Das Land der Dichter und Denker

@Piotr
Hier mal eine kleine Auswahl, es gibt natürlich noch viel mehr.

Benz Wolfgang, Lexikon des deutschen Widerstandes, Fischertaschenbuch, Frankfurt am Main, 2001

Bracher Karl Dietrich, Deutschland 1933 – 1945, Neue Studien zur nationalsozialistischen Herrschaft, Bundeszentrale für politische Bildung, Bonn 1992

Brakelmann Günter, Helmuth James von Molke, 1907 1945, Eine Biographie, Beckverlag, München 2007

Brysac Blair Shareen, Mildred Harnack und "Die Rote Kapelle" Scherz, 2003

Coppi Hans, Dieser Tod passt zu mir, Harro Schulze-Boysen Grenzgenger im Widerstand, Aufbau TB, 2003

Fest Joachim, Staatsstreich, Der lange Weg zum 20. Juli. btb, 1997

Graml Hermann, Widerstand im Dritten Reich, Geschichte Fischer, Frankfurt am Main 1995

Kettelhake Silke, Erzähl allen, allen von mir! Das schöne kurze Leben der Libertas Schulze-Boysen 1913 - 1942, Droemer, München 2008

Mehringer Hartmut, Widerstand und Emigration, Das NS-Regime und seine Gefahr, Deutsch Geschichte der neusten Zeit, München 1998

Molke von Freya, Erinnerungen an Kreisau 1930 -1945, München 2003

Roloff Stefan, Die Rote Kapelle, Die Widerstandsgruppe im Dritten Reich und die Geschichte Helmut Roloffs, Ullstein Verlag München, 2004

Roth Karl Heinz, Rote Kapellen-Kreisauer Kreise-Schwarze Kapellen, Neue Sichtweisen auf den Widerstand gegen die NS-Diktatur 1938 - 1945, Hamburg 2004

Sander Ulrich, Jugendwiderstand im Krieg, Die Helmuth-Hübener Gruppe 1941/1942, Bonn 2002

Scholl Inge, die Weise Rose, Fischertaschenbuch, 1993

Steinbach Peter, Widerstand gegen die nationalsozialistische Diktatur 1933 – 1945, Bundeszentrale für politische Bildung, Bonn 2004

Steinbach Peter, Der 20. Juli 1944, Siedler, 2004

Ueberschär Gerd R, Stauffenberg und das Attentat vom 20. Juli 1944, Fischertaschenbuch, Frankfurt am Main 2006

Vogel Thomas, Aufstand des Gewissens, Militärischer Widerstand gegen das NS-Regime 1933 bis 1945, Hamburg 2001


Dann auf den Netz zu finden:

Gedenkstätte Deutscher Widerstand

Georg Elser

Shoa.de - Frauen im antifaschistischen Widerstand im Dritten Reich

Das Bonhoeffer-Gedenkjahr 2006 — www.bonhoeffer.ch

Widerstand gegen den Nationalsozialismus

Und hier die Bibliographie der Gedenkstätte Deutscher Widerstands:

Gedenkstätte Deutscher Widerstand - Auswahlbibliographie

http://www.kreisau.de/kib/index.htm

http://www.fvms.de/de/de.htm
 
Zuletzt bearbeitet:
fantastisch, vielen Dank ursi, werd mir das mal gleich Ausdrucken.

Wenn jemand zb. ein gutes Buch ueber die Faszination der damaligen deutschen Bevoelkerung fuer Hitlerdeutschland hat. Wie die Menschen manipuliert wurden, welche Aengste, Hoffnungen usw hatten, dann bitte ich um Angaben.

Danke schonmal im Vorraus
 
fantastisch, vielen Dank ursi, werd mir das mal gleich Ausdrucken.

Gern geschehen. Die Gedenkstätte Deutscher Widerstand gibt auch sehr gute Publikationen heraus, findest du auf ihrer Homepage.

Wenn jemand zb. ein gutes Buch ueber die Faszination der damaligen deutschen Bevoelkerung fuer Hitlerdeutschland hat. Wie die Menschen manipuliert wurden, welche Aengste, Hoffnungen usw hatten, dann bitte ich um Angaben.

