Preußen benötigte dringend den Kunstdünger, um seine schnell wachsende Bevölkerung zu ernähren.
Den benötigte es nicht so dringend, dass es nicht zu substituieren gewesen wäre. Erstmal hätte man Lebeensmittel aus dem besetzten Jütland abziehen können, zum anderen hätte man ohne Probleme russische Lebensmittel aus Russisch-Polen und dem Baltikum zukaufen können um die eigene Bevölkerung zu unterstützen, wenn es ohne Kunstdünger nicht gereicht hätte, davon abgesehen, dass man ihn wie gesagt auch über die Niederlande oder Belgien als Zwischenhändler hätte einführen können.
Und wenn für längere Zeit eben Arbeitskräfte und Transportmittel in der Landwirtschaft fehlen, dann macht sich das ganz sicher bemerkbar.
Wo wären noch gleich die britischen Truppen hergekommeen, deren mögliche Aufstellung und Ausbildung du oben angesprochen hattest? Wohl nicht aus der eigenen Industrie und Landwirtschaft? Und der Abzug von Transportmitteln um eine mehrere 100.000 Mann starke hypothetische Invasionsarmeee auf dem europäischen Festland zu unterhalten hätte sich für London bei den Transportkapazitäten nicht negativ bemerkbar gemacht?
Das hat mit einer Rückprojektion des Ersten Weltkrieges nichts zu tun.
Sowohl die Blockadevorstellung, als auch die Vorstellung, es wäre möglich gewesen mal eben binnen 1-2 Monaten mehrere 100.000 Mann Landheer auszuheben, sind genau das.
Blockade war dadurch, dass Preußen und Österreich von neutralen Staaten umgeben war, die GB als Absatzmärkte brauchte, effektiv nicht einzurichten. Du hast unter anderem Afflerbach (Auf Messers Schneide) gelesen und weißt, wie löchrig die britische Blockade noch bis 1916 war, mit dem Unterschied, dass in diesem Fall Frankreich, Russland, Belgien und Italien sich nicht mit Preußen und Österreich im Krieg befunden hätten und deswegen auch keinen Grund gehabt hätten den Handel mit beiden einzustellen, zumal die Umstände die Profitraten erhöht hätten, müsste dir das klar sein.
Und für die spontane Aufstellung eines mehrere 100.000 Mann umfassenden Landheeres, gab es, davon abgesehen dass die 2-3 Monate Ausbildung, die du veranschlagt hattest völlig illusorisch sein, wenn das irgendeine Form von Kampfkraft hätte entwickeln sollen, überhaupt keine Industrieekapazitäten.
Das hätte alls erstmal auf Waffen- und Munitionsherstellung in diesen Dimensionen umgestellt werden müssen.
Im Krimkrieg hatte GB an die 100.000 Mann aufgeboten.
Preußen und Österreich mobilisierten für den Krieg von 1866/1867 zwei Jahre später zusammen über 800.000 Mann.
Wollte GB hier also vermeiden gnadenlos outnumbered zu sein, zumal es bei Kamfhandlungen auf dem Kontinent noch damit rechnen musste, dass sich die Mittelstaaten Preußen und Österreich anschließen würden, wenn GB das Gebiet des Deutschen Bundes verletzte, reden wir hier über locker einee halbe Million Mann, die GB spontan hätte aufstellen müssen.
Dafür gab es weder Industrie- noch Transportkapazitäten, aus welchen Gründen der Abzug von Truppen aus Indien eher nicht in Frage gekommen wäre, hatte ich bereits dargelegt.
Angesichts der instabilen Situation in Indien hätte das die dortige Lage möglicherweise entscheidend destabilisiert, heißt London hätte das Juwel seines Empire für ein paar Sanddühnen in Schleswig riskieren müssen, was komplett irrational gewesen wäre.
Die Transportwege und die logistische Belastung kämen hinzu.
Die Eisenerze und Kohle waren sehr wichtig für die fortschreitende Industrialisierung.
Und, wiee ich beereits mehrfach beemerkt hatte, im durchaus ausreichenden Maße in Deutschland vorhanden, abgesehen von phosphorarmen Erzen für die Stahlproduktion nach dem Bessemer Verfahren, dass aber aus dem genannten Grund in Deutschland ohnehin noch wenig verbreitet war.
Es gab zu diesem Zeeitpunkt keine massiv Abhängigkeit von Kohle- und Erzimporteen in der preußischen Monatnindustrie, womit man diese hätte treffen können.
Das sieht dann ab den 1880er Jahren, in denen das Thomas-Verfahren aufkommt, dass die Probleme des Bessemer-Verfahrens löste und auch die lothringischen Erze interessant machte, dann anders aus.
Auch hat man es zu diesem Zeitpunkt mit ganz anderen Betriebsgrößen und Kapazitäten zu tun, für die die lokalen ressourcen nicht mehr reichten.
Aber das liegt 1864 noch in der Ferne.
Wofür die Baumwolle benötigt wurde muss ich sicher nicht näher ausführen.
Uns ich muss nicht näher ausführen, dass sich der amerikanische Bürgerkrieg erkennbar dem Ende zuneigte und sich Baumwolle perspektivisch auch von da beziehen ließ, zumal GBs Produzenten auf den Absatz in Europa nicht verzichten konnten?
Die Engländer wären ohne Probleme in der Lage gewesen, die Häfen zu blockieren.
Ja, aber nur die Preußischen. Rheinpreußen war ohnehin nicht von den Ostseehäfen abhängig, sondern von den Niederländischen und den Belgischen Häfen. Und ich wiederhole mich, selbst wenn GB es hätte durchsetzen können halb Europa zu blockieren, damit hätte es sich vor allem wirtschaftlich selbst geschadet, vom politischen Schaden nicht zu reden.