lemming099
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Wenn wir keine der von mir angeführten Hypothesen zur Ethnogenese der Kurden gelten lassen, dann dürfte das kurdische Volk eigentlich überhaupt nicht existieren.
Keine dieser Hypothesen wird seitens der Wissenschaft ernsthaft vertreten. Nach heutigem Forschungsstand sind die Kurden die Nachkommen sprachlich iranisierter Bergvölker.
»Kurden stammen gemeinsam von Nachkommen iranisierter Bergvölker verschiedenster Herkunft in Ost-Anatolien, Nordwest-Iran und Nord-Mesopotamien ab. […] Sie haben eine eigene Sprache ausgebildet. Diese besteht aus neuiranischen Dialekten der nordwest-iranischen Sprachenfamilie. « (Hennerbichler, Ferdinand: Die Kurden. Geschichte des kurdischen Volkes von Anfängen bis zur Gegenwart, korrigierte und für das Internet adaptierte Ausgabe, 2009, S. 98)
Wie ich bereits sagte, ist die Ethnogenese der Kurden unklar und die verschiedenen Hypothesen lassen sich nicht beweisen. Die erste urkundliche Erwähnung der Kurden im 7. Jh. sagt nichts über die Zeit ihrer Entstehung aus. Auch die Ethnogenese der Germanen vermutet man um 500 v. Chr. während ihre erste urkundliche Erwähnung viele Jahrhunderte später erfolgte.
Im Grunde genommen hast du Recht. Trotzdem ist es unsinnig, eine 5000 jährige Geschichte der Kurden zu propagieren. Schon in sumerischen Quellen ist von „Kurden“ die Rede. Zur damaligen Zeit war „Kurde“ aber nur ein Sammelbegriff für Bergvölker unterschiedlicher Herkunft und Sprache. Erst im islamischen Mittelalter werden die heutigen Kurden historisch greifbar.
»Ein weiterer Grund dafür, dieses Kapitel im 7. Jahrhundert beginnen zu lassen, ist die Tatsache, daß die zuverlässig dokumentierte Geschichte Kurdistans überhaupt erst mit der arabischen Geschichtsschreibung, d.h. mit der arabisch-islamischen Eroberung des Mittleren und Nahen Ostens, einsetzt.(10) Versuche, die Geschichte 'der Kurden' in den vor diesem Datum liegenden Zeiten zu ergründen, endeten bislang regelmäßig in unergiebigen Spekulationen(11), da man hier auf kein anderes Material zurückgreifen kann als auf die bloßen Namen für die Völker der Region, wie sie in einigen wenigen frühen Schriftdokumenten festgehalten sind. Zur Klärung etwa der Frage, ob die Namen 'Guti', 'Kar-du', 'Cyrtii' oder 'Karduchen' ein und dasselbe Volk bezeichneten und ob dieses eventuell mit „den Kurden“ identisch ist, gibt es keine andere Entscheidungsgrundlage als die Exegese der Schriftzeichen selbst, in denen diese Namen notiert wurden.(12) Als wissenschaftliche Verzweiflungstat muß es einem da erscheinen, wenn etwa der britische Altphilologe Godfrey Rolles Driver nach seitenlanger Beweisführung einen linguistischen Zusammenhang zwischen den Worten 'Kurde' und 'Kar-du' für unhaltbar erklären muß, dann jedoch behauptet, die 'Kar-du' seien trotz allem die direkten Vorfahren der Kurden, da sie – laut sumerischen Tontafeln – vor über 4.000 Jahren in derselben Region halbnomadische Almwirtschaft betrieben hätten wie die Kurden heute.(13) Ich kann Limbert nur zustimmen, wenn er sagt:
' [...] die Frühgeschichte der Kurden kann nicht verläßlich rekonstruiert werden. Unglücklicherweise führte der Mangel an Fakten sowie die Romantisierung der Kurden durch Amerikaner und Europäer [...] zu einem Erguß an pseudo-gelehrtem Unsinn, voller wilder, niemals schlüssig zu widerlegender Theorien. '(14) (engl. Original)
Beim gegenwärtigen Stand der Kenntnisse hat daher die vorgeblich ‚wissenschaftliche‘ Beschäftigung mit der 'Herkunft der Kurden' ihren Platz im wesentlichen im Rahmen politisch motivierter Rechtfertigungsrethorik.(15) « (Behrendt, Günter Max: Nationalismus in Kurdistan, überarbeitete Fassung von 1993, Online-Publikation, S. 56f)