Danke schonmal im Vorraus

Ich kann dir doch dies empfehlen:

Robert Gellately, Hingeschaut und weggesehen, Hitler und sein Volk

Saul K. Padover, Lügendetektor, Vernehmungen im besiegten Deutschland 1944/45
 
Ich kann dir doch dies empfehlen:

Robert Gellately, Hingeschaut und weggesehen, Hitler und sein Volk

Ich nicht:
So mag Gellatelys Buch als Überblicksdarstellung zur Geschichte der Gestapo im "Dritten Reich" seinen Wert haben. Im Hinblick auf die Frage nach der Popularität der NS-Diktatur - das eigentliche Thema der Studie - führen die Befunde jedoch nicht weiter. Um eine Antwort auf diese Frage zu finden, bedarf es einer Verhaltensgeschichte der deutschen Gesellschaft im "Dritten Reich", bei der natürlich auch der politische Widerstand in den Blick genommen werden muss. Gellately ist die Zerschlagung des sozialdemokratischen und kommunistischen Widerstandes durch die Gestapo und deren Angriff auf das katholische Milieu nur einige Randbemerkungen wert. Ebenso wenig erfahren die Leser darüber, wie populär Gestapo und Kripo eigentlich bei Arbeitern und Katholiken waren. Könnte es sein, dass eine Beschäftigung mit dieser Frage Gellatelys Diktum von der Popularität der NS-Diktatur nachdrücklich relativiert hätte?
SEHEPUNKTE - Rezensionsjournal für die Geschichtswissenschaften - 2 (2002), Nr. 7/8
 
Ich nicht:
So mag Gellatelys Buch als Überblicksdarstellung zur Geschichte der Gestapo im "Dritten Reich" seinen Wert haben. Im Hinblick auf die Frage nach der Popularität der NS-Diktatur - das eigentliche Thema der Studie - führen die Befunde jedoch nicht weiter. Um eine Antwort auf diese Frage zu finden, bedarf es einer Verhaltensgeschichte der deutschen Gesellschaft im "Dritten Reich", bei der natürlich auch der politische Widerstand in den Blick genommen werden muss. Gellately ist die Zerschlagung des sozialdemokratischen und kommunistischen Widerstandes durch die Gestapo und deren Angriff auf das katholische Milieu nur einige Randbemerkungen wert. Ebenso wenig erfahren die Leser darüber, wie populär Gestapo und Kripo eigentlich bei Arbeitern und Katholiken waren. Könnte es sein, dass eine Beschäftigung mit dieser Frage Gellatelys Diktum von der Popularität der NS-Diktatur nachdrücklich relativiert hätte?
SEHEPUNKTE - Rezensionsjournal für die Geschichtswissenschaften - 2 (2002), Nr. 7/8

Ich hab das Buch gelesen und sicher ohne Vorkenntnisse kann man es wohl nicht empfehlen. Ich gehe aber mal davon aus, dass Vorkenntnisse vorhanden sind.

Wenn man sich über die Arbeiter und die Arbeiterbewegung schlau machen möchte, dann Verweise ich auf dieses Buch:

Michael Schneider, Unterm Hakenkreuz, Arbeiter und Arbeiterbewegung 1933 bis 1939, Diets Verlag 1999
 
Ich habe den Zentner mal über Mittag rausgesucht, und natürlich geblättert.

Er weist auf die Unmöglichkeit für den normalen Deutschen hin, an objektive Nachrichten und Berichte zu gelangen.

Volksempfänger empfing nur den Reichssender. (Bei uns im Südwesten ging Radio Beromünster, Schweizer Sender, andere Sender nur für Radiobastler) Zeitungen waren eh zensiert.

OT: In meiner Heimatstadt gab es im Januar 1933 3 Zeitungen, das KPD-Blatt "Rote Bombe" wurde sofort unterbunden, das liberal-demokratische Blatt im Mai verboten, die konservative Zeitung wurde wochenlang "bestreikt" wenig später holte der Kreisleiter mit einem "Stoßtrupp" von bewaffneten SAlern die Rotationsdruckmaschine ab, und sorgte persönlich für die Verschrottung.

