tejason
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Von Strukturen des Römischen Reiches
Ich sehe dieser Beitrag ist wieder bei dem alten Thema angekommen, wo die Gründe für den Untergang des Römischen Reiches liegen und nicht, ob der Untergang Westroms noch abzuwenden gewesen sei. Ich plädiere daher dafür die Masse der entsprechenden Beiträge in den entsprechenden Thread zu verschieben, inklusiver meiner Antwort!Ich finde, Augusto hat eine Antwort verdient:
oldenbourg-link | Der Wechsel zu einer neuen <i>grand strategy</i> unter Augustus und seine langfristigen Folgen<br/>The new concept of <i>grand strategy</i> under Augustus and its longterm effects
Die Defizite in der Handelsbilanz sind nicht unumstritten. Laut „Die Wirtschaft des Römischen Reiches (1.-3. Jht.)“ [ab S 137] war der Osthandel der bei weitem Umfangreichere (gegen den Nordhandel) und ist auch deutlich besser dokumentiert und erforscht, ohne völlig bekannt zu sein. Rom bezahlte die über den Osthandel importierten Luxusgüter (vor allem Gewürze, Seide uä.) keineswegs ausschließlich über Edelmetalle. Zumindest der Indienhandel (über den auch die Masse des „China-Handels“ abgewickelt wurde) sei lange ausgeglichen gewesen. In Indien habe man große Mengen römischer Importgüter an Keramik-, Metall- und Glasfunden gemacht. Seit Plinius wird vor allem der Abfluss von Edelmetallen nach Osten beklagt. Dieser ist an sich unstrittig, unterlag aber Schwankungen. Hinzu kommt die Exklusivität der importierten Ostwaren, die sich in der Regel nur die oberste Schicht Roms leisten konnte - sowie Waren für den öffentlichen Betrieb (Weihrauch für Tempel). Der Staat schöpfte Gewinne hier sehr stark ab. Während es im römischen Binnenhandel zwischen den zu Gruppen zusammengefassten Provinzen meist nur 2,5 % Zollaufschlag gab, galt für den Osthandel seit der Ptolemäerzeit aus Ägypten einen Außenhandelszoll von 25 %!
Die Aussagen über den „Nordhandel“ (mit dem „barbarischen Europa“) kann man stehen lassen. Die Germanen dort kannten zumindest einen „Sekundären Geldhandel“, der für den Austausch mit dem Reich wichtig war. Tributforderungen und römische Subsidien waren weitere wichtige Grundlagen für den Warenaustausch. Tribute in Form von Erntegütern, Vieh und Stellung von Soldaten erleichterten nicht nur die römische Militärpräsenz an den Grenzen, sondern schöpfte auch das germanische Potential zur eigenständigen Politik ab, wie ich es bereits in zahlreichen Beiträgen im Kontext zu Foederaten und dem Grundsatz „Teile & Herrsche“ beschrieben habe.
Die Münzverschlechterung ist ein derart weites Thema, dass es einem Minenfeld gleicht auf das ich mich eigentlich kaum wagen will, zumal ich mich auf diesem Boden „nicht eben sicher fühle“. Im oben genannten Buch wird betont, dass römische Münzen zwar als „Realgeld“ (über den Edelmetallwert) galten, sich dieses Prinzip aber zunehmend aufweichte. Politische und wirtschaftliche Stabilität erlaubten Münzverschlechterungen ohne Akzeptanz zu verlieren, oder die Inflation (Anfangs) bemerkenswert zuanzuheizen. [S207] wird bemerkt, dass sich auch in den Wirren des 3. Jht. in Münzhortfunden auch „schlechte Münzen“ finden, sie also einen „wertstabilisierenden Faktor“ darstellten. Beachtenswerter finde ich die Grafik zur Münzverschlechterung des Silberdenars von S 206. Hier ist zu erkennen, dass Münzverschlechterungen häufig parallel zu innenpolitischen Krisen einhergingen! Auffällig ist vor allem der erste große Einbruch zwischen den Jahren 64 und 70 n.Chr. Das ist die Zeit der späten Herrschaft des Nero, sowie der Usurpationen mit Höhepunkt des 4-Kaiser-Jahres 69 an deren Ende die Dynastie der Flavier sich etablieren konnte. Der Silbergehalt schwand in dieser Zeit von 3,65 g auf nur noch 3 g und kurz darauf noch niedriger, ehe ab dem Jahre 82 wieder ein kurzzeitiger Anstieg zu erkennen ist! Eine langsame Abwärtsentwicklung ist später zu erkennen. Der nächste auffällige Fall ist gerade um das Jahr 193/194 zu erkennen – Überraschung: Das ist der Bereich des zweiten Vierkaiserjahres, in dem sich die Dynastie der Severer letztlich durchsetzte! Der nächste deutliche Einbruch lässt sich bei oberflächlicher Betrachtung auch mit dem Fall dieser Dynastie mit Ermordung Caracallas im Jahre 217 und nachfolgendem Bürgerkrieg in Verbindung bringen. Mit Caracalla begann auch die Erstemission neuer Münzen, die man heute als Antoninian bezeichnet und eine Reaktion auf die sinkende Akzeptanz der zunehmend wertlos gewordenen Münzen war. Im Jahre 215 war der Silbergehalt auf nur noch um 1,5 g gesunken (nicht gut in der Grafik zu erkennen). Bei Einführung des römischen Denars um 211 v.Chr. hatte der Silbergehalt noch bei rund 4,5 g gelegen. Die Antoniniar-Münzen wurden später teils nur noch mit einer Silberschicht verblendet! Allein den Silbergehalt auf der Grafik zu betrachten ist teils irreführend. Besonders kurzzeitige Gehaltsanstiege sind auf Umprägung bereits im Umlauf befindlicher Altmünzen mit höherem Silbergehalt zurückzuführen.
