Sorry Guys,
super interessante Diskussion, die hier entstanden ist. Bitte erlaubt mir die kurze Zwischenfrage
Die Führungseliten (Clans/Sippen mit Prestige, Macht und Reichtum) hätten sich in ihren Positionen nicht ohne "ihr Militär" (Gefolgschaft bestehend aus "Profikriegern") halten können

Wie muss man sich das vorstellen?

Segimer-Sippe, Adelsgeschlecht Lippe-Weser-Cherusker mit x Untergauen (jetzt mal rein fiktiv)
Prestige: mehrfache Siege/erfolgreiche Raubzüge gegen die Chauken und Chatten im Sommer XX
Macht: Dörfer X, Y, Z stellen das Gefolge der Segimer-Sippe
Reichtum: 2 x 500 Rinder

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Segestes-Sippe, Adelsgeschlecht Leine-Cherusker, Cherusker Innerste-Bergland kurz vor dem Harz mit x Untergauen (jetzt mal rein fiktiv)
Prestige: epochaler Sieg/erfolgreiche Raubzüge über die Fosen im Frühjahr YY
Macht: Dörfer X, Y, Z stellen das Gefolge der Segestes-Sippe
Reichtum: 500 Rinder

Das Machtgefüge wird durch Heiraten zwischen beiden Fürstensippen in der Waage gehalten.

Oder ein noch sehr viel kleiner aufgesplitterter Flickenteppich mit sehr viel komplexeren Herrschaftsverhältnissen. Okay, wir wissen es natürlich nicht. Sorry für den Einschub.
 

Wenn er wolle, solle er gegen ihn antreten! Er werde merken, wozu die Tapferkeit der unbesiegten und im Waffengebrauch überaus geübten Germanen, die seit 14 Jahren kein festes Dach über dem Kopf gehabt hätten, in der Lage sei.

Caesar - De bello Gallico 1,30-1,54: Der Krieg gegen Ariovist

Zudem wurde Ariovist mit seiner Truppe ursprünglich von den Arvernern und Sequaniern als Söldner angeworben, bevor er sich selbstständig machte.

Eher unwahrscheinlich, dass man einen Trupp leichtbewaffnerter Landwirte anheuert.

Das Berufskriegertum war also damals auch östlich des Rheins durchaus vertreten.
 
Dass die Krieger, die Ariovist mitbrachte, sich in Gallien ganz dem Kriegshandwerk widmeten, bedeutet nicht zwangsläufig, dass sie schon rechts des Rheins Berufssoldaten waren und es dort stehende Heere gab. Das können auch Desperados gewesen sein, die aus welchen Gründen immer ihr bisheriges Leben aufgaben bzw. aufgeben mussten und ihr Glück in der Fremde versuchten. Eine gewisse Erfahrung im Kriegshandwerk kann man auch bei den „Landwirten“ voraussetzen, außerdem trafen sie auch in Gallien nicht auf stehende Berufsheere, sondern ihresgleichen.

Im Übrigen verweise ich wieder einmal auf Griechenland, wo die wenigsten Staaten Berufsarmeen unterhielten, griechische Söldner aber von Ägypten über Persien bis Thrakien trotzdem sehr gefragt waren. In Athen etwa gab es einen zweijährigen Grundwehrdienst, und weitere militärische Expertise wurde in den häufigen Kriegen erworben.

Die Führungseliten (Clans/Sippen mit Prestige, Macht und Reichtum) hätten sich in ihren Positionen nicht ohne "ihr Militär" (Gefolgschaft bestehend aus "Profikriegern") halten können, wobei sowohl diese Eliten als auch ihre Gefolgschaft als Proto-Adel bezeichnet werden kann.
Diesen Schluss halte ich nicht für zwingend.
Die römischen Patrizier der frühen Republik unterhielten auch keine stehenden Privatarmeen, um ihre gesellschaftliche und politische Vormachtstellung zu behaupten. Ihre Position wahrten sie – wie auch die „Nobiles“ in der späten Republik – eher über ihr Netzwerk an abhängigen Klienten sowie ihre Beziehungen zu anderen Mächtigen.
Wenn sich im alten Griechenland ein mächtiger Mann eine Privatarmee zulegte, schrillten allgemein die Alarmglocken, weil das als Hinweis gewertet wurde, dass er eine Tyrannis errichten möchte.
Stehende Privatarmeen kamen im römischen Reich erst in der Spätantike auf.
 