Der Zentner ist etwas "älter" hat aber durchaus Tiefgang.

Und dann natürlich Götz Aly, Hitlers Volksstaat, ist über die bpb für ein paar Euro zu kriegen.
 
Das heutige Deutschland, das demokratischste und eines der am besten entwickelsten Nationen auf der Welt, ein Land das Philosophen, Kuenstler, Schriftsteller und Wissenschaftler zur Welt brachte.
Was ist passiert mit den Deutschen, dem Land der Dichter und Denker, wie die deutschen sich selbst gerne nennen, in dem ueber tausend kluge Koepfe aufgewachsen sind, es auf einmal solchen Leuten wie Hitler und Co. verfallen ist??
Böse Zungen behaupten ja, dass es in Deutschland nicht trotz Goethe und Schiller so weit kommen konnte - sondern nicht zuletzt wegen der "Dichter und Denker": Während England dem Fortschritt die Tür öffnete, während Frankreich Revolutionen veranstaltete, wurden in Deutschland nur "Revolutionen der Denkungsart" vollzogen und Luftschlösser gebaut. Wie meinte Schiller in einer kritischen Wendung gegen die Französische Revolution:
"Man wird damit anfangen müssen, für die Verfassung Bürger zu erschaffen, ehe man den Bürgern eine Verfassung geben kann."
Die Bürger sind also (noch) nicht zur Politik berufen, sondern dazu, sich zu bilden und bessere Menschen zu werden. Darin lag für Schiller die, man kann sagen, Sendung Deutschlands:
"Die Majestät der Deutschen ruhte nie auf dem Haupt seiner Fürsten. Abgesondert von dem Politischen hat der Deutsche sich einen eigenen Wert gegründet, und wenn auch das Imperium untergegangen, so bliebe die deutsche Würde unangefochten...Sie ist eine sittliche Größe, sie wohnt in der Kultur und im Charakter der Nation, die von ihren politischen Schicksalen unabhängig ist...Ihm [dem Deutschen] ist das Höchste bestimmt, die Menschheit, die allgemeine, in sich zu vollenden, und das Schönste, was bei allen Völkern blüht, in einem Kranze zu vereinen - und so wie er in der Mitte von Europens Völkern sich befindet, so ist er der Kern der Menschheit, jene sind die Blüte und das Blatt...Jedes Volk hat seinen Tag in der Geschichte, doch der Tag der Deutschen ist die Ernte der ganzen Zeit...Dem, der den Geist bildet, beherrscht, muss zuletzt die Herrschaft werden...und das langsamste Volk wird alle die schnellen flüchtigen einholen."
Spötter wie Heine dagegen sahen es so, dass dem deutschen Bürgertum im Gegensatz zum englischen und französischen die politische Mitbestimmung verwehrt blieb und es sich daher in Kunst und Kultur flüchtete - so wurde es zum "Bildungsbürgertum". Und die Revolution, die es in Deutschland dann doch noch gab - die "bürgerliche" von 1848 - ist ja tatsächlich gescheitert, sodass, pauschal gesagt, den Bürgern wenig blieb als ihr Credo von Bildung und Menschheit, von Wahrheit und Schönheit.


Als dieses Credo durch die Entwicklung der modernen Kunst und der Massenmedien in Frage gestellt bzw. über Bord geworfen wurde, geriet das das Weltbild des Bildungsbürgertums ins Wanken. Der seelenlose Kapitalismus, der seelenlose Bolschewismus - das waren die verderblichen Faktoren, die für diese "Entartung der Kunst" verantwortlich waren. Auch jüdische Galeristen und Verleger gerieten ins Fadenkreuz der Kritik, da man ihnen einen besonderen Einfluss zuschrieb. Heute würden solche Kontroversen höchstens die Leserbriefseiten füllen - damals empfanden es gebildete Deutsche als Überlebensfrage und als Frage der Weltanschauung.
In diesem Sinne wurde der Erste Weltkrieg von vielen deutschen Intellektuellen als ein "heiliger Krieg" gegen den Materialismus begrüßt und in diesem Sinne wurde die Weimarer Republik von nicht wenigen als Ausgeburt der "unheiligen" Massengesellschaft abgelehnt.


