Herkunft der Sumerer

Brenn

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In den Büchern, die ich bis jetzt gelesen habe, steht immer, dass die Herkunft der Sumerer unbekannt sei. Da diese Bücher jedoch etwas älter sind, frage ich mich, ob das immer noch der aktuelle Stand des Wissens ist.
 
Ich denke auch in Zukunft wird die Herkunftsfrage nicht geklärt werden, da man dazu entweder ausreichend genestisches Material bräuchte oder entgegen aller Wahrscheinlichkeit doch noch eine Sprachverwandtschaft in die eine oder die andere Richtung feststellen müsste. Und es gibt auch sicherlich interessantere Fragestellungen als die leidige Herkunft. Wie war ihr politisches System verfasst, was dachten sie über ihre Umwelt, wie über ihre Götter.
 
Ja, da steht ebenfalls, dass die Herkunft der Sumerer ungewiss ist:winke:

Es gibt natürlich Hypothesen über die Herkunft der Sumerer. Eine lautet, dass sich die Sumerer während der Obed-Kultur herausbildeten, die etwa von 5500 bis 3500 v. Chr. währte. Danach wären sie autochthon, also nicht zugewandert. Obed-Zeit ? Wikipedia

Manche vermuten, die Vorfahren der Sumerer seien vom Zagros-Gebirge in die Flussebene hinabgestiegen, andere nehmen eine Einwanderung von Osten, also vom iranischen Hochland oder sogar aus dem Indusgebiet an, wo sich seit etwa 3000 v. Chr. die Indus-Kultur herausbildete.

Eine von vielen Stimmen sagt dazu:

Die Frage ihrer Herkunft ist bis heute in der Forschung umstritten. Die Theorie von der Einwanderung der Sumerer stützte sich früher vor allem auf die inzwischen überholte Annahme der geologisch späten Entstehung des südlichen Mesopotamiens. Die Befürworter können sich aber auch auf die Zugehörigkeit des Sumerischen zur agglutinierenden Sprachfamilie berufen. Das heißt, der Wortstamm wird nicht gebeugt, sondern an den Stamm werden Vor- und Nachsilben angehängt (agglutiniert), wenn grammatische Formen ausgedrückt werden sollen ...

Zu den agglutinierenden Sprachen zählen beispielsweise auch das Mongolische, das Japanische, das Türkische, das Ungarische und das Finnische. Die Völker, dioe sich der zuletzt genannten Sprachen bedienen, sind aus dem Osten in ihre heutigen Siedlungsgebiete eingewandert. Daher hat man die Heimat der Sumerer im Mittleren und sogar Fernen Osten gesucht. Ferner sind die meisten Namen der in vorgeschichtlicher Zeit gegründeten Städte niicht sumerischen Ursprungs.

Wenn vor den Sumerern andere Völkergruppen anzusetzen wären, würden sie als Ureinwohner ausscheiden ... Wir können aber derzeit nicht einmal sagen, ab wann wir die im südlichen Zweistromöand lebenden Menschen als Sumerer bezeichnen können, seit der Uruk- oder schon seit der Obed-Zeit.

(Barthel Hrouda, Die antiken Kulturen zwischen Euphrat und Tigris, München 1997, S. 20)
 
Nachtrag: Einen anderen Erklärungsansatz zur Herkunft der Sumerer fand ich hier:

Umstritten ist auch, ob die Sumerer bodenständig (autochthon) waren oder über den Seeweg aus dem Gebiet jenseits des Kaukasus oder jenseits des Kaspischen Meeres eingewandert waren. Wenn sie autochthon waren, so wären sie die Gestalter der vor 3000 v.Chr. ("vor der großen Flut") in Südmesopotamien nachgewiesenen Uruk-Kultur mit den Hauptfundplätzen Uruk (biblisch: Erech), Ur, Lagasch, Kisch. Wenn sie eingewandert waren, so hätten sie die Uruk-Kultur vorgefunden, sie zerstört und sich allmählich unter Übernahme der Kulturelemente Uruks aus einem Nomaden- zu einem Kulturvolk von nachwirkender Eigenart entwickelt. Diese Theorie ist am wahrscheinlichsten, denn die späteren Heldenepen und -lieder deuten auf eine große Wanderzeit und eine lang dauernde Auseinandersetzung mit wirtschaftlich und militärisch starken Gegnern hin, der eine Periode des Verfalls folgte.
 
**Die Befürworter können sich aber auch auf die Zugehörigkeit des Sumerischen zur agglutinierenden Sprachfamilie berufen.**

Eine "agglutinierende Sprachfamilie" gibt es nicht. "Agglutinierend" bezeichnet einen morphologischen Sprachtypus, dem Sprachen ganz verschiedener Sprachfamilien angehören.
 
Das hört sich jetzt wahrscheinlich ein wenig "komisch" an, aber vielleicht waren sie schon "immer" dort?
 