Im Übrigen verweise ich wieder einmal auf Griechenland, wo die wenigsten Staaten Berufsarmeen unterhielten, griechische Söldner aber von Ägypten über Persien bis Thrakien trotzdem sehr gefragt waren. In Athen etwa gab es einen zweijährigen Grundwehrdienst, und weitere militärische Expertise wurde in den häufigen Kriegen erworben.

Schön. Die Spartaner dagegen taten nichts anderes. Was hilft uns das nun?
 
Es zeigt, dass Söldner nicht nur aus Berufsheeren hervorgehen.

Natürlich sind Anfänger als Söldner im Allgemeinen uninteressant, aber bei den Germanen wird man - ebenso wie bei den Griechen - eine gewisse militärische Erfahrung voraussetzen können, bei den Germanen wegen Stammeskonflikten, der Abwehr von Plünderern etc., bei den Griechen wegen der häufigen Kriege.

Man muss bei germanischen Söldnern also ebensowenig eine Betätigung als Berufssoldaten schon in der Heimat voraussetzen wie bei der Masse der griechischen Söldner.
 
Ein Söldner ist aber doch per se ein Militärprofi.
Oder haben etwa Xenophons 10000 nebenher noch Karotten angebaut?
Eher nicht, sie haben sich über Jahre dem Krieg verpflichtet.

Ob z.B. Ariovists Krieger irgendwann vorher einmal Bauern waren, spielt doch keine Rolle.
In seinem Gefolge waren sie Krieger, und sonst nichts.
 
Eher unwahrscheinlich, dass man einen Trupp leichtbewaffnerter Landwirte anheuert.

Durchaus nicht unwahrscheinlich, wenn der Markt an tatsächlichen Berufskriegern sehr klein bis nicht vorhanden ist.

Gegenfrage:

Wenn Ariovist und seine Mannschaft von Anfang an eine stattliche Gruppe schlagkräftiger, kampferprobter und gut ausgrüsteteer Berufskrieger waren, warum hielten sie es dann für nötig in die Dienste anderer zu treten, statt direkt zu versuchen sich als eigenständige Partei zu etablieren?
Letzteres wäre dann doch das Naheliegendere gewesen oder nicht.

Das sie sich zunächst mal im Namen anderer verdingten und von deren goodwill abhängig machten, spricht doch eher dafür, dass es sich eher um eine Gruppe von Amateuren handelte, die Schlagkraft und Ausrüstung erst noch aufbauen mussten oder, dass die Gruppe zunächst so klein war, dass sie als eigenständiger Faktor nicht in Betracht kam.
 
Ein Söldner ist aber doch per se ein Militärprofi.

Nö, ein Söldner ist jemand, der dafür bezahlt wird, dass er militärische Aufgaben übernimmt.
Ob er irgendwelche militärische Vorerfahrung hat, steht auf einem ganz anderen Blatt.

Schau dir den 30-jährigen Krieg an, in dem die ruinierten Bauern sich in Scharen bei den großen Söldnerheeren einschrieben, um sich irgendeine Existenzgrundlage zu verschaffen.

Söldner in dienst zu nehmen schließt durchaus nicht aus Amateeure anzuheuern und sie erst einmal zu Profis aufzubauen.
Überhaupt ist es für Söldnergruppen noch nie untypisch gewesen immer wieder Amateure in die eigenen Reihen aufzunehmen um eigene Verluste zu kompensieren oder das Gewicht der eigenen Truppe als Machtfaktor zu erhöhen, denn wer Erfahrung hatte und wer blutieger Amateur war, das war ja nun für außenstehende nicht so ohne weiteres ad hoc festzustellen.
 
Ein Söldner ist aber doch per se ein Militärprofi.
Oder haben etwa Xenophons 10000 nebenher noch Karotten angebaut?
Eher nicht, sie haben sich über Jahre dem Krieg verpflichtet.