Vergegenwärtigt man sich diese Geisteshaltung, dann fällt es nicht mehr ganz so schwer zu verstehen, warum sich in den 30er-Jahren auch gebildete Schichte zum Nationalsozialismus zugewandt haben bzw. bereit waren, ein solches Regime zu akzeptieren - spielte in der nationalsozialistischen Ideologie und Propaganda der Kampf gegen "entartete Kunst", verderbliche Einflüsse auf die deutsche Kultur usw. doch eine prominente Rolle. Etwas provokant gesagt, führt der "deutsche Sonderweg" tatsächlich von Schiller zu Hitler, auch wenn es ein mehr als gewundener Weg ist. Von einer Verantwortung Schillers und seiner Zeitgenossen kann selbstverständlich keine Rede sein, hätte er selbst doch schon mit dem militanten Nationalismus des 19. Jahrhunderts nichts anfangen können.


Einiges zum Thema nachlesen kann man bei Georg Bollenbeck ("Tradition, Avangarde, Reaktion. Deutsche Kontroversen und die kulturelle Moderne 1880-1945").
 
Und dann natürlich Götz Aly, Hitlers Volksstaat, ist über die bpb für ein paar Euro zu kriegen.

Aly ist allerdings auch nicht unumstritten. Aber kennen sollte man seine Thesen schon, da sie mitunter recht provozierende Denkanstöße darstellen.

Ein Auszug aus einer Rezension zum "Volksstaat":

An dieser Stelle wirft sich bereits die Frage auf, ob die Judenverfolgung nun zuerst durch das Ziel wirtschaftlicher Ausbeutung motiviert war, oder ob die wirtschaftliche Ausbeutung eher eine gewünschte Folge der rationell organisierten Judenverfolgung der Nationalsozialisten war.

Alys Darstellung legt ersteres nahe. Dem ist jedoch entgegen zu halten, dass die Vernichtung der Juden Europas erklärtes Ziel der NS-Politik war und die lokalen Akteure nicht die grundsätzlichen Entscheidungen fällten, sondern bestenfalls, ob die Juden früher oder später enteignet oder deportiert würden. Die Judenverfolgung entwickelte sich anhand langfristiger Zielsetzungen und mittelfristiger Entscheidungen, die von entsprechenden öffentlichen Kampagnen in den Medien begleitet wurden.

Obwohl Aly einen Beitrag zu der Frage “Wie konnte das geschehen?” liefern möchte, und er vollkommen zu Recht auf die Entwicklung ab 1914 verweist, allen Spekulationen eines Volkscharakters und langfristiger Entwicklungen eine Absage erteilt, bleibt er die Antwort auf die Frage schuldig: Warum verfolgten die Nationalsozialisten die Juden seit 1919 mit steigender Intensität bis 1945? Anzeichen und Belege für eine Antwort auf Basis einer ideologischen Motivation werden von Aly unterbewertet (S. 31f., 247, 256). Aly legt nahe, dass die Zustimmung zum Nationalsozialismus in weitem Umfang “erkauft” wurde, was jedoch nicht die Erfolge vor 1933 erklären kann. Zweifellos war diese materielle Seite wichtig, jedoch wurde in den Augen vieler Zeitgenossen das materielle Wohlergehen als Ausfluss einer neuen Politik erlebt und bestätigte eher die politischen Einstellungen. Ideologische Zielsetzung und materielle Veränderungen standen in einem Wechselverhältnis gegenseitiger Bestätigung unter dem Primat der Ideologie.

Rez. NS: G. Aly: Hitlers Volksstaat - H-Soz-u-Kult / Rezensionen / Bücher
 
Aly ist allerdings auch nicht unumstritten. Aber kennen sollte man seine Thesen schon, da sie mitunter recht provozierende Denkanstöße darstellen.