@ Dieter: Hat sich erledigt: Antwort müßte "ja" lauten:
Mesopotamien: die antiken Kulturen zwischen Euphrat und Tigris - Barthel Hrouda - Google Books

**Die Befürworter können sich aber auch auf die Zugehörigkeit des Sumerischen zur agglutinierenden Sprachfamilie berufen.**

Eine "agglutinierende Sprachfamilie" gibt es nicht. "Agglutinierend" bezeichnet einen morphologischen Sprachtypus, dem Sprachen ganz verschiedener Sprachfamilien angehören.

Da drückt sich Hrouda tatsächlich falsch aus; ich würd's ihm als Versehen nachsehen.
 
Das hört sich jetzt wahrscheinlich ein wenig "komisch" an, aber vielleicht waren sie schon "immer" dort?

Das hört sich keineswegs komisch an. Es gibt durchaus eine Fraktion von Wissenschaftlern, die vermutet, dass die Sumerer zur altansässigen Bevölkerung zählen. Nach dieser Hypothese gingen sie aus der Obed-Kultur hervor Obed-Zeit ? Wikipedia

Wie man sieht, gibt es im Grunde drei zentrale Hypothesen:

1. Die Sumerer sind aus einer altansässigen neolithischen Bevölkerung hervorgegangen, die ursprünglich aus den Zagrosbergen herabgestiegen ist,

2. Die Sumerer sind aus dem Osten zugewandert und möglicherweise drawidischer Herkunft.

3. Die Sumerer sind aus Asien zugewandert, möglicherweise über den Kaukasus.

Sicher gibt es daneben noch weitere Spekulationen.
 
Das hört sich keineswegs komisch an. Es gibt durchaus eine Fraktion von Wissenschaftlern, die vermutet, dass die Sumerer zur altansässigen Bevölkerung zählen. Nach dieser Hypothese gingen sie aus der Obed-Kultur hervor Obed-Zeit ? Wikipedia

Wie man sieht, gibt es im Grunde drei zentrale Hypothesen:

1. Die Sumerer sind aus einer altansässigen neolithischen Bevölkerung hervorgegangen, die ursprünglich aus den Zagrosbergen herabgestiegen ist,

2. Die Sumerer sind aus dem Osten zugewandert und möglicherweise drawidischer Herkunft.

3. Die Sumerer sind aus Asien zugewandert, möglicherweise über den Kaukasus.

Sicher gibt es daneben noch weitere Spekulationen.



Interessant aber ich hatte eigentlich an die nachfahren der "Göbekli Tepe-Menschen" gedacht wobei mir die "Zagros-Theorie" dann doch stimmiger vorkommt.
 
Interessant aber ich hatte eigentlich an die nachfahren der "Göbekli Tepe-Menschen" gedacht wobei mir die "Zagros-Theorie" dann doch stimmiger vorkommt.

Es ist ja durchaus möglich, dass die Nachfahren von Göbekli Tepe zu den Vorfahren der Sumerer zählen. Der Fantasie sind in dieser Hinsicht keine Grenzen gesetzt.

Die frühesten neolithischen Funde wurden im Zagrosgebirge, den Bergen im Norden Mesopotamiens und der Levante gemacht (fruchtbarer Halbmond). Landwirtschaft in diesen Regionen lässt sich bereits seit dem 10./9. Jahrtausend v. Chr. nachweisen, also zu einer Zeit, als die mesopotamische Ebene wenig besiedelt war und mesolithischen Charakter hatte. Die Verfechter einer autochthonen Herkunft der Sumerer gehen davon aus, dass die Besiedlung Mesopotamiens von diesen Bergzügen her erfolgte und sich dann allmählich die verschiedenen neolithischen Kulturstufen herausbildeten (u.a. Hassuna-Kultur, Samarra-Kultur, Halaf-Kultur, Obed-Kultur).
 
Ich bin zwar kein Fan von Bier, aber als Indikator für die sumerische Herkunft könnte es insofern etwas hergeben, als 1) im Iran mutmaßlich das Bier "erfunden" wurde und 2) die Sumerer von den historischen Belegen her das früheste biertrinkende Volk waren, sowie 3) für die Ubaid-Kultur meines Wissens kein Bier nachgewiesen ist. Das zusammengenommen könnte für eine iranische Herkunft der Sumerer sprechen. Wohlgemerkt: könnte.
 
Ich bin zwar kein Fan von Bier, aber als Indikator für die sumerische Herkunft könnte es insofern etwas hergeben, als 1) im Iran mutmaßlich das Bier "erfunden" wurde und 2) die Sumerer von den historischen Belegen her das früheste biertrinkende Volk waren, sowie 3) für die Ubaid-Kultur meines Wissens kein Bier nachgewiesen ist. Das zusammengenommen könnte für eine iranische Herkunft der Sumerer sprechen. Wohlgemerkt: könnte.

