„Angesichts des Wunsches des Herrn Reichspräsidenten, die etwa noch vorhandenen Möglichkeiten zur Bildung einer Not- und Arbeitsmehrheit festzustellen, hatte Prälat Kaas für die endgültige Annahme eines solchen Auftrages sich Bedenkzeit bis Freitagabend 5 Uhr erbeten.
Im Laufe des heutigen Tages hatte Prälat Kaas einleitende Besprechungen mit den Vorsitzenden der Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei, der Deutschnationalen Volkspartei, der Bayerischen Volkspartei und der Deutschen Volkspartei. In diesen Besprechungen hat er an die Führer der genannten Parteien in erster Linie die Frage gerichtet, ob sie ebenso wie die Zentrumspartei bereit seien,
sich an Beratungen über ein sachliches Not- und Arbeitsprogramm für eine Mehrheitsregierung zu beteiligen. Diese Frage ist von dem Vorsitzenden der
Bayerischen Volkspartei4 und der Deutschen Volkspartei5 bejahend beantwortet worden. Der Vorsitzende der
Deutschnationalen Volkspartei6 hat die Beteiligung an solchen Beratungen als im Widerspruch mit der Gesamthaltung seiner Partei stehend nicht zugesagt. Der Vorsitzende der
Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei7 erklärte, an sich entspreche die Feststellung der sachlichen Grundlagen für eine etwaige Mehrheitsregierung durchaus seinen Auffassungen. Auf Grund der Erfahrungen der vergangenen Tage und der Überzeugung, daß auch einem positiven Ergebnis dieser sachlichen Beratungen seitens einflußreicher Stellen keine Folge gegeben würde, halte er eine Beteiligung seinerseits
nicht mehr für vertretbar.
4 StR Schäffer.
5 Dingeldey.
6 Hugenberg.
7 Hitler.
Auf Grund dieser Feststellungen bat Herr Prälat Kaas den Herrn Reichspräsidenten, auf weitere Fühlungnahme mit den Parteien verzichten zu dürfen.“
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Ergänzend fügte Prälat Kaas hinzu: Für die Haltung der NSDAP haben sehr verstimmend und störend Äußerungen gewirkt, die von Vertretern verschiedener Ministerien während der Verhandlungen verbreitet wurden und den Eindruck erweckten, als würde der Auftrag des Herrn Reichspräsidenten nicht ernst gemeint. Diese Gerüchte hätten die Verhandlungen äußerst gefährdet. Z. B. sei während seiner Verhandlungen heute mitgeteilt worden, daß von anderer Seite die umgekehrten Schritte unternommen wären, so daß also verschiedene Strömungen nebeneinander liefen; das habe seinen Verhandlungen den größten Teil der Aussicht genommen. Angesichts dieser Feststellungen sei es für ihn ein Gegenstand aufrichtiger Trauer, den Herrn Reichspräsidenten bitten zu müssen, auf weitere Fühlungnahme mit den Parteien durch ihn zu verzichten.