Ob z.B. Ariovists Krieger irgendwann vorher einmal Bauern waren, spielt doch keine Rolle.
In seinem Gefolge waren sie Krieger, und sonst nichts.
Für unsere Diskussion spielt es insofern eine Rolle als Du behauptest, Varus sei von Berufskriegern geschlagen worden, was größere stehende Heere voraussetzen würde. Ich hingegen stelle – von überschaubaren Kriegergefolgschaften abgesehen – die Existenz großer Berufsheere in Abrede und gehe davon aus, dass es sich bei den Kriegern großteils nicht um professionelle Soldaten handelte, sondern z. B. um bewaffnete Bauern, die nur im Bedarfsfall kämpften.

Dass Ariovists Krieger, als sie ihm nach Gallien folgten, professionelle Krieger wurden, stelle ich nicht in Abrede. Es geht nur darum, ob sie aus stehenden Heeren abgeworben wurden oder (großteils) aus der wehrtauglichen, aber nicht professionell als Krieger tätigen Bevölkerung.
 
Das sie sich zunächst mal im Namen anderer verdingten und von deren goodwill abhängig machten, spricht doch eher dafür, dass es sich eher um eine Gruppe von Amateuren handelte, die Schlagkraft und Ausrüstung erst noch aufbauen mussten...

Jeder Söldner ist also Amateur? Sonst würde er auf eigene Rechnung arbeiten?

Nö, ein Söldner ist jemand, der dafür bezahlt wird, dass er militärische Aufgaben übernimmt.

Mit Verlaub, das Wort dafür ist Profi. Ob ein Profi bzw. ein Söldner nun gut oder schlecht ist, ist ein anderes Thema.

Ob er irgendwelche militärische Vorerfahrung hat, steht auf einem ganz anderen Blatt.

Richtig. Aber Nebenerwerbslandwirt ist er sicherlich nicht.
 
...was größere stehende Heere voraussetzen würde. ...

Im übrigen habe ich den Begriff "stehendes Heer" nie verwendet. Der spricht für irgendeine Art von staatlicher Organisation, die es vermutlich nicht gab.

Die "Gang" eines Warlords etwa im heutigen Somalia oder in Afghanistan würde niemand als "stehendes Heer" bezeichnen. Aber einer "bürgerlichen" Arbeit geht da auch keiner nach. Auch nicht dem Ackerbau.
 
Also hat Caesar den Namen Ariovist und seine ganze Truppe erfunden?
Nein. Ariovist war mit einem Heer von Kriegern unterwegs, die er woher auch immer zusammengeschart hatte.

Deine These zur Varusschlacht war, dass keine zusammengerufenen Bauern kämpften, sondern professionelle Krieger mit teurer Ausrüstung, die auch in Friedenszeiten keiner anderen Beschäftigung nachgingen als dem Training. Man mag sie als „stehendes Heer“ oder „Gang“ bezeichnen, der springende Punkt ist, dass sie, wenn man Deiner These folgt, nicht erst in Kriegszeiten zu Kriegern wurden, sondern das ihr permanenter „Beruf“ war.

Die Frage ist also auch bei Ariovist, hat er seine Krieger aus solchen professionellen „Gangs“ abgeworben, oder hat er Männer um sich geschart, die zuvor einer zivilen Tätigkeit nachgingen, die sie aus welchen Gründen immer aufgaben. Dass sie zu Berufskriegern wurden, indem sie sich Ariovist anschlossen und dauerhaft für ihn bzw. seine Auftraggeber kämpften, bestreite ich nicht. Aber das bedeutet meiner Meinung nach nicht, dass sie schon zuvor bei ihren Herkunftsstämmen Berufskrieger gewesen sein müssen und es bei diesen Herkunftsstämmen professionelle Krieger-„Gangs“ gab.
 
Aber das bedeutet meiner Meinung nach nicht, dass sie schon zuvor bei ihren Herkunftsstämmen Berufskrieger gewesen sein müssen und es bei diesen Herkunftsstämmen professionelle Krieger-„Gangs“ gab.

Das Thema hatten wir doch schon öfter. Diese Diskrepanz ist doch keine. Da sollte man nicht zu sehr an den "Stämmen" kleben. Selbstverständlich waren nicht alle schon immer Krieger.