Ein Auszug aus einer Rezension zum "Volksstaat":



Rez. NS: G. Aly: Hitlers Volksstaat - H-Soz-u-Kult / Rezensionen / Bücher

Sicher, man kann nicht alles untterschreiben, was er so bringt.
Aber die mögliche "Erklärung" die er aufzeigt, leuchtet mir in gewisser Weise schon ein.

Mit ähnlichen Argumenten hat man wohl den "Jugoslawen" die Vertreibung der Deutschen "verkauft", als Proteste laut wurden.

"Was wollt ihr denn, wir brauchen denen ihr Vermögen, auf dass es uns allen besser geht"

Aber ich möchte selbstverständlich nicht vergleichen, aufrechnen, oder sonstwas. Nur nennen.
Und gleich vorab, die Quelle weiß ich nicht mehr. Nachfragen zwecklos.

(Entschuldigung, bin heute etwas gereizt.)
 
Ich nicht: So mag Gellatelys Buch als Überblicksdarstellung zur Geschichte der Gestapo im "Dritten Reich" seinen Wert haben...
1. Die Kritik an Gellately kann ich nur begrenzt nachvollziehen. Natürlich kann man über den politischen Widerstand, insbesondere den sozialdemokratischen und kommunistischen, noch sehr viel mehr schreiben - aber das ist ja auch bereits geschehen. Ich habe mich bei der Lektüre auf Aspekte konzentriert, die nicht so bekannt sind, z. B. auf die Pressionen gegen soziale Außenseiter (S. 131-172) und Fremdarbeiter (S. 213-254), und fand die Darstellung interessant. Das Kapitel zum "Unrecht an den Juden" ist schmal, aber darüber gibt es ja das Buch von Longerich ("Davon haben wir nichts gewusst!", wie Gellately und Aly bei der bpb erhältlich).

2. Dass es einer "Verhaltensgeschichte der deutschen Gesellschaft im "Dritten Reich" bedürfe - ja, meine Güte, wie soll ein Einzelner das denn leisten? Wehler hat im 4. Band seiner "Gesellschaftsgeschichte" einiges geschrieben - vgl. "Charismatische Herrschaft und deutsche Gesellschaft im "Dritten Reich" 1933-1945, S. 600-937, insb. S. 675 ff. (Die Konsensbasis von Führerdiktatur und Bevölkerung) und S. 866 ff. (Charismatische Herrschaft, Führerglaube und Kampfmoral [im Krieg]) - und ist auch auf ein geteiltes Echo gestoßen.

3. Ich persönlich verspreche mir in Bezug auf die Verhaltens-, meinetwegen auch Mentalitätsgeschichte mehr von Regionalstudien, von denen es ja bereits eine ganze Reihe gibt. Zum Nachschlagen auch weiterhin geeignet sind die "Deutschland-Berichte" der Sopade 1934-1940, die vor 30 Jahren als wohlfeile Ausgabe herauskamen.
 
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Etwas provokant gesagt, führt der "deutsche Sonderweg" tatsächlich von Schiller zu Hitler, auch wenn es ein mehr als gewundener Weg ist.

Im Großen und Ganzen kann ich den Ausführungen etwas abgewinnen - Schiller ist natürlich ein eklatanter Missgriff ;), aber Arndt und andere Franzosenhasser lauerten ja gleich nebenan, und in puncto Judenhass liess sich der späte Luther sowieso von niemanden übertreffen.