M.E. wichtig als Essenz dieser Betrachtung ist eine doppelte Feststellung: 1. Den massiven Einfluss innenpolitischer Entwicklungen auf den Münzfuß und 2. Die Entwicklung römischer Münzen weg vom „Realgeld“ und hin zum „Kreditgeld“. Dem bleibt hinzuzufügen
[obige Quelle, S 206]“Die in der Forschung oft als knapp bezeichnete Geldmenge wurde [...] noch durch Kreditgeld „vermehrt“ […] resultierte aus dem Geldverleih gegen Zins […], sowie der Kapitalschöpfung aus Stiftungen und Bankgeschäften.“
PS: Sorry, wenn ich so weit vorne im Thema rückblende, was mE. sowieso in einen anderen Thread gehört
Ich sehe dieser Beitrag ist wieder bei dem alten Thema angekommen, wo die Gründe für den Untergang des Römischen Reiches liegen und nicht, ob der Untergang Westroms noch abzuwenden gewesen sei. Ich plädiere daher dafür die Masse der entsprechenden Beiträge in den entsprechenden Thread zu verschieben, inklusiver meiner Antwort!Ich finde, Augusto hat eine Antwort verdient:
Nur Stichworte: „Grand Strategie“ des Augustus + Vereinnahmung der städtisch geprägten Mittelmeerwelt. Sogenannter „Verzicht“ auf Germanien nach der Varusschlacht „Dem Fuchs hingen die Trauben zu hoch“. Hinweis darauf, dass das römische Militär in Kopfzahlen gesehen eher klein war und sich regelmäßig durch Stellung von Verbündeten verstärkte. Die Auxiliar-Einheiten wurden zusätzlich ein fester, integrierter Bestandteil des römischen Berufsheeres (ungeachtet der Verbündeten).[FONT="]1. Fehlende Expansion:[/FONT][FONT="] Traditionelle Grundlage des römischen "Erfolgs" war konstante Expansion, und nachfolgende Umverteilung aus den neueroberten Gebieten an "Rom" (einschließlich seiner Legionnäre). Je größer "Rom" im Verhältnis zu den neueroberten Gebieten wurde, desto problemarischer wurde dieser Ansatz. Spätestens als die Expansion nach Trajan zum Erliegen kam, wurde ein neues "Finanzierungsmodell" erforderlich, das aber letztendlich nie erfolgreich konzipiert und umgesetzt wurde. [/FONT]
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2. Wirtschaftsstrukturelle Defizite: Das römische Reich hatte traditionell ein strukturelles Handelsbilanzdefizit mit dem Osten (Seidenstraße, Weihrauchstraße etc.), das regelmäßig in Edelmetallen finanziert werden musste. Ab etwa Ende des 2. Jahrhunderts ging zudem die Edelmetallförderung im Reich zurück. In Folge beider Faktoren kam es zu einer stetigen Münzeverschlechterung.
Die archäologische Fundsituation läßt einen römischen Handelsbilanzüberschuss mit dem nichtrömischen Mittel- und Osteuropa vermuten. Dieser wurde allerdings weitgehend nicht in Edelmetallen, sondern durch Leistungserbringung (Stellung von Legionären) finanziert. Insofern könnte die "Barbarisierung" der Armee wirtschaftspolitisch durchaus Sinn gemacht haben, ja u.U. sogar wirtschaftspolitisch begründet gewesen sein.
Die Defizite in der Handelsbilanz sind nicht unumstritten. Laut „Die Wirtschaft des Römischen Reiches (1.-3. Jht.)“ [ab S 137] war der Osthandel der bei weitem Umfangreichere (gegen den Nordhandel) und ist auch deutlich besser dokumentiert und erforscht, ohne völlig bekannt zu sein. Rom bezahlte die über den Osthandel importierten Luxusgüter (vor allem Gewürze, Seide uä.) keineswegs ausschließlich über Edelmetalle. Zumindest der Indienhandel (über den auch die Masse des „China-Handels“ abgewickelt wurde) sei lange ausgeglichen gewesen. In Indien habe man große Mengen römischer Importgüter an Keramik-, Metall- und Glasfunden gemacht. Seit Plinius wird vor allem der Abfluss von Edelmetallen nach Osten beklagt. Dieser ist an sich unstrittig, unterlag aber Schwankungen. Hinzu kommt die Exklusivität der importierten Ostwaren, die sich in der Regel nur die oberste Schicht Roms leisten konnte - sowie Waren für den öffentlichen Betrieb (Weihrauch für Tempel). Der Staat schöpfte Gewinne hier sehr stark ab. Während es im römischen Binnenhandel zwischen den zu Gruppen zusammengefassten Provinzen meist nur 2,5 % Zollaufschlag gab, galt für den Osthandel seit der Ptolemäerzeit aus Ägypten einen Außenhandelszoll von 25 %!
