Ich denke auch nicht, dass irgend jemand hier ernsthaft behauptet hat, es hätte für die Leute keinen Unterschied gemacht, ob man NSDAP oder KPD wählte ... aber es wurde auf die ÜBerschneidungen hingewiesen, auf die Tatsache, DASS Leute (auch "Prominente") zwischen den Lagern wechselten und dass einige Nationalsozialisten sozialistische/kommunistische Wurzeln und auch Ideen hatten..
Wenn man die Bedeutung der Programmatik untersucht, sollte man mindestens zwischen den Führungskreisen der NSDAP, den Mitgliedern/SA und den Wählern unterscheiden.
In allen drei Bereichen sind bereits sehr unterschiedliche Ansätze möglich, ich will das kurz für einen Bereich am Beispiel SA skizzieren. Bereits dieser Kreis ist sehr heterogen zusammengesetzt, neben Überzeugungen (bei denen man Programmatik abprüfen kann), spielte gerade für die Wechsel in die SA das Geld eine bedeutende Rolle.
Es liegen inzwischen verschiedene Untersuchungen zu den Gauen vor, die das präzisieren. Sofern ausreichend Geld vorhanden war, sind die Zuläufe hoch. Hier tritt ein Versorgungsaspekt zutage, der auch - dafür gibt es Beispiele - den Zulauf von anderen Organisationen förderte. Hatte man kein Geld im Gau - die finanzseitig große Teile selbständig aufbringen mußten -, stagnierten auch die Zuläufe.
Das zeigt imho, dass man mit Zuweisungen auf die programmatische Nähe hier sehr vorsichtig muss. Wie will man beispielsweise zugweise Übertritte aus dem KPD-Bereich bewerten, bei denen der Hintergrund (zB Abgleiten in Arbeitslosigkeit) völlig unklar ist.
Für den Bereich der Wähler ist das noch unübersichtlicher. Reichsweite Analysen belegen grob die Wählerströme, die zB auch direkte Millionen-Bewegungen von KPD zu NSDAP vermuten lassen (zB Wahl des Reichspräsidenten Hindenburg/Hitler/Thälmann),
Reichspräsidentenwahl 1932 ? Wikipedia
doch ist deren Zusammensetzung und Hintergrund kaum erforscht. Man kann die Betrachtung auch regional reduzieren. Hier gibt es allerdings genau so Bewegungen von der SPD und den Parteien der Mitte hin zur NSDAP, ohne dass man hier programmatische Hintergründe vermutet. Bei beiden Aspekten wird die Schwierigkeit deutlich,
Es bleibt damit übrig, die Beispiele bei Exponenten der NSDAP biographisch (zB Goebbels) zuzuspitzen. Bzgl. der Grabenkämpfe würde ich durchgehend programmatische Aspekte bei Hitler ausschließen (was nicht für die Kontrahenten gilt - zB Strasser, Röhm), sondern die Handlungen Hitlers ausschließlich auf die Machtfrage zurückführen. Insoweit sind die Fälle 1926, 1932 und 1933/4 vergleichbar - natürlich auf Seiten Hitlers. Im Fall Röhm hatte das mE nichts mit Großindustrie und (Natioal-)Sozialismus zu tun, sondern ausschließlich mit der Frage der bewaffneten Macht im Staat, bei der Hitler sich naheliegend pragmatisch, weniger programmatisch 1933 auf die Reichswehr festgelegt hatte.
Im Übrigen würde ich die Bedeutung des Programms als nachrangig in der NSDAP ansehen. Zuweilen wirkte es sogar störend, wie bei Hitlers Werben um die Großindustrie sichtbar, verbunden mit massenweisen Relativierungen in den Reden, und das setzte in entsprechenden Wirtschafts-Zirkeln verstärkt 1928 ein - nachdem die Machtfrage in der Partei vorläufig oberflächlich entschieden war.