Aber das Beispiel Ariovist zeigt, dass es diese mobilen Truppen gab, die wahrscheinlich mit irgendwelchen Stammesnamen nicht zu beschreiben waren, die sich sammelten und über Jahre ein Leben führten, in dem sie nicht die harte Bauernarbeit ausführen mussten.
Die von Tributen, Raub, Plünderungen usw. lebten, parallel zur Bauerngesellschaft mit ihren Pflügen.
Warum sollte Ariovist da ein Einzelfall sein? Offensichtlich war der schon lange Jahre erfolgreich, ehe er auf Caesar traf, und offensichtlich setzte er sein Tun nach der Niederlage bei Straßburg rechtsrheinisch fort.
Da dürfte es andere gegeben haben.

Das ist auch deshalb nicht so überraschend, weil sich genau diese Entwicklung im 3. und 4. Jahrhundert fortsetzte und zur Ausbildung von neuen (Krieger-) Gruppierungen führte, die sich dann "Franken" oder so ähnlich nannten.

Ein Sieg über Varus erscheint sehr viel wahrscheinlicher, wenn wir davon ausgehen, dass es Arminius gelang, verschiedene "Warlords" (oder "proto-fränkische" Kleinkönige?) vom Schlage eines Ariovist zu sammeln, sicher auch unterstützt von lokalen Bauern, aber im großen und ganzen Krieger, die von den Tributen der Bauern lebten, und denen unter römischer Herrschaft die Felle davonschwammen. Ein nicht so abwegiges Szenario.
 
Zuletzt bearbeitet:
Ich würde das Ariovist-Bsp. nicht zu hoch hängen. Ariovist soll gegenüber Caesar behauptet haben, dass er und seine Leute schon anderthalb Jahrzehnte unterwegs waren. Caesar hatte natürlich ein Interesse, die von Ariovist für Rom (oder zumindest Roms Prestige) ausgehende Gefahr hochzuspielen. Je bedeutsamer der Gegner, desto glorreicher der Sieg. Und vielleicht hat Ariovist ja tatsächlich Caesar gegenüber die Aussage getroffen und Caesar hat das gerne aufgegriffen. Und auch Ariovist hatte ja durchaus ein Interesse, seinen Gegner einzuschüchtern: "Komm mir nicht in die Quere, meine Leute und ich haben 15 Jahre Erfahrung und nichts zu verlieren."
 
Aber das Beispiel Ariovist zeigt, dass es diese mobilen Truppen gab, die wahrscheinlich mit irgendwelchen Stammesnamen nicht zu beschreiben waren, die sich sammelten und über Jahre ein Leben führten, in dem sie nicht die harte Bauernarbeit ausführen mussten.
Die von Tributen, Raub, Plünderungen usw. lebten, parallel zur Bauerngesellschaft mit ihren Pflügen.
Warum sollte Ariovist da ein Einzelfall sein?

Das Problem an dieser Vorstellung ist mE, dass die germanische Gesellschaft nicht produktiv genug war, um viele Menschen von der Produktion von Nahrungsmitteln zu befreien.

Hätten germanische Adlige/Häutplinge/WieimmerwirdieOberhoschisauchnennen eine zahlreiche, auf sie eingeschworene Gefolgschaft von "Berufskriegern", hätten sie das politische Geschehen mehr unter Kontrolle gehabt, als das der Fall gewesen zu sein scheint. Ich beziehe mich va auf diesen Thread, wo das Thema diskutiert wurde:

Wie waren die Germanen des Arminius gesellschaftlich organisiert?

Wo immer Ariovists Heer auch herkam, er führte es nach Gallien, die im Großen und Ganzen wirtschaftlich weiter entwickelt war; weit genug, um einen von der normalen Arbeit befreiten Kriegerstand (plus Druiden...) zu unterhalten, der die führende politische Klasse war, wenn wir Caesar hier trauen dürfen. Ich spekulier mal und sag, in Germania Magna wäre ein solches Heer nicht lange zusammen geblieben, da die Versorgung nicht möglich gewesen wäre.