Im Grunde wird bei diesem Thema auch eine Art von "Goldhagen-Diskussion" geführt. Die große Empörung, die "Hitlers willige Vollstrecker" vor 12 Jahren auslöste, rührte ja weniger von den Fakten als solchen her, sondern von Passagen wie dieser (S. 547):
[Bezüglich der Taten der Nazis] ist es aus methodischen Erwägungen notwendig, alle apologetischen Aussagen zu ignorieren, wenn sie nicht durch andere Quellen bestätigt werden.
Würde man sich, um die Taten der Deutschen zu erklären oder auch nur Ereignisse dieser Zeit zu beschreiben, auf solche Aussagen stützen, dann wäre das etwa so, als wollte man eine Geschichte der Kriminalität in Amerika allein aus den Aussagen von Verbrechern vor Polizei, Staatsanwaltschaft und Gericht rekonstruieren. [...] Vor den Behörden wie vor der ganzen Gesellschaft lügen Kriminelle, was ihre Handlungen und Motivationen betrifft. [...] Warum sollten wir dann annehmen, daß jene, die an einem der größten Verbrechen in der Geschichte der Menschheit beteiligt waren, ehrlicher sein und sich selbst beschuldigen würden?
Ehe jemand "Schaum vorm Mund" bekommt: Ich identifiziere mich mit dieser Darstellung nicht, nehme sie nur als - extremen - Beleg für die Schwierigkeit jedenfalls unserer Väter-Generation, das Geschehene Dritten gegenüber verständlich zu machen.

EDIT: Insgesamt hinterlässt die Diskussion zu diesem Thema bei mir einen recht zwiespältigen Eindruck; das Medium "Forum" kommt hier vielleicht schneller an seine Grenzen als bei anderen Themen, und eine gewisse Befangenheit - mich eingeschlossen - ist doch recht spürbar. Aber das kann man auch ganz anderes sehen.
 
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3. Ich persönlich verspreche mir in Bezug auf die Verhaltens-, meinetwegen auch Mentalitätsgeschichte mehr von Regionalstudien, von denen es ja bereits eine ganze Reihe gibt. Zum Nachschlagen auch weiterhin geeignet sind die "Deutschland-Berichte" der Sopade 1934-1940, die vor 30 Jahren als wohlfeile Ausgabe herauskamen.

Hier zu empfehlen die Publikationen des "Resistenz und Widerstand"-Projektes von Martin Broszat u.a. - obwohl dort ja auch genug Kritik anzubringen wäre.

Die ganze Diskussion bringt mich im übrigen auf den Gedanken 1. einen gesonderten Thread über die Bewertung der NS-Forschung aufzumachen oder 2. einfach diesen Thread zu loben, weil er die Diskursivität des Themas deutlich macht und zeigt, wie weit die Auseinandersetzung bislang gediehen ist und welche Reichweite sie hat.

OK: Gedanke zu Ende. Lob für diesen Thread!
 
OK: Gedanke zu Ende. Lob für diesen Thread!

Stimme ich zu, gefaellt mir auch die Diskussion. :winke:

Und noch etwas was ich irgendwo gehoert habe, aber noch keine Bestaetigung dafuer habe.

Wenn ein Deutscher einen juedischen Ehepartner hatte war es die Pflicht als guter Deutscher sich von diesem "Untermenschen" zu trennen.
Wenn man dies aber als Deutscher nicht machte, dann hatte man zwar keine Chancen auf Karriere und man war Represalien ausgesetzt, aber der juedische Ehepartner wurde nicht ins KZ geschickt und konnte somit den Krieg ueberleben.

Trifft das in grossem und ganzen zu?
 
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Und noch etwas was ich irgendwo gehoert habe, aber noch keine Bestaetigung dafuer habe.

Wenn ein Deutscher einen juedischen Ehepartner hatte war es die Pflicht als guter Deutscher sich von diesem Untermenschen zu trennen.
Wenn man dies aber als Deutscher nicht machte, dann hatte man zwar keine Chancen auf Karriere und man war Represalien ausgesetzt, aber der juedische Ehepartner wurde nicht ins KZ geschickt und konnte somit den Krieg ueberleben.