Hast du gerade Reichhoff gelesen? Evolution : Am Anfang war das Bier ? und nicht der Hunger - Nachrichten Wissenschaft - DIE WELT
 
Und es gibt auch sicherlich interessantere Fragestellungen als die leidige Herkunft. Wie war ihr politisches System verfasst, was dachten sie über ihre Umwelt, wie über ihre Götter.

Genau diese Fragen stehen im engen Zusammenhang mit der Herkunftsfrage. Laut Samuel N. Kramer (einer der bekanntesten Sumerologen) waren die Sumerer ein überaus gewalttätiges Volk, deren Kultur der unterworfenen und grundsätzlich friedlichen Ubaid-Kultur zum Zeitpunkt der Unterwerfung deutlich unterlegen war. Die ubaidische Religion war in Kontinutität zur prähistorischen Religiosität auf eine Göttin fokussiert, wie zahlreiche Statuettenfunde belegen, was in klarem Widerspruch zur sumerischen Religiosität steht, die zwar ebenfalls eine Zeitlang eine Göttin favorisierte (Inanna, der die meisten Tempel geweiht waren), bekanntlich aber auch männliche Götter verehrte von teilweise höchst kriegerischer Natur. Diesen Göttertypus fanden die Sumerer in Ubaid nicht vor, sondern mussten ihn mitgebracht haben. Damit dürfte sich auch die Theorie erledigen, dass die Sumerer ein indigenes Volk waren.
 

Nein, aber ich schreibe gerade an einer Studie ("Theistische Religionen und ihre Funktion als Stütze von Herrschaft", kommt dann ins academia.edu), in der es auch um den Drogenkontext der Religionsentstehung geht (Schamanismus). Übrigens produziert das menschliche Gehirn körpereigene Opiate, wenn es durch religiöse Rituale in einen bestimmten Zustand gerät (Studien von Frecska/Kulcsar). Dieser Befund wird Katholiken et al. natürlich nicht schmecken.
 
Genau diese Fragen stehen im engen Zusammenhang mit der Herkunftsfrage. Laut Samuel N. Kramer (einer der bekanntesten Sumerologen) waren die Sumerer ein überaus gewalttätiges Volk, deren Kultur der unterworfenen und grundsätzlich friedlichen Ubaid-Kultur zum Zeitpunkt der Unterwerfung deutlich unterlegen war. Die ubaidische Religion war in Kontinutität zur prähistorischen Religiosität auf eine Göttin fokussiert, wie zahlreiche Statuettenfunde belegen, was in klarem Widerspruch zur sumerischen Religiosität steht, die zwar ebenfalls eine Zeitlang eine Göttin favorisierte (Inanna, der die meisten Tempel geweiht waren), bekanntlich aber auch männliche Götter verehrte von teilweise höchst kriegerischer Natur. Diesen Göttertypus fanden die Sumerer in Ubaid nicht vor, sondern mussten ihn mitgebracht haben. Damit dürfte sich auch die Theorie erledigen, dass die Sumerer ein indigenes Volk waren.

Du glaubst aber nicht ernsthaft, dass du damit das Problem der umstrittenen Herkunft der Sumerer gelöst hast. Es ist höchstens eine weitere Hypothese.

Über die Religion vorsumerischer Völker oder Stämme können wir keine verlässliche Auskunft geben, da die Quellen viel zu dürftig sind. Schriftquellen gibt es noch nicht und anhand einiger Statuetten oder Idole lässt sich wenig aussagen. Was das sumerische Pantheon betrifft, so finden wir zahlreiche weibliche Gottheiten in wichtigen Funktionen. So die Göttin Nammu und die Erdgöttin Uras bei der Schöpfung, die Getreidegöttin Ninlil als Gemahlin des Luftgottes Enlil und auch die Unterweltsgöttin Ereskigal. Die Fruchtbarkeitsgöttin Inanna steht mit an der Spitze des sumerischen Götterhimmels.

Es kann also also keine Rede davon sein, dass weibliche Gottheiten bei den Sumerern unterrepräsentiert waren und Gegensätze zu schriftlosen vorangehenden Kulturen lassen sich ebenfalls nicht erkennen - sofern sich darüber überhaupt eine Aussage machen lässt.

Die Sumerer waren weder besonders kriegerisch noch besonders unkriegerisch: Die zahlreichen Stadtstaaten bekämpften sich häufig und es ging dabei - wie das bei solchen politischen Systemen üblich ist - um Machterweiterung. Das ist aber nun keine spezielle Eigenart der Sumerer, sondern fand auch in nachfolgenden mesopotamischen bzw. babylonischen Kulturen statt, die von semitischen Bevölkerungen getragen wurden. Wie friedlich oder unfriedlich die Bevölkerungsgruppen der schriftlosen Halaf-, Samarra oder Obed-Kulturen waren, können wir überhaupt nicht sagen.
 
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