage ist, ob es auch isolierte Genpools über lange Zeit gab. Es ist eigentlich nicht fraglich. Betrachte einfach Bevölkerungen mit signifikanten phänotypischen Merkmalen.
 
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