Trifft das in grossem und ganzen zu?
Wenn Du "Untermenschen" in Anführungszeichen setzt, jein. Victor Klemperer, Romanistikprofessor aus Dresden, mit einer "Arierin" verheiratet, berichtet in seinen Tagebüchern (herausgegeben unter dem Titel "Ich will Zeugnis ablegen bis zum letzten"), wie er im Februar 1945 den Befehl erhielt, sich an einem der darauffolgenden Tage zur Deportation nach Auschwitz an einem Bahnhof einzufinden. Genau dazwischen lagen die schweren Bombenangriffe auf Dresden vom 13. auf den 15. Februar, die er und seine Frau nutzten, um zunächst in ein sorbisches Dorf und dann weiter nach Bayern zu fliehen. Die Ehe mit einem "arischen Partner" bedeutete also letztlich nur einen Aufschub. Seit den Nürnberger Gesetzen vom September 1935 wurden "arisch-jüdische" Ehen aber nicht mehr geschlossen.
 
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Stimme ich zu, gefaellt mir auch die Diskussion. :winke:

Und noch etwas was ich irgendwo gehoert habe, aber noch keine Bestaetigung dafuer habe.

Wenn ein Deutscher einen juedischen Ehepartner hatte war es die Pflicht als guter Deutscher sich von diesem Untermenschen zu trennen.
Wenn man dies aber als Deutscher nicht machte, dann hatte man zwar keine Chancen auf Karriere und man war Represalien ausgesetzt, aber der juedische Ehepartner wurde nicht ins KZ geschickt und konnte somit den Krieg ueberleben.

Trifft das in grossem und ganzen zu?

Ja und nein: Zwar genossen jüdische Mitbürger, die in so genannten "Mischehen" lebten einen gewissen Schutz, jedoch wurde die Verfolgung bis zum Kriegsende hin immer weiter verschärft. Tatsächlich gab es auch noch Deportationen in KZs.

Einen guten Einstieg bietet der Wikipedia-Artikel: Mischehe (Nationalsozialismus) ? Wikipedia

Ganz interessant in diesem Zusammenhang ist auch der sog. "Rosenstraßen-Protest", bei dem einige hundert Frauen tagelang die Deportation ihrer jüdischen Männer zu verhindern suchten.

Rosenstraße-Protest ? Wikipedia
 
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Ehe jemand "Schaum vorm Mund" bekommt: Ich identifiziere mich mit dieser Darstellung nicht, nehme sie nur als - extremen - Beleg für die Schwierigkeit jedenfalls unserer Väter-Generation, das Geschehene Dritten gegenüber verständlich zu machen.

EDIT: Insgesamt hinterlässt die Diskussion zu diesem Thema bei mir einen recht zwiespältigen Eindruck; das Medium "Forum" kommt hier vielleicht schneller an seine Grenzen als bei anderen Themen, und eine gewisse Befangenheit - mich eingeschlossen - ist doch recht spürbar. Aber das kann man auch ganz anderes sehen.

Meiner Ansicht nach gab es bis ca. 1968/69 einen unausgesprochenen Konsens in der "Väter-Generation":
"Wir/Ich wusste/n nichts,... wir/Ich habe/n erst spät erfahren...."

Spätes Zeugniss ist z. B. das vor ein paar Jahren von Weizsäcker abgegebene Statement: "Von Auschwitz habe ich erstmals im Frühjahr 1945 gehört"
kann ja sein, aber für was Auschwitz steht, davon hat der Offizier an der Ostfront und Sohn eines Staatssekretärs vielleicht doch schon 4 Jahre zuvor gehört.

Auch das Verhalten Filbingers, als er ertappt war, passt in dieses Bild.
"Was damals Recht war, kann heute kein Unrecht sein".


Und dieses Verhalten, dieses "blöde Getue" angesichts der Fakten, waren ja gerade die ganzen KZ-Prozesse, hat einen fürchterlich aufgeregt, geärgert, enttäuscht, desillusioniert....
"Die Alten sind doch alles Nazischweine"

Ich hoffe sehr, man versteht was ich ausdrücken will.
 
Meiner Ansicht nach gab es bis ca. 1968/69 einen unausgesprochenen Konsens in der "Väter-Generation":
"Wir/Ich wusste/n nichts,... wir/Ich habe/n erst spät erfahren...."