Woher kamen also Ariovists Leute, und warum waren Germanen so zahlreich in den Legionen vertreten? ME eine Folge eben der geringen Entwicklung der Produktivkräfte. Einerseits waren die Germanen, verglichen mit ihren Nachbarn im Westen und Süden, materiell ärmer, also eine Motivation gegeben, vom Reichtum dieser Nachbarn mit zuprofitieren, sei es als Eroberer, sei es als Söldner. Anderer seits waren diese Gesellschaften mE zerstritten genug, um von häufigen Kleinkriegen ausgehen zu können, untereinander oder gegen Nachbarn, und sie waren egalitär genug, um alle oder einen großen Teil der (jungen) männlichen Bevölkerung die Möglichkeit zu geben, an diesen Kleinkriegen teilzunehmen, oder zumnidest darauf vorbereitet zu werden. Das war im römischen Gebiet mit dem Entstehen einer Berufarmee nicht mehr der Fall, und wenn ich das richtig erinnere berichtet Caesar von den Galliern, dass dort va der Kriegerstand militärisch geschult war; was Ariovists Erfolg mit erklären könnnte.

Was es in einem solchen Umfeld oft gibt sind Kriegs-/Räuberbanden (meist junger) Männer; jüngere Söhne, solche mit, sagen wir, juristischen Komplikationen an der Hacke, Bauern, die durch Krieg, Dürre, Naturkatastrophe oä ihren Unterhalt verloren hatte etc., und nun versuchten, mit dem Schwert einen Statusgewinn zu erreichen. Ariovist war vielleicht der Anführer eine solchen Bande, die lange genug erfolgreich in germanischen Kleinkriegen war, dass sie genug Leute anzog, um den Stunt in Gallien durchzuziehen, bis ihnen Caesar in die Quere kam.

Ein Sieg über Varus erscheint sehr viel wahrscheinlicher, wenn wir davon ausgehen, dass es Arminius gelang, verschiedene "Warlords" (oder "proto-fränkische" Kleinkönige?) vom Schlage eines Ariovist zu sammeln, sicher auch unterstützt von lokalen Bauern, aber im großen und ganzen Krieger, die von den Tributen der Bauern lebten, und denen unter römischer Herrschaft die Felle davonschwammen. Ein nicht so abwegiges Szenario.

Davon berichten die Quellen aber nichts. Gut, die sind auch eher dünn, zugegeben. Dennoch erscheint es mir wahrscheinlicher, dass es wie sonst allgemein angenommen ein Aufstand verschiedener Stämme war, alsa weiter Teile der Bevölkerung. Damit lassen sich die notwendigen Zahlen (viele tausend) mE besser erklären als mit Heeren von Beruskriegern, die sonst keine Erwähnung finden. Wenn ich mit meiner obigen Annahme richtig liege, dass eine "militärische Grundausbildung" weit verbreitet war (zumindest im Guerillakrieg... bzw Überfällen & Viehstehlen...),
kann ein solches Aufgebot durchaus gefährlich werden; wenn es a) überhaupt erst mal zusammen kommt, b) lange genug versorgt werden kann, um nicht wieder auseinanzuderlaufen, wofür es c) eine gute Organisation und Führung bedarf; neben dem politischen Willen, das ganze überhaupt zu versuchen. Hätte es solche militärischen Anführer mit entsprechenden Truppen gegeben, wären das doch die ersten gewesen, die die Römer entweder angesprochen und für sich vereinahmt hätten, um durch sie die Region zu kontrollieren, oder sie gezielt aus dem Weg geräumt hätten, um sie als Gefahr auszuschalten.

ME war es genau das Fehlen solcher ständigen militärischen oder politischen Strukturen, dass die Römer vor große Probleme stellte; so große, dass die dauerhafte Besetzung nicht lohnte, bei dem zu erwartenden, eher mickrigen Ertrag. Es gab keinen etablierten Adel, der mächtig genug gewesen wäre, durch ihn bzw seine Romanisierung die Kontrolle zu erlangen; keine ständige Armee, die man besiegen konnte; keinen König, den man unterwerfen (und dann seine Bürokratie nutzen) konnte.

Und jetzt fällt mir erst auf, wieviel mehr ihr gewschrieben habt seit ich das letzte mal in diesen Thread geschaut habe. Evtl später mehr. :)

EDIT
Ich meine nur: der Alltag innerhalb der Stämme war geregelt und friedlich. Stammeszugehörigkeit bedeutete auch Rechtssicherheit, gleiches Wertesystem.

Wenn das Rechtssystem Blutrache beinhaltet (wie bei den Germanen anzunehmen), passt auch das zu einer Gesellschaft, die zumindest hin und wieder zur Gewalttätigkeit greift...