Die Aussagen über den „Nordhandel“ (mit dem „barbarischen Europa“) kann man stehen lassen. Die Germanen dort kannten zumindest einen „Sekundären Geldhandel“, der für den Austausch mit dem Reich wichtig war. Tributforderungen und römische Subsidien waren weitere wichtige Grundlagen für den Warenaustausch. Tribute in Form von Erntegütern, Vieh und Stellung von Soldaten erleichterten nicht nur die römische Militärpräsenz an den Grenzen, sondern schöpfte auch das germanische Potential zur eigenständigen Politik ab, wie ich es bereits in zahlreichen Beiträgen im Kontext zu Foederaten und dem Grundsatz „Teile & Herrsche“ beschrieben habe.
Die Münzverschlechterung ist ein derart weites Thema, dass es einem Minenfeld gleicht auf das ich mich eigentlich kaum wagen will, zumal ich mich auf diesem Boden „nicht eben sicher fühle“. Im oben genannten Buch wird betont, dass römische Münzen zwar als „Realgeld“ (über den Edelmetallwert) galten, sich dieses Prinzip aber zunehmend aufweichte. Politische und wirtschaftliche Stabilität erlaubten Münzverschlechterungen ohne Akzeptanz zu verlieren, oder die Inflation (Anfangs) bemerkenswert zuanzuheizen. [S207] wird bemerkt, dass sich auch in den Wirren des 3. Jht. in Münzhortfunden auch „schlechte Münzen“ finden, sie also einen „wertstabilisierenden Faktor“ darstellten. Beachtenswerter finde ich die Grafik zur Münzverschlechterung des Silberdenars von S 206. Hier ist zu erkennen, dass Münzverschlechterungen häufig parallel zu innenpolitischen Krisen einhergingen! Auffällig ist vor allem der erste große Einbruch zwischen den Jahren 64 und 70 n.Chr. Das ist die Zeit der späten Herrschaft des Nero, sowie der Usurpationen mit Höhepunkt des 4-Kaiser-Jahres 69 an deren Ende die Dynastie der Flavier sich etablieren konnte. Der Silbergehalt schwand in dieser Zeit von 3,65 g auf nur noch 3 g und kurz darauf noch niedriger, ehe ab dem Jahre 82 wieder ein kurzzeitiger Anstieg zu erkennen ist! Eine langsame Abwärtsentwicklung ist später zu erkennen. Der nächste auffällige Fall ist gerade um das Jahr 193/194 zu erkennen – Überraschung: Das ist der Bereich des zweiten Vierkaiserjahres, in dem sich die Dynastie der Severer letztlich durchsetzte! Der nächste deutliche Einbruch lässt sich bei oberflächlicher Betrachtung auch mit dem Fall dieser Dynastie mit Ermordung Caracallas im Jahre 217 und nachfolgendem Bürgerkrieg in Verbindung bringen. Mit Caracalla begann auch die Erstemission neuer Münzen, die man heute als Antoninian bezeichnet und eine Reaktion auf die sinkende Akzeptanz der zunehmend wertlos gewordenen Münzen war. Im Jahre 215 war der Silbergehalt auf nur noch um 1,5 g gesunken (nicht gut in der Grafik zu erkennen). Bei Einführung des römischen Denars um 211 v.Chr. hatte der Silbergehalt noch bei rund 4,5 g gelegen. Die Antoniniar-Münzen wurden später teils nur noch mit einer Silberschicht verblendet! Allein den Silbergehalt auf der Grafik zu betrachten ist teils irreführend. Besonders kurzzeitige Gehaltsanstiege sind auf Umprägung bereits im Umlauf befindlicher Altmünzen mit höherem Silbergehalt zurückzuführen.
M.E. wichtig als Essenz dieser Betrachtung ist eine doppelte Feststellung: 1. Den massiven Einfluss innenpolitischer Entwicklungen auf den Münzfuß und 2. Die Entwicklung römischer Münzen weg vom „Realgeld“ und hin zum „Kreditgeld“. Dem bleibt hinzuzufügen
[obige Quelle, S 206]“Die in der Forschung oft als knapp bezeichnete Geldmenge wurde [...] noch durch Kreditgeld „vermehrt“ […] resultierte aus dem Geldverleih gegen Zins […], sowie der Kapitalschöpfung aus Stiftungen und Bankgeschäften.“
PS: Sorry, wenn ich so weit vorne im Thema rückblende, was mE. sowieso in einen anderen Thread gehört