Spätes Zeugniss ist z. B. das vor ein paar Jahren von Weizsäcker abgegebene Statement: "Von Auschwitz habe ich erstmals im Frühjahr 1945 gehört"
kann ja sein, aber für was Auschwitz steht, davon hat der Offizier an der Ostfront und Sohn eines Staatssekretärs vielleicht doch schon 4 Jahre zuvor gehört.

Auch das Verhalten Filbingers, als er ertappt war, passt in dieses Bild.
"Was damals Recht war, kann heute kein Unrecht sein".


Und dieses Verhalten, dieses "blöde Getue" angesichts der Fakten, waren ja gerade die ganzen KZ-Prozesse, hat einen fürchterlich aufgeregt, geärgert, enttäuscht, desillusioniert....
"Die Alten sind doch alles Nazischweine"

Ich hoffe sehr, man versteht was ich ausdrücken will.

Ja, ich verstehe, was du ausdrücken willst. In der Nachschau war diese Wut in manchen Fällen vielleicht ungerecht, weil zu pauschal.
 
Wenn Du "Untermenschen" in Anführungszeichen setzt, jein. Victor Klemperer, Romanistikprofessor aus Dresden, mit einer "Arierin" verheiratet, berichtet in seinen Tagebüchern (herausgegeben unter dem Titel "Ich will Zeugnis ablegen bis zum letzten"), wie er im Februar 1945 den Befehl erhielt, sich an einem der darauffolgenden Tage zur Deportation nach Auschwitz an einem Bahnhof einzufinden. Genau dazwischen lagen die schweren Bombenangriffe auf Dresden vom 13. auf den 15. Februar, die er und seine Frau nutzten, um zunächst in ein sorbisches Dorf und dann weiter nach Bayern zu fliehen. Die Ehe mit einem "arischen Partner" bedeutete also letztlich nur einen Aufschub. Seit den Nürnberger Gesetzen vom September 1935 wurden "arisch-jüdische" Ehen aber nicht mehr geschlossen.


Am Scheuerlehof, direkt an der Donau, ein paar Kilometer von Fridingen/Donau, steht ein kleines Denkmal zur Einnerung an ein jüdisches Mädchen, das dort auf dem Hof, gedeckt von den Bauersleuten, die Nazizeit überlebt hat. Eine schwäbische Anne Frank mit Happy-End.

Fast täglich unterhalte ich mich ein paar Sätze mit dem Großneffen eines Nobelpreisträgers, Jude katholischer Konfession, war im KZ, hat aber überlebt. (ein sehr kluger Mann übrigens)

Ein Geschäftsfreund, Viertelsjude, hat auch überlebt. Wenn ich so richtig überlege, fallen mir noch so 4-5 Juden ein, die alle den Adolf in Deutschland überlebt haben.

"Überwintern" heißt treffend ein Buch aus dem Bleicher Verlag über das Schicksal einer schwäbischen Sinti-Familie, von denen auch etliche überlebt haben.

Gibt es eigentlich Untersuchungen hierüber.
Nehme ich meine pers. Eindrücke, müssen das gar nicht sowenige gewesen sein.
 
Ja, ich verstehe, was du ausdrücken willst. In der Nachschau war diese Wut in manchen Fällen vielleicht ungerecht, weil zu pauschal.

Das ist richtig.
Vermutlich geht es noch solchen Systemen gar nicht anders, als dass mit "sehr grobem Raster gesiebt wird"

OT: Hatte einen Schulfreund, der hat Diskussionen über Schulnoten oder langes Ausgehen regelmäßig mit den Worten "ihr haltet die Klappe, ihr habt euch ja schon mit Juden gewaschen" beendet.
 
Das ist richtig.
Vermutlich geht es noch solchen Systemen gar nicht anders, als dass mit "sehr grobem Raster gesiebt wird"

OT: Hatte einen Schulfreund, der hat Diskussionen über Schulnoten oder langes Ausgehen regelmäßig mit den Worten "ihr haltet die Klappe, ihr habt euch ja schon mit Juden gewaschen" beendet.

Auch OT, man konnte nicht wirklich darüber reden, damals 68 und danach, mit der Elterngeneration.
Warum eigentlich?
 
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