Außerdem waren diese Stämme (oder wie immer die sich nun genau organisiert haben, wer nun genau als "gleich" angesehen wurde; mE war das zunächst die eigene Großfamilie bzw Sippe) eher klein und überschaubar; das waren noch nicht die Großstämme späterer Zeit wie die Sachsen oder Baiern. Will sagen, Leute mit ganz anderem Rechtssystem und ganz anderen Werten (aber dafür sehr interessanten Kühen) lebten sicherlich nicht allzu weit entfernt. ;)

Es will mir einfach nicht in den Sinn, dass die germanischen Stämme, trotz allen Zwist, nicht Rom frühzeitig als gemeinsamen Feind erkannt und entsprechend gehandelt haben.
Ja, ich weiß, es gibt zig Argumente dagegen und einige haben auch durchaus ihre Berechtigung, nur ...

Naja, Segestes hin oder her, es gab sicherlich Germanen, die die Partei der Römer ergriffen, weil sie sich von der römische Herrschaft etwas versprachen. Positiv gewendet: Eine wirtschaftliche Entwicklung, Einschluss in die weit überlegene Ökonomie des römischen Imperiums, die pax romana, was ein Ende der mE häufigen Kriege der Stämme untereinander bedeutet hätte, und das römische Rechtssystem und damit Stabilität und Rechtssicherheit. Solche Germanen, va wenn sie eigenes Vermögen oder eine entsprechende Abkunft mitbrachten und römische Bildung erwarben, wären romanisiert die perfekten Leute, zusammen mit römischen Siedlern eine Provinz Germania Magna zu etablieren. Und damit, negativ gewendet, natürlich einen gehörigen persönlichen Gewinn einzustreichen, auchauf Kosten ihrer Landsleute oder gar Verwandten, denen die römische Herrschaft weniger gut bekommen ist.

Diese Leute haben halt aufs falsche Pferd gesetzt, wie man so schön sagt...
 
Zuletzt bearbeitet:
Um mal einen anderen Gedanken in die Diskussion einzubringen: was geschah eigentlich mit den Kriegsversehrten, Invaliden?

Eine Schlacht im Altertum (bei so gut wie nicht vorhandenem Sanitätswesen) führt doch zu einer Reihe von Gefallenen/Erschlagenen - die Glücklicheren - UND einer wahrscheinlich nicht gerade kleinen Anzahl von Schwerverwundeten/Kriegsgeschädigten/Erwerbsunfähigen.

Was passiert mit denen? Man bringt sie irgendwo zum Sterben hin - wäre nicht so günstig für den Zusammenhalt der Gesellschaft. Die Bauern versorgen die unter hohen Opfern mit, hungern mit ihnen; man überlässt die Dörfer den Alten, Invaliden, Frauen und Kindern?
Mit Hieb- und Stichverletzungen am Torso oder an den Gliedern kannst Du am Ochsenpflug nicht mehr arbeiten.
Es sind ja Verwandte, Familienmitglieder also überlässt Du sie nicht einfach dem Siechtum, oder?

Was denkt Ihr?
 
aber im großen und ganzen Krieger, die von den Tributen der Bauern lebten, und denen unter römischer Herrschaft die Felle davonschwammen. Ein nicht so abwegiges Szenario.

Das ist eine sehr interessante These, die eine mögliche Motivation der Gegner des Varus benennt und gleichzeitig die Überraschung der Römer über den Aufstand im scheinbar befriedeten Germanien erklärt.
 
Das Problem an dieser Vorstellung ist mE, dass die germanische Gesellschaft nicht produktiv genug war, um viele Menschen von der Produktion von Nahrungsmitteln zu befreien.

Ist das nicht zu allgemein? So einheitlich war die "germanische" Gesellschaft doch gar nicht, wenn sich gar die Frage stellt, wie "germanisch" sie überhaupt war.
Zum Beispiel waren die Bewohner des Dünsbergs, seien es nun "Ubier" oder andere gewesen, wohl kaum arme Leute, auch um die Zeitenwende nicht. Gegenden wie die Wetterau haben zu allen Zeiten große landwirtschaftliche Überschüsse abgeworfen.

Mir wird etwas zu viel aus Funden in Norddeutschland auf eine "germanische" Kultur im allgemeinen geschlossen.
 
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